[swahili, "Geschichte, Legende"]

Nimmersatts Ende

Es war einmal ein Mann, der sich mit seiner Frau so heftig stritt, dass sie ihn verließ und zu ihren Eltern zurückkehrte. Als sie dorthin kam, fand sie niemanden mehr, weil alle Leute von einem Ungeheuer verschlungen worden waren. Sie ging in das Haus ihres Vaters und entdeckte überall auf dem Boden Fußspuren von Tieren und Blutflecke. Da kletterte sie in den Giebel der Hütte und versteckte sich. Sie hörte das Ungeheuer kommen und sagen: »O Mann, o Mann,
ich habe gegessen,
und immer noch lebe ich.«
Die Frau hielt sich wach. Binnen kurzem füllte sich das Haus mit allen möglichen Tieren, die ein Feuer entfachten, ihr Essen kochten, aufaßen und sich zum Schlafen niederlegten. Am nächsten Morgen wachten sie auf und gingen alle auf die Suche nach Essbarem.

Während die Tiere unterwegs waren, gebar die Frau zwei Kinder. Sie kletterte aus ihrem Versteck, holte sich einen Stein, der gewöhnlich benutzt wurde, um Töpfe über das Feuer zu stellen, dann versteckte sie sich wieder.

Am Abend kamen die Tiere zurück, und als ihre Töpfe am Feuer standen, warf die Frau den Stein in einen Topf. Die Tiere rannten aus dem Haus. Draußen hielten sie Rat, und ihr Häuptling entschied, dass diejenigen, die in Erdlöchern leben, in ihre Löcher gehen sollten, diejenigen, die in Wäldern leben, in ihre Wälder und diejenigen, die in Flüssen leben, in ihre Flüsse.

Danach stellte die Frau eine Falle auf, und es glückte ihr, einen Büffel zu fangen, aber sie konnte ihn nicht abhäuten. Da sah sie einen Nimmersatt kommen und bat ihn, ihr zu helfen. Er willigte ein, zog sein Messer und häutete den Büffel ab. Sie sammelte etwas Holz und zündete ein Feuer an, um die Leber zu braten. Das besorgte der Nimmersatt. Die Frau holte eine leere Kalebasse, und als sie zurückkam, briet der Nimmersatt eben die Keulen, weil er die Leber schon gegessen hatte. Da sagte sie: »Ich hole Wasser.«

Sie versteckte sich hinter einem Busch und blies auf der leeren Kalebasse. Der Nimmersatt wunderte sich, was das sei, und rief nach der Frau. Die aber blies weiter, bis der Nimmersatt solche Angst hatte, dass er seinen Sack nahm, die Reste von dem Fleisch hineinsteckte und wegrannte.

Immer noch blasend, folgte ihm die Frau, bis der Nimmersatt den Sack mit dem Fleisch wegwarf. Aber sie folgte ihm weiter und blies. Der Nimmersatt stolperte und fiel in einen Dornenbusch, der ihn festhielt. Da hörte die Frau mit Blasen auf und vernahm, wie er plärrte: »lass mich in Frieden, hu, hu, hu,
lass mich in Frieden, hu, hu, hu.«
Da blies sie wieder. Er strampelte, kam frei und rannte davon, so schnell er konnte. Da nahm die Frau den Sack mit nach Hause, zündete Feuer an und kochte das Fleisch. Als es gar war, nahm sie es mit in ihr Versteck, und sie lebten davon, bis ihre Kinder draußen herumlaufen konnten.

Eines Tages baten die Zwillinge ihre Mutter, ihnen Bogen und Pfeile zu machen. Die Mutter riet ihnen, nicht vom Haus wegzugehen, »denn«, sprach sie, »der Nimmersatt wird euch sonst verschlingen.« Einmal aber verließen die Kinder doch das Haus und gingen in die Richtung, wo das Ungeheuer wohnte. Sie fanden es schlafend und schossen ihm Pfeile in beide Augen. Dann kehrten die Jungen nach Hause zurück und erzählten ihrer Mutter davon. Am nächsten Tag gingen sie wieder zu der Stelle, und da war der Nimmersatt tot.

Die Jungen hörten aber Menschen im Bauch des Nimmersatts reden. Und als sie das ihrer Mutter berichteten, nahm die ein Messer und schnitt den Bauch auf. Da kamen Menschen heraus und Kühe und Hunde. Die Menschen fragten: »Wer hat den Nimmersatt getötet?«

Die Mutter der Zwillinge sagte es ihnen, und die Jungen bekamen zur Belohnung viele Kühe.