[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie der dumme Sohn des Khans eine Frau fand

Es war einmal ein Khan, der hatte einen Sohn. Die Khane sind häufig dumm, doch einen solchen Dummkopf wie den Sohn dieses Khan hatte noch keiner gesehen. Was man ihm auch zu erklären suchte, er blinzelte nur dümmlich mit den Augen. Was er auch anrühren mochte, alles fiel ihm aus den Händen.

So war er denn zu seinem Beinamen gekommen: Plinkerheini-Liederjan. Als Plinkerheini-Liederjan herangewachsen war, rief der Khan seinen Erben zu sich und sprach: »Mein Sohn, es ist für dich an der Zeit zu heiraten. Doch wer vermählt schon seine Tochter mit einem solchen Dummkopf wie dir? Mach dich also auf den Weg und suche dir selbst eine Frau!« Der Dummkopf braucht nicht weit zu gehen, um etwas zu suchen. So zog auch der Sohn des Khans nur bis zum nächsten Basar und fragte, ob keiner eine Frau für ihn habe. Statt einer Antwort lachten ihn alle aus. Bald erschien ein Mann auf dem Basar, der einen mit Butterkrügen beladenen Esel hinter sich her zerrte. Die anderen Händler begrüßten ihn: »Atschun-Tschun, seit wann ist es Männersache, Töpfe und Butter zu verkaufen? Wo steckt denn deine Tochter?« Antwortete Atschun-Tschun: »Meine Tochter ist so dumm, dass sie unsere frische Butter gegen Wasser eintauscht. Mag sie also daheim sitzen!«

Als der dumme Sohn des Khans von dem dummen Mädchen hörte, dachte er bei sich: Das wäre die rechte Frau für mich! Er trat zu Atschun-Tschun und bat: »Atschun-Tschun, darf ich Brautwerber zu dir schicken?« Atschun-Tschun glaubte, da wolle sich einer über ihn lustig machen, und erwiderte: »Schick deine Brautwerber zu meinem Esel!« Der einfältige Sohn des Khans wartete, bis Atschun-Tschun seine Ware abgeladen hatte, trat zum Esel und fragte: »Lieber Esel, wie muss ich um Atschun-Tschuns Tochter werben?« Der Esel begriff nicht, was man von ihm wollte, wandte sich ab von dem dummen Sohn des Khans und trat mit den Hufen in die Butterkrüge. Plinkerheini-Liederjan erschrak und rannte fort. Atschun-Tschun sprang auf seinen Esel und jagte hinterdrein.

Plinkerheini-Liederjan lief so schnell, dass er nicht bemerkte, wie er in den nächsten Aul gekommen war. Dort erblickte er ein Mädchen, das Küken einfing und wieder laufen ließ. Mitten auf dem Weg lagen, in ein Tuch eingeknüpft, aufgestapelte Eier. Das Mädchen hob das Bündel an, um es wieder ins Gras zu legen. Erstaunt fragte Plinkerheini-Liederjan: »Was tust du da?« Das Mädchen bat: »Sei so gut und hilf mir! Daheim sitzt die Bruthenne auf den Eiern, und die Glucke führt die Küken aus. Vater ist zum Basar und hat mir befohlen, drauf zu achten, dass die Eier unter der Bruthenne nicht kaputtgehen und dass die Küken nicht davonlaufen. Wie soll ich das bloß machen?«

»Ganz einfach«, erwiderte Plinkerheini-Liederjan, »du brauchst nur die Küken an die Glucke zu binden.« Er legte die in das Tuch geknüpften Eier unter seine Papacha, half dem Mädchen die Küken einfangen und band sie an die Glucke. In dem Augenblick flog ein Habicht herbei, packte die Glucke und stieg steil in den hohen Himmel auf.

Atschun-Tschun kehrte auf seinem Esel in den Aul zurück, sah, dass nicht nur die Butter verdorben war, sondern auch die Küken verloren waren, griff zum Stock und verprügelte den einfältigen Sohn des Khan. Da gingen die Eier unter Flinkerheini-Liederjans Papacha kaputt, und das Eidotter floss ihm übers Gesicht. Atschun-Tschun dachte, dass er den Burschen erschlagen hatte, und erschrak. Er zerrte Plinkerheini-Liederjan in den Stall und warf ihn auf den Mist, um ihn später aufs Feld zu schaffen.

