[swahili, "Geschichte, Legende"]

Sankhambi und die Früchte des Elefanten

Sankhambi, der unter einem Baum schlief, spürte, dass eine Frucht auf ihn herab gefallen war, und erwachte. Weil er den Namen der Frucht nicht wusste, lief er zum Hasen, um ihn zu fragen. Aber der Hase konnte ihm nicht helfen. Da gingen die beiden zum Duiker und auch noch zu einem kleineren Bock, aber keiner von ihnen kannte die Frucht. Also beschlossen sie, sich bei den größeren Tieren zu erkundigen, und schickten den Duiker los, denn der ist sehr schnell. Der Duiker traf den Bock, und der sagte ihm, was das für eine Frucht war. Aber nun rannte der Duiker so schnell zurück, dass er unterwegs strauchelte und sich ein Bein brach. Als er schließlich wieder bei Sankhambi und dem Hasen anlangte, hatte er vergessen, wie die Frucht hieß. Jetzt wurde der Hase ausgesandt. Aber auch er rannte, was er konnte, auch er stolperte unterwegs und brach sich ein Bein. Und als er endlich zurück war, hatte er den Namen der Frucht ebenfalls vergessen. Nun war die Schildkröte an der Reihe. Mühsam arbeitete sie sich davon. Erst nach einer langen Zeit kam sie wieder, aber sie war unversehrt und nannte den Namen der Frucht. Je größer also die Eile, um so geringer der Erfolg, der Langsame, aber Sichere, gewinnt das Rennen.

Nachdem die Tiere nun wussten, welche Frucht das war, fingen sie an zu essen. Sankhambi, dem einige Früchte, die in der Spitze des Baumes hingen, viel besser gefielen als alle anderen, ließ die Tiere versprechen, dass diese Früchte dem Elefanten gehören sollten, der als Häuptling der Tiere galt. Als sich die Tiere am Abend schlafen legen wollten, erzählte Sankhambi, dass er in einem Versteck zwischen den Felsen übernachte, und er bat den Bock, den Eingang zu dem Versteck zu verschließen. In Wirklichkeit aber hatte Sankhambi noch mehrere andere Ein- und Ausgänge, aber das merkten die Tiere nicht. Nachdem der Bock den von Sankhambi benannten Eingang verschlossen hatte, legten sich alle schlafen. In der Nacht stand Sankhambi auf, kroch aus seinem Versteck, kletterte auf den Baum und aß alle Früchte, die er dem Elefanten versprochen hatte. Die Schalen steckte er dem schlafenden Elefanten in den Hintern.

Verwundert entdeckten die Tiere am nächsten Morgen, dass die Früchte für den Elefanten fehlten. Große Furcht kam auf, weil niemand wusste, wer die Früchte gestohlen hatte. Schließlich kroch auch Sankhambi zwischen den Felsen hervor und schlug vor: »Springen wir doch alle über den großen Zaun dort und warten ab, was geschieht.« Er setzte sich an die Spitze, und eines nach dem anderen sprangen die Tiere über den Zaun. Zuletzt war der Elefant an der Reihe. Aber als er sprang, verlor er die Schalen. Da packte die Tiere der Zorn. Sie beschimpften den Elefanten, weil er sie wegen des Diebstahls hatte töten wollen und doch selber alle Früchte gegessen hätte. Und in ihrer Wut töteten sie den Elefanten. Sankhambi beanspruchte ein Bein des Elefanten als seinen Anteil, und während er das Bein holte, trällerte er: »Die Früchte aß ich, der Elefant bekam die Schuld, so musste er sterben.« Einer der Böcke hörte das und fragte: »Was singst du da?« Darauf erwiderte Sankhambi: »Ich habe nur gesagt: ›Das Bein ist zu schwer, ich möchte die Leber.‹« Also gab man ihm die Leber. Als Sankhambi sie ein Stück beiseite geschafft hatte, trällerte er wieder sein Verslein. Diesmal hörte es ein anderer Bock, und der verständigte sogleich die übrigen. Die Jagd auf Sankhambi begann. Doch der war nahe am Fluss und sprang ins Wasser. Die Böcke versuchten, ihn herauszuziehen, aber wenn sie ihn gegriffen hatten, sagte Sankhambi jedes Mal: »Das ist nur ein Stein.« Die Tiere ließen los, und so entkam Sankhambi ans andere Ufer. Bald darauf stieg das Wasser, so dass niemand zu ihm gelangen konnte. Da setzten die Böcke sich zusammen und tranken Bier. Sankhambi konnte der Versuchung, ebenfalls Bier zu trinken, nicht widerstehen. Um nicht erkannt zu werden, nahm er Honigwaben, setzte sie auf den Kopf und steckte zwei Hörner hinein. Dann bohrte er das eine Ende eines Stocks in den Boden, befestigte am anderen Ende einen langen Strick, und als er nun den Stock bog und sich vom Erdboden abstieß, schnellte er ans andere Ufer. Er setzte sich zu den Bier trinkenden Böcken und nahm ebenfalls einen kräftigen Trunk zu sich. So gut es ging, hielt er sich dabei im Schatten. Aber die Sonne holte ihn ein, das Wachs schmolz, und die Hörner fielen heraus. Sogleich sprang ein Bock ihn an und rief: »Jetzt haben wir dich, du Schurke!« Aber Sankhambi, der den Strick in der Hand behalten hatte, stieß sich wieder vom Erdboden ab und schnellte zurück ans andere Ufer. So entkam er der Wut seiner Feinde.