[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der gerechte Bohumil

Ein Tagelöhner, der sich jedes Stücklein Brot mühsam verdienen muss, hat mitunter mehr Kinder als ein Reicher, der in Samt und Seide geht und das Gold nach Scheffeln misst. So war es auch in einer großen Stadt, wo ein Viehhirt sechs Kinder, der König aber kein einziges hatte. Tausende gab er allein für Ratschläge gelehrter Ärzte und alter Weiber aus, doch alles nützte nichts. Auch die Königin war traurig und schickte jeden Tag Geld in die Kirchen für Gebete, doch niemand vermochte ihr einen Erben zu erflehen.

Erbittert sagte einmal der König: »Wenn ich kein Kind aus dem Willen Gottes haben kann, möchte ich es aus dem Willen des Teufels haben.« Wenig später, als er längst nicht mehr an seine lästerlichen Worte dachte, offenbarte ihm die Königin, dass ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehen werde.

Nach einigen Monaten schenkte die Königin einem Töchterchen das Leben. Von weit und breit kamen die Gäste, die der glückliche König zur Taufe geladen hatte, und füllten das ganze Schloss. Volle acht Tage lang war in der Stadt nichts zu hören als Musik und Gesang, nichts zu sehen als Tanz und frohe Spiele.

Bei der Taufe erhielt die Prinzessin den Namen Lidumila. Von den Eltern als teuerstes Kleinod bewahrt, wuchs sie in eitel Wonne und Freude auf.

Als sie siebzehn Jahre alt war, hieß es, sie sei das schönste Mädchen im ganzen Königreich. Mancher hätte sich gern in die Tiefe des Meeres gewagt, wenn er dort diese kostbare Perle gefunden hätte. Aber die schöne Lidumila dachte bisher an keinen Bräutigam; nur die Eltern sprachen manchmal leise davon, welcher von den edlen Prinzen wohl am besten zu ihr passen würde.

Eines Tages saß Lidumila ganz traurig mit ihren Eltern bei Tisch. Besorgt fragte die Mutter, was ihr fehle.

»Ach, liebste Mutter«, erwiderte die Prinzessin, »ich weiß nicht, warum mir den ganzen Tag so traurig ums Herz ist als müsste ich von Euch Abschied nehmen.«

Die Mutter wollte eben ihrer Tochter Vorwürfe machen, dass sie so traurigen Gedanken nachhänge, da wurde das Mädchen plötzlich kohlrabenschwarz und sank vom Stuhl zu Boden.

Die Königin fiel in Ohnmacht, der König raufte sich die Haare, die Höflinge riefen sofort alle Ärzte zusammen, aber keine Macht war imstande, die Prinzessin wieder zum Leben zu erwecken. Man kleidete sie in kostbare Gewänder, legte sie in einen goldenen Sarg und setzte diesen in der königlichen Familiengruft bei. Der König befahl, dass Tag und Nacht ein Wachposten bei ihr stehe. Das ganze Land trauerte um die gute Prinzessin, am meisten aber jammerten die armen Eltern, denen alle Freude so rasch entrissen worden war.

Als in der ersten Nacht der Wachposten, der von elf bis zwölf Uhr am Sarg zu stehen hatte, abgelöst werden sollte, fand man ihn in mehrere Stücke zerrissen vor. Entsetzt blickte einer den andern an, doch keiner konnte sich erklären, wie das geschehen war. Die Soldaten trugen den verunstalteten Körper aus der Gruft und meldeten es am Morgen dem König.

Der erschrak und gab den Offizieren den Befehl, den beherztesten Mann auf Wache zu schicken, um herauszubekommen, wer den Soldaten zerrissen habe.

Aber in der nächsten Nacht geschah das gleiche, ebenso an allen folgenden Tagen: Den Posten, der von elf bis zwölf Uhr Wache hatte, fand man jedes Mal in Stücke zerrissen.

