[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie Aldar-Kosse seinen Weg begann

Es soll Zeiten gegeben haben, da hielt sich die Welt auf einem grauschwarzen Jungbullen, da war der Himmel nicht größer als eine Kameldecke, die Erde so groß wie ein Pferdehuf, die Wölfe rupften Gras, die Lerchen bauten auf dem Rücken der Hammel ihre Nester, im Schatten eines Grashalms fanden tausende Pferdeherden Kühlung, den Tieren und Vögeln wuchsen erst Schwänze, der Fuchs galt als Heiliger, war der Richter über alles. Vielleicht damals, vielleicht auch zu einer anderen Zeit beschloss der graubärtige Greis Koshir in der Steppe sein Leben. Er hatte drei Söhne, drei wackre Dshigiten. Eines Tages sprach Koshir zu ihnen: »Meine Kinder, die Kräfte verlassen mich, nun ist die Zeit gekommen, mich zum letzten Nomadenlager zu rüsten. Mein Gewissen ist rein wie Quellwasser, ich habe den Tod nicht zu fürchten. Doch vor meinem Ende möchte ich wissen, wie ihr, meine Söhne, ohne mich leben, welche Wege ihr wählen wollt. Denkt nach und gebt mir Antwort. Wisset, einem guten Menschen steht immer ein guter Weg offen.«

Der älteste Sohn sagte: »Von klein auf zieht es mich zum Acker. Was kann schöner sein, als das Feld zu pflügen und zu bestellen, damit die Menschen immer reichlich Brot haben.« Und der Vater segnete ihn: »Werde Landmann, mein Sohn!«

Der mittlere Sohn sprach: »Mir gefällt das Hirtenleben. Ich liebe Pferde, Kamele, Schafe, Kühe und Ziegen. Die größte Freude ist es, die Tiere zu pflegen, damit die Menschen reichlich Fleisch und Milch, Kumys und Gewänder, Filz für ihre Wohnungen haben.« Koshir segnete auch diesen Sohn: »Werde Viehzüchter, mein Sohn!«

Der jüngste Sohn sagte: »Ich liebe das Singen, das Lachen und bringe gern andere zum Lachen. Was ist das für ein Leben ohne Lieder, ohne Scherze, ohne ein treffendes Wort. Ich will durch die Welt wandern, an Orte, wo noch nie ein Mensch seinen Fuß hingesetzt hat, in Aule und auf Weideplätze gehen, auf Straßen und in Karawansereien, auf Basare und auf Feste, in ärmliche Hütten und in Khangemächer. Werde Betrüger betrügen und den Betrogenen aus der Not helfen, Gewalttäter betrüben und die Elenden erfreuen, die Müßiggänger zum Narren halten und die Fleißigen ermuntern, mit dreisten Worten den Stolz der Hochmütigen brechen und die Schwachen erheben. Hunderte werden mich hassen, dafür werden Tausende meine Freunde sein. Und vielleicht vergisst das Volk meinen Namen - Aldar-Kosse - nicht.«

Der Alte hörte dem Sohn zu und sagte lächelnd: »Schön sind deine Worte, mein Sohn. Die Natur hat dir keinen Bart geschenkt, dafür aber einen scharfen Verstand, ein großes Herz, ein heiteres Gemüt und eine flinke Zunge. Tue, was du dir vorgenommen hast! Möge dein Name den Bösen Furcht und Verdruss bringen, den Guten Tröstung und Freude, möge er von Mund zu Mund, von Jahrhundert zu Jahrhundert, von Märchen zu Märchen weitergegeben werden. Ich gebe dir meinen väterlichen Segen! Trete deinen Weg an, Aldar-Kosse!«