[swahili, "Geschichte, Legende"]

Petrosinella

Es war einmal eine Frau namens Pascadozia, welche von einem Fenster aus, das in den Garten einer Hexe ging, ein Beet Petersilie erblickte und ein solches Gelüst danach bekam, dass sie darüber fast in Ohnmacht fiel und, um es zu befriedigen, die Zeit abpasste, wann die Hexe ausging, während welcher sie sich eine Handvoll abpflückte. Als aber die Hexe nach Hause zurückkehrte und eine Suppe kochen wollte, so merkte sie, dass jemand bei der Petersilie gewesen war, und sprach: »Hol mich der Teufel, wenn ich diesen langfingerigen Schelm nicht kriege und ihn auf seine Kosten lehren will, von seinem Teller zu essen und die Töpfe anderer Leute unangerührt zu lassen.«

Indem nun die arme Frau zu wiederholten Malen in den Garten hinab stieg, wurde sie eines Morgens von der Hexe ertappt, welche voll von Wut und Galle zu ihr sprach: »Hab ich dich endlich erwischt, du Diebin, du Spitzbübin? Was für Pacht bezahlst du mir denn für den Garten, dass du mir so ohne weiteres mein Grünzeug wegstiehlst? Meiner Treu, ich werde dich nicht erst nach Rom schicken, damit du dort Buße tun sollst.« Außer sich vor Schrecken fing Pascadozia an, sich zu entschuldigen, indem sie sagte, dass sie sich weder aus Naschhaftigkeit noch aus Heißhunger vom Bösen habe leiten lassen, diese Unredlichkeit zu begehen, sondern vielmehr, weil sie in der Hoffnung wäre und dass sie fürchte, das Gesicht des Kindes würde ganz mit petersilienähnlichen Malen bedeckt sein, ja sie müsse ihr vielmehr Dank wissen, dass sie ihr nicht eine Augengeschwulst angewünscht habe. »Das ist leeres Gewäsch«, erwiderte die Hexe, »mir musst du damit nicht kommen. Dein Lebenstermin ist abgelaufen, wenn du mir nicht versprichst, mir das Kind zu geben, mag es nun ein Mägdlein oder ein Knäblein sein.« Um aus der Gefahr, in der sie sich befand, zu entkommen, leistete die arme Pascadozia mit der Hand auf dem Herzen den geforderten Eid und wurde hierauf von der Hexe freigelassen.

Als aber ihre Zeit erschien, bekam sie ein so schönes Töchterlein, dass es eine wahre Freude war, und da es auf der Brust ein niedliches Mal hatte, das wie eine Petersilie aussah, so erhielt es den Namen Petrosinella. Diese wuchs nun alle Tage zusehends heran und wurde, sobald sie das siebente Jahr erreichte, in die Schule geschickt; immer aber, wenn sie auf der Straße der Hexe begegnete, sprach diese zu ihr: »Sage deiner Mutter, dass sie an das Versprechen denken soll.« Und so oft sandte die Hexe Pascadozia diese Hiobsbotschaft, dass die arme Frau voll Verzweiflung dieselbe nicht ferner hören wollte und eines Tages zu ihrem Töchterlein sagte: »Wenn du wieder die alte Frau triffst und sie die Erfüllung des verwünschten Versprechens fordert, so antworte: Nimm dir, was du haben willst.« Als daher Petrosinella, die nichts Böses ahnte, wieder einmal der Hexe begegnete und von ihr dieselbe Rede vernahm, so antwortete sie in der Unschuld ihres Herzens, so wie die Mutter ihr gesagt hatte, worauf die Hexe sie bei den Haaren ergriff und in einen Wald schleppte, welchen die Sonnenrosse niemals betraten, um auf den dunklen Weideplätzen desselben nicht zu erkranken. Dort nun wurde Petrosinella von der Hexe in einen von ihr hervorgezauberten Turm gesperrt, der weder Türen noch Treppen und nur ein Fensterchen hatte, durch welches die Hexe vermittels der überaus langen Haare Petrosinellas wie ein Matrose auf den Wanten hinauf- und hinab zu steigen pflegte.

So geschah es nun einmal, dass, als Petrosinella eines Tages während der Abwesenheit der Hexe den Kopf aus jener Öffnung hinaus steckte und ihre Flechten in der Sonne erglänzen ließ, der Sohn eines Prinzen vorüber kam, welcher sich beim Anblick dieser zwei goldnen Zöpfe in so hohe Schönheit auf das sterblichste verliebte. Nachdem er ihr nun eine Bittschrift von Seufzern zugesandt hatte, wurde von ihr beschlossen, ihn in Gnaden anzunehmen, und der Handel ging so rasch vonstatten, dass der Prinz freundliches Kopfnicken und Kusshände, verliebte Blicke und Verbeugungen, Danksagungen und Anerbietungen, Hoffnungen und Versprechungen, kosende Worte und Schmeicheleien in großer Menge zugeworfen erhielt.

Als sie dies aber so mehrere Tage wiederholt hatten, wurden sie dermaßen miteinander vertraut, dass sie eine nähere Zusammenkunft miteinander verabredeten, und zwar sollte diese des Nachts, wenn der Mond mit den Sternen Verstecken spielte, stattfinden, Petrosinella aber der Hexe einen Schlaftrunk eingeben und den Prinzen mit ihren Haaren emporziehen. Sobald dieser Verabredung gemäß die bestimmte Stunde erschienen war und sich der Prinz nach dem Turm begeben hatte, senkten sich auf einen Pfiff von ihm die Flechten herab, welche er rasch mit beiden Händen ergriff und nun rief: »Zieh!« Oben angelangt, kroch er durchs Fensterchen in die Stube, genoss in reichem Maß von jener Petersilienbrühe Amors und stieg, ehe noch die Sonne aufging, wieder auf der nämlichen Goldleiter hinab, um nach Hause zurückzukehren.

