[swahili, "Geschichte, Legende"]

Rotkäppchen

Es war einmal ein kleines, süßes Mädchen. Jeder, der es sah, musste es lieben. Einmal schenkte die Großmutter dem Mädchen ein Käppchen aus rotem Samt. Und weil das Kind immer das Käppchen tragen wollte, nannte man es »das Rotkäppchen.«

Eines Tages sagte die Mutter: »Komm, Rotkäppchen, da ist ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein. Bring das der Großmutter. Sie ist krank und schwach, und es wird ihr gut tun. Aber geh nicht vom rechten Weg ab!«

Die Großmutter wohnte draußen im Wald. Als nun Rotkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf. Aber Rotkäppchen kannte ihn nicht und hatte keine Angst.

»Guten Tag, Rotkäppchen,« sagte der Wolf, »wo gehst du denn hin?«
»Zur Großmutter«
»Was trägst du da?«
»Kuchen und Wein.«
»Wo wohnt denn deine Großmutter?«
»Tief im Wald, bei den drei hohen Eichen.« sagte Rotkäppchen.

Der Wolf aber dachte: Das junge, zarte Ding wird noch besser schmecken als die Alte. Aber ich muss sie beide bekommen. Und er sagte: »Es ist so schön im Wald, und du gehst einfach so dahin. Sieh einmal die schönen Blumen. Und hörst du nicht, wie die Vögel singen?« Da sah Rotkäppchen, wie die Sonnenstrahlen in den Bäumen tanzten, und als es die schönen Blumen sah, dachte es: Ich will der Großmutter einen Blumenstrauß mitbringen. Da wird sie sich freuen.

Das Mädchen ging vom Weg ab in den Wald hinein. Aber es fand immer schönere Blumen, und so kam es immer tiefer in den Wald. Der Wolf aber ging zum Haus der Großmutter und klopfte an die Tür.

»Wer ist draußen?«
»Rotkäppchen. Ich bringe Kuchen und Wein.«
»Komm nur herein. Ich liege im Bett und kann nicht aufstehen.«

Da ging der Wolf ins Haus, stürzte sich auf die Großmutter und verschlang sie in einem Stück. Dann zog er ihre Kleider an, setzte ihre Haube auf, und legte sich in ihr Bett.

Als Rotkäppchen kam, wunderte es sich, dass die Tür offen war. Die Großmutter lag im Bett und sah sehr seltsam aus.

»Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren!« rief Rotkäppchen.
»Damit ich dich besser hören kann.«
»Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!«
»Damit ich dich besser sehen kann.«
»Ei, Großmutter, was hast du für große Hände!«
»Damit ich dich besser packen kann.«
»Ei, Großmutter, was hast du für ein schrecklich großes Maul!«
»Damit ich dich besser fressen kann!« rief der Wolf und fraß das Rotkäppchen. Dann legte er sich wieder ins Bett und schlief ein.

Bald kam ein Jäger am Haus vorbei und hörte, wie der Wolf laut schnarchte. Er dachte: Du musst doch sehen, ob die alte Frau nicht krank ist. Er fand den Wolf im Bett und wollte ihn erschießen. Aber da fiel ihm die Großmutter ein, und er nahm eine Schere und schnitt dem Wolf den Bauch auf. Gleich sprang das Rotkäppchen heraus, und auch die Großmutter lebte.

Sie füllten den Bauch des Wolfs mit großen Steinen. Als der Wolf aufwachte, wollte er weglaufen. Aber die Steine waren so schwer, dass er gleich tot umfiel. Da freuten sich alle drei. Der Jäger zog dem Wolf den Pelz ab und ging nach Hause, und die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Ähnliche Texte: