[swahili, "Geschichte, Legende"]

Vom Papagei, der die Kinder des Turakos stahl

Der Papagei und der Turako waren lange Zeit Freunde. Ihre Freundschaft rührte daher, dass beide einst kinderlos waren und sich sehr darüber grämten. Eines Tages sprach der Papagei zu seinem Freund: »Warum nehmen wir es eigentlich hin, dass alle anderen Vögel Junge bekommen, nur wir nicht! Müssen wir uns nicht schämen, wenn sie uns unfruchtbar schimpfen?« Sie machten sich auf zu einem Wahrsager, damit der sich ihrer Angelegenheit annähme. Der Wahrsager wollte zum Lohn nichts als ein rotes Tuch. Nachdem er einen Zauber angewandt hatte, teilte er den beiden mit, dass der Webervogel ihnen das angetan hätte. Um die Sache zu Ende zu führen, sollten sie ihre Verwandtschaft zusammenrufen.

Papagei und Turako verfuhren nun so, wie ihnen der Wahrsager geraten hatte. Zuletzt schnitten sie für den Webervogel zwei Stück Stoff ab und gaben ihm eine Flasche Rum. War es vielleicht nicht so? gewiss war es so! Dann fragten sie den Webervogel, ob er schuld daran wäre, dass sie keine Jungen bekämen. und er antwortete mit einem deutlichen »Ja!«. Seit dieser Zeit ist der Webervogel als böse verschrien. Ist es vielleicht nicht so? gewiss ist es so!

Als das alles erledigt war, wurden Papagei und Turako schwanger. Beide bekamen Kinder, aber das Unglück wollte es, dass der Papagei seine Kinder zu rasch nacheinander gebar. Sie waren eins wie das andere verkrüppelt. Da war nun der Papagei neidisch auf die Kinder des Turakos. Aßen die Kinder der beiden Freunde gemeinsam, blickte er die Jungen des Turakos stets böse an. Auch schimpfte er sie »dicke Fettbrocken«. Der Turako aber sagte zu alledem kein Wort. War es vielleicht nicht so? gewiss war es so!

Eines Tages erhielt der Turako eine Todesnachricht und ließ seine Kinder beim Papagei zurück, um sich zur Totenfeier zu begeben. Als er fort war, nahm der Papagei die Jungen und sperrte sie in ein Felsloch ein, ohne ihnen auch nur zu essen zu geben. Am Abend kam der Turako vom Totenfest zurück und wollte beim Papagei seine Kinder holen. Aber der behauptete, sie seien schon zu Bett gegangen. Der Turako sah auf den Betten nach, fand dort seine Jungen aber nicht. Am nächsten Morgen meinte der Papagei, sie wären an der Quelle. Der Turako suchte sie an der Quelle, entdeckte sie aber auch dort nicht. Nun forderte er den Papagei mit Nachdruck auf, ihm endlich die Kinder zurückzugeben. Aber der Papagei log, er wisse nicht, wo sie seien und drohte auch seinen Kindern, ja nicht zu verraten, dass er die Jungen versteckt hielt. Die Sache wurde ernst, und sie riefen schließlich alle Vögel zusammen, den Fall zu beraten. Das Urteil lautete, dass der Turako mit Recht seine Kinder vom Papagei zurückverlangen könne. Aber der Papagei beharrte darauf, dass er nicht wisse, wo die Kinder geblieben seien; vielleicht waren sie baden gegangen und ertrunken. Der Turako, sein guter Freund, solle doch die Klage fallen lassen. Sicher werde er noch andere Kinder bekommen. So ging die Sache aus. War es vielleicht nicht so? gewiss war es so!

Danach behandelte der Papagei seine eigenen Kinder immer schlechter. Er gab ihnen fast nichts mehr zu essen, so dass sie nacheinander starben. War eins gestorben, so hielt er keine Totenklage und begrub es auch nicht am Tag, sondern bei Nacht, damit die anderen Vögel nichts davon erfuhren. Nach kurzer Zeit waren alle tot. Da holte er die Kinder des Turakos aus dem Felsloch hervor, in dem er sie versteckt hatte, und begann sie zu pflegen, als ob es seine eigenen wären. Das ging nun ziemlich lange, so dass die Vögel den Vorfall vergessen hatten. War es vielleicht nicht so? gewiss war es so!

Eines Tages schickte der Papagei einen der kleinen Turakos zum Fliegenden Hund, um Feuer zu leihen. Vor der Tür stieß sich das Junge und seufzte: »O Mutter Turako!« Der Fliegende Hund, der das gehört hatte, wunderte sich und fragte: »Bist du denn ein Turako-Kind?« Das Kind erwiderte: »Ja, aber dann versteckte mich der Papagei und sagte später, er habe mich in Pflege genommen.« Sofort begab sich der Fliegende Hund zum Turako: »Wenn du mir ein Geschenk gibst«, sagte er, »werde ich dir etwas ganz Großes anvertrauen.« Aber der Turako entgegnete: »Mein Lieber, wenn du etwas weißt, teile mir dein Geheimnis mit. Was verlangst du von mir als Lohn, was habe ich denn schon?« Da erzählte ihm der Fliegende Hund, wie er die Kinder beim Papagei als die des Turakos erkannt hatte. Nun fing der Turako an zu weinen und rief die Vögel zusammen, damit sie ihm halfen, dem Papagei die Jungen wieder zu entreißen. Als sich alle Vögel versammelt hatten, befragte man die Jungen: »Wem gehört ihr?« Da antworteten sie: »Der Papagei hat uns zwar in Pflege genommen, aber wir gehören doch dem Turako.« Darauf nahmen die Vögel dem Papagei die Jungen ab und gaben sie dem Turako zurück. Der Turako aber dachte: »Wenn ich noch länger mit meinen Kindern hier beim Papagei wohne, wird er sie bestimmt töten und auch mich umbringen.« So zog er mit seinen Kindern auf die Bäume.

Darum brauchen wir uns auch nicht darüber zu wundern, dass der Turako die Menschen und die anderen Vögel meidet. Er fürchtet eben, der Papagei wolle ihm oder seinen Kindern etwas Böses antun.