[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie Aldar-Kosse Alascha-chan ausspielte

Eines Tages ließ Alascha-chan Aldar-Kosse zu sich kommen und sprach: »Ich langweile mich, Aldar-Kosse. Kannst du das verstehen?«

»Das verstehe ich, allmächtiger Khan. Ist der Khan froh, fließen seinen Untertanen die Tränen. Ist dem Khan langweilig, fließt das Blut der Untertanen. Wie kann ich Eure Langweile vertreiben? Soll ich Euch etwas auf der Pfeife vorspielen, ein altes Lied singen, ein schönes Märchen erzählen?«

»Nein.« Der Khan winkte mürrisch mit der Hand ab. »Von Liedern und Musik habe ich genug, Märchen und Wortspiele sind mir überdrüssig. Wollen wir uns lieber mit einem Spiel, das ich mir selbst ausgedacht habe, die Zeit vertreiben.«

»Was ist denn das für ein Spiel, großer Khan?« fragte Aldar-Kosse, der nichts Gutes ahnte. »Höre zu! Wir hocken uns gegenüber, setzen meinen Lieblingskater dazwischen, stellen ihm eine brennende Kerze auf den Schwanz, und jeder lockt den Kater zu sich. Wem der Kater auf die Knie springt, der hat gewonnen, auf wessen Seite die Kerze fällt, der hat verloren. Ich setze fürs erste hundert Goldstücke.« Das bringt nichts Gutes, dachte Aldar-Kosse, der Kater folgt natürlich dem Ruf seines Herrn... dass es bloß nicht so kommt wie in dem Sprichwort: Dem Irbis ein Spiel - der Bock ist hin. Wer aber widerspricht schon einem Khan! »Ein ausgezeichnetes Spiel!« sagte Aldar-Kosse frohgemut. »Eins verstehe ich nicht, was habt Ihr, mein Gebieter, davon, wenn Ihr mit mir spielt? Ich besitze doch keinen abgenutzten Groschen.«

»Hast du kein Geld, setze deinen Chalat!« befahl der Khan.

Also setzte Aldar-Kosse den Kater auf einen Teppich in der Mitte der Khan-Jurte, stellte ihm eine brennende Kerze auf den buschigen Schwanz, dann hockte er sich dem Khan gegenüber hin, und das Spiel begann. »Mies-mies-mies!« lockte der Khan. »Mies-mies-mies!« lockte Aldar-Kosse. Der Kater drehte den Kopf um, drehte den Bart hin und her und hopste dem Khan faul auf die Knie. Die Kerze fiel rauchend auf Aldars Seite. »Ich habe gewonnen!« Der Khan klatschte in die Hände. Auch das zweite, das dritte und das vierte Mal war der Kater mit einem Satz beim Khan. Zuerst verlor Aldar-Kosse das Gewand, dann die Mütze, den Gürtel, die Stiefel... So war er barfuss und nur noch im Unterhemd. Der Khan aber gab nicht nach. Was weiter? Allem Anschein nach will der Khan mich zugrunde richten, dachte Aldaken und zog das Hemd aus. »Ich setze fünfhundert Goldene!« schrie der Khan hitzig. »Das Spiel ist noch nicht aus! Da dir nichts mehr übrig geblieben ist, setze deinen Kopf!«

»Gut«, sagte Aldar-Kosse ruhig. »Ich setze meinen Kopf. Ich weiß ja von vornherein, dass es mit dem kein gutes Ende nehmen wird. Großer Khan, gewährt mir noch eine Bitte, Lasst mich zum letzten Mal einen Blick auf meine heimatliche Steppe werfen.«

»Nun gut.« Der Khan verzog den Mund. »Aber halte dich nicht auf!«

Aldar-Kosse ging hinaus und Schloss hinter sich die Tür. Ziemlich schnell stand er wieder an der Schwelle. »Ich bin bereit, das Spiel fortzusetzen, großer Khan«, sagte der Bartlose schmunzelnd. Wieder wurde der Kater auf den Teppich gesetzt, die Kerze angezündet, und der Khan lockte, Aldar überbietend, den Kater. »Mies-mies-mies!« Nun aber passierte etwas, was der Khan nie und nimmer erwartet hätte. Mit glühenden Augen stürzte sich der Kater wie ein Wilder auf Aldar, und die Kerze rollte zum Khan. »Ich habe gewonnen!« erklärte Aldar-Kosse kaltblütig.

Vor Zorn war der Khan wie von Sinnen. »Ich setze tausend! Dreitausend! Fünftausend!« brüllte er fast ohnmächtig. Das Blut stieg ihm ins Gesicht, die Mütze fiel ihm vom Kopf. »Ich setze vierzigtausend!« Jetzt aber sprang der Kater jedes Mal zu Aldar-Kosse. Endlich sprach Aldar-Kosse: »Wollen wir es nicht genug sein lassen für heute, großer Khan? Ich sehe, es geht Euch nicht gut, und Euer Lieblingskater hat auch keine Puste mehr. Erneuern wir das Spiel morgen, wenn Ihr nicht um Euren Kopf bangt.« In Schweiß gebadet, krächzte der Khan: »Mir brennt mein Inneres! Habe das Spiel mit dem Bösewicht auf Tod und Leben angezettelt! Du bist im Vorteil! Nimm den Gewinn, aber verrate mir das Geheimnis. Mit welchem Zaubermittel hast du mich übertölpelt?«

»Mit keinem Zaubermittel, sondern mit Findigkeit. Als ich Euch bat, von der Steppe Abschied nehmen zu dürfen, fing ich im Gras ein Tierchen, das dem Kater lieber ist als alle Khane der Welt. Während des Spiels ließ ich das Tierchen ein wenig hervor, und das war der ganze Zauber, weiser Khan.«

Aldar öffnete die Faust. Auf seiner Hand saß ein kleines zitterndes Mäuschen. »Eine Maus!« schrie der Khan und sprang zur Seite. Vor Mäusen fürchtete er sich zu Tode. Bei dem Schrei fiel die Maus auf den Teppich. Der Kater jagte ihr hinterdrein, dabei warf er den Kerzenhalter um und löschte die Kerze aus. Für Aldaken war es höchste Zeit, sich im Guten fortzustehlen. Schnell sammelte er seine Sachen vom Teppich auf und schlüpfte auf leisen Sohlen zur Tür hinaus.