[swahili, "Geschichte, Legende"]

Klas Avenstaken

In dem Lande Westfalen unweit der Stadt Minden, wo es viele tüchtige Bauern hat, lebte vor langen Jahren ein Schulze in Dümmelshusen, der Peter Avenstaken hieß, ein Mann von Sitten und Art geduldig und sanftmütig und deswegen bei Freunden und Nachbarn wohl berüchtigt und beliebt, sonst aber von großem und riesigem Leibe und von so gewaltiger Stärke, dass er weit und breit nur der starke Peter hieß, und dass die Leute ihm hundert Schritt aus dem Wege gingen, wann er böse ward; denn ward er böse, so ward er es sehr, und konnte überhaupt nichts Mittelmäßiges tun. Dieser Schulze in Dümmelshusen hatte ein Lieblingswort, das er oft gebrauchte und das in seiner Freundschaft und Verwandtschaft sehr alt war; denn ehrsame Bauerschaften pflegen auf gewisse Worte, Sinnsprüche und Sprichwörter eben so zu halten, als Edelleute, die Fahnen und Schild führen, und setzen auch einen Stolz in dem Alten. Dieses Wort hieß Grade durch, oder, wie sie in Westfalen sagen, Grad dör; und nach dem Worte, weil er es so oft im Munde führte, nannten manche Leute ihn auch Peter Grad dör, was er wohl aufzunehmen pflegte. Es war aber bei dem Worte noch ein Aberglaube, der sich Jahrhunderte lang in der Familie Avenstaken fortgepflanzt hatte; sie meinten nämlich, dasjenige von den Kindern, welches sich dieses Wort vor den andern herausnehme, werde das Tüchtigste und Glücklichste werden; und also horchten und merkten die Altern frühe darauf. Seinen Ursprung aber hatte das Sprichwort von einer alten Geschichte, die sich mit dem Stifter des Hauses begeben hat, der bei Minden sesshaft ward. Dieser war ein Schuhmachergesell Namens Klas, gebürtig aus dem Örtchen Corbach im Waldeckischen. Eines Tages, als er mit einem seiner Gesellen auf der Wanderschaft war und durch den Hochwald längs der Weser des Weges auf Minden ging, kam ein wütender Wolf auf ihn los. Sein Gesell hielt den Anlauf nicht aus sondern entlief und kletterte auf einen Baum, Klas aber blieb festen Fußes und Auges stehen, nahm seinen Stock und wartete des Wolfes; und als dieser auf ihn zufuhr, stieß er ihm den Stock in den offenen Rachen und stieß so gewaltig, dass der Stock hinten wieder herausfuhr und der Wolf alle Viere von sich streckte. Sein Gesell fand sich nun wieder zu ihm, diesen aber prügelte er von sich weg als einen feigen und erbärmlichen Schächer, und ging mit ein paar Köhlern, welche das Abenteuer mit angesehen hatten, seines Weges weiter durch den Wald und übernachtete im nächsten Dorfe. Dem Wolf hatte er die Haut abgezogen und trug dies herrliche Siegeszeichen auf seinem Stock, dass er sie einem Kürschner in der nächsten Stadt verkaufte. Als Klas in der Dorfherberge angekommen war, erzählten die Köhler den Kampf mit dem Wolfe, und alle Bauern und Knechte und Dirnen liefen zusammen, dass sie den jungen Schuhmacher sahen, der den Wolf mit dem Stecken erschlagen hatte, wie König David den Goliath mit dem Steinchen. Und sie verwunderten sich sehr, denn der Jüngling sah so gewaltig nicht aus, wiewohl er stark war; und sie wollten alle den Stecken sehen und betasten, die Dirnen aber fassten ihn nur mit Grausen an. Es war sonst ein ganz gewöhnlicher Dornstock, den ein Becker in Corbach dem jungen Klas geschenkt hatte zu seiner Wanderschaft, und er war an der Spitze angebrannt, weil der Becker die Kohlen im Ofen zuweilen damit umgerührt hatte. Desto mehr lobten die Leute Klas und freuten sich über ihn wegen der herzhaften Antwort, die er dem Schulzen des Dorfes gab auf die Frage, wie er es denn mit dem Wolfe angefangen habe ihn umzubringen; da habe es der Stecken wohl nicht allein getan sondern der Schusterpfriemen habe wohl mit beispringen müssen. Denn Klas sagte ihm ganz kurz: Herr Schulze, mit einem bisschen Mut fängt man alles gescheit an, und so ist auch dieser Ofenstecken grade durch den Wolf gegangen und hat nicht erst gefragt, ob seine Hintertüre auch verschlossen war. Der Schulze wollte das übel nehmen, und brummte, aber die andern hießen ihn schweigen. Denn Klas hatte alle für sich gewonnen durch sein freies tüchtiges Wesen, und besonders nahmen die hübschen jungen Dirnen sich seiner an und trugen ihm Äpfel und Birnen und Nüsse und Kuchen um die Wette zu und forderten ihn von selbst auf zum Tanze, der später den Abend in der Schenke begann; und hätten sie sich nicht entsehen vor den Leuten, einige hätten ihn wohl mit Vergnügen geherzt und geküsst. Aber das geschah nicht, und Klas selbst war noch sehr blöd; denn dies war seine erste Wanderschaft und überhaupt das erste Mal, dass er in die Fremde ging.

Den andern Morgen, als die Sonne anbrach, nahm Klas seinen Stecken und seine Wolfshaut und kam nach Minden und fand Arbeit bei einem Meister und blieb dort. Doch war es sein Glück, dass er mit den Köhlern hier in der Dorfschenke angesprochen hatte, denn eine junge und hübsche Bauerdirne hatte sich so in ihn verliebt, dass sie Tag und Nacht nichts anders sah und träumte als den jungen Schuhmachergesellen Klas und dass sie vor Sehnsucht und Liebe fast abzehrte und ohne ihn gar nicht leben wollte. Die Ältern suchten ihr das wohl auszureden, aber Liebe, die es redlich meint, ist, wie man sagt, die unheilbarste aller Krankheiten. Sie mussten sich also, wenn sie ihre Tochter behalten wollten, endlich darein geben, und gingen selbst nach Minden und suchten Klas von Corbach auf, den jeder schon kannte von wegen seiner Wolfsgeschichte; und sie brachten den wackern Gesellen ihrer schönen Tochter zu, die ihr einziges Kind war, dass er sie zum Weibe nähme und vom Tode erlöste. Und Klas ließ sich nicht lange bitten, denn die hübsche junge Dirne gefiel ihm, und er zog zu ihr in das Dorf, und legte Pfriemen und Ahle weg und nahm Pflug und Spaten dafür in die Hand und lebte als ein rechtschaffener Bauersmann und ward nach einigen Jahren Schulze an dessen Stelle, der über seine Rede gebrummt hatte. Und von seinem Stecken nannte ihn alle Welt Klas Avenstaken; er aber gewöhnte sich das Wort an, das andere von ihm gebrauchten, Grad dör; denn sie pflegten im Scherze von ihm zu sagen: Grad dör sagt Klas Avenstaken. Und das behielten seine Enkel und Urenkel nach ihm als ein gutes Wort, das Glück und Mut bedeutete.

Dem Peter in Dümmelshusen waren von seiner Frau Greth Tibbeke schon viele Söhne und Töchter geboren, und die Greth hatte ihrem Manne schon oft angelegen, er solle doch einen Sohn mit dem Hauptnamen in der Freundschaft Klas taufen lassen; er hatte es aber immer verneint, und den Buben andere Namen gegeben. Nun geschah es, dass wieder ein Knabe geboren wurde und dass Peter mit Gewalt wollte, dass dieser Klas heißen sollte, wogegen sich Greth sehr steifte, denn sie und die Freundschaft wollten den Namen Johannes, weil er am Johannisabend zur Welt gekommen war. Auch sagte sie, indem sie das Kindlein in der Wiege betrachtete: Sieh Mann, wie sanft und still der Junge aussieht! das wird dir in der Welt kein Klas, der es mit einem Wolf aufnimmt; aber Peter antwortete: Kikelkakel! eben deswegen soll er Klas heißen, die Frommen sind immer die besten Helden gewesen, und die wie Eisenfresser aussehen, beißen oft keinen Strohhalm in zwei. Kurz, es half der Greth kein Bitten und Flehen, kein Heulen und Schelten, Peter war diesmal unerbittlich und sagte: Eben weil er am Johannisabend, an einem so großen Abend, geboren ist, soll er Klas heißen, und ich wette, ein tüchtiger Klas wird er werden. Und mit diesen Worten nahm er seine Mütze vom Nagel und setzte sie etwas quer auf, wie er zu tun pflegte, wann er zürnte, und ging hinaus und achtete nicht des Geschreis seiner Greth und der Muhmen und Gevatterinnen hinter ihm her. Und der Priester musste den Knaben Klas taufen. So dass die Greth, die ihren Johannes noch nicht vergessen konnte, halb weinend und halb lachend sagte: Nein, dem Peter ist was durch den närrischen Kopf gefahren, wie es Hunden und Katzen zu geschehen pflegt, die, wenn man ihnen die Jungen nimmt, dass man eines oder zwei hegen lasse und die übrigen ersäufe, immer wieder dieselben Jungen aus allen zuerst ergreifen und wieder in ihr Lager tragen, wo es die Leute dann auch liegen lassen und aufziehen, meinend, die Alte müsse am besten wissen, welche von ihren Jungen die besten seien. Ich will doch sehen, was aus diesem ausgegriffenen Klas meines lieben Peters wird.

Und dem kleinen Klas gedieh sein Name wohl, er nahm unverzagt der Mutter Brust und ließ es sich gut schmecken, schoss in dem zweiten Monat schon seinen ersten Zahn aus, hatte den vierten Monat schon sechs Zähne und genoss nebenbei schon allerlei Speise und Trank, vor dem neunten Monat aber stand er schon auf eigenen Füßen und richtete sein Antlitz zum Himmel auf. Dann nahm Peter, sein Vater, ihn auf den Arm, lächelte seelenvergnügt und hielt ihn der Greth hin und sprach: Sieh, Greth, welch ein Klas! Greth aber halb böse halb gutmütig antwortete: Dein Klas ist noch nicht über alle Berge, ich wollte doch, er hieße Johannes. Und Peter setzte den Buben wieder auf den Boden, sah zornig und ging stumm und verdrießlich aus der Türe. Solche kleine Neckereien über das Bübchen hatte es oft unter den beiden Eheleuten, die sich übrigens von ganzem Herzen liebten. Sie schadeten dem kleinen Klas auch nicht sondern er gedieh wohl, ward breit an Schultern und Brust, warf alle Knaben seines Alters und auch die ein Jahr älter waren, zur Erde.

