[swahili, "Geschichte, Legende"]

Von dem Wesir Schamsaddin und seinem Bruder Nuraddin

Damals herrschte in Ägypten, in der Stadt Kairo, ein Sultan. Und wie alle Sultane hatte er einen Wesir, der ihm mit Rat und Tat zur Seite stand.

Nun war aber der Wesir schon sehr alt, und eines Tages erwies ihm Allah die Gunst, ihn zu sich zu berufen. er alte Wesir hatte aber zwei Söhne hinterlassen, zwei stattliche Jünglinge. Der ältere hieß Schamsaddin und der jüngere Nuraddin. Diese Söhne nun befahl der Sultan vor sein Antlitz und machte sie beide zu seinen Wesiren.

Eines Abends saßen Schamsaddin und Nuraddin im Garten unter einem Feigenbaum und plauderten über das glückliche und zufriedene Leben, das ihrer harrte, wenn sie einträchtig wie Brüder leben und gemeinsam ihr neues Amt ausüben würden. Und dabei kamen sie darauf, dass es gut wäre, bald zu heiraten. Sie beschlossen, zwei Mädchen zu suchen und um sie zu freien und an ein und demselben Tag zu heiraten.

Und dann fiel ihnen noch ein, dass sie, wenn sie erst einmal verheiratet wären, ja auch Kinder haben würden. Schamsaddin ein Mädchen und Nuraddin einen Knaben, so wäre es gut.

Und wenn die Kinder auch an ein und demselben Tag geboren würden, wäre es sehr gut. Auch darüber waren sie sich einig.

Und weil aller guter Dinge drei sind, kamen sie noch auf den Gedanken, dass, wenn die Kinder groß sein würden, Nuraddins Sohn Schamsaddins Tochter zur Frau nehmen könnte. Das gefiel ihnen über die Maßen, und so einigten sie sich auch darüber. Sie stellten sich alles so lebhaft vor, als sei es schon Wirklichkeit.

Und Schamsaddin fragte plötzlich Nuraddin, was für ein Brautgeld sein künftiger Sohn ihm, dem Brautvater, denn bezahlen würde.

»Meiner Meinung nach müsste ich mindestens dreitausend Dinare bekommen«, sagte Schamsaddin.

»Und meiner Meinung nach geziemt es sich eigentlich, dass du deine Tochter meinem Sohn schenkst und überhaupt kein Brautgeld verlangst; denn wir sind doch Brüder«, erwiderte Nuraddin.

Und so ging es hin und her, bis das ganze in einen bösen Zank ausartete und die beiden sich alles mögliche an den Kopf warfen und schließlich im Zorn voneinander schieden; wie es eben so ist, wenn einen die Wut packt: Da verliert man den Verstand, sieht nicht auf die eigene Hand und denkt nicht daran, dass Zorn und Streit schon so manchen gereut.