[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie Aldar-Kosse bei Alascha-chan in Dienst kam

»Wenn schon fallen, dann vom Kamel fallen«, sagte Aldar-Kosse und begab sich zum Lager des Khans. Damals war Alascha-chan, ein gewitzter und eigenmächtiger Herrscher, Khan in der Steppe. Keiner wusste, was er sich einfallen lässt, wie sich seine Gnade wendet, welche Folgen sein Zorn haben wird. Wenn der Khan mit seinem Gefolge durch die Steppe ritt, flohen die Menschen und versteckten sich. Es galt als ein großes Unglück, ihm unter die Augen zu geraten. Kann man sich aber vor den chanschen Gesetzen verstecken? Wie heißt es doch in dem Sprichwort: »Die Rute des Khans reicht bis zum Steppenrand.« Der Khan erließ den Befehl: »Jeder, der mindestens ein Schaf besitzt, hat bis zum Winter eine Goldmünze an den Khan zu entrichten. Wer sich weigert, gerät in Sklaverei.« Die Steppe geriet in Sorge. Das Volk murrte. Wo sollte der Hungrige und Elende eine Goldmünze hernehmen, wenn er doch nie in seinem Leben eine abgegriffene Tenga in den Händen gehalten hat? Aldar-Kosse überlegte. Viel Gold braucht man, um den Armen aus ihrer Not zu helfen! Und wer besitzt so viel Geld? Einzig und allein der Khan. Da will ich doch mal mit ihm reden. Vielleicht gelingt es mir, ein paar Sack Gold bei ihm zu borgen? Komme, was da wolle! Der Kahn des Tapferen geht nie unter...

Es war Frühling. In der Steppe blühten die Mohnblumen und die Tulpen. Aldar schritt frohen Muts einher. Der Khan hatte sein Lager an einem Hügel am See aufgeschlagen. Im Halbkreis reihten sich schneeweiße schöne Jurten aneinander, die in der Mitte war größer und prächtiger als alle anderen. Am Eingang stand die Wache, über der Kuppel ragte ein Speer mit Buntschuk auf. Das war die Jurte des Khans. Aldar-Kosse ging zunächst pfeifend in einiger Entfernung auf und ab. Die Leibwächter des Khans eilten herbei: »Was jagst du den Wind? Wer bist du? Was willst du?«

»Ich bin Aldar-Kosse. Will dem Khan ein wichtiges Geheimnis verraten.«

Er wurde dem Khan vorgeführt. »Also das bist du, bartloser Spitzbube!« sagte Alascha-chan. »Habe viel von deinen Streichen gehört, zahlreiche namhafte und ehrwürdige Menschen beklagten sich bei mir über dich. Weshalb bist du gekommen?«

»Tachsyr, mein Gebieter.« Mit diesen Worten fiel Aldar auf die Knie. »Glaubt nicht an das dumme Gerede. Wer kann es schon den Leuten recht machen? Sagt man ein Wort, wird man Schwätzer genannt, schweigt man, gilt man als Dummkopf. Ihr werdet Euch selbst von meinem Eifer und von meiner Selbstlosigkeit überzeugen, Lasst mich nur sagen, was ich denke.« Der Khan nickte. »Sprich, wir hören dich an.«

»Tachsyr, mein Gebieter«, setzte Aldar-Kosse mit Feuereifer fort, »ich habe Euer Geld nicht gezählt, bin aber sicher, dass man es gar nicht zählen kann. Jedoch gibt es keinen Herrscher auf der Welt, der nicht ein zusätzliches Maß Gold gebrauchen könnte. Also ich weiß ein Mittel, wie Ihr Euren Reichtum mehren könnt. Jetzt ist Frühling, Saatzeit. Gebt mir einen Batman Geld, ich säe es auf einem Feld, im Herbst ernte ich und bringe Euch den gesamten Ertrag. Ich weiß, dass man in einem guten Sommer von einer Münze tausend erhalten kann.«

»Wenn nun das Geld umkommt?« fragte der Khan streng. Aldar breitete unterwürfig die Arme aus. »Es steht in Eurer Macht, mein Gebieter, mich für Betrug des Lebens zu berauben.«