So war er im Essen, Trinken, Schlafen und Spielen fünf Jahre alt geworden. Nun stellte ihn der Vater den Frühling und Sommer schon hinter die Gänse, und den Winter musste er in die Schule gehen und beten und das ABC lernen. Mit dem siebenten Jahre rückte er zum Schweinhirten vor und im neunten musste er schon Ochsen und Pferde hüten. Alles dies tat er ordentlich und geschickt, so dass der Vater Freude daran hatte. Das Einzige, worüber Klagen einliefen, waren Beulen, die er den Nachbarskindern schlug; Frau Greth jammerte auch oft über die vielen zerrissenen Hosen und Jacken, die er mit zu Hause brachte, nein nicht immer mit zu Hause brachte sondern zuweilen auf den Bäumen und an den Dornen hangen ließ; auch beschwerte sie den obersten Richterstuhl des Vaters zuweilen mit Schiedsrichteramt, wann er seine älteren Brüder gebläut hatte; denn im Zorn konnte er alle Knaben zwingen, auch die vier fünf Jahre älter waren als er. Der alte Peter freute sich gewöhnlich, wenn er in solchen hochnotpeinlichen Halsgerichtsfällen seinen Stuhl besteigen musste. Der Schluss vom Liede war fast immer, dass die Kläger und Greth ihr Anwald wegen Unstatthaftigkeit der Gründe und Zeugen abgewiesen wurden. Wohlgefällig sagte Peter dann: Ich weiß, ich habe es in meinen Knabenjahren auch so gemacht; hat denn der Klas je den Zank angefangen? sind die andern nicht immer die Necker? ihnen geschieht ihr Recht, wenn er sie tüchtig abstraft. Es ist gut, dass er sie zwingen kann, so wird ihnen die Lust dazu vergehen. Und er nahm dann seinen Klas gewöhnlich und streichelte ihn und küsste ihn und ermahnte ihn zu aller Friedseligkeit. Dessen bedurfte es aber in der Tat nicht: Klas war einer der stillesten und freundlichsten Jungen, der keiner Kreatur etwas zu Leide tun, am wenigsten schwächere und kleinere Knaben necken konnte; aber wenn er gereizt ward, gebrauchte er die Kraft seiner Fäuste nicht mittelmäßig.

Nicht so gut, als hinter den Gänsen, Säuen und Ochsen ging es Klas hinter den Bänken des Schulmeisters. Er hatte zum Lernen wenig Lust und Geschick und konnte es in vier Jahren kaum zum Lesen bringen; denn was er im Winter gekonnt, hatte er im Sommer im Felde und Walde immer richtig wieder ausgeschwitzt, so dass seine Brüder und die Nachbarkinder in der Schule immer weit mehr gelobt wurden als er. Doch hatte der alte Schulmeister ihn sehr lieb und gab ihm das Lob der Sittlichkeit, des Gehorsams und der Frömmigkeit. Im Hause gab das unter den Alten manchen kleinen Verdruss. Peter, der ihn von allen seinen Kindern am liebsten hatte, was er sich aber nie merken lassen wollte, setzte sich oft allein mit ihm hin und half ihm seine Lex zurecht. Aber sie kamen damit doch nicht durch, Greth nannte ihn oft ihren breiten Dickkopf, und Peter konnte es nicht wenden, er musste es anhören und still dazu schweigen, ja er musste es wohl leiden, dass der Jürgen und Joachim und Christoph, seine Brüder, und die Thrine und Therese, seine Schwestern, als geschicktere und klügere Kinder gelobt wurden. Dann sagte sie zuweilen auch wohl spöttisch: - sie war sonst eine herzensgute Frau - Peter, wir wollen doch sehen, was aus deinem Klas wird; ich wollte, er hieße Johannes, er wäre anders geworden. Das schlug dann dem Fasse den Boden aus, Peter nahm die Mütze und ging auf den Hof und in den Pferdestall, dass er sich auslüftete und wieder besänne. Und wann er sich besonnen hatte und wieder zurück kam, brummte er wohl für sich: Klas wird doch der beste werden. Klas gab nämlich ein anderes großes Zeichen von sich, worauf der Vater Häuser baute: seit seinem vierten Jahre rief der Knabe immer Grad dör, sobald er heftig ward oder was Heftiges und Ungestümes beginnen wollte, besonders wenn er die Fäuste zu Schlachten ballte. Das tat kein anderes von Peter Avenstakens Kindern, obgleich sie das Wort aus dem Munde des Vaters oft genug hören konnten. Und Peter erlebte die große Freude, dass Klas vor seinem neunten Jahre im ganzen Dorfe von Alt und Jung Klas Grad dör genannt ward und dass die Leute zu Dümmelshusen wieder sagten: Grad dör sagt Klas Avenstaken.

Klas war zwölf Jahre alt geworden, war für sein Alter ungewöhnlich groß und stark, stand sehr grad und fest auf den Beinen, hatte einen großen Kopf und breite Stirn mit langen hängenden Flachshaaren, unter welchen er aus ein paar trotzigen blauen Augen guckte. Viele Leute sagten, er wäre ein schöner Junge, Peter, sein Vater sagte, er ist der schönste Junge im Dorfe, aber Greth meinte, er sei zu plump und dick und seine Brüder seien viel schöner. Da kam der dreizehnte Herbst seines Lebens, und mit dem November jenes Herbstes verschwand Klas durch eine der wunderbarsten Begebenheiten, die ich jetzt erzählen will, plötzlich aus dem elterlichen Hause.

Peter hatte einen neuen Knecht gemietet, der mit dem ersten November zuzog. Dieser hieß Hans Valentin und war schon ein ältlicher Mann von fünfzig Jahren. Der Knecht war nicht lange im Hause, so schloss er mit den Knaben eine sonderliche Freundschaft, am meisten aber mit Klas. Valentin wusste nämlich viele Fabeln, Geschichten und Mährchen und allerlei alte längst verschollene Leuschen, und erzählte sie abendlich nach der Arbeit den Kindern; und er ward durch seine schönen Geschichten bald so berühmt, dass auch die Kinder der Nachbarschaft häufig in Peters Haus kamen, damit sie ihn hörten. Dies geschah meistens des Samstags und Sonntags Abends, wo Valentin Zeit hatte zum Erzählen. Die Buben brachten dem Valentin Äpfel und Nüsse mit und andere schöne Sachen, und so setzte die Genossenschaft sich in einer Ecke hin und schmauste und erzählte. Das war aber das Besondere, dass von allen Kindern keiner die Geschichten besser behielt und lebendiger wieder erzählte als Klas; so dass Peter ihm oft mit Wohlgefallen zuhorchte und schmunzelnd der Greth zurief: Hörst du's Greth? hörst du's, wie der Klas der Blitzjunge erzählen kann? Sie aber ließ es kalt abgleiten und sagte wohl: Ja ein Klas ist er und ein Klas bleibt er, ein rechter Märchenklas, aber Schulze wird er nie werden, denn er kann ja nicht schreiben. So sprachen die Altern über Klas jeder auf seine Weise; sie merkten aber nicht, dass mit Klas eine große Veränderung vorging und dass Valentin ihn viel lebendiger und im Herzen viel lustiger machte. Denn die Geschichten ergriffen den Jungen so, dass er nichts anderes sah und hörte, dichtete und träumte als Hexen und Hexenmeister, Drachen und Riesen, bezauberte Prinzessinnen und verwünschte Schlösser. Ja es ging so weit, dass der Knabe manche liebe Nacht davor gar nicht schlafen konnte, sondern oft die Augen noch offen hatte, wann der Hahn durch seinen fünften Krei schon verkündigte, der Himmel wolle seine geschlossenen Augen wieder auftun.

So war Valentin mit seinen Buben bis gegen das heilige Christfest hingekommen, wo die langen Abende und die vielen Festtage zu Spielen und Mährchen Gelegenheit gaben und wo alle Welt wegen der Geburt des süßen Jesuskindleins sich mancherlei Festen und Freuden überließ und wo Freunde mit Freunden und Nachbarn mit Nachbarn lustig lebten. Valentin hatte bis auf diese fröhliche Zeit seine besten Geschichten aufgespart, er hatte den Kindern, welche nebst den Alten ihn reichlich mit Gaben bedacht hatten, wie man zu sagen pflegt, seine Mäusekiste aufgetan. Von allen Geschichten aber, die er ihnen auftischte, wurden sie am meisten erfreut durch die von dem Pfannkuchenberge und von dem gläsernen Berge, zu welchen er mit heller Stimme folgende fein klingende Reime zu singen pflegte: Wer sagt mir an, wo der Pfannkuchenberg liegt,
Gespickt mit Ochsenbraten,
Mit Zucker und Marzipan gefüllt
Und Scheffeln voll Dukaten?
Gläserner Berg, gläserner Berg,
Wann springst du auf?
Spielender Zwerg, künstlicher Zwerg,
Wann wachst du auf?
Wann die Glock Zwölfe schlägt,
Wann der Dieb Säcke trägt,
Dann spring' ich auf.
Wann der Hahn zum zweiten kräht
Und der Mond am höchsten steht,
Dann wach' ich auf.
Diese Geschichten gefielen so sehr, dass sie wenigstens vier Tage hinter einander immer mit neuen Ausschmückungen erzählt werden mussten, zumal da, wie Valentin wusste, die beiden Berge in der Nachbarschaft lagen in dem hohen Forst, in welchem er den Knaben, die dort oft das Vieh gehütet hatten, die Eiche und Buche ganz deutlich beschrieb und bezeichnete, die auf ihrem Gipfel ständen. Bei Tage, setzte er hinzu, kann man diesen Bergen freilich nicht ansehen, was sie eigentlich sind, dann sehen sie aus wie alle andere Berge; aber um die Mitternacht sind sie, was sie sind, der eine von dem allerklarsten und allerdurchsichtigsten Glase, wo Mond und alle Sterne durchscheinen bis auf den Grund, und der andere der prächtigste Pfannkuchen, so prächtig, als er nie in einer Pfanne gebacken ist. Die Sage geht, winkte er dann freundlich und mit leiserer Stimme, dass, wer in den Pfannkuchenberg steigt, ein großer König wird, und wer in den gläsernen Berg springt, ganze Säcke mit Dukaten und goldenen Bechern und silbernen Schalen mit zu Hause trägt; aber wer hat dazu den Mut? Solche Leute werden nicht alle Tage geboren.

