[swahili, "Geschichte, Legende"]

Greuceanu

Es war einmal wie noch nie. Es war einmal ein Kaiser, den hieß man den Roten Kaiser. Er war sehr betrübt, denn zu seiner Zeit hatten etliche Drachen die Sonne und den Mond vom Himmel gestohlen. Deshalb sandte er Boten in alle Lande und Sendschreiben in alle Städte, um allen kundzutun, dass der, dem es gelingen würde, den Drachen die Sonne und den Mond zu entreißen, seine Tochter zur Frau und dazu noch die Hälfte seines Reiches erhalten würde; wer aber ausziehen würde, ohne etwas auszurichten, der möge wissen, dass ihm der Kopf abgeschlagen werde. Viele beherzte Jünglinge bildeten sich ein, dass sie sich mit Leichtigkeit vermessen könnten, einen solchen Auftrag zum guten Ende zu führen. Als es aber an die Arbeit ging, liefen sie hinauf und hinab, aus einer Ecke in die andere, und wussten nicht, wie beginnen und wie enden, denn nicht alle Bienen können Honig machen. Der Kaiser aber hielt sich an sein Wort.

Zu jener Zeit aber gab es einen tapferen Mann mit Namen Greuceanu. Als er von den Versprechungen des Kaisers hörte, überlegte er hin und her, dann aber nahm er sich ein Herz und brach im Vertrauen auf Gott und seine eigene Tapferkeit auf, um dem Kaiser seine Dienste anzubieten. Auf seinem Weg begegnete er zwei Männern, die von kaiserlichen Dienstmannen zum Kaiser geführt wurden, um geköpft zu werden; denn sie waren in einer Schlacht, die der Kaiser mit den Ungeheuern geführt hatte, davongelaufen. Sie waren traurig, die armen Männer, aber Greuceanu tröstete sie mit so guten Worten, dass sie wieder Mut fassten. Denn unser Greuceanu war auch ein Meister des Wortes.

Er setzte nun seine Hoffnung auf diesen Zwischenfall und sagte sich: »Ich will mein Glück versuchen! Wenn es mir gelingt, den Kaiser zu bewegen, diesen Leuten das Leben zu schenken, will ich es auch wagen, die andere Aufgabe auf mich zu nehmen; wenn nicht, dann: Lebewohl! Dann gehe ich zurück, woher ich gekommen bin. Dies sei die Probe meines Glücks; es kann nie schaden, etwas zu versuchen.«

Und indem er solche Gedankengänge wiederholte, gelangte er an den kaiserlichen Hof.

Als er vor dem Kaiser erschien, erzählte er ihm so vieles, brachte so gute und schöne Worte hervor und legte soviel Meisterschaft in seine Rede, dass der Kaiser schließlich wirklich davon überzeugt war, dass es ein Unrecht wäre, diese Männer zu töten, und dass es nützlicher sei, zwei Untertanen mehr zu haben, und sein Ansehen in dieser Welt nur noch wachsen werde, wenn er sich dem Volk gegenüber gnädig erweise.

Die beiden Männer wussten nicht mehr aus noch ein vor Freude, als sie hörten, dass Greuceanu den Kaiser milde gestimmt und dazu gebracht habe, sie zu begnadigen. Sie dankten ihm aus ganzem Herzen und gelobten ihm, ihr Leben lang für ihn zu Gott zu beten, dass er von Erfolg zu Erfolg schreite. Und so taten sie auch.

Diesen Erfolg nahm Greuceanu als gutes Vorzeichen, und als er ein zweites Mal zum Kaiser ging, sprach er zu ihm mit seinen honigsüßen Worten also: »Erhabener Herr, möget ihr noch viele Jahre auf dem erleuchteten Thron dieses Reiches leben! Viele tapfere Männer haben sich Eurer Majestät verpflichtet, die Sonne und den Mond von den Drachen zurückzuholen, die sie vom Himmel geraubt haben, und ich weiß, dass sie eines elenden Todes gestorben sind, weil sie das Versprechen, das sie Eurer Majestät gegeben hatten, nicht erfüllen konnten. Auch ich, erhabener Herr, habe mir vorgenommen, diese räuberischen Drachen aufzusuchen, und es ist mein Wille, gleichfalls mein Glück zu versuchen; vielleicht gewährt es Gott, dass es uns gelingt, jene verfluchten Drachen zu strafen für ihre unerhörte Anmaßung. Ihr aber müsst mir gnädig sein und Eure Hilfe gewähren.«