Die bei dieser Unterhaltung anwesenden Wesire hielten in Erwartung der Antwort des Khans den Atem an. Der Khan aber schwieg und betrachtete Aldaken prüfend, als wollte er ihn mit seinem Blick in kleine Stückchen zerteilen. Endlich öffnete er den Mund: »Gebt ihm einen Batman Gold! Soll er säen.« Als er die Verwunderung der Wesire bemerkte, setzte er mit giftigem Spott hinzu: »Der entkommt uns nicht.« Man tat sofort, wie der Khan geheißen hatte, und Aldar-Kosse schritt fröhlich mit dem Sack auf den Schultern heim. Ihm folgten, im Steppengras und in den Schluchten versteckt, die Diener des Khans, um zu beobachten, was er mit dem Gold tun würde.

Nach einer Weile kehrten die Spione zurück und meldeten: »Zu Hause spannte der Bartlose zwei Bullen ein, pflügte ein Stück Land um, verstreute etwas mit den Worten: ›Wachse, von einem Tausend! Wachse, von einem Tausend!‹ Dann stellte er am Feldrand eine Laubhütte auf und setzte sich hinein, um die Vögel zu verscheuchen, es konnte also nicht herausgefunden werden, ob er Gold oder etwas anderes gesät hat...« Der Herbst brach an. Die Gänse zogen von den Seen nach Süden, das Gras trocknete auf der Weide, alles begab sich zu den Winterlagern. Von Aldar-Kosse jedoch keine Spur. Alascha-chan schickte eine Truppe Krieger zu ihm. »Bringt mir den Betrüger! Höchste Zeit, dass er mir Rede und Antwort für seine Streiche steht!« Schreiend und einander überholend, stoben die Krieger durch die Steppe, kamen aber bald schon unverrichteter Dinge zurück. »Tachsyr, unser Gebieter, als wir in Aldar-Kosses Hütte eindrangen, fanden wir dort den Hausherrn nicht. Am erloschenen Feuer saß nur ein nettes Mädchen, das sich für seine Schwester ausgab«, meldeten die Krieger. »Es weinte bitterlich. ›Wo steckt dein Bruder?‹ - ›Er ist nicht zu Hause, vielleicht auch gar nicht mehr am Leben...‹, antwortete das Mädchen, die Hände ringend. Jedem würde das Herz erweichen beim Anblick solchen Kummers! ›Was ist denn geschehen?‹ fragten wir weiter, und es erzählte: ›In diesem Jahr hat es bei uns seit dem Frühjahr nicht geregnet. Das Gold des Khans, das mein unglücklicher Bruder gesät hat, ging nicht auf. So machte er sich aus Angst vor dem Zorn des Khans auf, um Geld aufzutreiben und dem Khan das Geborgte zurückzugeben. Wenn es Aldaken nicht gelingt, mit dem Khan die Rechnung zu begleichen, legt er selbst Hand an sich...‹ Das ist alles, was wir in Erfahrung bringen konnten. Was befehlen Sie weiter zu tun, Gebieter?«

Der Khan dachte eine Weile nach und sagte: »Ich glaube, Aldar-Kosses Schwester steckt mit ihm unter einer Decke. Es war falsch von euch, den Tränen dieser Heuchlerin zu glauben. Bringt sie mir anstelle ihres Bruders, ich will sie als Geisel halten.« Aber als sie das Mädchen brachten, fanden alle so viel Gefallen an ihrem Gesicht und ihrem Wesen, die Tränen schienen allen so echt, dass sich selbst der Khan rühren ließ. Er wies ihr eine extra Jurte zu, ließ ihr Leckerbissen und Geschenke zukommen.

Um dieselbe Zeit warb ein junger Sultan um die Hand einer Tochter des Khans. Der Khan wollte sich um keinen Preis mit diesem Mann verschwägern, deshalb wollte er ihm Aldars Schwester zur Frau geben. Ohne Aufschub setzten sie der Braut einen hohen Saukale auf, zogen ihr kostbare Hochzeitsgewänder an, sangen ein Hochzeitslied, setzten sie auf ein Pferd und brachten sie zu den neuen Verwandten. »Mein Lieber, was hast du denn in den Wegesäcken?« fragte die Braut den Sultan unterwegs. »Es ist Gold, das mir der Khan als Mitgift für dich gegeben hat.« Sie machten Nachtlager. Für das junge Paar wurde ein Zelt aufgeschlagen. Der Sultan aß und trank sich satt, fiel dann in tiefen Schlaf. Die Braut stahl ihm das Gewand und die Mütze, zog rasch die Männerkleidung an und glich auf einmal... Aldar-Kosse wie ein Auge dem anderen. Denn es war von Anfang an der Schelm Aldaken! Aldar-Kosse zäumte das Pferd des Sultans auf, band die Goldsäcke fest und löste sich in der Dämmerung auf.

