[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der schlaue Bauersmann

Im Dorf Gello in der Toskana lebte einst ein armer Bauer namens Campriano. Der sprach eines Tages zu sich selbst: »Was soll ich anfangen bei meiner Armut? Sechs Töchter habe ich, die heiraten möchten, und doch besitze ich gar nichts, um ihnen eine Aussteuer geben zu können. Zudem erwartet meine Frau ein Kindlein. Ich habe nichts als diesen Esel und die fünf Lire, die meinem Gutsherrn gehören. Nun gut, es mag gehen, wie es will, ich muss schauen, wie ich etwas verdienen kann. Ich will mit meinem Eselchen zum Markt gehen, vielleicht, dass ich einen guten Handel machen kann. Die fünf Lire, die ich für meinen Herrn aufgehoben habe, will ich meinem Tier zu fressen geben.«

Und so tat er denn. Wie er auf den Markt ritt, begegnete er einigen Kaufleuten und knüpfte mit denen ein Gespräch an, wobei er ihnen erzählte: »Seht, diesen Esel da will ich auf dem Markt verkaufen, denn er hat mir so viel Kupfer- und Silberstücke gemacht, dass ich es überdrüssig geworden bin.« Da lachten die Kaufleute heimlich über ihn und meinten, er sei närrisch geworden. Aber in diesem Augenblick ließ der Esel alles Geld, das er im Leib hatte, fallen. Da sprachen die Kaufleute zum Bauern: »Lies doch das Geld auf, das dein Tier hat fallen lassen.«

»Ach«, entgegnete Campriano, »ich bin ganz erschöpft vom ewigen Aufheben. Ich habe das ganze Haus voller Geldstücke und dazu noch einen großen Bottich. Ich will das Tier verkaufen oder sonst verhandeln, denn meine Frau und Töchter haben den Esel satt, und niemand mag ihn mehr zu Hause dulden.«

Die Kaufleute flüsterten einander ins Ohr und kamen überein, den Esel zu kaufen. Sie fragten daher den Eselstreiber: »Was soll dieses Tier kosten?« Und Campriano sprach: »Fünfzig Dukaten, denn in drei Tagen hat sie euch der Esel schon zurückverdient.« Das schien den beiden etwas zu teuer, und sie fragten: »Hat das Tier keinen Fehler?«

»Ihr werdet's gleich sehen«, versicherte Campriano, »ich will ihn galoppieren lassen, und ihr dürft ihm auch ins Maul schauen, dann könnt ihr euch überzeugen, dass er weder blind ist noch ein Hinkebein. Er ist auch weit mehr als hundert Dukaten wert, und wenn ich nicht längst schon das ganze Haus voll Geld hätte, gäbe ich ihn nicht her, selbst wenn ihr mir die schöne Stadt Siena drum gäbet.« Sie kauften ihm also den Esel ab, zahlten ihm sofort die fünfzig Dukaten aus, und der Bauer ging vergnügt damit nach Hause.

Als er heimkam, sagte er zu seiner Frau: »Nun gilt es, einen Sack voll List und Schlauheit anzuwenden. Denk dir, ich habe den Esel an einige Kaufleute verkauft und ihnen einen Bären aufgebunden; ich fürchte nur, dass sie mir das Tier wiederbringen, und wenn wir der Gefahr entrinnen wollen, so höre, was ich dir für einen Rat gebe. Steh morgen in aller Frühe auf, bereite zwei Kapaune zu, den einen gesotten, den andern gebraten, und mach, wenn ich heimkomme und an die Tür klopfe, dass sie gekocht sind, denn ich will jene zwei Tölpel zum Essen einladen. Und sobald ich an der Tür bin, stelle den Kochtopf mitten ins Haus, als koche er im Schatten ohne Feuer. Ich will sehen, ob ich diesen Kaufleuten nicht auch noch den Kochtopf verkaufen kann. Sei klug also, und wenn sie kommen, dann schick sie zu mir in den Weinberg!«

Indessen führten jene Kaufleute den vermeintlichen Geldesel in ihr Haus, legten zwei schöne weiße Leintücher unter, gingen dann zu Bett und erwarteten voll Ungeduld den Morgen. Dann, als der Tag graute, nahmen sie einen Sack und gingen in das Stallchen. Aber als sie nachschauten, waren es keine Geldstücke, die auf dem Tuch lagen, und voll Wut schrieen sie: »Dieser Schurke hat uns betrogen! Das soll er mit dem Tode büßen und uns das Geld zurückgeben!« Sogleich machten sie sich auf den Weg, um den Bauern umzubringen.