Die Soldaten murrten, dass sie der König um einer bloßen Laune willen in den Tod schicke, und unter dem Volke verbreitete sich das Gerücht, dass die verstorbene Prinzessin spuke. So ging es eine geraume Zeit, und im Heer des Königs gab es keine beherzten Soldaten mehr. Da nahm man sie denn der Reihe nach, mochten sie sein, wie sie wollten. Jeder zitterte wie Espenlaub, wenn die Reihe an ihm war, aber der Gehorsam ist eine strenge Geißel; ob man will oder nicht, man muss gehen und sein Leben einsetzen.

Nach einiger Zeit kam die Reihe an Bohumil, einen der sechs Söhne des Viehhirten. Er war ein hübscher, fröhlicher junger Mann, den jeder, der ihn kannte, von Herzen lieb hatte. Wäre er vom König gegen den Feind geschickt worden, hätte er keinen Augenblick gezaudert, aber der Wachdienst führte zu einem schimpflichen Tod. Deshalb bat er, zu seinen Eltern gehen zu dürfen, um von ihnen Abschied zu nehmen.

Unterwegs ließ er sich die Sache gründlich, durch den Kopf gehen und dachte bei sich: Warum soll ich mich mir nichts, dir nichts von irgendeinem Ungeheuer zerreißen lassen? Besser ist es, ich fliehe. Und schon bog er vom Weg ab und begab sich ins freie Feld.

Er war bereits ein hübsches Stück gegangen, da sah er unter einem Baum einen buckligen alten Mann kauern; der hatte graues Haar und einen langen, schneeweißen Bart.

»Ich bitte dich, Soldat, hilf mir auf die Beine!« sagte der alte Mann zu dem Vorübergehenden Bohumil. »Mit Freuden«, erwiderte dieser, »und wenn Ihr wollt, begleite ich Euch auch nach Hause, das heißt, wenn Ihr nicht in der Stadt wohnt.« »In die Stadt würdest du also nicht mit mir gehen?«

»Gott bewahre, dorthin möchte ich so bald nicht zurückkehren!«

»Würdest du mir nicht den Grund dafür sagen?«

»Warum sollte ich es nicht sagen? Ihr werdet mich wohl nicht verraten.«

Und Bohumil erzählte dem Alten die ganze Geschichte von dem unglücklichen Soldaten und bekannte schließlich, er sei geflohen, um einem so schimpflichen Tod zu entgehen.

»Höre, ich will dir einen Rat geben«, sagte der Alte, als Bohumil geendet hatte. »Das Gespenst, das die Soldaten zerreißt, ist die verstorbene Prinzessin Lidumila, die für die Schuld ihres Vaters büßt. Der König hat sich gegen die göttliche Ordnung vergangen und sich ein Kind aus dem Willen des Teufels gewünscht. Nun ist die Arme von einem bösen Geist besessen und harrt ihrer Befreiung. Wenn du meinen Rat befolgst, so befreist du die Prinzessin und wirst glücklich sein.«

»Ich will ihn befolgen, Großväterchen! Es verdrießt mich ohnehin, dass ich wie ein schlechter Kerl von meiner Truppe weggelaufen bin.«

»So kehre zurück, und wenn die Zeit heran ist, zieh getrost auf Wache! Sobald du die Gruft betrittst, besprenge dich mit Weihwasser, ziehe mit dem Gewehr einen Kreis und bleib darin stehen! Mag geschehen, was will, gib nichts darauf und verlaß den Kreis nicht! Fürchten darfst du dich jedoch nicht, sonst ergeht es dir schlecht. Morgen komm zu mir und berichte, wie es dir ergangen ist!«

Bohumil dankte dem Alten und kehrte in die Stadt zurück. Wenn die Kameraden gedacht hatten dass er traurig sein werde, hatten sie sich geirrt; er lachte und sang, und als die elfte Stunde herannahte, nahm er sein Gewehr und schritt frohen Mutes in die Kirche.

