[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie Aldar-Kosse einen armen Dshigiten verheiratete

Es war einmal ein Bei. Der war dumm wie ein Hammelschwanz, wähnte sich aber ein großer Musikant. Wenn er, die Wangen aufgeblasen und die Augen rollend, anfing, auf der Sabysgi zu spielen, flüchteten die Leute in die Steppe und die Hunde stimmten ein solches Geheul an, als witterten sie ein Wolfsrudel in der Nähe. Der Bei aber glaubte, niemand in der Welt spiele besser als er. Jener Bei hatte eine schöne Tochter. Der kühne Dshigit Malik liebte sie inniglich. Malik jedoch besaß nichts, weder Vieh noch Geld, der Bei verlangte für seine Tochter aber viel Brautgeld. Als der Bei den Dshigiten nun eines Tages in der Menge neben seiner Tochter sah, schrie er: »Scher dich weg, Unverschämter, fort aus dem Aul und komme mir nie mehr unter die Augen! Ein Hungerleider ist nichts für die Tochter eines ehrenwerten Mannes. Ich gebe sie dir nur dann, wenn ich sterbe und du mich zum Leben erweckst!...«

In seinem Kummer und Schmerz ging der Dshigit in die Steppe, wo Aldar-Kosse ihm begegnete. »Warum lässt du den Kopf hängen, mein Freund?« fragte ihn Aldar-Kosse. »Oder wärmt die Sonne die Erde nicht mehr, oder nährt die Erde das Vieh nicht mehr?« Treuherzig vertraute sich ihm Malik an. »Sei nicht betrübt«, sagte Aldar-Kosse. »Das schöne Mädchen wird dir gehören. Vertraue auf mich. Strecke dich bis zum Abend auf dem weichen Gras nieder, ich schaue inzwischen bei dem Bei vorbei.«

Diesen Gast hatte der Bei nun überhaupt nicht erwartet. »Was willst du, Taugenichts?« Aldaken machte eine tiefe Verbeugung. »Ich komme mit einer großen Bitte zu Euch, ehrwürdiger Bei.«

»Mit einer Bitte?« Der Bei schaute mürrisch drein. »Mit welcher Bitte?«

»Ich wage, Euch zu bitten, für mich ein wenig Sabysgi zu blasen.« Der Bei wurde sogleich lebhafter und fröhlicher. »Ich sehe, Aldar-Kosse, du bist kein dummer und ein achtenswerter Mensch. Tritt ein in die Jurte. Mit größtem Vergnügen spiele ich etwas für dich. Du hast die Steppe kreuz und quer durchstreift, warst auf verschiedensten Lagerplätzen, hast viele Menschen getroffen. Höre nun mein Spiel und sage, ob es noch so einen Musikanten gibt wie mich!«

Während der Bei sprach, schaute sich Aldar-Kosse in der Jurte um. Es war eine reiche Jurte! Überall Teppiche und Kissen, Samt und Seide, an den Wänden hing kostbares Pferdegeschirr, am Kopfende des Schlafplatzes stand ein geschnitztes Kästchen mit einem schweren Schloss davor. Ohne dieses Kästchen gehe ich nicht weg von hier, dachte Aldaken. Darin bewahrte der Bei sein Geld auf. Der Bei nahm die Sabysgi, setzte sie an die Lippen an und blies aus Leibeskräften in die Öffnung. Aus der Pfeife drang ein schrilles Piepsen, und die Leute im Aul stürzten hastig in die Steppe, alle Hunde begannen wild zu heulen. Der Bei pfiff, Aldaken lauschte entzückt und schnalzte mit der Zunge. »Nun, gefällt es dir?« Der Bei ließ von der Sabysgi ab. »Mein lieber Bei«, antwortete Aldar-Kosse und tat so, als wische er sich die Tränen mit dem Rocksaum aus den Augen. »Bei Eurem wunderbaren Spiel vergaß ich gänzlich, dass ich auf der Erde weile, mich dünkte, schöne Frauen im Paradies sängen über mir. Ihr seid wahrhaftig ein trefflicher Musikant!«

Der Bei kraulte sich selbstzufrieden den Bart. »Aldar-Kosse, du gefällst mir immer besser«, sagte er, »ich will dir meinen alten Chalat schenken.«

»Danke, vielen Dank, unschätzbarer Bei! Aber erzürnt nicht wegen meiner Worte, Herr«, fuhr Aldar-Kosse fort. »Ich kannte einen Mann, der noch besser spielte.« Der Bei runzelte die Augenbrauen und warf dem Gast einen bösen Blick zu. »Worin bestand denn die Kunst jenes Musikanten?«

»Jener Musikant konnte drei Stunden mit geschlossenen Augen spielen«, sagte Aldaken vertraulich. »Und das ist alles?« Der Bei lachte. »Ich könnte fünf Stunden spielen, ohne auf die Finger zu schauen. Du glaubst es nicht? Dann verbinde mir die Augen.«

Aldaken ließ sich nicht lange bitten. Da blies nun der Bei mit verbundenen Augen noch eifriger die Sabysgi. Die Menschen liefen noch weiter in die Steppe, und die Hunde heulten noch verzweifelter. Aldar-Kosse schlich vorsichtig über die Filzmatten, nahm das schwere Kästchen, hob es sich auf die Schultern und schlüpfte heimlich aus der Jurte. Der Bei blies bis zum späten Abend, so lange, bis er vor Anstrengung völlig nass geschwitzt war. »Nun, was sagst du, Aldaken«, fragte er, Luft holend. Die Antwort aber blieb aus. Der Bei band sich das Tuch von den Augen und schrie wie am Spieß: Aldar-Kosse und das kostbare Kästchen waren verschwunden! Menschen drängten sich um die Jurte des Beis, sie kicherten und flüsterten: »Der Bei hat sein Geld verpfiffen!« Die ganze Nacht lamentierte der Bei: »O weh, o weh, das ist mein Ende! Ich sterbe! Ich bin verloren!«

Am Morgen kam Malik zum Bei und stellte wortlos das geschnitzte Kästchen vor ihn hin. Der Bei war für Sekunden wie betäubt, wie ein Besessener stürzte er sich auf das Kästchen, öffnete das Schloss und den Deckel. Es war bis zum Rand mit Geld gefüllt. Mit zitternden Händen zählte der Bei das Geld: Es war alles beisammen. »Malik, meine Seele, du hast mir das Leben zurückgegeben.« Der Bei schluchzte vor Freude. »Nimm meine Tochter! Es soll sein. Rechne aber nicht auf Mitgift. Nichts erhältst du. Ich kann dir nur meine Sabysgi geben. Eine gute Pfeife! Blase nach Herzenslust. Lebe in Freuden. Ich brauche sie nicht mehr. Gott mit ihr!« So heiratete Malik die Tochter des Beis. Und bis zum Ende seiner Tage erfuhr der Bei nicht, wie dem Dshigiten das Kästchen in die Hände geraten war. Wir aber wissen es sehr gut.