Das Wörtlein: Aber wer hat dazu den Mut? gab nun, wie es unter Knaben zu geschehen pflegt, Gelegenheit zu vielem Necken, und sie wetzten, drillten und foppten einander damit, und einige Wochen hörte man am Schluss jeder Geschichte immer durchklingen: Aber wer hat dazu den Mut? und einige Schälke sagten auch wohl Klas Grad dör hat den Mut. Und Klas zuckte es dann immer in den Fingern, und er hätte sie gewiss gebraucht, wenn der Vater nicht dabei gewesen wäre; denn Peter strafte es hart, wenn die Buben sich in seiner Gegenwart rauften. Indessen ging das Wort und die Neckerei immer fort und auch das Wort Klas Grad dör hat den Mut; so dass es dem Knaben endlich zu toll ward und er bei sich selbst dachte: es ist doch auch schlecht, dass ich den Mut nicht haben soll. Und eines Abends, als sie wieder so stichelten und stachelten, entfiel ihm im Zorn das Wort: ja Klas Grad dör hat den Mut, wenn ihr den Mut habt mit dabei zu sein; und ihr könnt nun wählen, was ihr wollt, ich nehme mir den Pfannkuchenberg, worin der König sitzt, wo die große Buche steht, und will voran steigen als der erste, wenn ihr mit steigt. Und sie schämten sich und schrieen alle: Ja! Ja! wir wollen mit; denn es war eben der helle Mittag und sie deuchten sich alle des Mutes überflüssig zu haben, und hatten ihn damals auch. Und so neckten sie sich den ganzen Tag und Abend fort und fort, und Valentin und Peter und Greth und die Knechte und Mägde, die es hörten, zogen sie auf; denn sie glaubten nicht, dass es ihr Ernst sei. Die Knaben aber wurden dadurch nur noch vergrätzter auf ihren Vorsatz und der steife Klas hielt die andern fest, indem er ihnen alles auf das herrlichste vormalte, wie lustig sie dort leben und mit welchen Schätzen und Herrlichkeiten sie zu Hause kommen würden.

So war es Abend geworden, und es schlug zehn Uhr vom Kirchturm, da rief Klas: Frisch, Gesellen! heraus! es ist Zeit, wir haben über eine halbe Meile bis zum Walde. Und die Gesellen gingen hinaus mit ihm, seine drei Brüder und noch fünf andere Knaben, alle in Sonntagskleidern und mit weißen Stöcken in der Hand; denn mit weißen Haselstöcken soll man Geistern und Abenteuern entgegen gehen. Und die Alten riefen und lachten hinter ihnen her, und der Valentin lachte am lautesten, und sie dachten: die werden keine Berge sprengen sondern bald wieder hier sein.

Und die Knaben strichen geschwind über das Feld hin, und Klas lief allen voran, so brannte die Lust ihn, und sie krächzten und kakelten und jauchzten, wie Krähen krächzen, wenn man sie von den Bäumen aufjagt, und Hühner kakeln, wenn man ihnen den Flug auftut. Und alle blieben bei dem Vorsatz und waren voll Mutes, bis sie die Bäume des Waldes sehen konnten; da wurden sie fast alle still. Als sie aber an den Wald kamen und die hohen Bäume rauschen und die Wasser der Gießbäche aus der Ferne brausen hörten, da standen sie still, der einzige Klas lief hinein. Und da er die andern nicht folgen sah, schalt er sie; sie aber achteten des nicht, sondern sagten der eine dies der andere das, und keiner wollte mit. Da nannte er sie feige Memmen und rief ihnen spöttisch zu: Klas Grad dör hat den Mut, und dann rauschte er spornstreichs durch die Sträucher fort immer bergan. Sie aber rauschten über das Feld zurück nach Hause und machten so geschwinde Schritte, als hätte ein jeder ein Gespenst an den Fersen gehabt.

Und Klas lief eilends seines Weges auf manchen krummen Pfaden, die er kannte, bergauf bergab, bis er auf der höchsten Höhe des Forsts die Buche nicken sah. Da musste er auch still stehen und ihm wollte der Mut auch fast klein werden, zumal da er wohl vier Kirchenglocken aus der Ferne eben zwölf schlagen hörte. Aber wie er ein wackerer Bub war, so sprach er sich das Wort zu, das sein Vater ihm so oft gesagt hatte: ein Kerl müsse nie vor einem Entschlusse umkehren, den er in lustiger Stunde gefasst habe, und, wenn es zur Tat komme, sich wie ein Hase auf die Hinterfüße setzen; und Klas rief Grad dör! dass der Wald widerhallte, und so sauste er den Berg hinan. Und er kam hin, wo er eben die Buche noch gesehen hatte, aber sie stand nicht mehr da, wohl aber duftete und schimmerte der schönste Pfannkuchenberg im Mondschein. Und Klas bedachte sich nicht lange, tat beherzt seine beiden Augen zu, richtete sich mit beiden Füßen auf die Zehenspitzen, wagte den Sprung und rief: Grad dör sagt Klas Avenstaken.

Und der Sprung missriet ihm nicht, und er glitt sanft in den Berg hinein und sank leise und langsam hinab, als wäre er gefahren, wie man Eier im Hopfensack zu fahren pflegt. Und es deuchte ihm, er ward lieblich hinabgeschaukelt und hinabgewiegt und dass er entschlief und wundersame Träume hatte, worin ihm sein alter Hans Valentin erschien und ihm gar wohlgefällig und freundlich zulächelte.

Und als er erwachte, da war es dämmerig um ihn her, er fühlte aber, dass er in einem weichen Bette lag, auf so weichen und feinen Kissen, als Greth seine Mutter ihm nie untergelegt hatte. Und das gefiel ihm sehr. Aber ihn hungerte, und das gefiel ihm nicht. Da fing es an hell zu werden und er bedachte und besann sich über gestern und über die vorigen Tage und sprach: Hier soll ich ja im Pfannkuchenberg sein, will sehen, ob Valentin mir auch was vorgelegen hat. Und er rieb sich die Augen auf und es ward lichter um ihn; es fiel aber nur ein dämmerndes Licht von oben herab. Und seine Augen freuten sich, und sein Herz freute sich noch mehr; denn was ward er gewahr? Dass er nun wirklich mitten in dem Pfannkuchenberg war und dass der alte Valentin nicht gelogen hatte. Denn er war nun in einem Zimmer, worin ein Bett und ein Tisch und eine Bank war, fast wie in seines Vaters Hause; nur alles netter und zierlicher. Und das Zimmer war ringsumher gar herrlich geschmückt und verhangen. Da waren die Wände mit gebratenen Gänsen und Enten und Hühnern und Schnepfen und Rebhühnern und Wachteln und Krametsvögeln wie mit den schönsten Tapeten in der buntesten Mannigfaltigkeit verziert und mit Hasen und Hirschen und Rehen in Menge, und die schönsten Schüsseln und Teller und Messer und Gabeln hingen dabei. Das war die eine Seite. Und die andere Seite war mit Kuchen ausgeschmückt und mit Zuckerwerk und Marzipan und mit köstlichen Früchten, Pfirsichen, Aprikosen, Apfelsinen, Weintrauben, Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Nüssen und was Zunge und Zahn sich in ihrer Lüsternheit nur wünschen mögen zu schlürfen und zu beißen. Und an den beiden schmaleren Enden des Zimmers standen blühende Bäume und Bäume voll Früchte, und unter den Bäumen liefen je zwei Quellen heraus: an dem einen Ende war eine Wasserquelle und eine Milchquelle, und an dem andern Ende war eine Bierquelle und eine Weinquelle. Klas kümmerte sich um zwei Quellen gar wenig, nämlich um die Wasserquelle und die Bierquelle sondern gebrauchte allein die Milchquelle und die Weinquelle. Dieses ganze Zimmer war ein Wunder, aber das größte Wunder daran war, dass jeder verzehrte Braten und jede verschlungene Birne oder Traube gleich wieder an derselben Stelle wuchs, wo er sie weggerissen hatte, und dass die Milchquelle und Weinquelle nie versiegten. Ja ich glaube, ein ganzes Heer Reiter und Fußvolk hätte in dem Pfannkuchenberge ein Jahrtausend essen und trinken können, und es wäre nicht all geworden.

Und unser Klas aß und trank wie ein Kerl, ja er aß und trank übermäßig, und es bekam ihm doch nicht übel. Das geschah ihm aber immer, dass er sogleich nach dem Essen und Trinken einschlief, so dass man fast sagen mag, er tat nichts anderes als essen, trinken und schlafen. Er wachte aber etwa fünfmal des Tages auf, und dann aß und trank er jedes Mal tüchtig; die Nächte durch aber schlief er immer in Einem fort vom Abend bis zum Morgen, ohne dass er je erwachte. Weil dies nun sein Leben war und sein dämmerndes Zimmer ihn an nichts erinnerte, was er dort oben auf der Erde erlebt und gesehen hatte, so verschwand ihm das Vergangene fast ganz aus dem Gedächtnisse. Nur seines Vaters Peter gedachte er zuweilen und des treuen Valentins und des freundlichen alten Schulmeisters; aber das war ihm auch nur wie ein Traum. Das aber hielt er von göttlichen und heiligen Dingen und Gewohnheiten fest, dass er jedes Mal, ehe er aß, sich kreuzte und die Hände faltete und betete. Er konnte aber nur Ein Gebet, das nicht sehr lang war, und hieß: Fürchte Gott,
Liebes Kind,
Gott der Herr
Sieht und weiß
Alle Dinge.
Dies Gebet betete er immer sehr andächtig. Seine Schlafstunden bei Tage und auch die Nacht, wo er im Bette lag, waren ein ewiger Traum, und zwar ein sehr bunter und lustiger Traum, wo alle Valentinische Geschichten und Mährchen wunderbar aufblühten und wieder tausend andere Geschichten und Märchen gebaren, wo er immer mitten drinnen war und ungeheure Taten vollbrachte, Drachen und Riesen erschlug eiserne und diamantene Tore zersprengte Prinzessinnen befreite und endlich König ward.

Klas verlebte auf diese Weise, ohne dass er wusste, wie ihm geschah, in seinem Pfannkuchenberge ein ganz vergnügtes und lustiges Leben. Es war aber in dem Traume jemand da, der ihm die Geschichten erzählte oder vormachte. Dies war nicht Valentin sondern seine verstorbene Großmutter, die er in seinen frühesten Kinderjahren noch in seines Vaters Hause gesehen hatte. Diese schien dann zu seinen Häuptern zu stehen oder auf den Knien vor ihm zu liegen und über ihm zu beten, und erzählte ihm zuletzt immer Geschichten. So hat er es in späteren Jahren oft mit tiefer Bewegung erzählt und gemeint, wenn etwas Gutes aus ihm geworden, so verdanke er es den stillen Gebeten dieses frommen und von Gott erlösten Geistes, der seinen Irrtum, womit er in den Berg hinab gesprungen, zum Guten gewendet habe.