Campriano war inzwischen mit Spaten, Hacke und Karst in den Weinberg gegangen. Auch hatte er zwei gleiche Kaninchen. Von denen ließ er eins zu Hause, das andere nahm er in der Kapuze seines Mantels mit, denn er hatte bereits wieder eine List ersonnen, um den beiden einen neuen Streich zu spielen. Kaum hatten ihn die Kaufleute im Feld erblickt, so kamen sie pfeilgeschwind und zornglühend auf ihn zu, ohne ihn zu begrüßen. »Guten Tag«, sagte Campriano, »was führt euch her mit solcher Eile und Ungestüm?«

»Du elender Spitzbube, du hast uns betrogen und willst uns schmeicheln! Gib uns das Geld zurück, das wir dir gaben, und nimm deinen Dreckesel wieder zu dir.«

»Wenn ihr weiter keinen ändern Zorn habt als den, so beruhigt euch nur; euer Geld will ich euch sogleich wiedergeben, aber zuerst sollt ihr bei mir zu Mittag essen.«

Dann nahm er das Kaninchen aus der Kapuze hervor und sprach zu ihm, dass sie es mit ansehen und hören konnten: »Geh, laufe zu Lise und sag ihr, sie soll sogleich zwei Kapaune töten, den einen sieden und den andern braten. Und sag ihr auch, dass ich zwei Kaufleute als Gäste zum Essen mitbringe; sie soll den Tisch auch hübsch decken und alles sauber herrichten, um allen Ehre zu bereiten!« Und damit ließ er das Kaninchen laufen. Aber dieses kehrte nicht heim, sondern sprang in den Wald und kam nicht wieder. Als der kleine Bote fort gegangen war, sagte Campriano: »Auf, lasst uns gleich zum Essen gehen!« Er nahm die Hacke auf die Schulter, stülpte die Kapuze über und seufzte: »Wenn wir nur schon zu Hause wären! Ich sterbe fast vor Hunger, und dann sollt ihr auch gleich euer Geld wiederhaben.« Die Kaufleute aber sagten kein Wort und waren neugierig, wie die Sache herauskomme.

Sie gelangten nach Hause. Campriano klopfte mit der Hacke an die Tür, und seine Frau nahm sofort den Kochkessel vom Feuer, stellte ihn mitten auf den Boden, versteckte blitzschnell das Kohlenbecken, rief dann: »Wer ist da?« und öffnete die Haustür. Campriano trat mit seinen zwei Gästen in die große Stube, wo der Kochtopf mitten auf dem Boden stand und das Essen darin kochte. »Nun, ist der Braten gar geworden? Wir haben ordentlich Hunger.«

»Ja freilich«, erwiderte die Frau. In diesem Augenblick hüpfte das andere Kaninchen aus einer Bettlade heraus. Die Kaufleute sahen dies und sagten zueinander: »Wir wollen ihm das Leben lassen, und auch das Geld soll er für sich behalten, dafür aber muss er uns jenen Kochtopf verkaufen, der dort so stark siedet, und jenes Kaninchen, und ohne das gehen wir nicht aus dem Haus fort; doch wollen wir ihm erst nachher davon sprechen.« Der Bauer sagte: »Nun wollen wir essen, und nachher sollt ihr euer Geld bekommen.« Also setzten sie sich zu Tisch. Der bestand aus einer Truhe, und sie mussten auf dem Boden sitzen. Auch gab's da kein Tischtuch oder Servietten, und die Gläser waren irdene Näpfe. Trotz alledem ließen sie sich den Kapaunbraten wohl schmecken. Sie aßen und tranken, wie's die Bauern machen, nämlich den Mund voll und auch beide Hände. Und nachdem sie die Hühner verzehrt hatten, sagte einer der Kaufleute: »Was ich nun sage, darfst du uns nicht übel nehmen.« Campriano versprach es. Dann fuhr der andere fort: »Den Kochtopf dort, den musst du uns verkaufen; und auch jenes Kaninchen möchten wir gern als Laufburschen behalten.«