Im Morgengrauen erreichte er das Lager des Khans und begab sich direkt zu ihm: »Tachsyr, mein Gebieter, ich bitte um Gnade! Ich habe keine Schuld daran, dass Euer Gold nicht aufgeht: Die Dürre vernichtete die Saat. Obgleich es für Euch kein großer Verlust ist, durfte ich doch vor Euch nicht als Lügner dastehen. Die Ehre ist mehr wert als das Leben. Was bedeutet schon Gold, frage ich Euch? Stein. Ein Armer kommt aber schwer an diesen Stein heran. Ich kann Euch alles Geld zurückerstatten. Von nun an ist mein Gewissen rein wie frische Milch. Wie schnell aber kann man in einem Land, wo Unrecht herrscht, den kleinen Mann beleidigen und erniedrigen! Während ich fort war, fielen Eure Diener über meine Jurte her. Meine schutzlose Schwester wurde geraubt und mit Gewalt in die Fremde verheiratet. Und ich, der einzige Bruder der Ärmsten, weiß nichts über ihr Schicksal. Was für eine Gewalt! Was für eine Bloßstellung!« Aldar-Kosse brach in lautes Schluchzen aus.

Der verwirrte Khan sprach tröstend auf ihn ein: »Gräme dich nicht, Aldar-Kosse! Deine Schwester wurde einem Sultan mit guter Mitgift verheiratet. Ist denn ein Sultan etwa keine gute Partie für sie? Du sündigst mit deinen Klagen. Was soll mir das Gold, wollen wir es so halten: Nimm alles, was du gebracht hast, anstelle des Brautgelds für deine Schwester.« Der Khan hatte gerade diese Worte gesprochen, da galoppierte auf einem fliegenden Pferd ein Eilbote von dem Sultan mit der Nachricht, dass die Braut unterwegs geflohen, mit ihr das Reitpferd des Bräutigams und das Gold verschwunden sei. »Oh, mein lieber Herr!« Aldar-Kosse fiel zu Boden und ließ den Khan erst gar nicht zur Besinnung kommen. »Oh, mein Herr, eine böse Tat ist geschehen! Der Sultan hat gewiss meine Schwester getötet und den Eilboten geschickt, um das schreckliche Verbrechen zu vertuschen. Schütze mich, mein Gebieter!«

Der aus der Fassung gebrachte Alascha-chan war gänzlich durcheinander. Schließlich stand er von seinem Platz auf und hob den bewusstlosen Aldar auf. »Höre auf das Wort des Khans, Aldar-Kosse. Wenn sich deine Schwester im Laufe von drei Tagen nicht anfindet, zwinge ich den Sultan dazu, dir für sie einen so hohen Kun zu zahlen, wie es noch niemand erhalten hat. Du bleibe vorerst bei mir in Diensten.« Es braucht wohl nicht gesagt zu werden, dass die Schwester weder drei Tage später noch drei Monate später gefunden wurde. Aldar-Kosse erhielt den Kun und war völlig überraschend ins Gefolge des Khans geraten.

Kurz darauf setzten die Fröste ein, und der Khan erinnerte sich an sein Geheiß. Ein ganzes Heer von Steuereinziehern ritt in die Steppe, von Winterlager zu Winterlager, um das Gold beizutreiben und die Schuldner mit dem Fangseil zu holen. Aldar-Kosse war aber noch vor den Kriegern des Khans in den Winterlagern. Und es geschah ein Wunder: Der Khan erhielt von allen die Abgaben! Nicht ein einziger geriet in Sklaverei, in der ärmsten Hütte war ein Goldstück für den Khan versteckt. Der Khan war zufrieden. Zufrieden war das arme Volk. Zufrieden war auch Aldaken.