[swahili, "Geschichte, Legende"]

Märchen aus tausend und einer Nacht Geschichte Nureddins mit Enis Aldjelis

Es herrschte zu Basrah ein König, der hieß Mohammed Suleiman. Er war ein Vater der Armen und Bedürftigen; mit Weisheit und Milde regierte er seine Untertanen. Seine Hände waren so freigebig wie das Meer; seine Sklaven lebten wie freie Leute. Nacht und Tag dienten ihm, seines Lebens Freude bestand darin, seine Sklaven und seine Truppen zu beschenken. Ein Dichter beschrieb ihn folgendermaßen:

»Es war ein König, der, wenn feindliche Scharen auf ihn einstürmten, sie mit schneidenden Waffen befriedigte.«

»Wenn er am Schlachttage auf die feindlichen Reiter einhieb, schien er mit Schwert und Lanze und Pfeil zu schreiben, indem er den feindlichen Linien Vokale und Punkte beifügte; die Vokale schrieb er mit Säbelhieben, die Punkte mit Lanze und Pfeil.«

»Die Reiterei schwamm wie in einem Meere, dessen Wellen unzählige Scharen und dessen Quelle das aus den Wunden der Feinde strömende Blut.«

»Dieses Meer schien mit einem Wald von Schiffen bedeckt; die Lanzen waren die Mastbäume, die Fahnen die Segel.«

»Die Zeit hatte geschworen, einen ihm Ähnlichen wieder hervorzubringen; aber, o Zeit! du warst meineidig, denn du wirst deinen Schwur nicht halten können; bereue daher und tu Buße!«

Suleiman hatte zwei Wesire, der eine hieß Muin, Sohn Sawis, und der andere Vadhleddin, Sohn Chakans.

Vadhleddin war einer der freigebigsten Männer seiner Zeit. Er war gutmütig und von reinem Lebenswandel und wusste sich überall Freunde zu erwerben; sogar die Frauen beteten in ihren Häusern für sein langes Leben, denn er war der Beförderer alles Guten und der Schutz gegen alles Böse, wie ein Dichter ihn beschreibt:

»Er ist ein Mann, dessen Charakter aus Gottesfurcht und Hoheit besteht, so dass die Zeit sich mit ihm freut und stolz auf ihn ist.«

»Nie nahte sich ihm vertrauensvoll ein Unglücklicher, der nicht an seinen Türen Trost fand.«

Muin aber war geizig, schmutzig, verschmitzt, boshaft und dumm zugleich. Er suchte nur Böses zu tun, nie ging ihm ein schönes Wort aus dem Munde. Er war listiger als ein Fuchs und raubgieriger als ein Hund. Ein Dichter sagt von ihm:

»Er ist ein Auswürfling; er ist ein schlechter Sohn des Schattens.«

»Ein Vagabund, der seinen Ursprung Hin- und Herreisenden verdankt.«

»Kein Haar an seinem Leibe wächst, das nicht das Gepräge der Abstammung trüge.«

So sehr Vadhleddin geliebt wurde, ebenso sehr hasste man Muin. Als einst der König Mohammed auf seinem Throne saß und von seinen beiden Wesiren und den Großen des Reichs umgeben war, sagte er zu Vadhleddin: »Ich möchte ein Mädchen besitzen, das an Schönheit des Körpers sowie auch an Verstand und Tugend alle anderen übertreffe.« Da sagten die Großen des Reichs und die Staatsräte: »Ein Mädchen von solch ausgezeichneten Eigenschaften wird sich wohl schwerlich für weniger als 10.000 Dinare finden lassen.« Der König rief hierauf sogleich seinem Schatzmeister und befahl ihm: »Gib Vadhleddin aus meinem Schatze 10.000 Dinare.« Dieser holte das Geld und Vadhleddin nahm es in Empfang.

Vadhleddin, um dem Befehle seines Herrn zu gehorchen, begab sich jeden Tag auf den Markt und beauftragte alle Makler, die schönste und gebildetste Sklavin für ihn auszusuchen und keine verkaufen zu lassen, wenn sie 10.000 Dinare oder mehr koste, bevor sie ihm vorgestellt worden sei.

