[swahili, "Geschichte, Legende"]

König Porco

Vorzeiten lebte einmal ein König von England mit Namen Galeotto. Der war nicht weniger reich an Glücksgütern wie an solchen des Geistes. Er hatte zur Gemahlin Hersilia, die Tochter des Königs Matthias von Ungarn, welche an Schönheit, Tugend und Liebenswürdigkeit alle anderen Damen ihrer Zeit übertraf. Und so klug beherrschte Galeotto sein Reich, dass es niemand gab, der sich mit Recht über seine Regierung beklagen konnte. Obgleich sie nun schon lange Zeit miteinander vermählt waren, wollte es das Schicksal, dass sie keine Kinder bekamen, was beiden viel Missvergnügen verursachte.

Einmal nun geschah es, dass Hersilia im Schlossgarten spazieren ging und Blumen pflückte. Und weil sie bereits etwas müde war, erblickte sie ein Plätzchen, das ganz im Grün versteckt lag. Sie ging darauf zu und setzte sich dort nieder. Bald danach versank sie bei dem süßen Gesang der Vögel, die auf den grünen Zweigen zwitscherten, in sanften Schlummer. Da wollte es ihr Geschick, dass durch die Luft drei holde Feen vorüber kamen, und als sie die junge Königin erblickten, hielten sie inne, betrachteten ihre Schönheit und ihren Wunderreiz und beschlossen, sie unverletzbar zu machen und durch Zauberkraft zu schützen. Nachdem sie sich also geeinigt hatten, sprach die erste: »Ich will, dass sie unverletzlich sei und einen Sohn bekomme, der an Schönheit seinesgleichen auf der Welt nicht habe.«

»Und ich will«, sprach die zweite, »dass niemand sie verletzen könne und dass der Sohn, den sie erhält, mit allen guten Eigenschaften und Vorzügen ausgestattet sei, die man sich ausdenken kann.«

»Und ich will«, versetzte die dritte, »dass sie die klügste und reichste Frau sei, die man finden kann, dass aber der Sohn, den sie empfangen wird, ganz mit dem Fell eines Schweinchens bedeckt zur Welt komme und in all seinen Bewegungen und Manieren diesem Tier gleiche und sich nicht früher dieser Hülle entledigen könne, als bis er drei Frauen nacheinander gehabt hat.«

Als die drei Feen verschwunden waren, erwachte Hersilia, stand alsbald auf, nahm die Blumen, die sie gesammelt hatte, und kehrte in den Palast zurück. Es vergingen nur wenige Tage, da wurde sie guter Hoffnung, und als die ersehnte Stunde gekommen war, brachte sie ein Kind zur Welt, dessen Glieder nicht die eines Menschen, sondern die eines Schweinchens waren. Als das der König und die Königin erfuhren, empfanden sie einen unsagbaren Schmerz darüber, und mehrmals war der König nahe daran, die Missgeburt umbringen und ins Meer werfen zu lassen, damit sie der Königin, die gut und fromm war, nicht zur Schande gereiche. Indessen überlegte er sich wieder, dass der Sohn trotz seines Aussehens doch von ihm stamme und seines Blutes sei. Er gab sein grausames Vorhaben auf, das er zuerst gefasst hatte, bekam Mitleid und befahl, das kleine Wesen nicht wie ein Tier, sondern wie ein vernünftiges Geschöpf aufzuziehen und zu ernähren.

Das Kind wurde also sorgsam genährt und lief oft zur Mutter, hob sich auf die Hinterbeinchen und legte ihr die kleine Schnauze und die Füßchen in den Schoß. Die gute Mutter hinwieder liebkoste es, legte ihm die Hände auf den behaarten Rücken und umarmte und küsste es, gerade als wäre es ein menschliches Wesen. Und das Kind ringelte den Schwanz und gab durch Zeichen ganz deutlich zu verstehen, dass ihm die mütterlichen Zärtlichkeiten sehr lieb waren. Als das Schweinchen etwas größer geworden war, begann es, wie ein Mensch zu sprechen und durch die Stadt zu laufen, und wo es Unrat und Kehricht fand, wühlte es darin nach Schweineart. Darauf kehrte es schmutzig und übel riechend nach Hause zurück, lief auf den Vater und die Mutter zu, rieb sich an ihren Kleidern und beschmutzte sie. Weil es aber ihr einziger Sohn war, ertrugen sie alles mit Geduld.

