[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der kluge Jüngling

Aus einem Land machte sich eine Karawane von Kaufherrn auf den Weg. Sie wurde von vielen Dienern begleitet. Unterwegs gelangten sie an einen breiten Fluss, über den sie übersetzen mussten. Alle stiegen in einen Nachen und stießen sich vom Ufer ab. Da zog unvermittelt ein Sturm auf, der Nachen geriet in einen Strudel, wurde gegen einen Stein geschleudert und zerschlug. Die Menschen ertranken. Nur ein einziger junger Diener blieb am Leben. Er klammerte sich an ein Balkenende und trieb lange auf dem Wasser, bis ihn die Wellen ans Ufer warfen. Der Ärmste erhob sich schwankend und zog aufs Geratewohl los. In der Ferne erblickte er eine Stadt. Der Jüngling beschloss, sich dorthin zu begeben. Als er näher kam, stürzte eine Menschenmenge aus dem Tor, packte ihn und schleppte ihn in die Stadt. Was haben die Menschen nur mit mir vor? dachte der Jüngling erschrocken. Sie legten ihm prunkvolle Gewänder an und setzten ihn auf den Thron des Padischahs. »Was hat das zu bedeuten? Wie soll ich das verstehen?« fragte er verblüfft die Menschen, die ihn umdrängten. Da ward ihm folgende Antwort: »In unserem Reich ist es Brauch, den Padischah für ein Jahr auf dem Thron einzusetzen. Wenn seine Regentschaft abgelaufen ist, führen wir ihn in eine Einöde in den Bergen, wo Schlangen und Skorpione sich tummeln, und werfen ihn dem Gezücht zum Fraß vor. An seiner Stelle aber setzen wir denjenigen ein, der uns als erster vor dem Stadttor begegnet. Diesmal bist du es gewesen. Deshalb haben wir dich zum Padischah gemacht.«

Der Jüngling beruhigte sich ein wenig und vergewisserte sich: »So lange ich Padischah bin, kann ich also schalten und walten wie ich mag?«

»Natürlich«, erwiderten die Jaschulen, »ein Jahr lang liegt alles in deiner Hand.« Der Jüngling begann seine Regentschaft damit, dass er zu jenem grauenhaften Berg auszog. Er sammelte eine große Heerschar und vernichtete nicht nur Schlangen und Skorpione, sondern auch alle anderen Raubtiere. Dann ließ er Aryks anlegen, Gärten pflanzen und begann eine Stadt zu errichten. Als sich seine Regentschaft dem Ende neigte, war von dem schrecklichen Ort nichts mehr geblieben. Das Volk wägte die Taten seines Padischahs und wählte ihn abermals. So lebte er lange und tat viel Gutes.