So waren ihm fünf Jahre vergangen wie Ein Tag, und essend und trinkend war er immer tiefer hinab gesunken, und das Zimmer hatte sich mit ihm gesenkt. Und er hatte sich glücklich durch den zauberischen Berg gefressen; denn durchfressen musste sich, wer hineinsprang, hatte Valentin gesagt, anders konnte er nimmer aus dem Berge erlöst werden. Wie viel er aber in dieser langen Zeit gegessen und getrunken hat, wer will das wohl ausrechnen? Gewiß ist es aber nicht weniger gewesen, als zehn der unverdrossensten Esser und Trinker nur hätten bezwingen können. Auch war es nicht verloren an ihm sondern er war ein gar starker und riesiger Jüngling geworden. Davon wusste er aber nichts, denn er hatte niemand, an dem er's hätte versuchen können, auch war kein Spiegel in seinem Zimmer, der es ihm hätte verraten können.

Als nun die fünf Jahre um waren und Klas sich unten bis an den Rand durchgefressen hatte, und nun wieder herausfallen sollte auf die Erde, damit sein Schicksal erfüllet würde, fiel er in einen tiefen Schlaf, und ihm träumte ein sonderbarerer Traum, als er je gehabt hatte. Die alte weise Frau nämlich, die immer bei ihm saß und ihm Geschichten erzählte und aussah wie seine selige Großmutter, schien ihm sehr traurig und gebärdete sich, als wenn sie Abschied von ihm nehmen wollte, ja sie sagte es ihm. Und es deuchte ihm, als wenn sie sehr brünstig und mit vielen Tränen über ihm betete und ihn dann aus dem Bette nahm und ihn wusch, wie man ein kleines Kind wäscht, bis er weiß ward wie ein Schwan, und als wenn sie ihm dann ein weißes Hemd anzog und einen sehr zierlichen neuen Rock und neue Schuhe und Strümpfe, und dann verschwand. Und auch ihm schien sehr traurig zu sein in seinem Herzen. Und dies war wirklich kein Traum gewesen sondern er war drinnen rein gewaschen worden und neu gekleidet vom Haupt bis zu den Füßen, und so war er im Traum aus dem Berge heraus gefallen. Er hatte es aber nicht gemerkt sondern diese Wundergeschichte verschlafen.

Weil Klas Avenstaken nun wieder auf der Erde erscheinen soll, so muss ich erzählen, wie es die fünf Jahre, wo er im Pfannkuchenberge lebte, in seines Vaters Hause gegangen war. Es hatte sich dort seit seinem Verschwinden nichts Ungewöhnliches begeben, sie lebten gottlob noch alle, die Altern und die Geschwister, und seine mitternächtliche Pfannkuchenbergfahrt war wirklich das einzige Außerordentliche gewesen, was das Haus in so langer Zeit erlitten hatte. Es war lange Trauer um ihn gewesen, besonders in dem Herzen seines Vaters, der es sich aber nicht merken ließ, auch in dem alten ehrlichen Valentin, den die Mutter überdies wegen seiner Geschichten noch viel ausgescholten hatte. Es war aber seit jener Zeit alle Freude von ihm gewichen und kein Mährchen mehr über seine Lippen geklungen, und der alte Mann, der sonst so munter und scherzhaft war, war fast stumm und grämlich geworden. Auch hatte er aus dem Hause und dem Dienst weggewollt, Peter aber in seiner Gutmütigkeit hatte es nicht zugelassen, und gesprochen: hat der Valentin so großes Leid mit uns erfahren, so soll er nun auch das bisschen Brod mit uns essen bis an sein Lebensende. Von Klas ward übrigens fast nicht mehr gesprochen oder doch nur leise geflüstert; die meisten Leute und auch seine Mutter meinten, die bösen Geister seien mit ihm abgefahren und das Knäblein werde in diesem Leben nicht wiederkommen. Nur Valentin und Peter sprachen zuweilen unter sich noch von dem Knaben, den sie beide so lieb gehabt hatten, und hegten verschwiegen die Hoffnung, er könne doch noch wohl mal wiederkommen. Die beiden glaubten auch an die Geschichten, die sie so gern erzählten oder erzählen hörten. Und siehe! ihre Hoffnung betrog sie nicht; denn Klas kam wirklich wieder. Nun muss ich erzählen, wie dies geschehen ist.

Weil Wunder immer auf das wunderbarste geschehen, so begab es sich, dass Klas gerade auf derselben Stelle, wo er einst versunken, aus dem Pfannkuchenberge wieder in diese Welt hineingefallen war. Das konnte nun doch nicht anders geschehen, als dass der Pfannkuchenberg sich umgekehrt hat, und dass die ganze Welt sich mit ihm umgekehrt hat. Eines von beiden musste geschehen sein, und weil es so war, deswegen heißt es ein Wunder; denn ein Wunder ist, was jeder Mensch wohl wissen aber doch kein Mensch begreifen kann. Kurz und gut, als Klas erwachte, lag er nicht in seinen weichen Betten sondern im grünen Grase und sah seine wohlbekannte Buche wieder und den hohen Berg, worauf er so oft die Rinder getrieben hatte, und den ganzen Wald und das Feld drunten, und die Dörfer und ihre Kirchtürme kamen ihm wieder wie alte Bekannte vor, jene fünf im Pfannkuchenberge verlebten Jahre aber waren ihm wie ein Traum, und es war ihm nicht anders, als sei nur eine Nacht vergangen zwischen dem Abend, wo seine Brüder und Gesellen von ihm liefen, und diesem Morgen, wo die Lerchen der Erde ihn wieder wach sangen. Es war aber ein sehr schöner Frühlingstag, als er sich durchgefressen hatte und wieder aus dem Berge fiel.

Klas lag nicht lange im Grase und gaffte, sondern er machte sich bald auf und lief geschwinde durch den Wald und über das Feld grad auf seines Vaters Haus zu. Und er fand, als er in die Stube trat, seine Ältern und Geschwister und den Valentin alle um den Tisch stehend, die eben die Hände zum Gebet gefaltet hatten; denn sie wollten frühstücken. So trat er unter sie. Er war aber sehr groß und schön, beinahe eines halben Kopfes höher als Peter, der auch kein kleiner Mann war, und er hatte schöne neue Kleider an. Und deswegen sahen sie alle auf und verneigten sich vor ihm, denn sie meinten, er sei ein Fremder. Er aber fiel Vater und Mutter und Schwestern und Brüdern um den Hals und herzte und küsste sie, und sagte: ich bin Klas und bin wieder aus dem Pfannkuchenberge gekommen; und auch den alten Valentin, seinen sehr lieben Freund, küsste er recht herzlich. Und sie erkannten ihn nun wieder an manchen Zeichen, und erstaunten sehr und freuten sich, dass er so groß und hübsch geworden.

Als nun aber das erste Erstaunen vorbei war, da wollten alle wissen, wie es ihm gegangen war in den fünf Jahren und drei Monaten, die er weg gewesen; und das ganze Dorf war herbeigelaufen, dass sie Klas Avenstaken sähen, und das erste Wort war immer: Nun lieber Klas, erzähle uns, wie ist es ergangen? und wie sieht es in dem Pfannkuchenberge aus? Er wusste ihnen aber nicht viel zu sagen, sondern es kam alles dunkel heraus wie Träume und Gespenstergeschichten; so dass einige ihn mit erschrockenen Augen anguckten, als sei es nicht geheuer mit ihm und als treiben schlimme Geister in ihm ihr Spiel, andere wohl hie und da flüsterten: der Klas lügt, er ist nicht in dem Pfannkuchenberge gewesen, er ist von seinen Ältern gelaufen und ist nun wiedergekommen, und der schlaue Schulze hat die ganze Geschichte erfunden, dass er seine Schlappe bemäntele. Die meisten indessen hatten Glauben zu dem Abenteuer und fanden recht großen Gefallen an der Erzählung, wie sein Zimmer mit Braten, Kuchen und Früchten tapeziert gewesen, und wie der Milchborn und Weinborn immer im Flusse gewesen: und das glaubten sie wohl, denn sie sahen seinen starken und schönen Gliedern und seinen rosenroten Wangen und funkelnden Augen wohl an, dass er die Zeit nicht gehungert hatte. Seine Mutter aber war die erste, die ihn voll Ungeduld nach den Säcken mit goldenen Dukaten fragte und ob er keine mitgebracht habe? Als er nun antwortete, da müsse der Valentin sich in der Geschichte versprochen haben, denn von Gold und Silber habe er in dem Pfannkuchenberge auch kein Pröbchen gesehen, da kopfschüttelte sie und meinte, er habe die fünf Jahre eben so gut zu Hause bleiben und die Wirtschaft mehren und an ihrem Tische essen können: denn was helfe es ihm nun, dass er Fasanen und Waldschnepfen gegessen und den köstlichsten Wein geschlürft habe? ohne Geld, möge er sich nur nicht einbilden, dass ein Mensch König werden könne, was der einfältige Valentin ihm vorgefabelt habe. Denn Valentin bekam bei Gelegenheit immer sein Seitenhiebchen mit ab. Und soll ich nun die Wahrheit sagen, so lautet sie so: Die ersten Tage waren die Leute im Dorfe außer sich über Klas und stürmten Peters Haus fast, die ersten Wochen verwunderten sie sich sehr, die ersten Monate sprachen sie viel davon, und nach einem Jahre war die Geschichte von den meisten schon wieder vergessen. Die aber immer noch viel von der Geschichte sprachen, das waren die jungen Dirnen, denn ihnen gefiel Klas über alle Maßen, und wo sie es sagen durften, riefen sie fast einstimmig: Klas Avenstaken ist doch der schönste Junge im Dorfe.