Eines Tages kam das Schweinchen wieder ganz schmutzig nach Hause, machte sich's auf den Gewändern seiner Mutter bequem und sprach grunzend: »Liebe Mutter, ich möchte gern heiraten.«

»O du Narr, der du bist«, entgegnete die Mutter, »wer wollte schon dich zum Manne nehmen? Du riechst übel und bist schmutzig, und da willst du, dass dir ein Baron oder Ritter seine Tochter gebe?« Er aber gab zur Antwort, dass er unter allen Umständen eine Frau wolle. Die Königin wusste keinen Rat und sprach zum König: »Was sollen wir machen? Ihr seht, in welcher Lage wir uns befinden. Unser Sohn will eine Frau, aber wo sollen wir eine finden, die ihn zum Gatten möchte?« Sowie das Schweinchen wieder zur Mutter zurückkam, sagte es laut grunzend: »Ich will eine Frau und gebe nicht eher nach, als bis ich jenes junge Mädchen habe, das ich heute gesehen habe, denn das gefällt mir sehr.« Nun war dies die Tochter einer armen Frau, die drei Töchter hatte, und alle waren bezaubernd schön. Als das die Königin hörte, ließ sie sogleich die arme Frau und ihre älteste Tochter rufen und sagte zu ihr: »Meine gute Mutter, Ihr seid arm und mit Töchtern beschwert. Wenn Ihr aber einwilligt, so werdet Ihr bald reich von dannen gehen. Seht, ich habe diesen Sohn, der wie ein Schwein gestaltet ist, und möchte ihn mit Eurer ältesten Tochter hier verheiraten. Stoßt Euch nicht an der Schweinegestalt meines Sohnes, sondern nehmt Rücksicht auf den König und mich und bedenkt, dass Euer Kind schließlich die Besitzerin unseres ganzen Reiches sein wird.« Als die Tochter diese Worte vernahm, geriet sie in große Bestürzung und sagte, rot geworden wie eine morgenfrische Rose, sie wolle sich in keinem Fall für dergleichen hergeben. Doch die arme Frau gab ihr so süße Worte, dass sie am Schluss einwilligte.

Als das Schwein ganz schmutzbedeckt wieder nach Hause gekommen war, lief es zur Mutter, die zu ihm sagte: »Lieber Sohn, wir haben die gewünschte Frau für dich gefunden, und du wirst zufrieden sein.« Darauf ließ sie der Braut die prunkvollsten königlichen Gewänder anziehen und führte sie dem Schwein vor. Und als dieses sie so schön und anmutig sah, hatte es eine große Freude, sprang um sie herum und machte ihr mit Schnauze und Pfoten die größten Liebkosungen, die man je bei einem Schwein gesehen hatte. Sie aber stieß es, weil es ihr die Kleider besudelte, von sich zurück. Das Schwein fragte jedoch: »Warum stoßest du mich zurück? Habe nicht ich dir diese Kleider geschenkt?« Worauf sie stolz und schnippisch antwortete: »Weder du noch dein Schweinekönigreich haben sie mir je geschenkt.« Und als die Stunde des Schlafengehens gekommen war, sagte die junge Frau: »Was soll ich mit diesem stinkenden Tier machen? Ich werde es diese Nacht, wenn es im ersten Schlummer liegt, umbringen.« Das Schwein aber, das nicht weit weg war, hatte diese Worte gehört und sagte nichts weiter.

Zur üblichen Stunde jedoch kam es an das prunkvolle Bett, hob mit der Schnauze und den Pfoten die überaus feinen Leintücher und legte sich neben seiner Gemahlin zur Ruhe. Es dauerte nicht lange, so schlief diese ein. Das Schwein aber tat nur, als schliefe es, und stieß ihr die scharfen Hauer so tief ins Herz, dass sie augenblicklich starb.

Am anderen Morgen verließ es frühzeitig das Bett und lief seiner Gewohnheit gemäß fort, um zu fressen und sich im Unrat zu wälzen. Der Königinmutter kam der Wunsch, ihre Schwiegertochter zu besuchen. Sie ging daher ins Schlafgemach und fand sie daselbst zu ihrem größten Schmerz vom Schwein getötet. Als dieses dann wieder heimkehrte, wurde es von der Königin mit den bittersten Vorwürfen empfangen. Allein es gab zur Antwort, er habe ihr das angetan, was sie ihm habe antun wollen. Und damit lief es zornig davon.

