[swahili, "Geschichte, Legende"]

Stachelsöhnchen

Es waren einmal ein Bauer und seine Frau. Zum ganz großen Glück fehlte beiden nur noch ein Kind. Jeden Morgen, wenn die Bäuerin erwachte, war ihr erster Gedanke: Ach hätte ich doch nur ein Kind. Jeden Abend schlief sie mit dem gleichen Wunsch wieder ein. Als sie eines Tages im Gras vor ihrem Haus einen Igel sah, dachte sie: »Ach, hätte ich doch ein Kindchen und wäre es nur ein Igel.« Nicht lange danach bekam die Bäuerin ein Kind, das so ganz anders aussah als alle Kinder. Es war über und über mit Stacheln versehen und hatte ein schwarzes Schnäuzchen. Nach einem Jahr konnte Stachelsöhnchen schon sprechen wie ein Erwachsener und half der Mutter im Haushalt, brachte dem Vater Essen aufs Feld. Am liebsten aber hütete er die Schweine im Wald, er legte sich unter einen Baum und hörte den Vögeln zu. Einmal geschah es, dass sich ein König im Wald verirrte und dann auf Stachelsöhnchen und die Schweine traf. »Was suchst Du, König?«, fragte der Igel. »Ich habe mich verlaufen«, antwortete der König, »kannst du mir nicht den Weg aus dem Wald zeigen?« »Das kann ich. Du musst mir aber eine deine Töchter zur Frau geben.« Der König sah den Igel an und dachte: »Der wird ohnehin nie in mein Schloss kommen.« »Wenn das dein Wunsch ist«, antwortete also der König, »will ich ihn dir gerne erfüllen.« Kaum hatte Stachelsöhnchen den König aus dem Wald geführt, vergaß dieser sein Versprechen. Wieder zu Hause bat Stachelsöhnchen am nächsten Morgen seinen Vater, ihm den Hahn zu satteln, damit er in die Welt ziehen und sein Glück suchen kann. Stachelsöhnchen ritt schnurstracks zum Schloss des Königs. Dieser speiste gerade mit seinen sieben Töchtern und war sehr erschrocken als er den Igel sah. Stachelsöhnchen stieg aus dem Sattel, verbeugte sich artig und sagte zum König: »Ich bin gekommen, mir das zu holen, was du mir versprochen hast!« Der König gestand die Wahrheit ein und seine Töchter fingen an zu lachen und den Igel zu verspotten. Nur die siebente Tochter schaute den Igel nachdenklich an und meinte: »Vater, ein Versprechen ist ein Versprechen, auch wenn man es nur einem Igel gegeben hat. Er hat dir dein Leben gerettet. Ich will ihn zum Manne nehmen.« Als die Königstochter den Igel nach dessen dritten Bitten endlich küsste, stand nicht mehr ein Igel, sondern ein schöner junger Mann vor ihr. Den Schwestern verging das Lachen, gab es doch weit und breit keinen so schönen Mann wie ihn. Stachelsöhnchen und die Königstochter bekamen viele Kinder und besuchten jeden Tag die Bäuerin und den Bauern. Und niemand war glücklicher als die beiden.