Klas war in seinem achtzehnten Jahre und fand sich wieder auf der Welt, wie er wohl wusste. Er machte sich rüstig an die Arbeit, denn dazu hatte er Sehnen und Knochen, und ging mit seinem Vater pflügen und säen, Steine brechen und Holz hauen, Gras und Korn mähen, und tat all sein Werk still und bescheiden und schaffte so viel als drei andere. Und der Vater hatte ihn immer sehr lieb und auch der alte Valentin freute sich an ihm. Auch die Mutter freute sich seiner schönen Jugend und Gestalt, was Mütter und Weiber nicht lassen können, und schmunzelte oft, wenn die Nachbarinnen ihn wegen seiner Schöne lobten; aber im Ganzen war er ihr doch nicht zu Sinn und deuchte ihr zu still und zu einfältig und nicht so geschickt und anstellig, als ihre andern Kinder. Und wirklich viele Worte konnte Klas nicht machen, ja er war viel stiller geworden, denn er als Knabe gewesen; auch hatte er in den fünf Jahren, die er in dem Berge gesessen, gar nichts zugelernt sondern schier alles vergessen, was er aus der Schule mitgebracht hatte; so dass er nichts weiter wusste als sein einziges kurzes Gebetchen. Doch wusste die Greth mit Grunde nichts auf ihn zu sagen: er war gehorsam und demütig in aller Arbeit, ging fleißig mit andern Christen zur Kirche und hielt alle heiligen Tage und Feste sittlich und andächtig mit, und hatte bei jedermänniglich Liebe und ein gutes Gerücht. Das Einzige, was sie an ihm tadelte und mit Recht tadeln konnte, war, dass er abendlich und nächtlich viel außer dem Hause war. Denn das konnte er nicht lassen, besonders an Sonntagen und Festtagen. So wie die Sonne unterging, musste er in Feld und Wald spazieren, und oft besuchte er dann auch den Berg, wo er sein Abenteuer gehabt hatte, und saß unter der grünen Buche und träumte die lustigsten Träume des Pfannkuchenberges noch einmal und kam gewöhnlich stummer und in sich gekehrter zu Hause, als er ausgegangen. Wenn Greth ihn nun darüber auch nicht schalt, so musste es der Peter entgelten, wenn er den Klas lobte. Sie brummte dann wohl für sich hin: ja was ist denn dein Klas? was hat ihm die ganze Bergfahrt gefrommt, wovon man so viel Geschrei macht? Reicher ist er nicht geworden, klüger wahrhaftig auch nicht, unser Speck und Brod hätte ihn eben so stark machen können, und er hätte uns noch Geld dazu verdient. Er ist als der blöde und stumme Dickkopf wiedergekommen, als welcher er weglief. Dein Klas ist der Klas geblieben. Solche Reden musste Peter oft hören und verschlucken, und grämte sich und durfte kein Wort dazu sagen. Doch in seinem Herzen deuchte es ihm alles anders, und er und Valentin ließen den Gedanken nicht fahren, der Klas müsse noch ein rechter Biedermann werden.

So waren wieder dreieinhalb Jahre vergangen und Klas war an Schenkeln und Schultern noch stärker und wo möglich noch schöner geworden, und füllte sein zwanzigstes Jahr. Da begab sich, was sich begeben sollte, damit er aus dem Bauerkittel herauskäme und zu den hohen Ehren gelangte, wozu Gott ihn hatte geboren werden lassen.

Er war mit seinem Vater in den Wald gegangen Holz zu fällen. Sie hieben an zwei verschiedenen Seiten einige hundert Schritt von einander, so dass sie nur den Schall ihrer Äxte hören konnten und nichts weiter. So mochten sie wohl einige Stunden gearbeitet haben, als Klas mit Einem Male von der Stelle her, wo Peter hieb, ein klagendes Ächzen hörte. Er ließ seine Arbeit und lief spornstreichs hin und sah, wie vier Männer in grünen Röcken seinem Vater die Hände auf den Rücken gebunden hatten und ihn mit Prügeln forttrieben. Da ergrimmte er, sprang hinzu, riss die Bande los, stieß die Männer weg und fragte sie, aus welcher Macht sie das täten. Sie antworteten ihm, er komme in guter Stunde, und ihm werde bald dasselbe geschehen; denn sie beide seien Holzdiebe und hauen nicht auf ihrem Grunde sondern es sei des gnädigen Herrn Wald. Es waren aber diese Viere Jäger des Grafen, dem das Land gehörte, doch war der Wald, wo Peter und Klas Holz fällten, nicht des Grafen eigener Wald sondern eine Almend des Dorfes Dümmelshusen. Und sie wortwechselten noch viel mit einander; als die Jäger sich aber unterstanden den Alten wieder zu binden und auch den Klas binden wollten, da kam der Zorn über ihn und er rief mit gewaltiger Stimme Grad dör! und hieb mit der Axt um sich, und hieb sie alle vier nieder, dass auch kein Lebenszeichen in ihnen blieb. Seinen Vater aber tröstete er des Schimpfes, und ging mit ihm zu Hause, wo er jedermann offen erzählte, was sich zwischen ihm und den Jägern des Grafen im Walde begeben hatte.

Es ward ihm und seinem Vater aber nicht so geglaubt, sondern es hieß, er habe die Jäger gewaltsam angegriffen und gefällt. Und der Graf sandte viele hundert Mann mit Spießen und Stangen nach Dümmelshusen, dass sie den Klas einfingen und ins Gefängnis führten. Und Klas entwich nicht, wiewohl er es gekonnt hätte, und weigerte und wehrte sich nicht, sondern ließ sich ruhig wegführen. Denn er sprach bei sich: Der Obrigkeit soll man gehorchen und untertan sein, und Gott wird Recht und Unschuld wohl ans Licht bringen.

Und als er in die Stadt kam, wo der Graf wohnte, nahmen sie ihn und legten ihm Hände und Füße in Eisen wie einem Missetäter und warfen ihn in ein dunkles Gefängnis, wo weder Sonne noch Mond hinein schien, und hielten ein strenges Gericht über ihn und verdammten ihn zum Tode, als der des Landes Frieden gebrochen und schweren Mord begangen hätte. Und alsbald ließ der Graf, der über den Tod seiner Jäger sehr erzürnt war, einen neuen Galgen bauen vor den Toren der Stadt fünfzig Ellen hoch, woran Klas Avenstaken gehängt werden sollte. Und es waren viele tausend Menschen aus allen Enden herbeigelaufen den Tag, als er gehängt werden sollte; denn sein Gerücht war weit erschollen wegen seiner Stärke und Schönheit, auch hatten die Leute sich das Mährchen von dem Pfannkuchenberge wieder erzählt und es mit vielen neuen Wundern vermehrt.

Und als die Sonne des Morgens aufging, wo Klas als ein armer Sünder sterben sollte, ward er aus dem Stadttore hinausgeführt, und trug seine schweren Ketten so leicht, als wären es Strohhalme gewesen, und schritt wohlgemut und festen Angesichts daher; denn er hatte recht andächtig gebetet und tröstete sich Gottes, da er sich keiner schweren und freiwilligen Schuld bewusst war. Und der Jüngling deuchte den Leuten schöner als je und aller Augen flossen in Tränen über dass ein so schönes junges Blut sterben sollte; besonders aber jammerten die Weiber und Jungfrauen, deren Herz von Natur mitleidiger ist, und manche dachte wohl: könntest du ihn vom Galgen lösen, du nähmest ihn gleich zum Mann und schämtest dich nicht. Als aber Klas unter den Galgen geführt ward und die Priester mit dem Kreuze in der Hand um ihn her standen und zu ihm sprachen und geistliche Lieder sangen und die Henker die Leiter und Stricke zurecht machten, da ward das Weinen ein lautes Schluchzen und Heulen und Schreien rings um das Hochgericht. Unter andern war auch eine schöne junge Frau da, welche sich durch den Haufen gedrängt hatte und dem Klas grade gegenüber stand, so dass sie ihm ins Gesicht schauen konnte. Diese rief so laut, dass alle Leute es hörten und er es auch hören konnte: O täte dieser doch nun den Schergen und Henkern, wie Simson den Philistern und zerbräche seine Bande! Und Klas fiel die Geschichte von Simson aus der Schule wieder ein, und er dachte: versuchen kannst du es wohl, ob es Gottes Wille wäre. Und er raffte seine Glieder zusammen und spannte seine Sehnen und rief voll Zorns Grad dör! und die eisernen Ketten sprangen, als wären es Rohrseile gewesen, und er stürmte durch die Henker und Schergen und durch alles Volk hin und warf links und rechts alles mit den mächtigen Fäusten nieder. Das Volk aber jauchzte und schrie: Grad dör, Klas! und Klas lief wie ein Hirsch, der mit seinen Beinen spielt, über das Feld hin in den Wald, und die ihm zu Fuß und zu Pferde nachjagten, konnten ihn nicht einholen. Die Henker aber, ergrimmt, dass sie so ihre Beute verloren hatten, griffen die schöne junge Frau, die den simsonischen Wunsch ausgesprochen hatte, und meinten, sie könnten sie nun hängen. Aber das Volk schrie laut dagegen und die Priester schalten sie, da die Frau es ja nur aus menschlicher Barmherzigkeit mit einem armen Sünder gesprochen habe, und der Graf, der auf das Getose und Getümmel wegen Klasens Flucht herbeigekommen war, befahl, dass sie die Frau wieder frei ließen; und so geschah es. Es war aber ein gewaltiges Jauchzen und Frohlocken unter allem Volke, dass Klas so entronnen war; denn dass sie ihn wieder fangen würden, glaubten sie nicht. Auch fingen ihn nicht wieder, die ihm nachgejagt waren; ich glaube auch nicht, dass sie besonders große Lust gehabt hatten, sich an ihn zu machen. Denn sie hatten gehört, wie er jenen vier Jägern getan hatte, und sie hatten eben gesehen, was seine Knochen und Sehnen vermochten und wie Schergen und Henker und alles Volk, das ihm im Wege stand, unter seinen Fäusten hingestürzt waren. Auch in Dümmelshusen hörten sie bald, was unter dem Galgen geschehen war, und freuten sich; und die Altern und Geschwister richteten sich wieder auf aus dem Elende und der Schmach, und Peter faltete die Hände und betete: Gott du bist gerecht, Klas ist kein Mörder, er hat sich für mich und sich nur ungerechter Gewalt erwehrt.

Als Klas in den Wald gekommen war, wo keine offene Straßen waren, lief er nicht mehr sondern ging sachte und hörte seine Jäger und Verfolger ruhig um sich her tosen. Er hatte sich schon einen tüchtigen knotigen Ast von einer schmeidigen Eiche gebrochen und zurecht gemacht, und dachte: Lass sie nur kommen, zehn und zwanzig von ihnen tun es mir nicht, wenn Gott nicht wider mich ist. Sie lärmten und tosten und getummelten aber gewaltig mit Hunden und Pferden durch den Wald, aber auf ihn stieß keiner; und er ging seines Weges fort, bis es Nacht ward. Da nahm er Herberge bei einem Köhler. So ging er noch einen Tag fort, da gelangte er auf das Brachfeld, das zwischen der Weser und Elbe hinstreicht bis ans Meer, und er dachte: hier musst du dich mehr in Acht nehmen, weil sie in hellen Haufen hinter dich her setzen können. Daher schlug er abgelegene Wege ein durch Wälder und Sümpfe und kehrte meistens ein bei einsamen Leuten, bei Hirten, Köhlern und Müllern im Walde. Und als der fünfte Tag anbrach, da sah er zum ersten Mal in seinem Leben das Meer und erstaunte ob der Gewalt und Pracht und fiel auf sein Angesicht und betete und dankte Gott, dass er ihm bis dahin geholfen hatte. Das wusste er aber noch nicht, was das Meer aus ihm machen sollte.