Schon wenige Tage später kam das Schwein neuerdings mit dem Anliegen, es wolle wieder heiraten, und zwar die andere Schwester. Und wie sehr sich ihm die Mutter auch widersetzte, so beharrte es trotzdem eigensinnig auf seinem Willen und drohte, alles zu zerstören, wenn es das schöne Mädchen nicht bekäme. Daraufhin ging die Königin zum König und erzählte ihm alles, und dieser meinte, es wäre weniger schlimm, das Schwein töten zu lassen, als wenn es irgendein großes Unheil in der Stadt anrichte. Doch die Königin, die ja seine Mutter war und es überaus liebte, konnte sich nicht von ihm trennen. Sie ließ daher die arme Frau mit der zweiten Tochter rufen und redete ihr lange zu. Und nachdem sie ausführlich zusammen über die Heirat gesprochen hatten, willigte die zweite Schwester ein, das Schwein zum Manne zu nehmen. Die Sache hatte aber nicht den gewünschten Erfolg, denn das Schwein tötete sie wie die erste und verließ alsbald darauf das Haus. Und als es dann zur gewohnten Stunde derart mit Schmutz und Mist bedeckt in den Palast heimkehrte, dass man sich ihm vor Gestank nicht nähern konnte, wurden ihm vom König und von der Königin wegen der begangenen Untat heftig die Leviten gelesen. Das Schwein aber gab dreist zur Antwort, es habe der Braut nur getan, was diese ihm habe antun wollen.

Und es dauerte nicht lange, da drang Prinz Schwein abermals in die Mutter, er wolle sich wieder verheiraten, und zwar wolle er die dritte der Schwestern zum Weibe haben, die weit schöner sei als die erste und zweite. Und als ihm sein Begehren rundweg abgeschlagen wurde, bestand er nur noch dringender darauf und bedrohte sogar die Königin mit dem Tode, wenn er das Mädchen nicht zur Frau bekäme. Und wie die Königin diese schmählichen Drohungen hörte, empfand sie darüber im Herzen solchen Kummer, dass sie beinahe von Sinnen kam. Sie schob nun jede weitere Rücksicht beiseite, ließ die arme Frau mit ihrer dritten Tochter, die Meldina hieß, zu sich kommen und sagte zu ihr: »Meldina, meine liebe Tochter, ich möchte, dass du den Prinzen Schwein heiratest, nicht um seinetwillen, sondern aus Rücksicht auf seinen Vater und mich. Und wenn du ihn gut behandelst, wirst du die glücklichste und zufriedenste Frau sein, die man finden kann.«

Da antwortete ihr Meldina heiteren und strahlenden Angesichts, sie sei ganz damit einverstanden, und dankte ihr sehr, dass sie sich herablasse, sie zur Schwiegertochter anzunehmen. Und sollte sie auch nichts anderes bekommen, so genüge es ihr, aus einem armen Mädchen mit einemmal die Schwiegertochter eines mächtigen Königs geworden zu sein. Als die Königin diese erfreuliche und liebevolle Antwort hörte, konnte sie sich vor Glück der Tränen nicht erwehren. Aber es war ihr dennoch bange, es möchte ihr gleich ergehen wie ihren Schwestern.

Nachdem sich die neue Braut mit reichen Gewändern und kostbaren Juwelen geschmückt hatte, wartete sie auf die Heimkehr ihres lieben Bräutigams. Und wie dann Prinz Schwein schmutziger denn je nach Hause gekommen war, empfing sie ihn liebreich, breitete ihr kostbares Kleid auf dem Boden aus und bat ihn, sich neben ihr niederzusetzen. Die Königinmutter sagte zu ihr, sie solle ihn nur beiseite stoßen; allein sie weigerte sich, dies zu tun, und hub folgendermaßen an, zur Königin zu sprechen: »Drei Dinge habe ich einstens künden hören,
Holde verehrungswürdige und fromme Königin,
Zum ersten, dass es höchste Torheit sei, zu suchen,
Was einmal unmöglich zu finden sei.
Zum zweiten, dass man dort nicht Glauben schenke,
Wo weder Vernunft noch aufrichtige Denkart walte;
Und drittens, dass man eine köstliche und seltne Gabe,
Die man in Händen hält, auch lieb und wert stets habe.«
Prinz Schwein, der keineswegs schlief, sondern alles deutlich hörte, liebkoste ihr Gesicht, Hals und Schultern, und auch sie streichelte und küsste ihn, so dass er sie aus tiefstem Herzen lieb gewann. Als dann die Stunde des Schlafengehens gekommen war, suchte die junge Frau das Lager auf und wartete, dass ihr trauter Gemahl zu ihr käme. Es dauerte auch nicht lange, da kam er ganz schmutzig und übel riechend zu Bett. Sie legte seinen Kopf aufs Kopfkissen, deckte ihn gut zu und zog die Vorhänge zu, damit er nicht friere. Und als es dann Tag geworden war, ging er wieder auf die Weide. Als die Königinmutter am Morgen das Brautgemach betrat und fürchtete, dasselbe sehen zu müssen wie zuvor an den beiden andern Morgen, da fand sie die Schwiegertochter ganz vergnügt und zufrieden. Sie dankte Gott dem Herrn für diese Gnade, dass ihr Sohn eine Frau gefunden habe, die ihm gefalle und zusage.

