[swahili, "Geschichte, Legende"]

Vom Armen, der den Padischah überlistete

Es war einmal ein Padischah. Er war dafür bekannt, dass er mit seinen Untertanen seine Späße trieb. Eines Tages ließ er den ärmsten Daichan zu sich kommen und sprach: »Du bist arm, ich aber will dich reich machen. Nimm diesen Brief und gehe zum Oberschatzmeister, er möge dir alles geben, wie ich es ihm aufgetragen habe.« Nachdenklich ging der Arme fort: Womit habe ich diese Fürsorge verdient? Ich muss in Erfahrung bringen, was in dem Brief steht. In jenem Winter herrschte grimmiger Frost. Der Schnee lag bergehoch. Der Arme fror jämmerlich in seinen zerrissenen Tscharyks und dem verschlissenen Tschekmen, bevor er einen Menschen fand, der zu lesen verstand. »Ich, der große Padischah, befehle dir, Hauptschatzmeister, dem Besitzer dieses Briefes meine Gabe auszuhändigen - dreißig Batman Schnee. Falls du dieses mein Gebot nicht ausführst, so ist dir die strengste Strafe gewiss, die es in unserem Reich gibt, der Tod«, schrieb der Padischah. Na ja, dachte der Arme, das ist wahrlich ein königliches Geschenk. Er versteckte den Brief und machte sich an sein Tagewerk. Darüber verging der Winter, der Frühling nahm seinen Lauf, und es wurde Sommer. Jetzt ist gerade die rechte Zeit gekommen, um das Geschenk des Padischahs in Empfang zu nehmen, dachte der Arme und begab sich zum Schatzmeister. Er reichte ihm den Brief und wartete, was geschehen würde.

Der Schatzmeister las und wurde totenblass. »Welch Unheil ist über mich gekommen«, klagte er endlich und wiegte verzweifelt seinen Kopf in den Händen. »Woher soll ich nur den Schnee nehmen?«

»Das schert mich nicht«, erwiderte der Arme. »Es ist ein Gebot des Padischahs. Wenn du mir keinen Schnee gibst, will ich hingehen und Klage über dich führen.«

»Tu's nicht, guter Mann, ich bitte dich«, flehte der Oberschatzmeister. »Ich habe Frau und Kinder, wer soll sie ernähren, wenn ich nicht mehr bin? Wenn ich dir nun statt des Schnees Geld gebe?« Der Arme widersetzte sich lange. Erst als der Oberschatzmeister ihm eine Summe nannte, mit der er bis ans Ende seiner Tage sein reichliches Auskommen haben würde, willigte der Arme ein.

Der Padischah war nicht wenig erstaunt, als man ihm meldete, dass ein Mann gekommen sei, der ihm seine Dankbarkeit für die höchste Padischah-Gnade aussprechen möchte. »So etwas ist mir noch niemals in meinem Leben geschehen!« Der Padischah lachte lauthals. »Ich soll jemandem eine Gnade erwiesen haben? Na schön, ruft diesen Mann. Wir wollen sehen und hören.«

»Oh großer Padischah«, sagte der Arme und verneigte sich tief. »Ich bin gekommen, um Euch meine Dankbarkeit auszusprechen für Eure hohe Gnade.«

»Von welcher Gnade sprichst du?« fragte der Padischah. »Ihr habt mir im Winter dreißig Batman Schnee geschenkt«, erwiderte der Arme.

Als sich der Padischah seines Scherzes erinnerte, brach er in Lachen aus. Auch seine Vertrauten stimmten ein. »Doch da ich zu jener Zeit gerade selbst Schnee im Überfluss besaß«, fuhr der Arme fort, »habe ich ihn zur Aufbewahrung in Eurem Staatsschatz gelassen. Heute nun bin ich gekommen, um ihn in Empfang zu nehmen. Der Schatzmeister aber hatte ihn, wie sich zeigte, für die eigenen Bedürfnisse verwendet. Deshalb war er gezwungen, mir dieses Geld auszuzahlen.« Mit diesen Worten schüttete der Arme vor dem Padischah eine Handvoll Goldmünzen auf den Boden. Der Padischah musste noch lauter lachen als zuvor und gebot, dem Armen für seine Schlauheit und Findigkeit noch einmal so viele Goldmünzen aufzuzählen.