[swahili, "Geschichte, Legende"]

Kamas und sein verwunschener Sohn

Kamas war ein sehr reicher Mann und lebte mit seiner Frau lange Zeit einträchtig in seinem Dorfe Rinkunai jenseits des Nemunas, wo jetzt Garliava ist. So sagen es wenigstens unsere alten Leute in Zemaiten.

Aber einmal überfiel es Kamas, als er am Ofen saß. Er sah nämlich, wie seine Frau Brot knetete, und er hatte einen Sohn von sieben Jahren, den kleinen Kamukas. Das Kind kam zur Mutter gelaufen, als sie mit beiden Armen das Brot knetete. Da sagte der Vater dem Kind, es solle der Mutter über die Arme schlagen. So versetzte es der Mutter einmal und ein zweites Mal einen Hieb über die Arme. Da hieß der Vater ihn noch ein drittes Mal zuschlagen. Doch da wurde die Mutter sehr zornig über solche Bosheit und sprach über ihr eigenes Kind diese Worte: »Ach, dass du doch in die Hölle fahren möchtest, hinter dem Teufel her!« Und als das Kind herangewachsen war, es war schon fünfundzwanzig Jahre alt, da war es wie ein armes Stück Vieh im Stall, nichts hatte man ihm beibringen können, der Bursche wusste nicht, was in der Welt gut und was böse ist. Und dazu packte ihn noch der Wunsch zu heiraten.

Als sie nun mit der Schar der Gäste zur Trauung gefahren waren und schon zurückkehrten, da kam den kleinen Kamukas, der jetzt ein junger Mann war, ein Bedürfnis an, so dass er auf dem Weg vom Wagen steigen musste. Und die ganze Hochzeitsgesellschaft musste halt machen und auf ihn warten. Doch als Kamukas zwanzig Schritt von seinem Wagen gegangen war, da sprang ein Hase von der Wiese gerade auf ihn zu. Da jagte Kamukas hinter dem Hasen her, doch der - Hals über Kopf in den Wald. Und er hinter ihm her in den Wald. Und Kamukas kam nicht wieder zurück, und die Hochzeitsgesellschaft musste ohne Bräutigam nach Hause fahren. Obwohl man überall nach ihm fragte und ihn suchte, hatte ihn niemand wieder irgendwo gesehen.

Und als schon Jahre vergangen waren, da kam einmal ein greiser Bettler, um zu übernachten. Doch weil die Familie und das Gesinde sehr zahlreich war, fand sich im Hause nirgends Platz für ihn zum Schlafen, und die Hausfrau hieß ihn in die Getreidedarre gehen. Wie freute sich der Greis, als er die Darre warm vorfand, doch als er schon am Einschlafen war, da öffnete sich die Tür zwischen der Darre und der Heizkammer, und herein kam ein hoch gewachsener Mann in einem schwarzen Mantel, in der Hand eine brennende Pechkerze. Er ging hinter den Ofen, wobei er ganz herzzerreißend klagte und unaufhörlich jammerte und diese Worte sprach: »Durch Vaters Geheiß und durch Mutters Fluch werde ich in der Hölle gepeinigt!« Und so jammerte er eine ganze Stunde lang, doch danach polterte er wieder hinter dem Ofen hervor und durch die Tür hinaus.

Da erzählte der Bettler am andern Tage alles dem Hausherrn, und der Herr begriff, dass das sein Sohn war, der aus jener Welt erschienen war. So ging er am nächsten Abend, ohne jemandem etwas zu sagen, selber nachsehen. Und als auch er dieselbe Erscheinung hatte wie der Greis, da fragte er sofort: »O mein Sohn, du lieber, wie kann ich dir nur helfen?« Und der Sohn antwortete mit klagender Stimme: »Ach Vater, sehr schwer wäre das für dich. Schwerer als für die Mutter und für meine Angetraute, meine Frau, denn man muss, wenn man in die Hölle gekommen ist, durch neun brennende Öfen kriechen und mich von da herausführen. Erst dann könnte ich frei nach Hause gehen.«

Da nahm sich der Vater vor, seinem Sohn zu helfen. Aber als er in die Hölle gegangen war und beim ersten Ofen sah, dass der voll war von der Hitze der Flammen und vom Schwefelgestank, da versuchte er zuerst einmal, seine Nase in den Ofen zu stecken, doch die Nase war sofort von den Flammen versengt. Und er musste aus der Hölle hinauslaufen. Und er kam mit brennender Nase nach Hause, und er erzählte seiner Frau die Neuigkeit, denn sie hatte bis dahin nichts davon gewusst.

