[swahili, "Geschichte, Legende"]

Warum man Nkundakfedern trägt

Ekandem, die Tochter von Obassi Nsi, war schön wie die Sonne. Als für sie die Zeit gekommen war, sich ins Mädchenhaus zu begeben, bewarben sich die reichsten und vornehmsten Männer im Lande um sie. Ekandem aber sagte, sie wolle keinen von ihnen heiraten, weil nicht einer ihr an Schönheit gleichkäme, und so hörte denn auch ihr Vater auf, sie zu bedrängen und forderte nicht länger, dass Ekandem den Bewerbern ihre Gunst schenke.

Bald war es Ekandem aber Leid, nicht mehr umworben zu werden. Da schickte sie ihre Dienerin, ein Mädchen, drei Jahre jünger als sie selbst, mit dem Auftrag zum Marktplatz, einen Ehemann ausfindig zu machen. Zwei Tage lang bemühte sich das Mädchen, aber sie kam jeden Abend zurück, ohne dass es ihr gelungen war, jemanden zu finden, der wert gewesen wäre, Ehemann ihrer Herrin zu werden. Ekandem war traurig, aber sie bat die Dienerin, es ein drittes Mal zu versuchen. Das Mädchen, zwar nur eine Untergebene, aber zugleich Ekandems vertraute Freundin, stimmte zu.

Am dritten Morgen, bald nachdem das Mädchen auf dem Marktplatz angekommen war, sah es einen jungen Mann näher kommen. Er war so schön, dass die Leute ihre Waren vergaßen, weder an Kaufen noch Verkaufen dachten, sondern nur noch ihn anschauten. Außer Ekandem Obassi selbst war bisher niemand gesehen worden, der mit ihm an Schönheit und Reiz zu vergleichen gewesen wäre. Das junge Mädchen eilte sofort zu seiner Herrin und berichtete ihr, dass sie zu guter Letzt doch einen Bräutigam gefunden hätte. Ekandem beauftragte sie, sofort zum Markt zurückzugehen, sich dort hinzustellen, wo der Mann vorüberkommen musste, und ihm, sobald er erschiene, zu sagen, dass ihre Herrin nach ihm rufen ließe. Anschließend sollte das Mädchen ihn sofort zu ihr bringen.

Bald darauf führte die Dienerin den jungen Mann in das Mädchenhaus. Was feierte man da für ein fröhliches Fest. Eine Ente wurde geschmort und zu Fufu gegessen. Lange saßen die beiden bei ihrem Mahl, und dann begannen sie das Liebesspiel. Als der Morgen graute, wollte der Mann sich verabschieden, um nach Hause zurückzukehren, aber Ekandem sprach: »Wenn du gehst, komme ich mit dir.«

»Das darfst du nicht«, wehrte ihr Liebster ab, »denn ich bin ein schlechter Mensch. Mein Name ist schrecklich: Ita Ne Echi, Häuptling der Schädel. Meine Heimat ist so furchtbar wie mein Name. Hör gut zu! Mein Land nennt man Mfam Ane Achi, Land der Schädelmenschen. Ich bin es nicht wert, angeschaut oder gar irgendwo geduldet zu werden.« Doch Ekandem erwiderte auf seine Warnung nur: »Niemals will ich mich von dir trennen. Es ist zwecklos zu versuchen, mein Herz von dir zu entfernen. Ob du schlecht bist oder nicht, das kümmert mich nicht. Ich komme mit dir und will bis zum Tode bei dir bleiben. Sieh, wie sehr ich dich liebe: Meine Eltern sind aufs Feld gegangen, aber ich warte nicht auf ihre Rückkehr, um ihre Erlaubnis einzuholen oder sie wenigstens noch einmal zu sehen, bevor ich gehe. Ich bin bereit, sofort mit dir aufzubrechen.«

»Ich weiß, wie sehr du mich liebst«, erwiderte der Mann. »Ich liebe dich nicht weniger, aber ich bin ein furchtbarer Mensch, Ita Ne Echi ist mein Name! Wenn du mit mir kommst, wirst du es bereuen!« Ekandem aber wollte allen Warnungen zum Trotz nicht bleiben, und so rüsteten sie zusammen mit der kleinen Dienerin zum Aufbruch. Auf dem Weg in das weit entfernte Land von Ita Ne Echi trennten sich erst die Hände, dann die Füße und nach und nach die anderen Körperteile des Mannes ab. Sie kehrten zurück zu jenen, von denen er sie geliehen hatte, um als so überwältigende Schönheit zu erscheinen. Als Ekandem diese wundersame Verwandlung wahrnahm, begann sie doch, sich die Rückkehr zu wünschen. Nach einer Weile war von ihrem Geliebten nur noch der Schädel übrig, der über die Erde sprang und dabei ein Geräusch verursachte, das wie eine zur Erde fallende Kokosnuss klang. So erfuhr Obassis Tochter die Wahrheit seiner Worte. Ein Schädel ist tatsächlich nicht dazu da, dass man ihn ansieht, und noch viel weniger, dass man mit ihm lebt.