»Gott gebe dir, dass du die Nacht gut überstehst!« sagten seine Kameraden, die ihn begleiteten. »Sollten wir uns aber nicht wieder sehen. ..«

»Auch ich hoffe«, fiel ihnen Bohumil ins Wort, »dass wir uns wieder sehen. Ich will besser Obacht geben als die anderen, und ihr werdet sehen, dass ich das Geheimnis lüfte.«

Darauf nahm er von ihnen Abschied und schritt durch die dunkle Kirche in die erleuchtete Königsgruft. Dort nahm er einen der rings um den Sarg stehenden vierundzwanzig Leuchter, auf denen Kerzen brannten, und leuchtete in alle Winkel, ob er dort etwas erblicke, aber er fand nichts. So stellte er sich denn in die Mitte der Gruft, beschrieb mit dem Gewehr einen Kreis, trat hinein, presste die Waffe an sich und harrte der Dinge, die da kommen würden. Wenn ihm bange ums Herz zu werden begann, sagte er sich die Worte des Alten vor, und die Angst war vorbei.

Da schlug es elf. Im gleichen Augenblick hob sich der goldene Deckel am Sarg der Prinzessin, und sie sprang heraus, ganz schwarz im Gesicht, und begann, wie ein böser Drache durch die Gruft zu fliegen.

Gern hätte sie sich auf den Soldaten gestürzt, doch den magischen Kreis durfte sie nicht überschreiten. In ihrer Wut begann sie, die Deckel von den Särgen zu reißen und die vermoderten Gerippe aus ihnen herauszuzerren. So wütete sie bis zwölf Uhr, dann sprang sie wieder in ihren Sarg. Der Deckel Schloss sich, und es war still.

Obwohl Bohumil alles tapfer überstanden hatte, war er doch froh, als er die Schritte des ablösenden Postens vernahm.

Die Soldaten wunderten sich nicht wenig und freuten sich, als sie ihren Kameraden lebend und gesund wieder sahen. Sie fragten ihn gleich, wie es ihm ergangen sei und was er gesehen habe.

»Was ich gesehen habe, habe ich gesehen, euch aber sage ich es nicht«, erwiderte Bohumil, denn der Alte hatte ihm verboten, mit jemandem darüber zu sprechen.

Am Morgen wurde der glückliche Ausgang gemeldet, und der König ließ Bohumil rufen und fragte ihn, was ihm in der Nacht erschienen sei.

»Gnädiger Herr König«, erwiderte Bohumil, »das kann ich Euch nicht sagen. Wünscht es Euch auch nicht!«

Als der König sah, dass es vergeblich war, in ihn zu dringen, bat er Bohumil, noch eine Nacht in der Gruft Wache zu stehen; er werde ihn dafür reich belohnen. Das versprach Bohumil. Am Nachmittag aber ging er vor die Stadt zu dem Alten.

»Nun, wie ist es dir ergangen? Ist alles gut verlaufen?« fragte ihn der Alte, der unter demselben Baume saß.

»Ja, und ich danke Euch vielmals für Euren Rat«, antwortete Bohumil und erzählte, was sich begeben hatte.

»Nun gut«, sagte der Alte, »ziehe heute wieder auf Posten und tu in allem wie gestern! Du wirst vielleicht noch schlimmere Dinge sehen, doch sei ohne Furcht! Und morgen komm mich wieder besuchen !«

Bohumil dankte dem Alten und ging nach Hause. Als die elfte Stunde nahte, nahm er das Gewehr und eilte wohlgemut in die Gruft. Wie in der Nacht zuvor beschrieb er einen Kreis, stellte sich hinein und wartete ab.

Kaum war der elfte Glockenschlag verhallt, öffnete sich der Sargdeckel, die schwarze Prinzessin sprang heraus, und wie auf ein Zeichen kamen aus allen Ecken grausame Ungeheuer mit feurigen Augen gekrochen und sperrten ihren entsetzlichen Rachen auf. Widerliche Fledermäuse und Eulen flogen Bohumil um den Kopf, und die Prinzessin tobte in der Gruft, sprang hierhin und dorthin, zerrte an den Leichen und schnitt Bohumil hässliche Fratzen.

