[swahili, "Geschichte, Legende"]

Warum der Leopard Ziegen frisst

Früher waren Leopard und Ziege Freunde, aber wegen ihrer harten Stirn und ihrer Hörner fürchtete der Leopard die Ziege auch und war stets darauf bedacht, sich ihre Freundschaft zu erhalten. Eines Tages schlug er der Ziege vor: »Wir sollten zum Schmied gehen und uns Hacken für die Feldarbeit anfertigen lassen.« Die Ziege war einverstanden und meinte: »Geh du voraus, ich komme morgen nach.« Der Leopard machte sich also auf den Weg und traf den Schmied auch an. Der aber bat: »Hilf mir erst bei der Feldarbeit.« Der Leopard stimmte zu, und gemeinsam arbeiteten sie fleißig auf dem Feld. Als sie ins Dorf zurückkehrten, kochte die Frau des Schmiedes Fleisch und setzte es dem Leoparden vor.

Nun begann der Schmied, die Hacken anzufertigen. Als er das Eisen ins Feuer legte, sahen sie die Ziege kommen. Der Leopard fürchtete sich so sehr, dass er zum Schmied sprach: »Leg meine Hacke weg, mach zuerst eine Hacke für die Ziege.« Der Schmied erfüllte ihm die Bitte. Der Ziege aber war schon die Hitze des Feuers unbehaglich, und als der Schmied dann noch kräftig mit dem Hammer auf das glühende Eisen schlug, so dass die Funken nur so stoben, lief sie erschrocken hinaus, so sehr fürchtete sie sich vor dem Feuer. »dass die Ziege so furchtsam ist«, wunderte sich der Leopard, »hätte ich nicht gedacht. Ich hielt sie immer für sehr stark.« Und an den Schmied gewandt, fuhr er fort: »Leg die Hacke für die Ziege nur beiseite und mach meine zuerst fertig.« Da fragte der Schmied: »Warum plagst du mich denn so, erst dies, dann das!«

»Ich plage dich doch nicht«, entgegnete der Leopard, »ich möchte mich nur nicht noch zwei Tage hier aufhalten.«

Der Schmied legte also die Hacke für die Ziege beiseite und schob die für den Leoparden ins Feuer. Er arbeitete fleißig und hatte bald zwei Hacken für den Leoparden angefertigt. Der nahm sie und ging davon. Nun arbeitete der Schmied an den Hacken für die Ziege. Als drei davon fertig waren, verabschiedete sich die Ziege und machte sich auf den Heimweg. Was sie nicht wusste, war, dass der Leopard ihr auflauerte. Etwas abseits vom Wege lag er versteckt und wartete. Kaum war die Ziege heran, sprang er vor und packte sie. Zehn Wunden riss er ihr an Armen und Beinen. Die Ziege schrie ganz fürchterlich. Das hörte der Schmied und eilte mit seinen Leuten herbei. Der Leopard sah ihn kommen, griff sich die drei Hacken der Ziege und floh in den nahen Wald. Als der Schmied und seine Leute die Ziege so schwer verwundet fanden, fragte man sie: »Wer hat dir das angetan?«

»Der Leopard«, antwortete die Ziege. Nun kamen noch andere Leute hinzu. Sie betrachteten die Ziege genauer und sagten: »An den Armen und Beinen hat der Leopard die Ziege verletzt, hätte er sie auch gewürgt, sie wäre nicht mehr am Leben!« Der Leopard, der sich in der Nähe versteckt hatte, hörte die Worte und dachte bei sich: »Sieh an, die Menschen würgen die Tiere. Das versuche ich auch. Das nächste Mal werde ich die Ziege an der Gurgel packen. «

Die Wunden der Ziege waren bald geheilt, und so machte sie sich eines Tages auf den Weg zu ihrem Feld. Der Leopard lag auf der Lauer. Als die Ziege arglos daherkam, sprang er vor, packte sie an der Gurgel und würgte sie. Die Ziege war gleich tot. Der Leopard schleppte sie in den Wald und fraß sie dort auf. Er merkte, wie gut das Ziegenfleisch schmeckte, und ging von nun an öfters aus, um Ziegen und Zicklein zu erjagen. Seinen Jungen aber schärfte er ein: »Wollt ihr ein Tier fangen, packt es am Hals. Bekommt ihr es dort zu fassen, verliert es all seine Kraft!« Das blieb seither festes Gesetz für den Leoparden und alle seine Verwandten.