Campriano lachte das Herz vor innerem Vergnügen, und er antwortete ihnen mit freundlichen Worten: »Mein ehrbarer und liebwerter Kaufmann. Das kannst du mir nicht einmal mit einem Florin bezahlen! Für den Kochtopf muss ich dreißig Dukaten haben, denn schon am Holz allein kann er's ersparen. Und dann besitzt er noch eine Tugend: Man braucht fast kein Salz, und dadurch lässt sich wiederum eine große Ersparnis machen. Das Kaninchen hier hat mir lange Zeit als Bote gedient. Es ist früher bei meinem Großvater und Urgroßvater gewesen, es besitzt eine besondere Gnade: Es wird nie alt und bleibt immer jung. Für sechzig Dukaten will ich dir beide lassen, aber nicht um einen Batzen kann ich es billiger geben.«

Also wurden sie über diesen Preis einig, zahlten ihm sechzig Dukaten und zogen mit ihrem Kochtopf und dem Kaninchen hoch beglückt nach Hause, wo sie ihren Frauen erzählten, was für einen seltenen Fang sie gemacht hatten.

Campriano jedoch war inzwischen in tausend Ängsten, sein Betrug könnte ihm diesmal übel bekommen. Seine Frau jedoch tröstete ihn mit den Worten: »Du brauchst keine Angst zu haben, wenn sie mit dem Kochtopf und dem Kaninchen wieder zurückkommen. Hör, was mir für ein Gedanke gekommen ist! Wir haben doch dort oben jene verrostete Trompete, die seit Monaten schon hier hängt. Wenn die Leute nun kommen, sagst du, ich hätte sie betrogen, und tust dann, als wärest du schwer erzürnt gegen mich. Du nimmst den Dolch und durchbohrst die Blase voll Blut, die ich am Hals versteckt habe, und ich gebärde mich, als wäre ich getötet worden. Dann kannst du mich mit jener Trompete wieder aufwecken; ich werde ihnen ein Märchen erzählen, dass ich in einem Grab gewesen sei, und dann werden sie Lust bekommen, die Trompete von dir zu kaufen, weil man damit die Toten auferwecken könnte.« So sprach die kluge Frau. Es ist doch manchmal gut, eine Frau zu haben, denn sie kann uns bisweilen einen guten Rat geben. - Also stellten sie das Nötige dazu bereit und warteten frohgemut auf die Kaufleute.

Diese hatten - um die Probe zu machen - ihren Frauen das schönste Stück Ochsenfleisch geschickt, um es im Kochtopf zu sieden, und sie warteten auf dem Feld, bis das Kaninchen komme, sie zum Mittagessen zu rufen. Sie warteten und warteten, aber das Kaninchen kam nicht, obwohl es die Frauen zu ihnen geschickt hatten. Es war in den Wald entlaufen. »Hat uns der Mensch am Ende wieder zum Narren gehabt?« meinte der eine. »gewiss ist's wieder ein Schwindel«, versetzte darauf der andere. Sie machten sich auf den Weg nach Hause, ob sie vielleicht doch noch dem Kaninchen begegneten. Unter solchen Gesprächen kamen sie heim, traten ein, ohne anzuklopfen, und freuten sich schon auf das feine Mittagessen. Aber die Frauen riefen: »Es ist noch nicht gekocht.« Da schlugen sie die Hände zusammen und sagten: »So hat er uns richtig nach Cordova geschickt, dieser Gauner. Aber wart nur, der soll es büßen; noch heut gehn wir hin und schlagen ihm den Schädel ein!«

Und voller Wut liefen sie zu ihm: »Du trauriger Schwindler, du nichtsnutziger Tölpel, sofort gib uns das Geld zurück, sonst geht's dir an den Kragen! Du sollst lernen, ein andermal nicht mehr zu betrügen.«

»Ich habe noch nie jemanden betrogen«, erwiderte Campriano, »und am wenigsten solch biedere Leute, wie ihr seid.«