Da er nun oftmals diese Besuche wiederholte, so wurde es endlich eine Gevatterin der Hexe gewahr, welche sich um Dinge, die sie nichts angingen, zu bekümmern und ihre Nase in jeden Quark zu stecken pflegte. Sie sagte daher zu der Alten, sie solle auf ihrer Hut sein, denn Petrosinella habe mit einem jungen Burschen einen Liebeshandel. Sie vermute, die Sache würde dabei nicht stehen bleiben. Sie durchschaue alles und wisse, wie es kommen würde. Wenn jene sich also nicht vorsehe, möchte wohl Petrosinella, ehe sie es sich dessen versehe, über alle Berge sein. Die Hexe dankte der Gevatterin vielmals für den wohlgemeinten Rat und fügte hinzu, sie wolle schon dafür sorgen, Petrosinella den Weg zu verlegen, abgesehen davon, dass es ihr ganz unmöglich sein würde, zu entfliehen, weil sie dieselbe dermaßen bezaubert habe, dass, wenn sie nicht die drei Galläpfel, welche sich im Loch eines Küchenbalkens befänden, in den Händen hätte, alle Bemühungen, sich aus dem Staub zu machen, verloren wären.

Während sich aber die beiden alten Hexen auf diese Weise besprachen, belauschte Petrosinella, welche stets die Ohren spitzte und gegen die Gevatterin Verdacht hegte, ihre ganze Unterredung. Sie ließ daher, sobald die Nacht ihre schwarzen Kleider ausschüttelte, um sie vor den Motten zu bewahren, und der Prinz sich wie gewöhnlich eingestellt hatte, denselben auf die Balken in der Küche steigen und die Galläpfel suchen, welche ihr, wie sie wusste, wegen des ihr von der Hexe angehängten Zaubers unerlässlich notwendig waren. Nachdem sie sie gefunden und sich eine Strickleiter gemacht hatten, stiegen sie beide von dem Turm hinunter und fingen an, auf dem Weg, der nach der Stadt führte, zu entfliehen. Da sie jedoch hierbei von der Gevatterin gesehen wurden, so fing diese an, dermaßen zu schreien und die Hexe zu rufen, dass letztere erwachte. Sobald sie vernahm, dass Petrosinella entflohen wäre, stieg sie auf derselben Strickleiter, die noch an das Fensterchen gebunden war, hinunter und fing an, den Liebenden nachzueilen.

Als diese nun die Hexe schneller als ein freigelassenes Ross hinter sich herlaufen sahen, so hielten sie sich anfangs für verloren; endlich jedoch erinnerte sich Petrosinella der Galläpfel und warf rasch einen auf die Erde, so dass plötzlich ein entsetzlicher korsischer Bullenbeißer erschien, der mit weit geöffnetem Maul und furchtbar bellend der Hexe entgegen rannte, um sie wie einen einzigen Bissen zu verschlingen. Diese aber, welche mehr List und Kniffe im Kopf hatte als der leibhaftige Teufel, steckte die Hand in die Tasche und zog daraus ein Brötchen hervor. Kaum hatte sie es dem Hund dargereicht, als er den Schwanz sinken und seine ganze Wut fahren ließ, worauf sie von neuem den Fliehenden nachzusetzen begann. Sobald Petrosinella sie wieder nahe herankommen sah, warf sie den zweiten Gallapfel zur Erde. Und plötzlich erschien ein furchtbarer Löwe, welcher mit dem Schweif die Erde peitschte, die Mähne schüttelte und sich mit ellenweit aufgesperrtem Rachen bereitmachte, die Hexe zu zermalmen. Daher kehrte diese sogleich zurück, zog einem Esel, der auf einer Wiese weidete, die Haut ab und ging, sich diese umhängend, dem Löwen nochmals entgegen, welcher in der Meinung, es wäre ein wirklicher Langohr, so große Furcht bekam, dass er sogleich ausriss. Nachdem nun die Hexe solchermaßen diesen zweiten Graben übersprungen hatte, begann sie wiederum die armen Flüchtlinge zu verfolgen, welche an den Fußtritten und an der Staubwolke, die sich bis zum Himmel erhob, merkten, dass die Hexe von neuem hinter ihnen her wäre. Diese aber hatte sich aus Furcht, der Löwe könne sie verfolgen, die Eselshaut noch nicht abgenommen, so dass, da Petrosinella inzwischen den dritten Gallapfel zur Erde geworfen und auf diese Weise einen Wolf hervorgezaubert hatte, dieser, ohne der Hexe Zeit zu einem neuen Ausweg zu lassen, sie wie einen Esel verschlang. Hierauf legten die Liebenden langsam und gemächlich ihren Weg nach dem Reiche des Prinzen zurück, wo dieser mit Einwilligung seines Vaters Petrosinella heiratete. Die beiden Glücklichen empfanden nach all den vielen Leidensstürmen:

»Eine einzige Stund im Port, frei von Gefahr, lässt bald vergessen manches Sturmesjahr.«