Nur zu gern wäre Ekandem jetzt umgekehrt, aber mit der Schönheit, die ihr Liebhaber an die eigentlichen Besitzer zurückgegeben gezwungen war, verschwanden auch seine Güte und Freundlichkeit. Er war nun so bösartig und brutal wie alle Schädelmenschen und wollte sie nicht mehr umkehren lassen. Vergebens flehte sie ihn an. Er sagte nur: »Dein Bitten ist zwecklos. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Du wirst jetzt mit mir kommen zum Land der Schädel. Ich habe niemals behauptet, dass ich besser wäre, als ich bin. Du hast dich geweigert, meine Warnungen anzunehmen, nun musst du erdulden, was du gewählt hast.«

Arme Ekandem! Was konnte sie tun? Versuchte sie umzukehren, sah sie, dass der Rückweg versperrt war und dort Dunkelheit herrschte, während es vor ihr noch hell und klar war. So musste sie gegen ihren Willen vorwärts gehen. Es war furchtbar anzusehen, dass anstelle ihres Liebhabers ein Schädel neben ihr dahinsprang. Bei ihrer Ankunft im Land der Schädelmenschen erschraken sie und die kleine Dienerin ganz furchtbar über den Empfang, der ihnen bereitet wurde. Aus jedem Winkel der Stadt rollten die Schädel herbei. Sie sprangen in die Luft und fielen mit einem schrecklichen Krachen zur Erde zurück. Heftig schlugen sie gegeneinander, und den beiden Zuschauerinnen schien es, als sei dies eine Beratung der Schädelmenschen. Niemand in der ganzen Stadt konnte sich vor diesen springenden Schädeln retten. Es war tatsächlich ein schauderhafter Anblick.

Als sich die Schädel nun bei Ita Ne Echi zu bedanken begannen, dass er ihnen ein solches Festmahl von frischem Fleisch gebracht hatte, stieg die Furcht der beiden ins Unermessliche. Wie zitterten die arme Ekandem und ihre Dienerin davor, dass sie auf der Stelle getötet und aufgegessen werden könnten! Und immer wieder schrieen die Schädel durch die Öffnungen, wo die Nase sitzen müssten, der eine rief dieses, der andere jenes. Plötzlich forderte ein Schädel die anderen auf, mit dem Lärm Schluss zu machen, und sagte, dass die Mädchen viel zu schön wären, um getötet und verspeist zu werden. Sie sollten vielmehr Abia-Nkpaw, dem Herrscher über das Schädelvolk, zur Frau gegeben werden. Die anderen Schädel stimmten ihm zu und dankten ihm für den guten Einfall. Nun erwies sich Abia-Nkpaw aber als ein Riese. Sein Bett war siebzig Fuß lang, sein Haus einhundertzwanzig Fuß hoch. Aber so Schrecken erregend er auch war, Ekandem zog ihn doch dem Ita Ne Echi vor. Sie willigte daher in die Heirat ein, ja sie war sogar froh, die Frau dieses Herrschers zu werden, und begab sich in sein Haus.

In jener Nacht sang sie das Lied: »Obassi erzwang von jemandem Land,
Ekandem Obassi ist nun Abia-Nkpaws Frau.
Obassi erzwang von jemandem Land.«
Dieses Lied schien die Schädel zu erregen. Sie gerieten in Bewegung und verloren jedes Maß. Im Tanz sprang ein Schädel oft über eine Meile hin und zurück. Ist das nicht merkwürdig? Als Ekandems Eltern an jenem Abend von ihrem Feld zurückgekommen waren, konnten sie weder ihre Tochter noch deren Dienerin finden. Sofort begannen sie nach den beiden zu suchen und versprachen jedem eine große Belohnung, der etwas über ihren Verbleib aussagen konnte, aber es war alles umsonst.

Als Frau des Herrschers Abia-Nkpaw fürchtete Ekandem sich nun weniger. Sie durfte in der Stadt gehen, wohin immer es ihr gefiel, denn für die Schädel war es ziemlich sicher, dass sie den Heimweg nicht wieder finden konnte. Eines Tages war Ekandem mit ihrer Dienerin zu einer Quelle unterwegs, um Wasser zu holen. Beim Näher kommen hörte Ekandem den Ruf eines Vogels, man nennt ihn Nkundak. Sie wusste genau, dass dieser Vogel ein Freund ihres Vaters war. Er rief: »Kawkaw, kawkaw, kru kru kru kru kru kru kru!«

»Nkundak!« rief sie ihm zu, »Nkundak, wo bist du?«

»Wer ruft nach mir?« fragte der Vogel. »Ich bin Ekandem Obassi, die Tochter deines Freundes Obassi Nsi«, antwortete sie schnell. Da stürzte der Vogel hernieder, breitete seine Schwingen über die beiden Mädchen und forderte sie auf, sich jede an einem seiner Flügel gut festzuhalten. Dann flog der Nkundak mit den beiden Mädchen zu seinem Haus und setzte sie dort ab, um sich zu Obassi Nsi zu begeben und ihm die gute Nachricht zu bringen.

Obassi war vor Freude außer sich, als er die beiden verlorenen Kinder im Haus des Nkundakvogels vorfand. Immer wieder dankte er dem Vogel und forderte ihn auf, sich zu wünschen, was er auf der ganzen Welt am liebsten hätte, er sollte es als Belohnung für die Tat erhalten. Und der Nkundak wünschte sich, dass sein Gefieder das aller anderen Vögel an Pracht übertreffen möge.

Da bemalte Obassi die Schwanzfedern des Nkundaks mit schwarzen und hellgelben Streifen, Brust und Flügel färbte er mit einem herrlichen Blau, und auf den Kopf setzte er ihm einen wunderschönen Kamm. Außerdem verlieh er ihm eine sehr starke Stimme, die seine Feinde in Schrecken versetzt. wenn sie sein »Kawkaw kru kru« vernehmen. Und bis zum heutigen Tag gelten die Federn des Nkundaks, die jemand beim öffentlichen Tanz im Haar trägt, als Zeichen der Tapferkeit. Kein Mann wagt sie zu tragen, bevor er nicht, absichtlich oder dazu herausgefordert, einen Feind getötet hat. Für jeden getöteten Feind darf eine Schwanzfeder getragen werden. Es ist wahr, der Nkundak ist ein berühmter Vogel im Lande der Ekoi, und alle Leute, die in dieses Land kommen, legen Wert darauf, ihn zusehen.