»Freilich, mit dem Esel, dem Kochtopf und dem Kaninchen. Genauso, wie das Fleisch in den Topf gelegt wurde, so hat es meine Frau wieder herausgenommen. Und das Kaninchen ist davongelaufen. Schnell, gibt das Geld zurück, wenn dir dein Kopf lieb ist!« Jetzt erkannte Campriano die Gefahr, sprach aber begütigend: »Über das Kaninchen müsst ihr euch nicht wundern, wenn es anderswohin gelaufen ist. Warum habt ihr ihm den Weg nicht gezeigt, auf dem es wieder hätte zurückkommen können? Und dann, wenn das Fleisch nicht gekocht wurde, so hat meine Frau euch vielleicht den unrichtigen Topf gegeben! Wartet ein Weilchen, ich will sie fragen, ob sie euch getäuscht hat. Und wenn das der Fall ist, so will ich ihr zeigen, wie sehr ich darob erzürnt bin. Lisa, komm herunter! Mit diesem Stock werf ich dich die Treppe hinab, wenn ich dich erwische. Du wirst deinen Campriano schon kennen!«

»Was Teufels ist da los, was soll ich angestellt haben?« rief sie erzürnt herab. »So sag, was für einen Topf hast du diesen Kaufleuten da gegeben?«

»Mein lieber Mann, ich will dir die Wahrheit bekennen. Als ich den Zaubertopf waschen wollte, ging er mir in die Brüche. Ach Gott! Und um deinen Schlägen zu entgehen, hab ich den Kaufleuten jenen andern gegeben, den sie dir zurückbringen. Aber ich bitte dich, hab Erbarmen mit mir!«

»So, ist das die Ehre, die du mir antust, du Nichtsnutz! Wart nur, das sollst du noch heute büßen!«

»Mach, wie du willst, aber den Topf findest du nicht mehr, und wenn du mir deshalb auch Schläge gibst.« Campriano schrie; »Bist du noch nicht still?« sprang ihr nach und durchbohrte die Blase mit dem Blut. Da warf sich die Frau zu Boden und tat, als wenn sie sterben würde. Als das die Kaufleute sahen, sagten sie zueinander: »Jetzt siehst du, dass Campriano nicht betrügt. Aber ich möchte nicht, dass diese Frau unseretwegen den Tod erleiden soll.« Aber Campriano beruhigte die beiden und sprach: »Wenn ihr wollt, so will ich sie wieder auf erwecken und ihr euch zuliebe verzeihen.«

»Wie, auferwecken? Bist du etwa Christus oder Sankt Petrus, der die Toten auferweckte?«

»Ich bin weder Christus noch Sankt Petrus; und dennoch wirst du ein Wunder erleben, sobald du die Trompete blasen hörst, die dort hängt.« Und mit diesen Worten nahm er sie von der Wand. Voller Erstaunen schauten die Kaufleute einander an, und der eine sprach zum andern: »Wenn er die Toten auferweckt mit dieser Trompete, so will ich ihm unter allen Umständen das Ding abkaufen. Kann man damit die Toten aus dem Grabe holen?« Da sprach Campriano: »Wenn der Sohn Gottes kommen wird, uns zur Auferstehung zu rufen, so wird's dem einen Freude bringen, dem andern Trübsal. Adam verfertigte diese Trompete mit eigener Hand, mit ihr erwecken wir jeden Toten wieder.«

Da sprach einer der Kaufleute: »Das möchte ich gern sehen.« Und Campriano hub an, mächtig zu blasen. Da richtete sich die Frau auf und tat, als wäre sie aus dem Grab auferstanden, und nachdem sie wieder zu sich gekommen war, begann sie zu erzählen, als wäre sie in der Hölle gewesen: »Ich habe in der Hölle den Teufel gesehen und Versiera, die Frau des Satans. Und wie der Wurm den Kohlkopf, so zernagten sie alle meinen Leib. Ich wollte fliehen und rief Sankt Paulus um Hilfe und kam doch immer tiefer hinab, wo Schlangen, Kröten, Taranteln und Eidechsen in solcher Unmenge hausen, dass tausend Karren sie nicht hätten fortführen können. Sobald ich dann den himmlischen Klang dieser Trompete vernahm, verließ mich der Teufel, und es war, als wenn meine Seele Flügel nähme, mit solcher Eile kehrte sie zurück, um in der sterblichen Hülle meines Leibes wieder Wohnung zu nehmen. Allezeit werde ich meine Fehler bereuen, denn die Hölle ist bitterer als Wermut.«