Klas war an der Elbe angelangt in der Gegend, wo sie bald ins Meer fällt und sehr breit ist, und ging längs ihrem Strande hin auf Schiffe zu, die er in der Ferne liegen sah. Es war eben die Zeit der Ebbe und der Strand gar flach. Er wusste aber nichts von Ebbe und Flut; denn was wissen die Leute, die in Berg und Wald wohnen, vom Meer? Und er war einige Stunden am Strome so in Gedanken fortgeschlendert und hatte nicht gemerkt, dass das Wasser zunahm. Es fing aber die Flut wieder an und wuchs bald mit so jählicher Gewalt, dass er in einem Augenblick rings mit Wasser umflossen war, das ihm bis über den Gürtel stieg. Da lief er was er konnte den Schiffen zu, die nun nicht mehr fern waren, und stützte sich an einer langen Stange, die an ihm hin schwamm und die er ergriff. Aber das nächste Schiff, wozu er gelangte, lag auf der Tiefe, wohl zwanzig Schritt vom Lande. Und Klas nahm seine Stange und schwang sich daran empor und rief Grad dör! und schnellte sich fort und sprang plötzlich mitten auf das Schiff hinab. Die Leute aber, die unten im Raum waren, erschraken über den Knall, den seine Füße gaben, und kamen auf das Verdeck herauf; denn es hatte geknallt, als hätte das Gewitter eingeschlagen. Und sie erstaunten, als sie den großen und stattlichen Mann mit der Stange darauf stehen sahen, und fragten ihn, ob er komme, als Freund oder Feind als Heide oder Christ. Als er ihnen bejahet hatte, dass er beides als Freund und als Christ komme, so schüttelten sie ihm alle nach einander die Hand, und bald brachte ihm einer eine große Schale voll Met und hieß ihn trinken; und er trank, und jeder von ihnen trank der Reihe nach auch. Und das sollte ein Zeichen des Friedens und der Brüderschaft sein.

Es waren wohl fünfzig Männer auf dem Schiffe, starke großgliedrige Gesellen, von wildem und rauem Ansehen. Klas hatte in seinem Lande dergleichen nie gesehen und hätte sie wohl für Räuber und Unchristen gehalten, wenn an dem Maste nicht das Zeichen des Kreuzes eingehauen und die Flagge nicht wie ein Kreuz ausgeschnitten gewesen wäre. Und sie waren allerdings Christen, aber Räuber waren sie auch. Das sagten sie ihm bald unverhohlen, nachdem er ihnen einen Teil seiner Geschichte erzählt hatte und durch welche simsonische Kühnheit er dem Galgen entlaufen war. Sie hatten ihn anfangs barsch angesehen, als ob sie ihm nicht trauten; aber die wilden Gesichter wurden immer freundlicher, je weiter er in seiner Erzählung vorschritt. Und als er geendigt hatte, trat derjenige unter ihnen zu ihm, der als der vornehmste aussah und in der Tat ihr Hauptmann war, schüttelte ihm die Hand, umhalste ihn und sprach: Willkommen Klas! solche Leute können wir brauchen, du sollst hinfort unser Stallbruder sein auf Leben und Tod und Ehre und Beute mit uns teilen. Und der Hauptmann erzählte ihm, sie seien friesische Männer von den Inseln und Küsten und leben meist vom Raube, den die See gebe und das Heidenland, aber Christen lassen sie unangetastet. Als Klas das Letzte hörte, schlug er getrost ein und ließ es sich gefallen mit ihnen zu ziehen, wiewohl sie ihm etwas gräuliche Leute zu sein deuchten.

Sie lagen noch wohl zehn Tage da vor Anker am Ufer des Stroms, weil der Wind aus Westen wehte, und Klas lernte sehr bald, wie man das Schiffsgerät und Ruder und Segel handhaben muss, denn er war sehr gewandt. Er ward nun auch gewaffnet nach Seeräuberart; sie nannten sich aber nicht Seeräuber sondern Meerfahrer oder Wikinger. Bald stand Klas in voller Wagenrüstung wie ein Wikinger da. Er trug aber, wann er in voller Rüstung war, einen Kettenpanzer, einen eisernen Helm und einen runden Schild mit Buckeln, und führte in der Rechten eine scharfe Streitaxt und an der linken Seite ein kurzes breites Schwert; Speere aber zum Werfen und Stangen zum Schlagen und Stoßen lagen im Schiffe genug, die jeder auf seine Weise gebrauchen mochte, wann der Feind angriff. Auch hatte es mächtige Stahlbogen und Pfeile in Menge, und damit wusste Klas wohl umzugehen, weil er die letzten Jahre mit seinem Vater oft auf die Jagd ausgegangen war. Er spannte aber den stärksten Bogen so leicht, dass seine Gesellen erstaunten; denn selbst der Hauptmann, der unter ihnen für den stärksten galt, konnte ihn nur zuweilen aufziehen. Als er ihnen vollends den Sprung noch einmal machte, den er mit der Stange von dem Ufer auf das Schiff getan hatte, da jauchzten und frohlockten sie und meinten, dieser Kämpfer solle manchem Heiden noch wohl den Dampf tun.

Den zehnten Tag hatte der Sturm aus Westen abgeweht, und es blies ein frischer Südost auf, und sie hissten die Segel und ließen das Schiff auf die blaue Tiefe laufen gegen Westen und steuerten gegen die Inseln der Heiden hin. Und es gab manchen heißen Kampf zur See und an den Küsten und manches Heidenschiff ward erstiegen und die Heiden wurden wie tolle Hunde erschlagen oder gefangen, und sie kamen mit reichem Gold und Silber heim und verkauften den Raub und die Gefangenen. Und Klas hatte sich schon einen Namen gemacht auf der See; denn wenn der Streit begann, rief er Grad dör! mit so gewaltiger Stimme, dass den Feinden sogleich der Mut entfiel und den Freunden wuchs und sie fast immer leichten Sieg gewannen. Und der Hauptmann, obgleich er dem Klas seine Stärke und seinen Kriegsruhm fast beneidete, hatte sich doch die Bitte der meisten seiner Leute gefallen lassen, dass sie auf dem Spiegel des Schiffes einen hohen Mann mit einer langen Stange machten, aus dessen Munde die goldenen Buchstaben Graddör wehten. Und Graddör ward das berühmteste Schiff in der Nordsee und Ostsee und weithin in dem Nordwesten bei den Inseln der Heiden. Und es kamen die besten Kämpfer verließen ihre Schiffe und traten zu dem Hauptmann des Graddör über; und sechs Monate nach dem Tage wo Klas darauf gesprungen war, hatte er statt der fünfzig Kämpfer wohl über zweihundert, und wuchs an Ehre und Furcht und Reichtum, dass es nicht zu beschreiben ist.

Man kann nicht sagen, dass dieses wilde und unstete Leben dem Klas sonderlich gefiel, aber er ließ es sich gefallen. Das frische Element des Meers und die kühnen Geister, die aus ihm brausen und wehen, behagten seiner Jugend wohl, und frische mutige Taten erquickten ihm Seele und Leib, und Heiden bekämpfen und dämpfen deuchte ihm eben keine Sünde, zumal da sie als arge und blutdurstige Räuber die Inseln und Küsten der Christen überfielen und ausplünderten und die Menschen als Sklaven wegführten und in das fernste Elend verkauften, und da sie auch alle christliche Schiffe anfielen und verdarben, deren sie mächtig werden konnten. Er schien gegen solche in einem guten Streite zu streiten. Auch hat es nicht gar lange gewährt, so ist Klas Hauptmann des Schiffes Graddör geworden.

Sie waren im zweiten Jahr seiner Seefahrt aus Westen hinaufgesegelt hoch gegen Norden und landeten den vierzigsten Tag ihrer Fahrt nach manchem harten Strauß, den sie mit Feinden und Stürmen bestanden hatten, auf einer kleinen Heideninsel, die von einigen Hundert Menschen bewohnt war, welche in ärmlichen Hütten wohnten und, wie es schien, von den Seevögeln und Fischen lebten. Als sie ans Land stiegen, kamen diese ihnen friedlich und freundlich entgegen, trugen gebratene Fische in Schalen und hielten die Metkanne hin; Waffen aber trug kein einziger von ihnen. Da ließ der Hauptmann aufblasen zum Angriffe, und ermahnte die Kämpfer mit schallendem Gelächter, dass sie die Männer niederhauen und mit den Weibern tun möchten, wie sie gelüstete. Und sie rüsteten sich, jene Armen aber entflohen mit jammervollem Geheul zu ihren Hütten. Als nun die Männer dem Hauptmann gehorsam anlaufen wollten, da sprang Klas plötzlich vor, zückte seine Axt und rief Halt! Zugleich entblößte er sein Haupt vor dem Hauptmann und bat, ja flehte ihm, dass er so schwere Schuld nicht auf sich laden wolle und so heilloses und unchristliches Werk nicht üben lasse gegen wehrlose Männer und Weiber; denn wenn sie auch Heiden seien und von dem lebendigen Gott und von dem Heilande und der Erlösung nichts wissen, so seien die doch viel ärgere Heiden, die solches tun könnten. Der Hauptmann aber hörte ihn nicht an sondern ergrimmte und befahl den andern, dass sie Klas als einen Aufrührer fingen und bänden. Klas aber stemmte sich auf seine Streitaxt, sah zornig um sich und sprach: wer wagt es? -und sie standen und keiner wagte es. Da befahl der Hauptmann zum zweiten Male, und es entstand Gemurmel unter dem Volke, und einige schritten vor, als wollten sie an Klas Hände legen. Klas aber ward nun von seinem Zorn und von seiner Macht gefasst und schrie Grad dör! und sprang mit seiner gezückten Axt auf den Hauptmann, der vergebens seine Wehr aufhob, und spaltete ihm den Kopf mitten durch, und rief: Der ist bezahlt und hat seinen verdienten Lohn; wer ein Christ ist, her zu mir! Und über die Hälfte der Männer traten zu ihm über, die andern aber ergrimmten um den erschlagenen Hauptmann und griffen zu den Waffen, als wollten sie seinen Tod rächen. Klas aber schrie abermals Grad dör! und sie standen wie vom Blitz in dem Boden fest geschlagen. Dann vermahnte er sie und die andern zum Frieden und belehrte sie, wie der Hauptmann Unmenschliches und Unchristliches befohlen habe, wie Christen geduldig, sanftmütig und barmherzig sein müssen und ihre Hände nicht mit unschuldigem Blut beflecken dürfen, und wenn es auch Heidenblut sei; denn Gott sei auch der Heiden Vater und Schöpfer. Und es liefen den eisernen Männern, als sie die Worte hörten, Tränen über die rauen Wangen und sie sprachen: Der Hauptmann ist durch Gott gefallen und durch dich, und riefen alle einstimmig: Klas du sollst unser Hauptmann sein! Und er ließ es sich gefallen und ward nun Hauptmann über zweihundert Männer.

