[swahili, "Geschichte, Legende"]

Von der neuen Kirche und der Nachtigall

Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne, die beschlossen eines Tages, eine große Kirche zu bauen. Als nun die Kirche fertig war, ließ der König durch seine Herolde das ganze Volk einladen, hinzugehen und die Kirche zu betrachten und danach zu sagen, was darin noch fehle. Da strömten von allen Seiten die Leute herbei, und alle bestaunten das herrliche Bauwerk, aber keiner wusste zu sagen, was noch fehle. Endlich kam ein junger Mann, und der sagte: »Die Kirche ist freilich sehr schön, aber es fehlt darin die Nachtigall, die an der Kanzel hängen und schlagen sollte, wenn der Priester das Evangelium liest.« Als das die drei Brüder hörten, beschlossen sie, nach der Nachtigall zu suchen. Sie sattelten also ihre Pferde und ritten eine ganze Weile miteinander, bis sie an einen Ort kamen, an dem sich der Weg teilte. Dort stand eine Säule, auf der geschrieben war: »Wer diesen Weg geht, kann davonkommen, wer jenen Weg geht, muss umkommen und wer den dritten Weg geht, der wird ganz gewiss nicht wiederkommen.« Nachdem sie sich miteinander beraten hatten, sagte der Jüngste: »Wir wollen unsere Ringe unter die Säule legen, und wer von uns früher als die anderen wieder kommt, soll hier warten.« Darauf nahm der Älteste den ersten, der Mittlere den zweiten und der Jüngste den dritten Weg. Der Jüngste kam, als es Nacht wurde, zu einer Höhle und blieb darin drei Tage. Da sah er jeden Morgen, wie eine Viper zu dem nahe gelegenen Teich kam und von dem Wasser trank. Ihre Augen waren aber so vom Schmutz verklebt, dass sie nichts sehen konnte. Der Prinz hatte Mitleid mit dem Tier, und so ging er am vierten Morgen hin, wusch ihr die Augen aus und eilte, ehe sie ihn erblickt hatte, in die Höhle zurück. Da rief die Viper: »Ach, wenn ich wüsste, wer mir diese Wohltat erwiesen hat! Ich wollte ihm alles gewähren, was er sich wünscht!« Nun kam der Prinz hervor, und er verlangte von der Viper keinen anderen Lohn, als dass sie ihm sagen sollte, wo er eine Nachtigall finden könne. Darauf sprach die Viper: »Eine Tagereise nach Osten wirst du einen ganz mit Krätze bedeckten Feigenbaum finden, von dem musst du eine Feige pflücken, und während du sie isst, musst du sagen: ›Ach, was sind das für gute Feigen, wenn es solche doch auch in meiner Heimat geben würde.‹ Dann wird der Feigenbaum dich nicht anstecken. Ein gutes Stück weiter wirst du an einen Fluss kommen, dessen Wasser ganz abscheulich stinkt. Dort musst du ein wenig trinken und sagen: ›Ach, was ist das für ein gutes Wasser, wenn es solches doch auch in meiner Heimat geben würde.‹ Nicht lange danach wirst du einem Draken mit weit aufgerissenem Rachen begegnen. Wenn dein Pferd über ihn hinweg springt, so wirst auch du ihm entgehen. Danach kommst du zu einem Schloss, das von drei Draken, drei Affen und vier Schlangen bewacht wird. Sie musst du töten, um die Nachtigall, die im Schloss gefangen gehalten wird, zu erlangen.« Der Prinz befolgte die Weisungen der Viper, und als er die Nachtigall in seinen Besitz gebracht hatte, machte er sich auf, seine Brüder zu suchen. Er fand sie und befreite sie aus dem Elend, in das sie geraten waren. Die Brüder wurden aber so neidisch auf sein Glück, dass sie beschlossen, ihn zu verderben. Als sie nun bei einem Brunnen halt machten, um ein wenig zu essen und zu trinken, stießen sie den Jüngsten hinein, nahmen die Nachtigall, kehrten damit zu ihrem Vater zurück und erzählten ihm, dass der Jüngste unterwegs gestorben sei. Das Pferd des Jüngsten war aber ein überaus treues Tier. Es wich nicht von dem Brunnen, sah unentwegt hinein und wieherte dabei. Bald darauf zogen ein paar Kaufleute des Weges, und als diese das Pferd sahen, gingen sie hin und entdeckten den Prinzen in dem Brunnen. Sie zogen ihn heraus, und der Prinz kehrte zu seinem Vater zurück und erzählte ihm, wie treulos seine Brüder an ihm gehandelt hätten. Der König geriet darüber in einen solchen Zorn, dass er alle beide aus dem Lande jagen ließ. Bald nachdem der Prinz die Nachtigall geholt hatte, kehrte die Herrin des Schlosses von einer Reise zurück, und wie sie sah, dass die Nachtigall nicht mehr da war und ihre Wächter erschlagen waren, lief sie hinaus und rief: »He, Fluss! Warum hast du den Räuber nicht ertränkt?« »Er hat mein Wasser gelobt, das alle Welt verachtet. Warum hätte ich ihn da ertränken sollen?« antwortete der Fluss. Darauf lief die Prinzessin zu dem Feigenbaum und rief: »He, Feigenbaum! Warum hast du auf den, der mir die Nachtigall geraubt hat, nicht deine Krätze geworfen?« »Er hat sich überaus höflich betragen, warum hätte ich ihm da schaden sollen?« antwortete der Feigenbaum. Darauf nahm die Prinzessin den Fluss und den Feigenbaum und eilte damit in das Schloss, in dem der Prinz lebte, um ihn zu vernichten. Aber der Prinz überwand die Prinzessin und nahm sie zur Frau und lebte mit ihr herrlich und in Freuden.