Nicht lange danach war Prinz Schwein eines Abends mit seiner Gemahlin in heiterem Gespräch begriffen und sagte zu ihr: »Meldina, mein geliebtes Weib, wenn ich sicher wäre, dass du keinem Menschen mein großes Geheimnis offenbarst, so würde ich dir etwas enthüllen, was ich bisher immer versteckt gehalten habe. Und das würde dich mit der großen Freude erfüllen. Nun, da ich weiß, dass du klug bist und wohl überlegst, was du sagst, und ich sehe, dass du mich aufrichtig liebst, will ich dir's auch sagen.«

»Entdeckt mir nur ohne Sorge alle Eure Geheimnisse«, erwiderte Meldina, »denn ich verspreche Euch, es ohne Euren Willen niemand zu verraten.« Derart von seiner Frau beruhigt, zog Prinz Schwein das garstige Fell aus und stand plötzlich als wunderschöner Jüngling vor ihr. Und nachdem er ihr am Morgen aufs Neue eingeschärft hatte, darüber zu schweigen, da er binnen kurzem von seinem Zauber erlöst werde, verließ er das Bett, schlüpfte wieder in seine Schweinshaut und trollte sich von dannen.

Nicht lange danach wurde die junge Frau guter Hoffnung, und als ihre Zeit erfüllt war, schenkte sie einem wunderschönen Knaben das Leben. Das bereitete dem König und der Königin die größte Freude, besonders weil das Kind nicht wie ein Tier, sondern wirklich wie ein menschliches Wesen aussah. Nun konnte Meldina die Last des wunderbaren Geheimnisses nicht länger für sich behalten. Sie ging daher zu ihrer Schwiegermutter und sprach zu ihr: »Hochweise Königin, ich glaubte mich mit einem Tier verbunden zu haben. Ihr aber habt mir den schönsten und artigsten Jüngling zum Gemahl gegeben, den die Natur jemals hervorgebracht hat. Wenn er nämlich ins Schlafzimmer kommt, zieht er das übel riechende Fell ab, wirft es auf den Boden und steht als ein hübscher junger Mann vor mir, was niemand glauben würde, wenn er es nicht mit eigenen Augen sähe.«

Die Königin glaubte, Meldina scherze. Sie sprach jedoch die Wahrheit. Auf ihre Frage, ob sie das nicht auch sehen könnte, antwortete die Schwiegertochter: »Kommt heute Nacht zur Zeit des ersten Schlummers in meine Kammer. Ihr werdet die Tür offen finden und alsdann sehen, dass ich die Wahrheit sage.« Als es Nacht geworden war und die Königin gewartet hatte, bis alles zu Bett gegangen war, ließ sie die Kerzen anzünden und begab sich mit dem König in die Kammer ihres Sohnes. Dort eingetreten, fand sie das Schweinsfell, das in einer Ecke des Zimmers am Boden lag. Und als sie sich dem Bett genähert hatte, sah sie, dass ihr Sohn ein reizend schöner Jüngling war. Jetzt waren sie voller Freude, und der König befahl, dass, bevor jemand das Gemach verließ, das Fell in ganz kleine Stücke zerrissen werde. Und so innig freuten sich die Eltern über ihren verwandelten Sohn, dass sie vor Glück fast gestorben wären.

Als sich der Vater Galeotto im Besitz eines solchen Sohnes sah, der wiederum einen Nachfolger hatte, legte er die Krone und den königlichen Mantel nieder, und an seiner Stelle wurde unter größtem Jubel sein Sohn gekrönt, der mit dem Beinamen »König Porco« das Reich zur größten Zufriedenheit des ganzen Volkes regierte und mit Meldina, seiner geliebten Gemahlin, lange Zeit glücklich und zufrieden lebte. So hatte Meldina, die jüngste der drei armen Töchter, durch ihre Güte und Bescheidenheit das Glück gefunden.