Und es erschien bald, wie sie recht getan hatten. Klas hatte das wilde und rohe Wesen, das bisher unter ihnen gegolten hatte, wohl nie geliebt noch selbst mitgemacht, aber er hatte es doch an den andern dulden müssen, wiewohl solche Gräuel von ihnen nie begangen waren, als der Hauptmann jetzt gegen die armen waffenlosen Menschen auf der Heideninsel befehlen wollte. Als er nun selbst Hauptmann geworden, führte er eine recht strenge christliche Zucht ein und stieß ohne Erbarmen alles von seinem Schiffe aus, was sich ihr nicht fügen wollte. Das war aber sein erstes Gesetz, dass ohne Gnade an dem Mastbaum baumeln musste, wer einen unbewehrten Mann mit dem Eisen verletzte oder ein Weib vergewaltigte. Er fuhr aber noch immer gegen die Heiden, säuberte das Meer von ihren Raubschiffen und erlöste viele Christen aus der Gefangenschaft; auch hat er an vielen Orten, die sonst heidnisch waren, das heilige Kreuz als das Heil der Welt gepflanzt und durch seine Gerechtigkeit und Milde viele Heiden zum Christentum geführt. Und sein Name ist so gewachsen, dass die tapfersten Männer sich zu ihm gesellten und unter ihm auszogen und dass er im zweiten Jahre seiner Hauptmannschaft auf zwanzig Schiffen schon fünftausend Kämpfer hatte. Denn seine Redlichkeit und Gottesfurcht war groß und seine Tapferkeit gefürchtet und seine Stärke unüberwindlich; denn gegen den Hieb seiner Axt oder den Stoß seiner Stange hatte kein Schmied Schild und Panzer schmieden können.

Als nun das vierte Jahr seiner Seefahrt und das zweite Jahr seiner Hauptmannschaft war, hatte er eine Fahrt nach Island gemacht, war aber durch einen gewaltigen Nordwind zurückgetrieben und ward gegen die Ostküste einer großen Halbinsel verschlagen, welche Jütland heißet. Diese Halbinsel war zu jener Zeit halb heidnisch und halb christlich, und es hatte sich vor wenigen Monaten begeben, dass der Heidenkönig den Christenkönig geschlagen und erschlagen und alles Land überfahren hatte. Auch hatte er bald das Schloss des christlichen Königs und dessen Frau und Tochter, die darin waren, gewonnen. Die gefangene Königstochter war aber die schönste Prinzessin in allen Landen weit und breit. Diese wollte der Heidenkönig zwingen, dass sie sein Gemahl werden und ihm das Königreich zubringen sollte, als habe er es mit gerechter Hand erworben. Und er dachte in seinem stolzen Sinn: sie wird tun und sein wie andere Weiber und sich freuen, dass der Vornehmste bei ihr schlafen will und der König im Lande ihr Mann heißt. Aber sie tat und war ganz anders, und weigerte sich standhaft, und da er nicht abließ und zuletzt hochmütig dräute, da schalt sie ihn einen wilden Wüterich und einen heidnischen Bluthund. Und er ergrimmte darüber so sehr, dass alle seine heißen Flammen plötzlich erkälteten, und er schwur, sie solle für die Schmach eines gräulichen und qualvollen Todes sterben. Und er ließ einen großen Scheiterhaufen auftürmen auf offenem Felde unweit dem Schlosse, worin er die Prinzessin gefangen hatte; darauf sollte sie gleich einer gemeinen Missetäterin verbrannt werden.

Nun begab es sich durch Gottes Schickung, der dem Bösen nicht seinen Willen lassen wollte, dass Klas mit seinen meisten Schiffen aus Not hier jenen Morgen grade landete, als die Hinrichtung der unglücklichen Prinzessin geschehen sollte. Die Menge Menschen, die um das Schloss und an dem Strande und auf dem Felde rings herum tosten und wimmelten, der Schimmer und das Geklirr von Wagen und der Schall von Trommeln und Pauken machten ihn aufmerksam, und er erkundigte sich bei einem der Umstehenden, der ein Christ war, nach der Ursache des Gewimmels und Getümmels der Menschen und der vielen Kriegsleute. Jener aber erzählte es ihm alles und wie die Prinzessin in einer halben Stunde werde herausgeführt und jämmerlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, und wie sie nicht zu erretten sei vor der heidnischen Wut, denn der Heidenkönig habe mehr als zehentausend Kriegsleute bei sich, die sie zum Feuertode geleiten sollen. Und der Mann fing an bitterlich zu weinen, als er den Jammer auserzählt hatte.

Klas aber, als er alles so von ihm gehört hatte, ward blutrot vor Mitleid und Zorn, und sprach zu dem Manne: Das verhüte Gott und mein gutes Eisen, dass die Prinzessin sterbe! Und er schrie Grad dör! dass das Ufer rings widerhallte und antwortete. Und seine Krieger verstanden den Schrei, und in einigen Augenblicken standen sie versammelt um ihn wohl dreitausend an der Zahl. Und er rief ihnen zu: Auf Gesellen! frisch mit dem Gotte der Christen! wir wollen die Prinzessin und die Christen von den schnöden Heiden erlösen. Sind ihrer zehentausend, so ist es euer Brauch, jeder wohl fünf auf sich zu nehmen. Frischauf denn! Gott sieht das Herz an und nicht die Menge. So sprach er und schallte noch einmal Grad dör! drein, und riss sie wie ein Blitz mit sich fort grade auf den Scheiterhaufen hin in dem Augenblicke, als die Prinzessin, mit Schwertern und Spießen umgeben, aus dem Tore herausgeführt ward. Und er ließ das Bluthorn blasen, und die Heiden trompeteten gegen, und der König hielt an ihrer Spitze und rief den Seinen zu: Frisch! Frisch! wie die See immer vom trockenen Lande zurückfließen muss, so werdet ihr diese elenden Seeräuber in ihr Element zurückspülen. Und sie trafen hart auf einander, aber Klas und Graddör waren den Heiden zu mächtig, und sie fielen vor ihm und seinen Wikingern, wie Haberstroh vor der Sichel fällt, wann es zu reif ist. Und als die andern Christen der Stadt und des Landes sahen, dass Klas die Oberhand bekam über die Heiden, da stürmten sie auch von allen Seiten auf sie; und in wenigen Stunden ward der Heidenkönig nebst allem seinem Volke erschlagen bis auf einige wenige, die durch die Geschwindigkeit ihrer Pferde mit der Prinzessin in das Schloss zurück geflohen waren. Diese gaben wenige Stunden nach der Schlacht das Schloss und die Prinzessin auf um das Leben und den freien Abzug. Und Klas gestand es ihnen zu, weil ihrer so wenige waren, und ließ sie in Frieden abziehen.

Als Klas in das Schloss einzog, da war große Freude unter allem Christenvolke, dass Gott die Heiden so unter seiner Faust gedemütigt und die Prinzessin vom Feuertode errettet hatte, und die alte Königin und die erlöste Prinzessin traten ihm an den Stufen des Schlosses entgegen und priesen sich glücklich, dass sie durch einen solchen Mann befreit worden. Denn durch den Schlachtruf Grad dör hatten sie sogleich vernommen, welch ein Mann für sie gestritten. Und sie nahmen ihn an die Hand und führten ihn die Stufen des Schlosses hinauf; er aber weigerte sich dessen und verneigte sich vor den königlichen Frauen tief bis zur Erde, wie es einem tapfern und ritterlichen Mann geziemt, und wollte hinter ihnen her treten. Sie aber wehrten ihm das, und die alte Königin sprach: wo ist eine Prinzessin in der Welt, die nicht die geehrteste wird, wenn ein solcher Mann und Held an ihrer Hand einher geht? Und er musste ihnen wohl gehorchen und nebst seinen Helden sich am Mahle mit ihnen erquicken und in dem Schlosse und der Burg Herberge nehmen.

Die Königin hatte aber gleich bei sich bedacht, als sie Klas gesehen, und auch ihre Räte hatten es ihr zugeflüstert: wo wäre ein Mann wie dieser, der das Christentum hier empor bringen und das Heidentum bändigen könnte? hat Gott uns diesen nicht wie ein Wunder durch den Sturm hergeweht und als den König und Retter des Volkes gezeigt? Und sie hatte sich viele süße Gedanken gemacht über ihre Tochter. Aber das verbarg sie noch in ihrem Herzen, und dachte: Gott wird es schon machen, wenn es gut ist. Und Gott machte es, damit erfüllet würde, was Valentin gesagt hatte: wer sich mutig durch den Pfannkuchenberg fresse, der werde einmal König werden.

Denn Klas war kaum einige Stunden in den Gemächern des Schlosses, so fühlte er sich in seinem ganzen Herzen wie umgekehrt, er fühlte, dass er ein Weib gesehen hatte, von welcher seine Augen nicht wanken konnten. Die Prinzessin war auch gewiss die Allerschönste, die zu ihrer Zeit auf der Welt lebte. Er fühlte das mit Wohlgefallen, dass ihm das Herz zitterte; aber er bedachte zugleich, dass er der Sohn eines Dorfschulzen und sie eine Königstochter war, und schlug sich bei diesem Gedanken vor die Stirn und rief: Klas, Klas, wo willst du hin in deiner Torheit? hier hilft dir dein Grad dör zu nichts. Denn Klas war bei allen seinen großen Taten immer seiner Jugend eingedenk geblieben und war immer herzlich demütig und klein vor Gott, dem er allein alles beimaß; von seiner eigenen Ritterlichkeit und Schönheit, die wohl die Herzen aller Weiber der Welt anlocken konnte, wusste er gar nichts. So brachte er, von den Reitzen der schönen Prinzessin geblendet und verwundet, eine schlaflose kranke Nacht zu, und weil sein Wunsch ihm eine Unmöglichkeit deuchte, so beschloss er mit dem frühen Morgen nebst seinen Gesellen wieder in die Schiffe zu gehen und seinen Kummer dem wilden Element des Wassers zur Heilung zu übergeben, wenn Liebesflammen nur durch Wasser gekühlt und gelöscht werden könnten.

