[swahili, "Geschichte, Legende"]

Von den fünf Brüdern

Vor langer Zeit lebten fünf Brüder. Der erste hieß Messer, der zweite Rogen, der dritte Fisch, der vierte Speer und der fünfte Eis. Sie lebten zufrieden und in Eintracht, hatten Essen und Trinken und brauchten weder Kleidung noch Unterkunft.

Eines Tages sagte Messer zu seinen Brüdern: »Lasst uns auf die Bärenjagd gehen!«

»Gehen wir«, sagten die Brüder und machten sich auf den Weg. Sie gingen über einen großen Berg. Sie kamen in einen tiefen Wald. Und in diesem Wald fanden sie ein Bärenlager. Aber das Lager war leer.

»Wir warten hier«, sagte Messer. »Bis zum Abend wird der Bär zurück sein.«

Die Brüder machten es sich in dem Lager bequem. Messer bohrte sich neben dem Eingang in die Erde.

»Wenn der Bär kommt, werde ich ihn stechen«, sagte Messer. »Da bekommt er einen mächtigen Schreck!«

»Ich lege mich ans Feuer«, sagte Rogen. »Wenn der Bär kommt, platze ich und spritze ihm die Augen voll!«

Fisch legte sich neben Rogen auf die Erde und sprach: »Ich werde mich in der Asche verstecken. Wenn Rogen dem Bären die Augen verklebt hat, werfe ich ihm Asche in die Augen, dass er nichts mehr sehen kann.«

Speer bohrte sich in der Nähe von Fisch in die Erde, und zwar so, dass seine Spitze nach oben wies.

»Wenn der Bär hilflos umhertappt«, sagte Speer, »steche ich ihn mit meiner scharfen Spitze. Er wird wütend werden und weglaufen wollen.«

»Ich warte an der Tür auf ihn!« Sagte Eis. »Wenn der Bär flieht, rutscht er aus und bricht sich dabei das Genick!«

Wie gesagt, so getan! Sie warteten lange, sehr lange. Als der Abend anbrach, war der Bär noch immer nicht in sein Lager zurückgekehrt.

»Lange halte ich das nicht mehr aus«, rief Eis. »Ich fange schon an zu schmelzen!«

»Wenn der Bär nicht bald kommt, falle ich um«, sagte Speer.

»Ich ersticke bald in der Asche«, sagte Fisch.

»Und ich platze bald«, sagte Rogen.

Nur Messer klagte nicht.

»Haltet noch ein Weilchen aus, Brüder!« sagte er. »Der Abend ist schon da. Der Bär muss jeden Augenblick hier sein.«

Messer hatte kaum zu Ende gesprochen, da kam der Bär. Brummend öffnete er die Tür, und da bohrte sich Messer in seinen Leib. Der Bär schnaufte wütend und stürzte herein.

Er war kaum am Feuer, da platzte Rogen und spritzte ihm die Augen voll. Und Fisch, der schon in der Asche zu ersticken drohte, warf ihm heiße Asche ins Gesicht. Da begann der Bär in der Finsternis umher zu tappen, stieß an den Speer und dessen Spitze bohrte sich in seinen Leib.

»Was ist hier nur los?« jammerte der Bär und wollte hinaus. Er war kaum an der Tür, da rutschte er auf dem Eis aus und brach sich das Genick. Die Brüder freuten sich.

»Wir haben den Bären! Wir haben den Bären!« riefen sie und tanzten um den armen Petz herum. Messer aber dachte nach.

»Den Bären haben wir zwar«, sagte er, »doch wie bringen wir ihn über den Berg? Er ist viel zu schwer für uns!«

Die fünf Brüder steckten ihre Köpfe zusammen und dachten nach. »Ich weiß was«, rief da Eis. »Ich friere einfach auf dem Berge fest, und ihr schiebt den Bären wie einen Schlitten drüberhin.«

Und so taten sie dann auch.

Die fünf Brüder hatten für den ganzen Winter Fleisch genug. Sie wurden jeden Tag satt und lebten in Frieden und Eintracht. Einer der Brüder hieß Messer, der zweite Rogen, der dritte Fisch, der vierte Speer und der fünfte, ja, wie hieß der doch gleich? Ach ja, ich weiß, der fünfte hieß Eis.