»Mein lieber Greuceanu«, erwiderte der Kaiser, »ich kann kein Jota und keinen Federstrich an meiner Entscheidung ändern. Und dies aus keinem andern Grunde, als allein deshalb, weil ich gerecht sein will. Ich will, dass meine Befehle für mein ganzes Kaiserreich die gleichen sind; bei mir gibt es keine Begünstigung.«

Als Greuceanu die Festigkeit des kaiserlichen Entschlusses erkannte und die Gerechtigkeit seiner Worte, sprach er mit mannhafter Stimme:

»Sei es, erhabener Kaiser, selbst wenn ich wüsste, dass ich darüber zugrunde gehen sollte, würde ich nicht davon lassen, bis ich die Aufgabe, die ich freiwillig auf mich genommen habe, zum guten Ende geführt habe.« So waren sie übereingekommen, und einige Tage darauf machte er sich auch schon auf den Weg, nachdem er alle Vorbereitungen getroffen hatte, die er zu tun für richtig fand, um aus der Angelegenheit mit heiler Haut davonzukommen.

Greuceanu nahm auch seinen Bruder mit, und sie gingen, gingen einen langen und weiten Weg, bis sie beim Schmied der Erde anlangten, mit dem sie Kreuzbrüderschaft verband. Dieser Schmied, der der größte Meister seines Handwerkes auf der Erde war, war auch Zauberer. Hier hielten sie an und machten Rast. Drei Tage und drei Nächte blieben Greuceanu und der Schmied der Welt in einer verschlossenen Kammer und hielten Rat. Und nachdem sie noch einige Tage ausgeruht und besprochen hatten, was noch zu tun sei, machten sich Greuceanu und sein Bruder auf den Weg.

Gleich nach dem Aufbruch Greuceanus aber machte sich der Schmied der Welt an die Arbeit und verfertigte ein Abbild des Greuceanu ganz aus Eisen, dann befahl er, dass der Schmiedeherd Tag und Nacht brenne und dieses Bildwerk ununterbrochen im Feuer gehalten werde.

Greuceanu aber und sein Bruder gingen einen langen Weg und einen noch längeren Weg, bis sie an einen Kreuzweg kamen. Hier machten sie halt, setzten sich ins Gras und nahmen einen Imbiss aus den Vorräten, die sie bei sich hatten. Dann umarmten sie sich weinend wie Kinder und trennten sich. Bevor sie aber auseinander gingen, teilten sie zwei Tücher untereinander und machten folgendes miteinander aus: Wenn die Tücher nur am Rande zerreißen würden, brauche keiner von ihnen die Hoffnung aufzugeben, dass er den andern wieder treffen werde, wenn aber die. Tücher in der Mitte reißen würden, dann sei es gewiss, dass einer von ihnen zugrunde gegangen sei. Dann steckten sie ein Messer in die Erde und sprachen: »Der von uns, der als erster zurückkehrt und dieses Messer verrostet findet, braucht auf den anderen nicht mehr zu warten, denn das bedeutet, dass der andere gestorben ist.« Dann schlug Greuceanu den Weg zur Rechten und sein Bruder den zur Linken ein.

Greuceanus Bruder kehrte, nachdem er lange Zeit vergeblich auf der Suche war, zur Stelle, wo sie sich getrennt hatten, zurück, und da er das Messer rein fand, wartete er dort voller Freude, denn er hatte die Sonne und den Mond auf ihrem Platz am Himmel gesehen.