Der aber stand unerschrocken, auf sein Gewehr gestützt, und blickte auf diesen Auswurf der Hölle. Da schlug es zwölf, und alles war verschwunden.

Am Morgen fragte der König wieder, was Bohumil in der Gruft gesehen habe, aber dieser schwieg und verriet kein Wort.

Am Nachmittag ging er wieder zu dem Alten und erzählte ihm alles.

»Noch eine Nacht, und die Prinzessin ist von dem bösen Geist befreit«, sagte der Alte zu ihm. »Aber wenn du willst, dass ich dir auch zum dritten Mal rate, musst du mir die Hälfte von allem geben, was du als Belohnung erhältst.«

»Das tue ich gern, Großväterchen, nur rate mir noch einmal, was ich machen soll.«

»Geh also wieder in die Gruft, und wenn die Prinzessin aus dem Sarg springt, beeil dich und lege dich selbst hinein, doch vergiß nicht, über deinem Kopf einen Kreis zu beschreiben. Wenn die Mitternacht naht, wird die Prinzessin versuchen, dich aus dem Sarg zu verjagen, sie wird dich anflehen und dir gut zureden, dass du sie in den Sarg lässt, aber tu das nicht, sonst ergeht es dir schlecht. Was weiter geschieht, wirst du sehen.«

Bohumil versprach, alles so zu machen, wie es ihm der Alte geraten hatte, verabschiedete sich von ihm und lief in die Stadt.

Als es elf schlug, stand Bohumil bereits auf seinem Posten, und als die Prinzessin aus ihrem Sarg sprang, eilte er rasch hinzu, legte sich in den leeren Sarg und beschrieb mit dem Gewehr über seinem Kopf einen Kreis.

Wieder begannen die entsetzlichen Ungeheuer einen wilden Reigen um den Sarg, aber den Kreis durften sie nicht überschreiten. Die Prinzessin trieb es noch ärger als in den Nächten zuvor, doch dann wollte sie Bohumil aus dem Sarg vertreiben. Als sie sah, dass er sich nicht von der Stelle rührte, geriet sie in fürchterliche Wut und zerfetzte ihr Kleid. Dann kniete sie nieder und flehte ihn inständig um alles in der Welt an, sie in den Sarg zu lassen, bevor die Stunde verstrichen sei, aber er tat, als höre er nicht. Als sie sah, dass auch das nichts half, versprach sie, ihm so viel Gold und Silber zu geben, dass er sich davon ein ganzes Königreich kaufen könne, doch auch darauf gab Bohumil keine Antwort.

Da begann plötzlich die Gruft in ihren Grundfesten zu beben, die vierundzwanzig Kerzen erloschen, und aus allen Winkeln züngelten blaue Flammen. Die Särge öffneten sich, die Knochenmänner erhoben sich daraus und bildeten einen Ring um den Sarg. Hand in Hand begannen sie einen wilden Tanz und fletschten ihre nackten Kiefer gegen Bohumil.

Als er diese entsetzliche Gesellschaft erblickte, trat ihm kalter Schweiß auf die Stirn, aber er dachte an seine Aufgabe, Schloss die Augen und lag da, als wäre er selbst tot.

Da erbebte die Gruft neuerlich, es schlug Mitternacht, und als Bohumil die Augen öffnete, sah er alles in der alten Ordnung, nur neben dem Sarg kniete, in ein inniges Gebet versunken, Prinzessin Lidumila, so schön, ja noch schöner, als sie je gewesen war.

Lange betrachtete Bohumil sie mit Wohlgefallen, und er wäre noch länger im Sarg liegen geblieben und hätte seine Augen nicht von der betenden Prinzessin losgerissen, wenn er nicht die Schritte der Ablösung gehört hätte. So stand er denn leise auf.