Als das die beiden Kaufleute gehört hatten, wünschten sie um jeden Preis, ihm die Trompete abzukaufen, und Campriano überließ sie ihnen für fünfzig Dukaten, worauf sie freudestrahlend heimkehrten. Unterwegs sprach der eine: »Sobald ich nach Hause komme, wollen wir die Trompete erproben. Ich bringe meine Frau um und du die deine, und dann wollen wir sie beide wieder vom Tod erwecken.« Das vollführten sie auch, und als die beiden Frauen keinen Atemzug mehr taten, fingen ihre Männer an, gewaltig die Trompete zu blasen, aber die Frauen erwachten nicht mehr, sooft auch die Kaufleute den Versuch wiederholten. Das war für sie eine furchtbare Enttäuschung. Sie mussten in aller Eile die toten Frauen in dunkler Nacht heimlich begraben. Aber jetzt sollte auch Campriano dran glauben. Sie beratschlagten, wie sie das anstellen wollten, und der eine sprach: »Wir gehen in sein Haus, nehmen ihn und stecken ihn in einen Sack. Dann gehen wir bei Nachtzeit zum großen Fluss hinab auf jene hohe Brücke, die über eine tiefe Schlucht führt, und dort werfen wir den Sack hinab. So wird er die Strafe für seine Übeltaten finden.«

Und darauf nahmen sie einen großen Sack und machten sich auf nach seinem Haus. Es mochte schon neun Uhr abends sein, als sie hinkamen und auf ihn lauerten. Campriano trat eben aus dem Haus. Sie fielen mit großer Wut über ihn her, banden ihn und steckten ihn in ihren Sack. Dann nahm ihn der eine auf die Schulter und trug ihn hinab in die Felsenschlucht. Campriano konnte kein Wort hervorbringen, er war vor Schrecken wie gelähmt.

Aber nun seht, wie ihm der liebe Gott in dieser Not half. Er bewirkte, dass die Kaufleute einen großen Durst bekamen. Und der eine hub zu reden an: »Wir müssen diesen Sack eine Weile hinstellen und steigen dort auf jenen Hügel hinauf, denn es sprudelt eine Quelle mit klarem Wasser dort. Da können wir trinken, bis wir unseren Durst gelöscht haben.« Also legten sie den Sack auf die Wiese und stiegen zur Quelle hinan auf halber Höhe des Berges.

Es kam aber an der Stelle, wo Campriano im Sack lag, ein Schäfer vorbeigezogen, der mit seiner Herde gegen die Maremma zog. Campriano hörte ihn und rief, so laut er konnte: »Lieber Bruder, ich will sie nicht, denn eine solche Perle passt nicht für mich.« Da sprach der Schäfer: »Wer ist da unten? Was ist das, was du nicht willst, du da?«

»Lieber Bruder, ich will dir mein ganzes Unglück erzählen. Es sind aus Spanien zwei Kaufleute gekommen, die sagten, sie kämen auf göttliche Fügung hin, auch stehe es in gewissen Sternen geschrieben, und es sei der Wille bestimmter Heiliger, dass ich mit der Königstochter von Spanien vermählt werde, aber ich bin solche Pracht und Herrlichkeit nicht gewohnt. Nun wollen sie mich mit Gewalt nach Spanien führen, und sie sind dort hinaufgegangen, um Wasser zu trinken.« Da sprach der Schäfer: »Du bist sicherlich verrückt, dass du ein derartiges Glück ausschlägst. Wenn du willst, so schlüpfe ich in den Sack, und ich verspreche dir, dass ich dich eines Tages zu einem reichen Mann mache.« Campriano rief: »So lass mich sofort heraus!« Das tat der Schäfer. Er überließ ihm seine Herde, gab ihm sechs Florin in Gold und sechs in Kupferstücken, ließ sich alsdann in den Sack sperren, und Campriano band ihn fest zu. Der Schäfer aber verhielt sich mäuschenstill. Unterdessen zog Campriano mit seiner Herde von dannen, nicht anders wie der altrömische Rinderhirt Cacus. Bald darauf kamen die Kaufleute von der Quelle zurück, luden den Sack auf die Schulter, zogen zur Brücke hinab und warfen ihn in die Schlucht. Dann machten sie sich auf den Weg nach Hause.