Als sie das nun gehört hatte, da ging auch sie in die Darre, um zu sehen, ob ihr Sohn wirklich so hinter dem Ofen klagte, wie es der Vater gehört hatte. Und als die zwölfte Stunde kam, da öffnete sich gleich die Darrentür, und er trat ein, ging hinter den Ofen und begann zu jammern: »Durch Vaters Geheiß und durch Mutters Fluch werde ich in der Hölle gepeinigt!« Und als das die Mutter gehört hatte, da weinte sie und fragte: »O du mein Sohn, du lieber, könnte ich dir nicht irgendwie helfen?« Doch der Sohn sagt: »Ebenso wie Vater nichts ausrichten konnte, so wirst auch du wenig machen können. Aber dennoch, du kannst es versuchen, denn ich werde hinter neun Öfen gepeinigt. Wenn du mich durch das Feuer von neun Öfen hinausführst, dann werde ich ganz frei sein.« Da nahm sich auch die Mutter vor, ihn aus der Hölle herauszuführen. Und als sie in die Hölle kam und im ersten Ofen die großen Flammen sah, da zog sie ihre Kleider aus und kroch in den Ofen. Aber sie war noch nicht bis zur Hälfte hineingekrochen, da waren ihre Haare und ihre Ohren schon versengt und abgebrannt. Und als sie die große Hitze verspürte, die nicht zu ertragen war, sprang sie zurück aus dem Ofen, ganz in Flammen gehüllt, und stürmte hinaus aus der Hölle. Und so kam sie heim, ohne Ohren und ohne Haare, ganz versengt, und jammerte nur.

Na, nun musste also seine Angetraute, seine Frau, gehen. Und als sie in die Darre gegangen war und sein Klagen hörte, fragte die Frau sofort: »Könnte ich dich nicht aus dieser schrecklichen Gefangenschaft befreien, mein lieber guter Mann?« Da sagte er: »Ach, du könntest das tun und mich durch neun Öfen mutig herausführen. Und ich werde dir auch sagen, wie du das machen musst: Ganz zu Anfang, wenn du zum ersten Ofen kommst, dann nimm deine Haube vom Kopf und halte sie in der Hand. Und wenn du durch den Ofen kriechst und die große Hitze verspürst, dann fächle mit deiner Haube schnell hin und her über dein Gesicht, dann kann dir die Hitze nichts anhaben. Je größer die Hitze wird, die du spürst, desto heftiger musst du die Haube schwenken - so sehr du kannst, nach allen Seiten. Und wenn du durch alle Feueröfen gegangen bist, dann werden die Teufel dich in allerlei wilde Tiere verwandeln und mir zeigen und fragen: ›Welches ist deine Frau?‹ Und ich werde sagen, dass du es nicht bist. Und wenn sie dich dann in eine Turteltaube verwandeln, und du wirst nicht allein sein, sondern in einer großen Schar - dann komm näher zu mir herangegangen und schlage immerfort mit den Flügeln, aus Leibeskräften. Und wenn die Teufel dann fragen: ›Ist hier deine Frau?‹, dann werde ich sagen: ›Da ist sie!‹ Na, dann werden sie dir deine menschliche Gestalt wiedergeben.«

Nachdem er seine Frau so belehrt hatte, ging er wieder in die Hölle zurück, wo er gewesen war. Und sie kam in die Hölle und tat alles so, wie er ihr gesagt hatte. Und als sie die Turteltaube wieder in seine Frau verwandelt hatten, wie sie früher war, und sie ihm in die Arme legten, sagten die Teufel zu Kamukas und seiner Frau: »Was ihr hier gesehen und gehört habt in der Hölle, das sagt niemandem. Und worein wir euch verwandelt haben, sei es in wilde Tiere oder in Vögel, verwandelt euch niemals selbst! Und jetzt könnt ihr eures Weges ziehen und nach Hause gehen.«

Und als sie zu Hause ankamen, da weinten Vater und Mutter vor Freude, dass sie ihren Sohn lebendig wieder sahen. Doch er lebte mit seiner Frau in Liebe und Eintracht fünfhundert Jahre lang. Und viele Kinder zogen sie noch groß bis zu ihrem Alter. Er starb zuerst und seine Frau danach, und so hatte alles ein Ende.