Lidumila hob die Augen vom Boden, trat zu ihm und sagte mit lieblicher Stimme: »Wie kann ich es dir lohnen, mein tapferer Held, dass du mich aus den Banden der Hölle befreit hast?«

Bohumil ergriff schweigend ihre Hand und drückte einen innigen Kuss auf ihre rosigen Finger. Da vernahmen sie von draußen Lärm, und die erschrockene Prinzessin schmiegte sich voll Angst an ihren Befreier.

Die Soldaten, die gekommen waren, um Bohumil abzulösen, blickten zuerst durch eine Ritze in der Tür, ob es ratsam sei, die Gruft zu betreten. Da sahen sie Lidumila, von hellem Licht umflossen. Sie dachten nicht anders, als dass es ein Engel sei. Deshalb machten sie kehrt und stürzten Hals über Kopf aus der Kirche. Das war der Lärm, der die Prinzessin erschreckt hatte.

Die Soldaten meldeten unverzüglich den Offizieren, dass Bohumil in der Gruft mit einem Engel spreche. Das wurde auch gleich dem König gemeldet, der sofort mit ihnen in die Kirche eilte, um sich von der Wahrheit dieser Kunde zu überzeugen.

Als sie die Tür zur Kirche öffneten, sah der König den Soldaten Bohumil mit Lidumila vor dem Altar knien. Noch glaubte er seinen Augen nicht trauen zu dürfen, wusste er doch nicht, ob es wirklich seine Tochter war oder nur ihr Geist. Erst als sich Lidumila umdrehte und ihm mit einem freudigen Aufschrei in die Arme stürzte, drückte er sie fest ans Herz und vergoss heiße Tränen.

Die Königin war gerade aufgestanden, als der König mit Lidumila und Bohumil ins Schloss zurückkehrte. Wie unaussprechlich war die Freude der Mutter, als sie die beweinte Tochter lebend und in voller Schönheit wieder sah!

Nun erst erzählte Lidumila, was sie erduldet und wie Bohumil sie befreit hatte. Da dankten ihm die Eltern, der König verließ für kurze Zeit den Raum und kehrte mit einem Beutel voll Dukaten zurück. »Nein, gnädigster Herr König«, erwiderte Bohumil und schob das Geld zur Seite, »was ich getan habe, geschah nicht wegen einer Belohnung, und deshalb kann ich das Geld nicht annehmen.«

Da ergriff Lidumila die Hand des Königs und sagte: »Lieber Vater, er hat mich befreit, ich liebe ihn, und er liebt mich, und deshalb belohnst du ihn am besten, wenn du ihn als Sohn annimmst.«

Der König dachte eine Weile nach, aber als ihn auch die Königin bittend ansah, ließ er sich erweichen und willigte in die Hochzeit ein.

Bohumil fühlte sich wie im Traum und konnte es selbst noch nicht glauben, dass er der Gemahl der schönen Lidumila werden sollte.

Der König wollte, dass die Hochzeit gleich gefeiert werde und Bohumil dann das Königreich übernehme. Der aber fürchtete, eine so schwere Kunst nicht zu verstehen, und bat deshalb den König, ihn zuerst in allem unterweisen zu lassen, was ein Herrscher wissen muss. Damit war der König einverstanden, und von diesem Augenblick an hatte Bohumil .alle Hände voll zu tun. Binnen kurzer Zeit lernte er alle Bedürfnisse seines Volkes kennen und erprobte alle Mittel, wie man sie am besten befriedigen kann, so dass er bald mehr wusste als der König selbst.

Da wurde die Hochzeit gefeiert und danach Bohumil zum König gekrönt. Bei der Hochzeit vergaß der junge König nicht seine Eltern und seine Brüder, sondern setzte den Viehhirten neben den alten König. Das Vieh brauchte sein Vater freilich nicht mehr zu hüten, aber außer einem bequemen Ausgedinge im Königsschloß erhielt er von seinem Sohn keinen Reichtum und keinen Titel, sondern blieb wie zuvor der alte Vojta.

Jedem seiner Brüder gab Bohumil einen Bauernhof, und sie wurden brave Bauern, die ihrem Bruder nicht die zwar goldene, aber schwere Krone neideten.

