[swahili, "Geschichte, Legende"]

Vom Mädchen, das einen Leoparden heiratete

Ein Häuptling hatte eine Tochter. Viele Männer kamen, um sie zu heiraten. Aber sie weigerte sich stets. Schon zahlreiche Bewerber hatte sie abgewiesen. Schließlich verlor ihr Vater die Geduld. Er fing eine Termite, trocknete sie und sagte zu seinem Kind: »Der Mann, der erkennt, dass dies eine Termite ist, wird dich heiraten.« Viele Männer kamen und erkannten es nicht. Da erschien der Sohn eines Herrschers aus einer anderen Stadt und erkannte als Termite, was man ihm zeigte. Der Vater des Mädchens bestimmte: »Weil jener Mann erraten hat, dass es eine Termite war, bekommt er dich zur Frau.« Als die Tochter das hörte, freute sie sich, denn der Mann gefiel ihr. Der Häuptling verheiratete also sein Kind mit jenem Mann.

Bevor der Mann mit seiner Frau fortzog, sprach er zu ihr: »Nimm weder ein Messer noch ein Feuerzeug mit!« Die beiden gingen los und gelangten in einen großen Wald. Da fragte der Mann seine Frau: »Wenn ich jetzt etwas Außergewöhnliches tue, fürchtest du dich dann?« Sie verneinte. Der Mann verschwand im Gras, und als er wiederkam, hatte er sich verwandelt, er war ein Leopard geworden. Die Frau aber fürchtete sich nicht und ging mit dem Leoparden weiter, immer weiter, bis tief hinein ins Grasland.

Auf einmal erblickte die Frau zwei Häuser. Im Hof waren Blumen gepflanzt. Der Leopard sprach zu ihr: »Bleib hier im Haus! Wenn du aus dem Schlaf erwachst, stehen Essen und Wasser für dich bereit. Du brauchst nur zu essen. Frage nicht nach dem, der es hingestellt hat!« So sprach der Leopard, ging fort und ließ die Frau allein.

Als es Nacht geworden war und die Frau schlief, schrak sie auf, weil ein Mann bei ihr auf dem Bett war. Aber als es Tag wurde, sah die Frau niemanden mehr. Während sie sich darüber wunderte, wurde sie schwanger und gebar das Kind schon in der nächsten Nacht. Als sie es gebar, war es dunkel im Haus, so dass sie den, der das Kind fortnahm, nicht sehen konnte. Sie lebte nun wie vorher und wurde noch einmal schwanger. Wieder gebar sie in der darauf folgenden Nacht, und wieder nahm jemand das Kind, ohne dass sie ihn sah.

Eines Tages kam der Leopard. Sie sagte ihm, dass sie ihren Vater und ihre Mutter besuchen wolle. Der Leopard war einverstanden. Er schärfte ihr aber ein: »Wenn du zurückkommst, so bring kein Messer und kein Feuerzeug mit! Komm mit leeren Händen zurück!« Die Frau begab sich zu ihren Eltern. Dort erzählte sie ihrer Mutter, dass ihr Mann sich in einen Leoparden verwandelt habe und dass nachts ein Mann bei ihr auf dem Bett gewesen wäre, den sie, als es hell geworden war, nicht mehr gesehen hätte. Ihre Mutter riet ihr: »Wenn du wieder fort gehst, nimm ein kleines Messer und ein Feuerzeug mit!« Die junge Frau entgegnete: »Nein! Mein Mann hat mir gesagt, ich soll nichts mitbringen.« Aber die Mutter rief aus: »Dieses Kind! Du bist närrisch! Du tust am besten so, wie ich dir sage.« Sie gab ihr ein Feuerzeug und ein Messer und erklärte ihr: »Nimm das Messer und steck es neben dein Bett! Wenn er in der Nacht kommt, wird er sich damit in den Fuß stechen. Dann hör gut zu, wie er schreit. Wenn er so schreit: ›Au, au‹, so weißt du, dass er ein Mensch ist. Schreit er aber so: ›Hu, Hu‹, so weißt du, dass es ein Tier ist.«

Die Frau tat, wie ihre Mutter gesagt hatte, und steckte das Messer neben ihr Bett. Ihr Mann kam, stach sich in den Fuß und schrie: »Au, au!« Da wusste seine Frau, dass er ein Mensch war. Der Mann jedoch wurde zornig und fragte: »Warum hast du das getan? Habe ich dir nicht gesagt, du sollst kein Messer mitbringen?« Als die Frau das hörte, fing sie an zu weinen, ergriff den Fuß ihres Mannes und gestand ihm ihre Schuld. Er sagte: »Tu das niemals wieder!«

Zwei Monate waren vergangen, da kam der Mann eines Nachts wieder und legte sich zu seiner Frau aufs Bett. Nach einer Weile erwachte die Frau, als sie das Schnarchen hörte, stand auf und schlug Feuer und leuchtete auf das Bett. Da entdeckte sie, dass ihr Mann wunderschön aussah. Sie sprang auf und fasste nach ihrem Mann. Er fuhr aus dem Schlaf, schlug sich an die Brust und rief: »Lösch das Feuer, lösch das Feuer!« Zornig fragte er: »Warum hast du das getan?«, ging noch in der Nacht fort und ließ die Frau allein zurück.

Am Morgen trat die Frau aus dem Haus - kein Wasser war geholt, zu essen war auch nichts vorbereitet. So saß sie nun da, ohne alle Mittel. Sie fing wieder an zu weinen: »Meine Mutter hat mich betrogen, meine Mutter hat mich betrogen!« Dann erhob sie sich und machte sich auf die Wanderschaft, um den Leoparden zu suchen. Sie lief und lief, stieg schließlich auf einen Berg, sah dort ein Haus, und als sie hineinkam, da war es das Haus, in dem sich der Leopard aufhielt. Der Leopard hatte aber eine Braut. Da fragte die Frau die Schwiegermutter des Leoparden nach Arbeit. Die Schwiegermutter wollte wissen, welche Art Arbeit sie suche. Die Frau antwortete: »Welche Arbeit du mir auch gibst, ich werde sie annehmen.« Die Schwiegermutter schlug sie ständig, alle Tage, und der Leopard ließ es geschehen. Nach sechs Monaten verkündete die Schwiegermutter, sie werde ihre Arbeiterin nun umbringen. Als der Leopard das hörte und auch sah, wie die Frau leiden musste, wurde er furchtbar traurig, denn er hatte sein Frau sehr geliebt. Er überlegte, wie er sie retten könnte. Schließlich tötete er die Schwiegermutter und auch seine Braut. Dann ging er zusammen mit seiner Frau fort.

Als die Frau aus dem Haus trat, liefen zwei Kinder herbei, die sie freudig begrüßten. Das eine sagte: »Mutter, bist du da?« Sie konnte kaum antworten. Da sprach ihr Mann: »Das sind unsere Kinder, du hast sie geboren. Weißt du nun, wohin Ungehorsam führt?«

»Ja«, erwiderte die Frau, »meine Mutter hat mir schlecht geraten. Jetzt habe ich meine Zunge abgerieben.«