Greuceanu aber ging und ging auf einem Pfad, der ihn geradeswegs zum Haus der Drachen brachte, dorthin, wo sich die Teufel gute Nacht sagen. Als Greuceanu hier ankam, schlug er drei Purzelbäume und verwandelte sich in eine Taube, denn er hatte sich die Zauberkünste wohl gemerkt, die ihn der Schmied der Welt gelehrt hatte. Nachdem er nun zu einer Taube geworden war, flog er auf und setzte sich auf einen Baum, der gerade vor dem Hause stand.

Da trat die älteste Tochter des Drachen aus dem Hause, doch als sie sich umgeblickt hatte, kehrte sie schnell um und rief ihre Mutter und ihre jüngere Schwester, sie mochten kommen, um das Wunder zu sehen. Das jüngere Mädchen sagte: »Mütterchen und Schwesterchen, dieser zierliche Vogel scheint mir unserm Hause kein Glück zu bringen. Seine Augen sehen nicht wie die eines Vogels aus, sondern sie ähneln denen Greuceanus, des Goldenen. Von nun an möge sich Gott unser und der Unsern erbarmen!« Anscheinend hatten die Drachen Kenntnis von der Tapferkeit des Greuceanu. Dann traten alle drei Drachenfrauen ins Haus und hielten Rat.

Auf einmal schlug Greuceanu drei Purzelbäume, verwandelte sich in eine Fliege und flog in das Haus der Drachen. Dort verbarg er sich in einer Spalte der Balkendecke und hörte ihrer Beratung zu. Als er sich alles gut eingeprägt hatte, was da zu hören war, kam er heraus, machte sich auf den Weg, der zum grünen Wald führte und verbarg sich dort unter einer Brücke. Man ersieht daraus, dass er jetzt nach dem, was er mit angehört hatte, wusste, dass die Drachen in den grünen Wald zur Jagd gegangen waren und dass der eine am Abend, der zweite um Mitternacht, der Oberdrache aber gegen Tagesanbruch nach Hause zurückkehren würden.

Als Greuceanu dort wartete, siehe, da kehrte der kleinste Drache zurück, und als sein Pferd am Rande der Brücke anlangte, schnaubte es einmal und sprang sieben Schritte zurück. Doch der Drache wurde zornig und sagte: »O dass die Wölfe dein Pferdefleisch fräßen! Auf dieser Welt fürchte ich mich vor niemand, außer vor Greuceanu dem Goldenen; aber selbst den würde ich mit einem Schlag zu Boden strecken.« Als Greuceanu das hörte, trat er unter der Brücke hervor und rief: »Komm nur, du tapferer Drache, damit wir mit dem Schwert gegeneinander kämpfen oder uns im Ringkampf messen können.«

»Lieber im Ringkampf, denn so ist es gerechter.« Sie gingen aufeinander los und umfassten sich zum Ringkampf. Der Drache packte den Greuceanu und warf ihn bis an die Knie in die Erde. Greuceanu aber packte den Drachen auch, schmetterte ihn bis zum Hals in die Erde und schlug ihm den Kopf ab. Dann warf er die Kadaver des Drachen und seines Pferdes unter die Brücke und legte sich hin, um auszuruhen.

Um Mitternacht kam der ältere Bruder des Drachen, und sein Pferd sprang siebzehn Schritte zurück. Er redete wie sein Bruder, und Greuceanu antwortete ihm, wie er jenem geantwortet hatte. Er trat unter der Brücke hervor und nahm auch mit diesem Drachen den Ringkampf auf. Da packte der Drache den Greuceanu und schlug ihn bis an den Gürtel in die Erde. Doch Greuceanu sprang schnell wieder auf, packte mit einem Male den Drachen, rang ihn nieder, schlug ihn bis an den Hals in die Erde und schnitt ihm mit dem Schwert den Kopf ab. Nachdem er auch die Kadaver dieses Drachen und seines Pferdes unter die Brücke geworfen hatte, legte er sich wieder zur Ruhe.

