Giltine und Laime
Bei einem reichen Bauern diente einst ein Kleinknecht. Einmal, als er mit den Pferden zur Nachtweide ausreiten sollte, gab ihm die Hausfrau Brei zum Abendbrot mit, und auf den Brei füllte sie ihm Speckgrieben. Da kamen zu dem Kleinknecht zwei Frauen. Und diese Frauen waren Giltine, der Tod, und Laime, das Glück. Die Frauen bitten den Kleinknecht, er möchte ihnen von den Speckgrieben geben. Weil er es nicht abschlagen konnte, gab er Giltine von den Speckgrieben, doch Laime wollte er nichts geben. Aber sie verlegte sich aufs Bitten. Da wurde er böse, warf eine Griebe nach ihr und traf sie an der Lippe. Doch die Griebe war heiß und verbrannte ihr die Lippe. Da wurde das Weib zornig und sagte: »O dieser Taugenichts, dieser Habenichts! Er hat mir die Lippe verbrannt! Er hat bisher kein Glück gehabt - jetzt soll er überhaupt keins mehr haben!«
Sie gehen beide weiter. Sie begegnen einem Mädchen, das mit Eimern unterwegs ist, Wasser zu holen. Das Mädchen hat sich schön gekämmt, ihre Füße sind weiß, die Eimer schön blank geputzt. Da sagt Frau Giltine zu Frau Laime: »Wer dieses Mädchen heiratet, der kann gut leben!« Doch Laime sagt: »Hör nur auf! Wer die heiratet, der ist ein verlorener Mann - sie hat nicht das geringste bisschen Glück!«
Sie gehen weiter und begegnen wieder einem Mädchen, das auch nach Wasser geht. Sie ist eben erst aufgestanden, hat den Kopf noch voller Federn, auf den Füßen kann man Rüben säen, die Eimer sind verschmiert. Da sagt Giltime zu Laime: »Wer diese Faulenzerin zur Frau nimmt, der ist ein verlorener Mann!« Doch Laime sagt: »Wer die bekommt, der wird steinreich, so dass er Anfang und Ende seiner Habe nicht kennt.«
Da verließ Giltine die andere wegen der Speckgrieben, ging zu dem Kleinknecht und sagte zu ihm: »Weil du mir Gutes getan hast, bin ich zu dir gekommen, um dir zu sagen: Du hast kein bisschen Glück, du bist dein Leben lang ein Bettler. Aber hier auf dem und dem Bauernhof ist ein besonderes Mädchen. Lasse hier alles im Stich und geh zu dem wohlhabenden Bauern als Knecht. Und sei ihnen - den Eltern und dem Mädchen - so gehorsam, wie du nur kannst. Arbeite so, wie es deine Kräfte zulassen - vielleicht nehmen sie dich zum Schwiegersohn. Das Mädchen wird eine sehr große Erbschaft haben, durch diese Erbschaft wirst du reich sein.«
Da ging der junge Bursche in das Dorf zu dem Bauern und trat bei ihm als Knecht in den Dienst. Und er arbeitet so gut, so gehorsam ist er, dass es keinen zweiten solchen Knecht gibt. So leben sie dort zusammen, ein ganzes Jahr, ein zweites - da sagt der Bauer: »Unsere Tochter ist nicht sehr schön, wer weiß, ob ein wohlhabender Bauernsohn sie nehmen will. Dieser unser Knecht aber ist sehr gut, uns gehorsam und ein großer Arbeiter. Wir wollen ihn zum Schwiegersohn nehmen - er ist dafür der Richtige, er wird auch zu uns gut sein.« Sie besprachen das untereinander, wurden einig, bestellten sofort das Aufgebot und richteten die Hochzeit aus.
Als die Hochzeitsgesellschaft schon zur Trauung fahren wollte, kamen wieder die beiden Frauen gegangen. Die eine sieht, dass der Kleinknecht schon bereit ist, zur Trauung zu fahren! Da sagt Laime: »Hat der Teufel diesem Habenichts hier zu diesem Mädchen verholten? Jetzt wird er durch sie noch schwerreich! Wer hat sie nur beraten? Aber ich werde ihm noch eine Suppe einbrocken, denn der hat noch nie Not kennen gelernt. Wenn wir über die Grenzen seines Dorfes gehen, dann werde ich ihm das Haus anzünden. Dann wird er sich vielleicht wenigstens versengen. Und selbst wenn er sich nicht versengt, so hat er seine Not, bis er alles wieder aufgebaut hat!«
Doch die Frau, die Giltine war, verließ Laime, ging zu dem Burschen und sagte zu ihm: »Nimm einige Bündel Stroh und bringe sie hinter das Haus. Und wenn du uns beide über die Grenze eurer Felder kommen siehst, dann wirf sie hin und zünde sie an, damit ein großes Feuer entsteht!«
So tat er denn auch. Sofort brachte er Stroh dorthin und holte einen Holzspan. Als er sieht, dass sie schon über die Grenze schreiten, zündet er die Strohbündel an und macht so ein großes Feuer. Laime sieht, dass es schon brennt, und sagt: »Sieh da, das Haus dieses Scheusals von Habenichts brennt ja schon!« Aber beim Weitergehen sieht sie, dass das Haus genauso steht, wie es vorher gestanden hat! Sie sagt: »Na, und wer hat ihm jetzt wieder geraten, was er machen soll?« Doch die beiden Frauen gingen weiter. Und er fuhr los, sie ließen sich trauen, und sie lebten in Reichtum, ohne zu wissen, wo ihr Hab und Gut anfing und aufhörte.