[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie Aldar-Kosse einen stolzen Mann beschämte

Der Sohn des Sultans ritt auf einem weißen Kamel, unter einem bunten Baldachin, umgeben von seinen Dienern und von der Wache, zu seinem Vater. Unterwegs begegnete die Karawane einem Reiter, einem bartlosen Mann in Lumpen. Der ritt so dahin und lächelte übers ganze Gesicht, schaute in den Himmel. »He, du da«, schrie ihn der Sohn des Sultans an. »Bist du nicht Aldar-Kosse?«

»Sie haben es erraten, mein Herr, so ist es, ich bin Aldar-Kosse, der Sklave Euer Gnaden.« Der Sohn des Sultans hob die Hand, und die Karawane blieb stehen. »Aldar-Kosse, sag mir doch, ob es stimmt, dass du alle Menschen überlistest?« Aldar neigte demütig den Kopf. »Mein Herr, es gibt Lüge wie eine Wahrheit, und es gibt Wahrheit wie eine Lüge. Wäre denn ein einziger, sei er auch der Weiseste unter den Weisen, imstande, alle zu überlisten? Alle - das ist doch das Volk, nicht wahr?«

»Warum diese Ausflüchte«, unterbrach der Sohn des Sultans Aldar. »Was hat das Volk damit zu tun? Dieses Wort mag ich nicht.«

»Ob Sie es mögen oder nicht, gibt es doch das Sprichwort: ›Spucke nicht aufs Volk, die Spucke reicht nicht; wenn das Volk auf dich spuckt, ertrinkst du in der Spucke wie in einem See...‹«

Der Sohn des Sultans verfinsterte sich. »Nimm dich in Acht! Du hast eine zu flinke Zunge. Antworte mir lieber ohne Umschweife: Könntest du mich hereinlegen?«

»Sie, o mein Herr?« Aldar dachte nach. »Nein, Sie kann ich wahrscheinlich nicht hereinlegen. Aber um das genau sagen zu können, müsste ich mir Ihre nackten Fersen ansehen...«

»Ach so?« Der Sohn des Sultans verzog unmutig das Gesicht. »Na, gucke...« Er befahl den Dienern, das Kamel hinzulegen, setzte sich auf die Erde und zog sich schnaufend die Stiefel aus. »Hier, meine Fersen!«

»Höher, ich bitte Sie, die Beine höher, mein Herr!« Der Sohn des Sultans stützte sich mit den Händen auf der Erde auf und riss die Beine hoch.

Aldar beschaute sich lange seine Fersen, schüttelte den Kopf und murmelte etwas vor sich hin, dann sagte er mit zitternder Stimme: »Nein, Herr, nein, nein! Machen Sie mit dem unglücklichen Aldar-Kosse, was sie wollen, befehlen Sie ihm die Haut abzuziehen, oder setzen Sie ihn auf heiße Kohlen, aber Sie zu überlisten, das geht über meine Kraft...« Der Sohn des Sultans lachte zufrieden: »So ist es. Der Mensch wurde noch nicht geboren, der mich reinlegen könnte. Das ist dein Glück, du Unruhestifter, dass du es nicht wagst, mich zu belügen!«

Die Karawane traf an Ort und Stelle ein, der Sultan feierte zu Ehren der Ankunft seines Sohnes ein großes Fest. Auf dem Fest erzählte der Sohn, was er unterwegs erlebt hatte, und endete damit, wie sich der schlaue Aldar-Kosse vor ihm eine Blöße gab. »Aber, halte ein!« schrie der Sultan, »du bist doch auf Wunsch des Bartlosen vom Kamel gestiegen! Nach seinem Willen hast du dich mitten in der Steppe ausgezogen! Hast wie ein Dummkopf zum Gespött Aldar-Kosses und der Diener die Füße hochgerissen! Also hat dich Aldar-Kosse dreimal überlistet!« Zornentbrannt wandte sich der Sultan von den Menschen ab, und der Sohn schlug, als hätte man ihm einen Hieb mit dem Holzhammer versetzt, nur die Augen auf und nieder und murmelte etwas Unverständliches. Die Gäste, die zum Fest gekommen waren und das Geschehen verfolgten, stießen sich gegenseitig an und erstickten fast vor Lachen, denn laut zu lachen wagten sie nicht. Aber jeder dachte insgeheim: Ein würdiger Sohn bringt seinem Vater Ruhm, ein unwürdiger Sohn bringt seinem Vater Schande.