In Atschun-Tschuns Stall aber war die Kuh krank. Abends trieb Atschun-Tschun den Esel in den Stall, rief seine Tochter, reichte ihr den Dolch und sagte: »Du schläfst heute im Stall. Wenn du merkst, dass die Kuh krepiert, schlachte sie ab!« Nachts erwachte Plinkerheini-Liederjan im Mist und begann zu stöhnen. Atschun-Tschuns dumme Tochter glaubte, die Kuh krepiere, und schlachtete sie ab. Plinkerheini-Liederjan erhob sich, und Atschun-Tschuns Tochter sagte: »Gut, dass du erwacht bist. Wir müssen den Habicht suchen mit der Glucke. Für die Küken ist's an der Zeit zu schlafen.« Da Atschun-Tschuns Tochter glaubte, sie habe die Kuh nicht richtig abgestochen, reichte sie Plinkerheini-Liederjan den Dolch und bat: »Schlachte du sie ab!« Der dumme Sohn des Khans schlachtete den Esel.

Morgens sahen Atschun-Tschuns Tochter und Plinkerheini-Liederjan, was sie in der Nacht angerichtet hatten, und beschlossen zu fliehen. Doch Atschun-Tschun pflegte seinen Hof zu versperren, die Mauer aber war hoch. Plinkerheini-Liederjan sprang auf die Arba, die an der Mauer lehnte, Atschun-Tschuns Tochter kletterte auf seine Schultern und packte den Balken, der aus dem Mauerwerk ragte. Die Arba rutschte zur Seite, und die beiden schwebten in der Luft. Atschun-Tschuns Tochter rief: »Halt dich fest an mir, ich will dir die Arba hinein schieben.« Sie lockerte ihren Griff, und im nächsten Augenblick lagen sie beide auf der Erde. Plinkerheini-Liederjan sagte: »Du kannst dich dort oben nicht richtig mit den Händen festklammern. lass mich lieber hoch!« Er kletterte zu dem aus dem Mauerwerk ragenden Balken hinauf. Atschun-Tschuns Tochter hielt sich an Plinkerheinis Füßen fest, doch sie stürzten wieder ab.

Inzwischen war Atschun-Tschun erwacht und beobachtete die beiden aus dem Fenster seiner Schlafstube. Als er sah, wie dumm sich seine Tochter und der Jüngling, der sie zur Frau haben wollte, anstellten, dachte er: Warum soll ich meine Tochter eigentlich nicht fort geben? Zumindest geschieht dann fortan meiner Butter und den Küken nichts. Als Atschun-Tschun erfuhr, dass Plinkerheini-Liederjan der Sohn des Khans sei, vergaß er Butter und Küken und trauerte auch dem abgeschlachteten Esel nicht mehr nach. Vielmehr stattete Atschun-Tschun seine Tochter mit einer reichen Mitgift aus und schickte die jungen Leute zum Khan. Plinkerheini-Liederjan musste sich das Bett auf den Buckel laden, die Tochter aber trug die Taschen, dazu kleine Bastsäcke mit Zucker und Tee.

Der Weg führte bergan, und der Sohn des Khans geriet ins Schwitzen. So warf er kurzerhand das Bett auf die Landstraße und sagte verdrossen: »Ich hab nur zwei Beine, du aber hast vier. Geh man schön allein weiter.« Atschun-Tschuns Tochter gab dem Jüngling einen Teil ihrer Last. Als sie eine Quelle erreichten, schien Plinkerheini-Liederjan auch diese Last zu schwer. Er fragte: »Weshalb schleppen wir den Zucker eigentlich mit uns herum, wenn wir zum Teetrinken hierher kommen können!« Und er warf seine Bürde ins Wasser. Atschun-Tschuns Tochter rief: »Weshalb sollen wir jedes Mal die Tassen mitschleppen, wenn wir sie gleich hier lassen können?« Und sie warf ebenfalls alles, was sie trug, in die Quelle. So kehrte Plinkerheini-Liederjan unbeschwert in seinen heimatlichen Aul zurück, und alle waren sich darüber einig, dass er keine passendere Frau hätte finden können als Atschun-Tschuns Tochter.