Schon war Bohumil einige Zeit mit seiner teuren Lidumila verheiratet, und beide liebten einander immer mehr und mehr, aber deshalb darf man nicht glauben, dass er vor lauter Glückseligkeit den Alten vergessen hätte, dem er sein Glück verdankte. Oft dachte er an ihn, und er hatte auch schon an den verschiedensten Stellen nach ihm Nachforschungen anstellen lassen, aber von dem Alten war keine Spur zu finden gewesen.

Eines Tages unternahm Bohumil mit seiner Frau eine Ausfahrt vor die Tore der Stadt. Da blieben die Pferde auf einmal an einer Brücke wie versteinert stehen und wollten nicht weiter. Der König rief dem Kutscher zu, er solle nachschauen, was ihre Fahrt behindere. Der erwiderte, am Tor sitze ein alter Mann, sonst aber sei nichts zu sehen.

Da stieg der König selbst aus der Kutsche, und als er den Alten erblickte, erkannte er in ihm gleich seinen Ratgeber. Voll Freude ging er auf ihn zu und begrüßte ihn mit den Worten

»Sagt mir doch, wo Ihr solange gewesen seid! Ich habe überall nach Euch gefragt, aber niemand konnte mir eine Nachricht geben.«

»Wenn du nach mir gefragt hast, so hast du wohl auch nicht dein Versprechen vergessen?«

»Wie hätte ich das vergessen können - von allem, was ich erhalten habe, gehört die Hälfte Euch, Kommt nur rasch mit, damit ich Euch meiner Frau vorstellen kann!«

»Gerade, um sie geht es. Weißt du auch, Brüderchen, dass sie dir eigentlich nur zur Hälfte gehört?«

Bestürzt blieb Bohumil stehen, Sein Blut schien zu Eis zu erstarren. Daran hatte er nicht gedacht.

»Damit ich sehe, dass du immer und in allem dein Wort hältst und gerecht handelst, liefere mir den ersten Beweis! Nimm dein Schwert, schlage die Frau in zwei Hälften und teile sie mit mir!«

Bohumil zuckte zusammen und sagte mit zitternder Stimme:

»Fordere von mir nicht eine so grausame Tat! Lieber gebe ich dir das ganze Königreich !«

»Ich will aber nicht das 'ganze Königreich!« entgegnete der Alte hartnäckig. »Ich will nur die Hälfte des Königreichs und die Hälfte der Frau, und das darf ich gerechterweise fordern. Wenn du gerecht handeln willst, zögere nicht länger und opfere, was dir das liebste ist, damit du erkennst, welcher Sünde sich ein König schuldig macht, der ein gegebenes Wort bricht!«

Da nahm sich Bohumil ein Herz und, um zu beweisen, dass er selbst einem abgerissenen Bettler ein gegebenes Wort hält, eilte er zu der Kutsche und eröffnete seiner teuren Gemahlin die schwere Pflicht.

Lidumila war eines solchen Mannes würdig. Um ihm das Herz nicht schwer zu machen, sprang sie ohne weitere Worte aus der Kutsche und trat zu dem Alten.

Der König glaubte, dem Alten werde das schöne arme Geschöpf leid tun, aber der stand unbeweglich da, wie ein Fels. Zum letzten Male umarmten sich die Ehegatten, der König zog sein Schwert, holte aus und...

»Schlag nicht zu!« rief da der Alte. »Es war nur eine Probe, ob du gerecht regieren und immer dein Wort halten wirst. Jetzt sehe ich, dass ich mich in dir nicht getäuscht habe. Bleibe so bis zu deinem Tode, und der Himmel segne dich!«.

Ehe sich der König und die Königin dessen versahen, war der Alte ihren Blicken entschwunden. Nie aber verschwand er aus ihrem Gedächtnis.

Bohumil herrschte bis zu seinem Tode gerecht und liebenswert, und sein Volk erlebte goldene Zeiten.