Im Morgengrauen, siehe, da kam der Drachenvater wie ein pechschwarzer Höllenfürst daher, und als er beim Brückenende anlangte, sprang sein Pferd siebenundsiebzig Schritte zurück. Der Drache ärgerte sich über diesen Vorfall wie über eine große Sache und brüllte:

»O mögen die Wölfe dein Pferdefleisch fressen! Auf dieser Welt fürchte ich mich vor niemand als vor Greuceanu, dem Goldenen, und selbst diesen brauche ich nur mit dem Pfeil aufs Korn zu nehmen, um ihn zu Boden zu strecken.« Da trat Greuceanu unter der Brücke hervor und sprach: »Wohlan, tapferer Drache, komm nur, damit wir kämpfen! Lass uns mit Schwertern fechten oder uns mit Speeren stechen oder uns im Ringkampf messen.«

Der Drache trat an, und sie begannen zu kämpfen. Sie fochten mit Schwertern und schlugen so sehr aufeinander los, dass die Schwerter zerbrachen. Sie stachen sich mit Lanzen solange, bis die Lanzen zerbrachen. Dann begann der Ringkampf. Einer warf den anderen herum, dass die Erde erbebte. Einmal umschlang der Drache den Greuceanu, dieser aber merkte wohl, was der Drache im Schilde führte, blähte sich auf und nahm alle Kraft zusammen, so dass ihm nichts geschehen konnte. Dann aber umschlang Greuceanu plötzlich den Drachen, gerade als dieser es nicht erwartete, so, dass ihm alle Knochen krachten.

Solch ein Kampf ward noch niemals gesehen. Sie rangen und rangen, bis die Mittagszeit kam und sie erschöpft waren. Da flog über ihnen ein Rabe, der sich in der Luft wiegte und ihrem Kampf zusah. Als der Drache ihn sah, sprach er zu ihm: »Rabe, Rabe, schwarzer Vogel, bring mir einen Schnabel voll Wasser, und ich will dir einen Helden mit seinem Pferd zu fressen geben.«

Da rief auch Greuceanu: »Rabe, Rabe, bring mir einen Schnabel voll süßen Wassers, denn ich will dir drei Drachenleichen und drei Pferde zu fressen geben.« Als der Rabe diese Worte hörte, brachte er dem Greuceanu einen Schnabel voll süßen Wassers und löschte seinen Durst, und das war sehr notwendig, denn sie waren, schon fast verdurstet. Da nahm sich Greuceanu ein Herz, sammelte alle Kraft, hob den Drachen in die Höhe, schmetterte ihn zu Boden, dass er bis an den Hals in die Erde versank und setzte ihm den Fuß auf den Kopf, so dass er ihn auf diese Weise niederhielt. Dann sagte er: »Sag mir, du schmutziges Ungeheuer, wo hast du die Sonne und den Mond versteckt, denn heute entrinnst du mir nicht mehr.«

Er wand sich, der Drache, und stammelte dies und jenes, Greuceanu aber sprach noch einmal: »Ob du es mir sagst oder nicht, ich werde sie trotzdem finden und werde dir auch noch den Kopf abhauen.«

Da fasste der Drache, Hoffnung, doch noch mit dem Leben davonzukommen, wenn er es verraten würde, und sagte: »Im grünen Wald steht ein Turm. Dort drinnen sind sie eingesperrt. Der Schlüssel dazu ist der kleine Finger an meiner rechten Hand.« Als Greuceanu dieses hörte, schlug er ihm den Kopf ab, dann schnitt er ihm den Finger ab und steckte ihn zu sich. Dem Raben gab er dem Versprechen gemäß alle Kadaver, dann ging er zum Turm im grünen Wald, öffnete mit dem Drachenfinger die Türe und fand dort die Sonne und den Mond. In die rechte Hand nahm er die Sonne, in die linke den Mond, warf sie auf zum Himmel und freute sich von ganzem Herzen.

Als die Menschen die Sonne und den Mond wieder am Himmel sahen, freuten sie sich und lobten Gott, weil er dem Greuceanu die Kraft dazu gegeben hatte, die leibhaftigen Feinde der Menschheit zu besiegen. Er aber, zufrieden damit, dass er seine Aufgabe gut bestanden hatte, machte sich auf den Rückweg.

