[swahili, "Geschichte, Legende"]

Hans und Jagerle

Es war einmal ein Mann, der hatte zwei Söhne, der eine hieß Hans, der andere Jagerle. Einmal schickte sie der Vater aufs Feld; der ältere sollte im Walde Holz fällen, der jüngere die Schafe hüten Da schickte gegen Mittag Hans den Jagerle nach Hause, dass er das Essen hole; man gab ihm aber daheim einen Topf mit Milch und einen Palukes. Als Jagerle an den Fluss kam und gerade über die Brücke ging, so schrieen die Frösche quack-ack-kack! quack-ack-kack! Der Junge glaubte, sie riefen: »Jagerle schau, Jagerle schau!« und dachte: »Ihr armen Tierchen, ihr seid gewiss sehr hungrig, wartet, ihr sollt nicht umsonst gebeten haben!« Damit goss er aus seinem Topfe die Milch in den Fluss, die Frösche tauchten unter und waren still; Jagerle aber freute sich des, denn er dachte, jetzt äßen sie und seien befriedigt Wie er nun so in seinen Gedanken in den Fluss sah, merkte er nur einmal zu seinem Schrecken, dass die Brücke eine Menge Löcher hatte »O ihr armen Schafe, wie würdet ihr hier eure Füße gebrochen haben, wenn ich nicht bei Zeit die Gefahr bemerkt hätte.« Damit nahm er den Palukes und strich, so weit er reichte, alle Löcher zu. Dann eilte er froh zur Herde und in den Wald zu seinem Bruder. Dieser fragte ihn: »Hast du das Essen gebracht?«

»Ja, aber als ich auf die Brücke kam, da baten mich die hungrigen Tierchen im Wasser so flehentlich, dass ich ein Stein gewesen wäre, wenn ich mich ihrer nicht erbarmt hätte; ich goss ihnen denn die Milch hinunter. Dann denke dir nur, die Brücke war so voller Löcher, dass unsere Schafe sich gewiss die Füße zerbrochen hätten, wenn ich das nicht bei Zeit gesehen, allein nun habe ich sie mit dem Palukes zugeschmiert.«

»O du Dummbart, der du bist, jetzt leide Hunger; ich will mir schon Erdbeeren im Walde suchen!«

Jagerle ging voll Ärger zu der Herde, weil ihn sein Bruder so gescholten hatte. Bald überkam ihn der Hunger auch so sehr, dass er seinen ganzen Tornister durchsuchte, ob er da nicht etwas zum Beißen finde. Endlich fand er noch eine verschimmelte, harte Brotkrume; er fing gleich an zu nagen und zu kauen; die Schafe aber lagen auch da und kauten ebenfalls. Jagerle aber verdross das sehr, denn er dachte, sie machten ihm nach und spotteten seiner; er nahm seinen Stock und schlug sie alle tot.

Als gegen Abend sein Bruder hinkam, dass sie miteinander die Schafe heim treiben sollten, schlug er die Hände übereinander und rief: »Um Gottes willen, was hast du getan?«

»Ich bin nicht einer, der sich verspotten lässt!« sprach Jagerle. »Als ich da an einer verschimmelten Brotkrume nagte, machten sie mir ein schiefes Gesicht, jetzt haben sie's bezahlt bekommen!«

»O weh!« sprach Hans, »was wird uns der Vater tun? Ich will mich hüten, ihm vor die Augen zu kommen!« Er schlich sich aber verstohlen nach Hause, nahm sich seinen Geldbeutel und wollte in die Welt laufen; Jagerle aber war ihm nachgegangen, und da er nichts hatte, nahm er die Tür auf den Rücken und lief ihm nach. »Bleibe mir vom Halse!« sprach Hans, »ich gehe nicht mit dir!«

»Das sollst du auch nicht!« sprach Jagerle, »aber ich gehe mit dir!« Da kamen sie abends, als es schon dunkel war, in einen Wald; nur einmal sahen sie in der Ferne eine Menge Räuber kommen. »Jetzt sind wir verloren, wenn du mir nicht folgst«, sprach Hans zu Jagerle, »nur schnell mir nach!«

Hans stieg auf einen Baum. Jagerle kletterte mit der Türe nach. Die Räuber aber kamen immer näher und ließen sich gerade unter dem Baume nieder und machten ein Feuer; die beiden auf dem Baume quälte der Rauch, allein sie hielten aus; da rief Jagerle: »Hans, ich muss pissen!«

»Nur das nicht, sonst sind wir verloren!« drohte dieser. Doch Jagerle pisste und gerade ins Feuer und in die Töpfe und Pfannen. »Wie es auf einmal regnet!« sprachen die Räuber. Nach einiger Zeit rief Jagerle wieder: »Hans, ich muss misten!«

»Nur das nicht!« drohte Hans, »sonst sind wir verloren.« Aber - Not bricht Eisen! Bald fiel etwas dem Räuberhauptmann auf die Nase. Erschrocken wischte sich der gleich ab und sprach: »Es muss ein großer Vogel auf diesem Baume nisten!« Es dauerte nicht lange, so rief Jagerle: »Hans, ich kann die Türe nicht länger halten, ich muss sie fallen lassen!«

»Nur das nicht!« drohte Hans, »sonst sind wir verloren!«

Alsbald aber - platsch! lag sie schon unten und schlug zwei Räuber tot, die andern liefen im Schrecken davon, und als sie in der Ferne wieder Atem geschöpft, riefen sie: »Das war ein Donnerschlag, Gott sucht uns heim, wenn wir es am wenigsten vermuten!« Als aber Hans und Jagerle sahen, dass die Räuber fort waren, so stiegen sie hinunter und nahmen alle Schätze, und da war auch eine silberne Flöte vom Hauptmann. Jagerle nahm sie an den Mund und fing damit ein Hirtenstück an zu pfeifen. Es wagte es aber einer von den Räubern, der Unglücksstätte sich wieder zu nähern und trat zu Jagerle und sprach: »Aber wie kannst du so schön pfeifen!«

»Ja!« sprach Jagerle, »man hat mir die Zunge gelöst!«

»Willst du mir sie nicht auch lösen?« bat der Räuber. »Warum nicht? Komm nur her.« Da schnitt Jagerle dem Räuber die Zunge aus; der lief aber alsbald heulend fort zu seinen Kameraden, und als diese ihn fragten, was ihm geschehen, rief er nur verworren: »Hababababa!« Sie glaubten, er sei vom bösen Geist besessen und flohen vor ihm nach allen Richtungen fort, und niemand hat sie mehr gesehen. Hans und Jagerle kehrten nun mit dem vielen Gelde nach Hause, und ihr Vater verzieh ihnen und vergaß über den großen Schätzen die verlorenen Schafe.