[swahili, "Geschichte, Legende"]

Ndangschum und seine Musik

Eine Frau kam zum Fischen an den Fluss, da erblickte sie auf einmal ein Boot, das ganz von selbst auf dem Wasser umherfuhr, und in dem Boot sah sie einen Mann sitzen, der spielte auf seinem Instrument eine wunderschöne Melodie und sang ein Lied dazu. Der Name des Mannes war Ndangschum. Die Frau lauschte und staunte. Dann eilte sie ins Dorf zurück und erzählte allen Leuten von dem fremden Musikanten und dem Boot, das von ganz allein fuhr. Da liefen die Dorfbewohner mit der Frau zum Fluss, und gemeinsam erfreuten sie sich an der schönen Musik. Ndangschum sang und spielte aber immer erst abends, tagsüber tauchte er unter und war nicht zu sehen. Eine ganze Zeitlang lauschten die Dorfbewohner nun Abend für Abend der wunderbaren Musik.

Eines Tages hörte Uantu davon und wollte noch am gleichen Abend zum Fluss, um sich die Sache anzuschauen. Zu den Leuten aber sagte er: »Ach, das ist doch nicht schwer, das kann ich genauso gut!« Am Fluss angekommen, sah er den Musikanten in seinem Boot und rief ihm zu: »Lass mich doch mal spielen, ich kann das auch!« Der Mann sprang ins Wasser, bis zum Kinn tauchte er darin unter, und während Uantu sich in das Boot setzte, sprach er zu ihm: »Du darfst aber in dem Lied meinen Namen nicht vergessen!«

»Mach ich, mach ich«, erwiderte Uantu, »das ist doch für mich nicht schwer!«

Und nun spielte Uantu das Instrument, nicht schlechter als Ndangschum, und er vergaß auch dessen Namen nicht in seinem Lied, und das Boot fuhr ganz von selbst mit Uantu auf dem Fluss umher. Da kamen die Leute aus dem Dorf und lauschten nun der Musik von Uantu, und sie staunten, als sie sahen, dass er seine Sache gar nicht schlecht machte. Uantus Mutter, seine Schwestern und alle Verwandten, die gekommen waren, liefen schnell ins Dorf und holten Essen, um ihn damit zu belohnen. Als sie zurückkamen, fuhr Uantu noch immer auf dem Fluss umher und sang und spielte, aber inzwischen hatte er Ndangschums Namen in dem Lied weggelassen und dafür seinen eigenen Namen eingesetzt. Nun traten die Frauen ans Ufer. Als das Boot nahe genug heran war, wollten sie Uantu etwas zu essen hineinwerfen. Aber in dem Augenblick glitt das Boot zurück, und alles fiel ins Wasser. Da musste Uantu hungern und saß schließlich ganz ausgemergelt in dem Boot. Aber so geht das nun mal denen, die sich mit fremden Federn schmücken. Man soll den, der etwas Neues geschaffen hat, mit seinem Namen nennen.