Als er seinen Bruder beim vereinbarten Treffpunkt fand, umarmten sie sich; dann kauften sie zwei Pferde, die so schnell wie Pfeile laufen konnten, und machten sich in gestrecktem Ritt auf den Weg, um zum Kaiser zurückzukehren. Auf dem Weg kamen sie zu einem Birnbaum voller goldener Birnen. Der Bruder Greuceanus meinte, es wäre gut, im Schatten dieses Baumes ein wenig zu rasten, damit auch die Pferde etwas verschnaufen könnten, und bis dahin ein paar Birnen zu pflücken, um ein wenig den Hunger zu stillen. Greuceanu, der gehört hatte, was die Drachenfrauen planten, willigte ein, etwas auszuruhen. Aber er ließ seinen Bruder keine Birnen abpflücken, sondern sagte, er werde sie selbst pflücken. Dann zog er seinen Säbel und schlug ihn dem Baum in die Wurzel, und siehe, da begann Blut zu fließen und ekles Gift, und aus dem Baum hörte man eine Stimme sprechen: »So hast du auch mich vernichtet, Greuceanu, wie du meinen Mann vernichtet hast.« Und nichts mehr blieb von dem Birnbaum übrig als Staub und Asche. Sein Bruder aber erstarrte vor Staunen und verstand nicht, was dies alles zu bedeuten habe.

Nachdem sie aufgebrochen und ein Stück ihres Weges geritten waren, kamen sie in einen wunderschönen Garten mit Blumen und Schmetterlingen. Und klarem, kühlem Wasser. Greuceanus Bruder sagte: »Machen wir hier ein wenig halt, Bruder, damit auch unsere Pferdchen ausruhen können. Wir aber wollen einen Schluck kühlen Wassers trinken und Blumen pflücken.«

»Das wollen wir tun, Bruder«, antwortete Greuceanu, »wenn dieser Garten von menschlichen Händen angepflanzt und diese Quelle von Gott geschaffen wurde.«

Dann zog er den Säbel und durchschlug den Stängel einer Blume, die die schönste zu sein schien, so dass sie zu Boden fiel; dann stieß er in des Grund und in die Ränder der Quelle, aber: statt Wasser begann dunkelrotes Blut hervorzuquellen wie aus dem Stängel der Blume, und die Luft erfüllte sich mit einem widerlichen Geruch. Staub und Asche blieb auch von dem größeren Drachenmädchen zurück, denn sie hatte sich in den Garten und in die Quelle verwandelt, um Greuceanu zu vergiften und ums Leben zu bringen.

Da sie nun auch dieser Gefahr entgangen waren, stiegen sie zu Pferd und machten sich, schnell wie der Wind, auf den Weg. Was war da mit einem Male zu sehen? Da kam diese Furie, die Mutter der Drachen, hinter ihnen her, mit aufgerissenem Rachen, um den Greuceanu zu verschlingen. Und sie hatte Grund genug, wütend und erbittert zu sein, denn sie hatte nun keinen Mann, weder Töchter noch Schwiegersöhne mehr. Als Greuceanu merkte, dass das alte Drachenweib sie verfolgte, sagte er zu seinem Bruder: »Blick zurück, Bruder, und sage mir, was du siehst.«

»Was soll ich sehen, Bruder?« erwiderte er, »ich sehe eine Wolke, die wie ein Wirbelwind hinter uns herkommt.« Sie trieben ihre Pferde an, dass sie schnell liefen wie der Wind und leise wie der Gedanke; aber Greuceanu forderte noch einmal seinen Bruder auf, nach rückwärts zu sehen. Dieser meldete, dass sich die Wolke wie eine Flamme nähere; da spornten sie die Pferde wieder an und gelangten zum Schmied der Welt.

