[swahili, "Geschichte, Legende"]

Marienlegenden Mariae Geburt

Man sagt, dass Joachim und Anna, die Eltern der Mutter des Herrn, sehr fromme und gottesfürchtige Leute waren. So oft sie daher in die Kirche gingen, um zu beten, nahmen sie auch ein Opfer mit. Aber ihr Opfer wurde nie angenommen, weil sie kein einziges Kind hatten. Sie wussten dies nicht, bis sich der Heilige Geist aus dem Himmel auf sie niederließ und ihnen sagte: Joachim! vergeblich müht ihr euch, Opfer in die Kirche zu bringen, denn eure Opfer werden von Gott nicht angenommen, weil ihr nicht ein einziges Kind habt.

Als Joachim und Anna diese Worte hörten, betrübten sie sich sehr. In ihrem großen Schmerz verließen sie eines Tages ihr Heim und gingen beide in die Wüste; er ging in einen Teil der Wüste und sie in einen anderen. Wohin Joachim ging, und wo er blieb, ist unbekannt.

Anna aber ging auf dem von ihr erwählten Weg immer weiter, bis sie zu einer Waldwiese kam. Auf dieser Waldwiese blieb sie und setzte sich auf einen Baumstumpf, der in der Mitte der Wiese stand. Sie fing an laut zu weinen. Als sie sich ausgeweint hatte, begann sie in einem Buch zu lesen, das sie sich mitgenommen hatte. Während sie noch in diesem Andachtsbuch las, fiel eine Birnenblüte in ihre Arme. Anna sah die Blüte und wunderte sich sehr über sie, da weit und breit kein Birnbaum in der Nähe war. Sie dachte darüber nach, wie diese Blüte in ihre Arme geraten sein könnte. Weil aber die Blüte schön war, nahm sie sie von ihrem Arm und roch daran. Und siehe, in dem Augenblick, in dem sie an ihr gerochen hatte, fühlte sie sich schwanger. Als sie sah, dass sie schwanger war, kehrte sie voller Freuden nach Hause zurück und sandte sofort einen Boten nach Joachim aus. Er sollte ihn suchen und nach Hause bringen.

Joachim machte sich sofort aus der Wüste auf, als ihn der Bote gefunden und ihm gesagt hatte, wer ihn schicke, und kam zu seiner Frau. Als er zu Hause angelangt war, fragte er Anna, weshalb sie den Boten nach ihm geschickt habe. Anna begann ihm zu erzählen und beschrieb ihm von Anfang an alles, wie sie gewandert sei und was in der Wüste geschehen sei, und zum Schluss erzählte sie ihm auch, wie sie auf eine Waldwiese gekommen sei, wie sie weinend auf einem Baumstamm gesessen habe und in dem Andachtsbuch gelesen und wie endlich, während sie auf dem Baumstumpf sitzend las, eine Birnenblüte herab gefallen sei, sie wisse nicht wie und woher, und wie diese Blüte ihr in den Armen hängen blieb. Schließlich, wie sie an ihr gerochen habe und wie sie sich sogleich schwanger gefühlt habe.

Joachim, der ihr mit großer Aufmerksamkeit zugehört hatte und sich alles gemerkt hatte, was sie ihm sagte, sprach zu ihr: »Bis du nicht mit mir auf die Waldwiese gegangen bist und mir den Baumstumpf, auf dem du gesessen hast, und die Birnenblüte, die dir in die Arme gefallen ist und an der du gerochen hast, gezeigt haben wirst, bis dahin glaube ich dir nicht. Ich fürchte vielmehr etwas anderes glauben zu müssen.« Als Anna sah, dass ihr Gatte ihr nicht glaubte, betrübte sie sich sehr und sagte voll Bitterkeit: »Wenn du mir nicht glauben willst, dann komm mit mir und sieh!« Sie nahmen sich an der Hand und gingen beide wieder in die Wüste. Als sie auf der Waldwiese angekommen waren, auf der Anna gewesen war, zeigte diese ihm sofort den Baumstumpf, auf dem sie gesessen, und die Birnenblüte, an der sie gerochen hatte, und die noch neben dem Baumstumpf lag, so wie sie sie dort gelassen hatte.

Als Joachim sah, dass das, was ihm seine Gattin gesagt hatte, die Wahrheit war, fiel er vor Anna in die Knie und bat sie um Verzeihung, dass er sie unnötig beunruhigt habe, denn er sehe nun ein, dass er ihr Unrecht getan habe. Anna verzieh ihm. So kehrten sie wieder fröhlich heim. Als sie zu Hause angelangt waren, berieten sie sich und beschlossen, dass das Kind, das Anna gebären würde, sei es nun ein Knabe oder ein Mädchen, der Kirche gehören solle.

Anna aber gebar, als ihre Zeit kam, ein Mädchen. Sie gaben ihm den Namen Maria. Und selbst, wenn sie unseren lieben Herrgott an der Zehe gepackt hätten, hätten sie nicht so viel Freude gehabt, wie jetzt mit dem Kinde. Als die kleine Maria drei Jahre alt war, nahmen die Eltern sie mit sich und übergaben sie der Kirche, wie sie gelobt hatten, bevor sie geboren war. Und Maria wuchs heran, wurde vom heiligen Geist erfüllt, und die ganze Welt liebte sie.