Aber nun passt wohl auf, was ihnen begegnete. Als sie zu einer Mühle kamen, trafen sie dort den Bauern Campriano, der mit der Herde heimwärts zog. Da bekreuzigten sie sich und fragten ihn, ob er nicht der Bauer Campriano sei. Und er erwiderte mit fröhlicher Miene: »Jawohl, der bin ich. Seht ihr mich nicht? Ihr habt geglaubt, ihr hättet mir gründlich den Garaus gemacht, aber da habt ihr euch geirrt wie der Ochse am Berg. Ihr habt mich in jenen Fluss hinab geworfen, aber denkt euch: Es gibt kein schöneres Land als das dort unten in der tiefen Schlucht. Das schien mir wahrlich wie eine andere Welt. Ich stieg hinunter und trat in einen herrlichen Garten. Da sind die Weinreben mit Würsten angebunden. Auch fließt ein Fluss vorüber voll köstlichen Weines. Da hab ich mich einmal tüchtig voll getrunken. Und gebratene Hühner und Kapaune laufen dort herum. Die Berge sind von geriebenem Käse. Und eine Frau steht dabei, die bereitet Makkaronen. Da unten gibt es große Bissen zu essen. Und oben auf jedem Pfahl der Weinreben liegt ein gebratener Krammetsvogel oder eine Drossel mit einer süßen Orange unter ihren Fußen. Auch ist dort, wenn ich mich recht erinnere, ein prächtiges Kristallglas voll Malvasierwein. Und die Betten sind aus feinstem Flaum, dass ich eine Zeitlang ganz weg war von Entzücken. Kastanien- und Maiskuchen, Torten und Marzipanstengel, Pinienkuchen, auf seltene Art bereitet, gibt es da. Ferner sind viele liebreizende Mädchen in diesem Land, die sich immer lustig und vergnügt die Zeit vertreiben. Schönere hast du gewiss kaum je gesehen. Sie setzen euch in Verwunderung mit ihrem Haarschmuck und den hübschen Rocklein, die sie dortzulande tragen. Mit Küssen und Liebkosungen wissen sie dir so gut zu schmeicheln, dass man ein Jahr lang dort bleiben und nicht mehr fortgehen möchte. Sobald du hinkommst, waschen sie dir die Füße mit einem wohlriechenden, kostbaren Wasser. Und dann stehst du auf und setzest dich zu Tisch, und sie tragen feinen Zwieback auf, Turteltauben und Wachteln, Kapaunhühner, Rebhühner und große Tauben. All das kriegst du in Fülle und brauchst nicht mal dafür zu zahlen. An strengen Fasttagen wie Freitag und Samstag gibt's Störfische, so lang wie große Altarkerzen. Die sind in Gelatine zubereitet. Auf den Feldweglein sieht man Kräuterkuchen springen. Die Zuber sind mit frischen Eiern angefüllt. Und Schleien, Hechte, Meeräschen und Lampretfische sowie andere gekochte Fischsorten sieht man da in Menge.

Ich ging aber fort, und als ich aus der Schlucht herauswollte, gab man mir zehn Dukaten zum Geschenk, denn das ist dort so üblich, jedem so viel zu geben, der in den Fluss geworfen wird. Überdies bekam ich diese hundert Stück Schafe samt der Wolle. Die führe ich jetzt nach Hause und kehre hernach wieder dorthin zurück, damit ich einmal acht Tage lang mich des Lebens freuen kann.«

Jetzt knieten die Kaufleute vor ihm nieder wie die drei Könige aus dem Morgenland und baten: »Wenn du uns könntest in jenes Land bringen, das, wie du sagst, so wunderlieblich ist, wie gern würden wir diese irdische Mühsal hergeben, um immerdar an diesem glückseligen Ort zu sein. Oh, wirf uns auch hinab in jenen Fluss, Campriano, damit auch wir ein wenig solche Wonnen kosten.«

»Nun, wenn es euch gefällt, will ich gleich mit euch zur Brücke gehen.« Dort band er sie beide mit einem Strick zusammen und warf sie in die Tiefe der Schlucht. Dann kehrte er mit seiner Herde nach Hause zurück, wo er mit seiner Frau und seinen Töchtern ein großes Fest feierte und nachher nie mehr Mangel leiden musste.

Drum muss man wie Campriano immer etwas Glück und einen guten Stern über sich haben, wenn man gut durch diese Welt kommen will.