Hier sprangen sie ab und schlossen sich in der Schmiedewerkstatt ein. Das Drachenweib war ihnen auf den Fersen. Wenn es sie erreicht hätte, hätte es sie verschlungen. Jetzt aber konnte es ihnen nichts mehr antun. Da griff sie zu einer List: sie bat den Greuceanu, er solle ein Loch in die Wand machen, damit sie ihn wenigstens sehen könne. Greuceanu tat, als ob er sich habe erweichen lassen, und bohrte ein Loch in die Wand. Der Schmied der Welt aber stand mit dem eisernen Standbild des Greuceanu auf der Lauer, und das hatte er im Feuer so glühend gemacht, dass Funken von ihm sprühten. Als nun das Drachenweib sein Maul an den Spalt legte, um Greuceanu zu verschlingen, steckte der Schmied der Welt ihr das rot glühende Eisenbild des Greuceanu in das Maul und stieß es ihr bis in den Schlund. Und schluck! schlang sie es hinunter und zerbarst. Kurz darauf verwandelte sich der Kadaver des Drachenweibes in einen Eisenberg, und so waren sie nun auch sie losgeworden.

Der Schmied der Welt öffnete die Türe der Schmiede, sie kamen heraus, und drei Tage und drei Nächte freuten sie sich nun ihres großen Sieges. Der Schmied selbst war toll vor Freude über den Eisenberg. Dann gab er seinen Gesellen den Befehl, dem Greuceanu einen Wagen mit drei Pferden ganz aus Eisen zu machen. Als sie fertig waren, blies er über sie und hauchte ihnen so den Lebensatem ein.

Nachdem er von seinem Kreuzbruder, dem Schmied der Welt, Abschied genommen hatte, stieg Greuceanu mit seinem guten Bruder in den Wagen und fuhr zum Roten Kaiser, um seinen Lohn zu empfangen.

Sie fuhren und fuhren, bis sie an einen Kreuzweg kamen. Hier hielten sie an und rasteten. Dann schirrte Greuceanu ein Pferd vom Wagen los und gab es seinem Bruder, damit er dem Roten Kaiser die gute Nachricht von der Rückkehr des Greuceanu und dem errungenen Erfolg brächte. Er selbst blieb zurück. Als er so träge weiterfuhr, hingestreckt in den Wagen, fuhr er an einem hinkenden Teufel vorüber, der sich am Wege aufhielt, um den Wanderern Unannehmlichkeiten zu bereiten. Dieser fürchtete sich, dem Greuceanu die Stirne zu bieten, damit aber auch er nicht ungeschoren davonkomme, zog er den Nagel aus dem hinteren Ende der Wagenachse und warf ihn weit nach rückwärts. Dann sagte er selbst zu Greuceanu: »He, Vetter, du hast den Nagel verloren, geh' und such' ihn.«

Greuceanu sprang aus dem Wagen, vergaß aber aus Versehen seinen Säbel, und als er nun den Nagel suchte, stahl ihm der Teufel den Säbel, dann setzte er sich an den Wegesrand, schlug drei Purzelbäume und verwandelte sich in einen Felsblock.

Greuceanu steckte den Nagel wieder ins Achsenende, befestigte ihn gut, stieg auf den Wagen und fuhr seines Weges, ohne zu bemerken, dass ihm der Säbel fehlte.

Hört nun zu und wundert euch, ihr Herren, über das Missgeschick des armen Greuceanu. Ein nichtswürdiger Berater des Roten Kaisers hatte sich dem Teufel verschrieben, wenn er ihm zur Tochter des Kaisers verhelfen wolle. Ja sogar die Frucht seiner Ehe hatte er dem Unreinen versprochen. Der Leibhaftige wusste es, dass Greuceanu ohne seinen Säbel nur ein Mensch wie jeder andere Mensch war. Seine Kraft lag in dem Säbel, ohne den Säbel war er nicht mehr zu erkennen. Er stahl ihm den Säbel und gab ihn dem erbärmlichen Ratgeber.

Dieser erschien vor dem Kaiser und verlangte die Hand seiner Tochter, indem er behauptete, dass er den großen Sieg über die Drachen errungen habe.

Der Kaiser glaubte ihm, als, er den Säbel sah, und sie begannen, alles Notwendige für die Hochzeit auszumachen. Während man bei Hofe die Vorbereitungen für die Vermählung der Kaisertochter mit dem lügnerischen Helden traf, der behauptet hatte, dass er Sonne und Mond den Drachen entrissen habe, traf auch Greuceanus Bruder ein mit der Nachricht, dass Greuceanu bald ankommen werde.

Als der elende Ratgeber das hörte, ging er zum Kaiser und sagte ihm, dass jener ein Betrüger sei und ins Gefängnis geworfen werden müsse. Der Kaiser befolgte seinen Rat. Der Ratgeber aber betrieb es, dass die Hochzeit möglichst bald veranstaltet würde, da er meinte, wenn er einmal mit der Tochter des Kaisers getraut wäre, könnten hundert Greuceanus kommen, denn dann sei nichts mehr zu ändern und die Angelegenheit zu seinen Gunsten entschieden. Dem Kaiser aber gefiel der Eifer nicht, mit dem der Ratgeber die Hochzeit beschleunigte, und deshalb verzögerte er die Dinge.

Bald darauf traf Greuceanu ein, und als er vor dem Kaiser erschien, wusste dieser nicht, wen von den beiden er wählen solle. Er glaubte es, dass dieser der Greuceanu sei, aber er konnte sich nicht vorstellen, wieso sich sein Säbel in den Händen des Ratgebers befand. Jetzt bemerkte auch Greuceanu, dass ihm der Säbel fehlte, und plötzlich kam ihm in den Sinn, dass er den Felsblock erst gesehen habe, nachdem er den Nagel von seiner Wagenachse gefunden hatte und mit ihm zum Wagen zurückgekehrt war. Nun begriff er, dass es eine unsaubere Sache sein müsse. »Erlauchter Kaiser«, sprach er, »alle Welt sagt, dass Ihr gerecht seid. Ich bitte Euch, Lasst auch mir Gerechtigkeit widerfahren. Ihr habt lange gewartet, wartet noch ein wenig, und Ihr werdet die Wahrheit mit eigenen Augen sehen.«

Der Kaiser war bereit, noch zu warten, bis Greuceanu zurückkehren werde. Dieser setzte sich wieder in seinen eisernen Pferdewagen und fuhr in einem Atem bis zum Felsblock, wo ihm der Unreine den Nagel aus dem Wagen gezogen hatte. »Du unnützes und der Menschheit schädliches Wesen«, sagte er, »gib mir den Säbel, den du mir gestohlen hast, sonst mache ich Staub aus dir.«

Der Stein bewegte sich nicht von der Stelle. Da schlug Greuceanu drei Purzelbäume und verwandelte sich in einen Streitkolben ganz aus Stahl, und nun begann er auf den Felsblock loszuschlagen, dass die Erde erbebte. Bei jedem Schlag fiel ein Steinsplitter zu Boden. Und er schlug zu, bis die Spitze abgeschlagen war. Da begann der Stein auf einmal. zu zittern und um Verzeihung zu bitten. Der Streitkolben aber verdoppelte seine Schläge und hörte nicht auf, bis er ihn zu Staub gemacht hatte. Als nichts mehr von dem Felsblock da war, suchte

Greuceanu im Staub, der übrig geblieben war, und fand den Säbel, den ihm der Teufel gestohlen hatte. Er nahm ihn, und, ohne auch nur einen Augenblick zu rasten, kam er und erschien wieder vor dem Kaiser. »Ich bin bereit«, erhabener Kaiser, sagte er, »jedem zu zeigen, was die Körperkraft des Greuceanu vermag. Jetzt möge jener unverschämte Ratgeber kommen, der dich betrügen wollte, damit wir uns aussprechen können.« Der Kaiser ließ ihn rufen. Als er kam und den Greuceanu mit zusammengezogenen Augenbrauen sah, begann er zu zittern und bat um Verzeihung, indem er erzählte, wie der Säbel Greuceanus in seine Hand gefallen war.

Auf die Bitte Greuceanus wurde ihm vom Kaiser auch Verzeihung gewährt, doch befahl dieser, dass er aus seinem Reich verschwinden müsse. Dann ließ er den Bruder des Greuceanu aus dem Gefängnis holen, und so wurde eine Hochzeit in kaiserlicher Weise gefeiert mit Festlichkeiten, die drei Wochen lang dauerten.