Und als es kaum dämmerte und das Licht noch furchtsam durch die Vorhänge in die Zimmer guckte, rief er seine Männer auf, und es ward ein Laufen und Wimmeln im Schlosshof, dass die Königin und die Prinzessin darob erwachten und mit Staunen und Schrecken vernahmen, dass Klas wieder auf seine Schiffe wolle. Und die alte Königin bedachte sich nicht lange, sie tat, was sie tun musste, kleidete sich eilends an, warf ihren königlichen Mantel um, und trat zu Klas ins Zimmer, zu welchem sie folgende Worte sprach:

Lieber Herr Klas, was ist das für eine Botschaft, die wir mit Schrecken hören? So willst du fort, und gönnst uns nicht einmal das bisschen traurige Zeit, dass wir dir wenigstens mit Worten danken können? So willst du uns verlassen? du willst das heilige Kreuz, du willst das Christentum, du willst die Christen hier wieder verlassen, und sie wieder auf des Schwertes Spitze stellen? das Fürstenkind willst du wieder verlassen, das du eben aus dem Feuer und Eisen der Heiden gerissen hast? Zwar liegt der Heidenkönig erschlagen und sein Heer speiset die Raben; aber viele Heiden wohnen noch um uns und über uns, und er hat der riesigen Söhne und Neffen genug, welche kommen werden und seinen Tod rächen, wann du weg bist. Unser König aber ist auch tot, unsre besten Männer liegen auch erschlagen, und wir haben keinen Sohn, keinen Bruder, keinen Bräutigam, die das Szepter und das Schwert führen können in der Gefahr. Hat der Wind Gottes dich denn nur hierher geweht, um uns desto herrlicher und größer zu verderben? hat er dich nicht hergeweht, dass du diesen Christen ein Kriegsfürst und König gegen die Heiden, mir ein geliebter Sohn und der Prinzessin, meiner Tochter ein würdiger Gemahl sein sollst? Ja das hat er gewollt, und das will ich, darum bin ich so früh aufgestanden, darum komme ich, darum bitte ich.

Die Königin sprach diese Worte so gewaltig, dass sie alle Worte tot machten, die Klas hätte antworten können. Er konnte nicht gehen; er konnte nicht sprechen, er konnte sich nur verneigen und erröten und schweigen. Und dies tat er auf seine Art, welche der Königin sehr gefiel; denn sie verstand, er werde mit den Schiffen nicht entfliehen, und also fuhr sie fort in ihrer Rede:

Du hast es beantwortet, wie ein Ritter und Mann antworten soll, wann eine Frau solches zu ihm spricht. Und nun will ich künftig auch nichts mehr hören von dir, dass du in einer Bauerhütte und wir in Königsschlössern geboren sind. Siehe Gott hat an dir große Zeichen gewiesen, dass er auch die Kleinsten groß machen kann, so wie er, wenn er will, Leben und Kronen geborner Könige in den Staub legt; er hat dir solche Demut und Tugend und Gewalt des Mutes und Glückes gegeben, dass du ein Mann heißest unter den besten Männern: dich hat die Ritterlichkeit Königen gleich gemacht und dein Grad dör! ist stärker als ein Heer. Und nun komm!

Und sie nahm ihn an der Hand, und er war ihr still und gehorsam wie ein kleines Kind und ließ sich von ihr führen, wohin sie wollte.

Und die Königin führte ihn in das Gemach ihrer Tochter der Prinzessin und legte die Hände der beiden zusammen und segnete sie ein. Und sie ließen es sich wohl gefallen, aber sprechen konnten sie kein Wort. Denn der Prinzessin war es nicht anderes gegangen als Klas; sobald sie ihn erblickt hatte, war es in ihr gewesen, als wollte es heraus klingen aus ihrer Brust: der ist der Mann, und kein anderer! Und wenn die Prinzessin die Allerschönste heißen konnte, so mochte Klas wohl mit eben dem Rechte der Allerschönste genannt werden.

Und Klas blieb nun und die Schiffe lagen vor Anker in der Bucht und kein Auge gab auf die Winde Acht. Sie waren alle auf das Land gerichtet, niemand dachte an Segel und Taue und Ruder, sondern die Männer schmückten Sporen und Waffenröcke für die Hochzeit. Diese ward in wenigen Wochen mit großer Herrlichkeit gefeiert, und die schöne Prinzessin nahm Klas Avenstaken zum Mann, der hinfort König Klas von Jütland hieß.

Und er wohnte manchen fröhlichen Tag und manche schöne Nacht mit der Prinzessin in dem Schlosse. Es lag das Schloss aber in Südjütland, wo jetzt die Stadt Schleswig steht. Aber er vergaß sich in der Freude nicht in Lässigkeit, sondern rüstete sich eifrig zum Kriege gegen die Heiden, und sie rüsteten sich auch. Und es begann ein langer schwerer Kampf um die Herrschaft, bis sie endlich unterlagen und Klas König war über die ganze große Halbinsel und über die Inseln umher.

Und es war das Ende des zweiten Jahrs, nachdem er den Heidenkönig erschlagen und die Prinzessin sich vermählt hatte, als er alles Land der Heiden unter sich bezwungen hatte bis an die Elbe und das Kreuz des Heils als Panier seiner Herrschaft allenthalben aufgerichtet hatte für die bunten Götzen aus Stein und Holz - da stand Klas einmal diesseits am Ufer der Elbe, und es deuchte ihm, als sehe er jenseits in der Ferne die Stelle, wo er mit der Stange einst auf das Schiff gesprungen war; und es war wirklich die Stelle, und er erkannte sie an drei Bäumen wieder, die auf einer Anhöhe hoch über das Gestade ragten. Und sein wunderbarer Lebenslauf wandelte ihm hier in Gedanken vorüber, und in Demut fiel er auf die Erde nieder und betete und dankte Gott, dass er ihn aus so vielen Gefahren errettet und auf eine so außerordentliche Weise zum König und Herrn über Länder und Völker gemacht hatte. Und er nannte die Stelle, wo er stand, Glückstadt und baute dort ein Schloss; und das Schloss und die Stadt steht von seiner Zeit bis auf diesen Tag. Klas war jetzt sechsundzwanzig Jahre alt, und es war das sechste Jahr seit jenem Morgen, wo er dem Galgen entlaufen war, woran er so unschuldig hatte hangen sollen.

Und als er die Heiden bezwungen und das Land mit Schlössern und Burgen befriedet hatte, da dachte er in Sehnsucht und Liebe seiner alten Ältern und seiner Geschwister und Freunde, und säumte nicht lange, sondern trat die Reise an zu ihnen. Er nahm aber sein Gemahl die Königin mit nebst tausend seiner Riesigen, damit er ein königliches Geleit hätte, So zog er über die Elbe gegen Süden. Und als sie vier Tage gezogen waren und der fünfte Tag anbrach und sie nicht mehr fern waren von seiner Heimat, da hieß er die Riesigen zurückbleiben und ritt mit seiner Königin voran und hatte nur einen Knappen bei sich. Und es war grade der Mittag des fünften Tages und die Glocke schlug zwölf, da ritten sie in Dümmelshusen ein und geradezu auf seines Vaters Haus. Sie ließen die Pferde aber im Dorfe laufen, was sie laufen konnten, damit die Leute, die sie sahen, sich nicht über sie besinnen noch es seinen Ältern verraten konnten. Und als sie vor Peter Avenstakens Hause anlangten, sprang der König Klas rasch vom Pferde und rief lustig Grad dör! dass es durch das ganze Dorf erklang. Und Peter, der mit Frau und Kindern grade bei Tische saß, sprang heraus bei dem Worte und sah den Mann und die Frau mit den goldenen Kronen auf dem Kopfe. Er merkte aber sogleich, dass es sein Sohn war, und rief: Nun Gott sei Dank, dass du wieder da bist und ein König geworden! Wir haben schon davon gehört, sie haben es uns aber nicht glauben wollen, auch deine eigene Mutter hat es nicht glauben wollen; nur ich und Valentin haben es gleich geglaubt, denn wir beide wussten wohl, dass etwas Besonderes aus dir werden musste. Und er rief in der Freude überlaut: Valentin! Valentin! komm doch heraus, dass du siehst, was aus unserm Klas geworden ist! Und Valentin kam und die Mutter und alle Geschwister kamen, und es war ein Herzen und Küssen, dass es kein Ende nehmen wollte. Und als der König und die Königin hineingegangen waren und sich an der Ältern Tisch gesetzt und mit ihnen gegessen und getrunken hatten in Demut zu Gott und in Liebe zu ihnen, da übernahm den alten Peter die Freude und er wusste nicht, was er sprechen sollte, er sprach aber vor Freuden fast zu viel. Und da hat er der Greth in die Ohren geflüstert, und es ist wohl nicht recht gewesen in solchem Augenblicke: Nun Greth, ist mein Klas der Klas geblieben? hätte aus deinem Johannes wohl mehr werden können?

Und Klas ist manchen Tag und manche Woche bei seinen Altern geblieben und hat fröhlich mit ihnen gelebt, und hat sie und seine Geschwister und die Nachbarskinder reichlich beschenkt, den alten Valentin aber hat er mitgenommen und zu ihm gesprochen: Lieber Valentin, du sollst meinen Söhnen auch lustige und waidliche Geschichten erzählen, wie ein jeder tüchtiger Mensch mit Gottes Hülfe etwas werden kann, damit brave Männer und Helden aus ihnen werden. Und Valentin ist gern mit ihm gezogen, denn er bildete sich auf König Klas viel ein und dachte bei sich, er habe ihn eigentlich zum Könige gemacht. Auch seinen jüngsten Bruder hat der König mitgenommen und seine jüngste Schwester; und ist der Bruder ein Graf und die Schwester eine Gräfin geworden und leben noch viele vornehme Leute in der Welt, die von ihnen herstammen. Das hat er sich aber ausbedungen vor der Abreise, dass, wenn der Vater stürbe, ihm das Bauergut zufallen sollte, und hat es seinen Brüdern gleich um den zehnfachen Wert abgekauft. Und der Vater und die Brüder haben es ihm zugesagt und auch gehalten. Denn er sagte: Ich will einen meiner Söhne hinschicken, der soll ein Bauer werden und seine Kinder und Kindeskinder sollen Bauern bleiben; denn Bauern sind älter und halten länger aus als die Könige.

Und König Klas ist wieder heimgegangen in sein Reich und hat noch manches liebe Jahr glücklich mit seiner Königin gelebt und regiert und viele Söhne und Töchter mit ihr gezeugt, und haben viele große Könige und Königinnen aus seinem Blute nach ihm geherrscht. Aber doch ist das glorreiche Geschlecht von Klas Avenstaken nun schon lange ausgestorben und ein anderer Stamm herrscht in den Landen, die ihn einst als König verehrten. Aber seines Sohnes Konrad Geschlecht dauert noch bis diesen Tag. Dieser Konrad war sein jüngster Sohn. Den tat er alsbald nach seiner Geburt auf das Land zu einem Bauer und ließ ihn bäuerlich leben und arbeiten und sandte ihn dann in das Land seiner Heimat in Westfalen nach Dümmelshusen, wo er ihn auf das Gut seines Vaters setzte. Und Konrad ist groß und stark geworden wie König Klas, aber nicht so mächtig und herrlich vor der Welt, sondern ist als Dorfschulze gestorben, was sein Großvater Peter auch gewesen. Und von diesem Konrad dem Königssohn stammen bis diesen Tag noch alle Avenstaken her, die als Bauern in Dümmelshusen und in der Gegend leben.