Kein Makler verkaufte eine Sklavin, ohne sie vorher dem Wesir vorzustellen, aber immer hatte er etwas an derselben auszusetzen. Einst, als er gerade auf dem Wege zum Palaste war, begegnete ihm ein Makler, der zu ihm trat, den Steigbügel erfasste und ihn anredete:

»O Wesir, der du das vermoderte Reich wieder belebt hast und der du immer siegreich bleiben mögest, du hast alles Edle wieder vom Tode erweckt und das Reich vor Verfall bewahrt.«

Dann fuhr er fort: »O Wesir! Was wir längst nach deinem hohen Befehle für dich gesucht, hat sich nun gefunden.« Der Wesir antwortete: »Bringe sie her!« Der Makler entfernte sich und kam nach einer Weile wieder mit einer Sklavin an seiner Seite, welche von schlankem Wuchse, feingeformtem Busen, glühend schwarzen Augen, feiner Taille, frischem Aussehen, süßem Atem, wohlgeformten Füßen und zarter Stimme war. Ein Dichter sagt von ihr:

»Sie ist wunderbar; die Schönheit ihres Gesichts gleicht Mond und Sternen; sie ist die Erste und Vornehmste aus ihrem Stamme und verdunkelt alle, so mit ihr aufgewachsen.«

»Gott, der erhabene Besitzer des Himmelsthrons, hat ihr die schönsten Güter des Lebens geschenkt: Hoheit, Anmut und schönen Wuchs.«

»An dem Himmel ihres Angesichts prangen sieben Sterne gleich den Wächtern ihrer Wangen.«

»Wenn ihr jemand durch begehrendes Anschauen Blicke entlocken will, so versengt sie ihn durch die Glut eines ihrer Sterne wie einen bösen Geist.«

Als der Wesir die Sklavin sah, bewunderte er sie sehr. Er wendete sich daher zu dem Makler und fragte ihn, welchen Preis der Kaufmann auf sie gesetzt habe. Der Makler antwortete: »Herr! er verlangt 10.000 Dinare und hat geschworen, dass sie allein für so viel junge Hähne gegessen und Wein getrunken habe, und dass diese Summe nicht einmal die Geschenke bezahle, die ihren Lehrern gemacht worden seien. Sie hat schön schreiben und zierlich reden gelernt; die arabische Sprache und ihre Regeln, die Erklärung des Korans, die Heilkunde, die Grundlehren der Theologie sind ihr bekannt; dazu spielt sie mancherlei Instrument.« Der Wesir ließ den Kaufmann rufen.

Da kam ein Perser, der schon manches Jährlein hinter sich hatte; die Zeit schien ihn hart mitgenommen und sein Glücksstern ihm nicht viel übrig gelassen zu haben; er glich einem alten Adler oder einer dem Einsturz nahen Mauer, und auf ihn passten die Worte des Dichters:

»Wie heftig hat mich die Zeit erschüttert, die gewaltige, ernste Zeit! Einst konnte ich laufen, ohne zu ermüden; jetzt bin ich müde, ohne mich von der Stelle gerührt zu haben.«

Der Wesir sagte zu ihm: »Willst du diese Sklavin dem Sultan Suleimann für 10.000 Dinare verkaufen?« Der Perser antwortete: »Wenn sie für den Sultan bestimmt ist, so wäre es meine Pflicht, sie ihm ohne Geld als ein Geschenk zu überlassen.« Der Wesir ließ aber sogleich das Geld holen und dem Perser 10.000 Dinare vorwiegen.

Nachdem der Kaufmann mit seinem Gelde weggegangen war, wendete sich der Makler zum Wesir und sagte: »Ist es mir vergönnt, vor den Ohren unseres großen Wesirs ein Wort zu reden?« Vadhleddin forderte ihn auf, zu sagen, was er habe, und der Makler fuhr fort: »Herr! da, wie ich vernommen habe, die Sklavin für den König bestimmt ist, so bin ich der Meinung, dass du sie ihm heute noch nicht vorführst: denn sie kommt eben angegriffen von der Reise, auf welcher sie ungünstigen Wind gehabt hat, und man sieht ihr die Ermüdung an. lass sie daher lieber vierzehn Tage in deinem Palaste, bis ihre Reize wieder aufgefrischt sind; alsdann lässest du sie ins Bad führen, legst ihr die schönsten Kleider an und gehst mit ihr zum König. Dann wirst du große Ehre bei ihm einlegen.«

Der Wesir überlegte die Worte des Maklers und fand sie gut. Er ließ daher die schöne Perserin in seinen Palast bringen, wies ihr mitten in demselben ein besonderes Zimmer an. Er sorgte dafür, dass sie Tag für Tag Wein, junge Hähne und verschiedene schöne Kleider erhielt, und so verging einige Zeit.

Der Wesir hatte aber einen Sohn, der dem Rund des Mondes glich, mit leuchtendem Gesichte, roten Wangen, einem Mal darauf und jugendlichem Flaum wie Ambra, er entsprach dem Bilde, das ein Dichter von ihm entwarf:

»Er entzückt wie der Mond mit seinen Blicken; er ist schmiegsam wie ein Baumzweig, verführerisch, wenn er sich hin und her schaukelt.«

»Er glänzt wie Gold; nur seine Haare sind schwarz.«

»Süß ist sein ganzes Wesen; sein Wuchs gleicht einer Lanze.«

»So hart sein Herz ist, so zart ist die Bewegung seiner Glieder. O warum wechselt ihr nicht miteinander?«

»Wäre die Zartheit der Bewegung in seinem Herzen, er würde niemals eine Liebende grausam behandelt haben.«

»O du, der mich tadelt, weil ich ihn liebe, entschuldige mich doch; schon hat die Liebe einen zu festen Wohnsitz in meinem Herzen.«

»Niemand ist schuldig, als mein Blick und mein Herz; doch, wen klage ich an? bin ich es nicht selbst?«

Der Jüngling wusste nichts davon, wozu die Sklavin bestimmt war. Zu dieser aber hatte sein Vater gesagt: »Wisse, ich habe dich für den König Mohammed gekauft, aber ich habe einen Sohn, der ein wahrer Satan ist und jedes Mädchen in unserm Stadtviertel zu verführen sucht. Nimm dich also wohl in acht vor ihm, hüte dich, ihm dein Gesicht zu zeigen oder ihn deine Stimme hören zu lassen, und bedenke, wofür du bestimmt bist.«

Die Sklavin versicherte ihn ihres Gehorsams und er verließ sie wieder. Nun wollte aber das Schicksal, dass die Sklavin eines Tages ins Bad ging, welches im Hause war, eine Sklavin begleitete sie dahin, um sie zu bedienen. Das Bad goss das Gewand der Anmut über sie und erhöhte den Glanz ihrer Schönheit. Als sie herauskam reichte man ihr ein Kleid, welches einer jungen Schönheit würdig war. Sobald der Anzug vollendet war, beeilte sich die schöne Perserin, sich ihrer Herrin vorzustellen. Diese begrüßte sie mit den Worten: »Das Bad bekomme dir wohl, o Enis Aldjelis!« worauf ihr die Sklavin die Hand küsste und erwiderte: »Gott vermehre deine Freude und dein Glück, o Herrin!« Als die Frau des Wesirs hierauf fragte, ob ein Bad jetzt angenehm wäre, antwortete die Sklavin: »das Wasser ist ganz herrlich und sehnt sich nach deiner Jugend.« Da wendete sich die Frau zu ihren Mädchen und sagte: »lasst uns auch baden, wir haben schon mehrere Wochen kein Bad genommen.« Die Mädchen erwiderten: »du bist uns zuvorgekommen, wir haben schon daran gedacht.« »Nun«, rief sie: »lasst uns im Namen Gottes gehen!« Bevor sich jedoch die Gemahlin des Wesirs entfernte, gebot sie zwei kleinen Sklavinnen, vor der Türe des Zimmers von Enis Aldjelis Wache zu halten, und sagte zu ihnen: »Gebet wohl acht, dass niemand sich nähere und hineingehe!«

Während nun die Gemahlin Vadhleddins im Bade war und Enis Aldjelis in ihrem Zimmer, vom Bade verschönert, ausruhte, erschien Nureddin Ali, der Sohn des Wesirs, in den Gemächern seiner Mutter. Als er diese hier nicht fand, ging er rasch auf das Zimmer der schönen Perserin zu, vor dessen Türe er die zwei zurückgelassenen Sklavinnen traf. Er fragte sie, wo seine Mutter und die Sklavinnen seien.

Die beiden Sklavinnen antworteten Nureddin auf seine Frage, sie seien alle im Bad. Als Enis Aldjelis die Stimme Nureddins hörte, sagte sie bei sich selber: »Ich möchte doch wissen, wie der junge Mann aussieht, der da draußen spricht; ob es vielleicht der ist, vor dem man mich gewarnt hat.« Mit diesen Worten erhob sie sich von dem Polster, auf welches sie sich niedergelassen hatte, trat unter den Eingang des Zimmers und erblickte Nureddin. Er erschien ihr wie der Vollmond, und ein einziger Blick war hinreichend, sie ganz für den schönen Jüngling einzunehmen, und als sein Blick auf die Sklavin fiel, war auch sein Schicksal entschieden. Das Herz eines jeden von ihnen fiel in das Liebesnetz des andern. Nureddin wendete sich hierauf zu den beiden Sklavinnen und schrie sie an, dass sie aus Furcht zurücktraten und in der Ferne stehen blieben, um zu sehen, was er tun werde. Er trat hierauf in das Gemach der Enis Aldjelis und sagte zu ihr: »Bist du die Sklavin, die mein Vater für mich gekauft hat?« Die Sklavin rief: »Bei Gott, mein Herr, ich bin's!« Da stürzte er wonnetrunken auf sie zu und sie schlang sich fest um seinen Hals und kam ihm mit glühenden Küssen entgegen.

Als die beiden Sklavinnen dies sahen, erhoben sie ein großes Geschrei, während Nureddin, die schlimmen Folgen seiner Tat fürchtend, davonlief. Seine Mutter, zu welcher das Jammergeschrei der Sklavinnen drang, verließ plötzlich das Bad, um zu sehen, was vorgefallen. Als sie den Sklavinnen nahe kam, rief sie: »wehe euch! was gibt es?« Sie antworteten, Nureddin sei, trotz ihnen, in das Zimmer der schönen Perserin gedrungen und habe sie mit Gewalt von dem Eingang vertrieben, das Mädchen in seine Arme geschlossen; was weiter geschehen, wüssten sie nicht, sie haben nur gesehen, wie er davon gelaufen sei. Die Frau eilte sogleich in das Gemach der Enis Aldjelis und fragte sie, was vorgefallen? Enis Aldjelis antwortete: »Meine Herrin! Ich saß hier, ohne an etwas Schlimmes zu denken. Plötzlich kam ein schöner Jüngling auf mich zu und fragte mich: Bist du wohl das Mädchen, das mein Vater mir gekauft? und, bei Gott! Herrin, ich glaubte, er rede wahr, und sagte zu ihm: Ich bin's. Da stürzte er auf mich zu und umarmte mich.«

»Sonst hat er nichts von dir gewollt?« forschte die Gemahlin des Wesirs weiter. Als die Sklavin betroffen schwieg, fuhr sie fort: »Wehe dir, möge es nicht dein Unglück sein!«

Nach diesen Worten fing die Gemahlin des Wesirs an, bitterlich zu weinen und ihre Sklavinnen weinten sämtlich mit und zerschlugen sich Brust und Angesicht: denn sie fürchteten sich sehr vor dem Zorne des Wesirs, der gewiss seinem Sohne den Kopf abschlagen lassen werde.

Während sie so jammerten, kam Vadhleddin nach Hause und fragte: »Wehe euch! was hat sich zugetragen?« Niemand wagte ihm das Vorgefallene zu erzählen. Als er keine Antwort erhielt, trat er vor seine Frau und sagte zu ihr: »Ich verlange durchaus, dass du mir die Wahrheit sagest.«

Die Frau erwiderte: »Ich werde dir nichts erzählen, du habest mir denn geschworen, alles, was ich dir sagen werde, ruhig anzuhören.« Als er dies getan, erzählte sie ihm, wie Nureddin, während sie im Bade war, in das Gemach der Sklavin getreten sei und sie verführt habe. Als der Wesir dies hörte, schlug er sich auf die Wangen, dass ihm das Blut aus der Nase floss, dann fasste er seinen Bart und riss so viele Haare aus, dass ein ganzer Büschel in seinen Fingern blieb. Da sagte ihm seine Gemahlin: »Mein Herr, willst du dich selbst umbringen? ich will dir von meinem Gelde 10.000 Dinare geben, so viel sie dich gekostet hat.«

Vadhleddin hob sein Antlitz gegen sie auf und erwiderte: »Meinst du denn, dass ich mich über den Verlust von 10.000 Dinaren so betrüben könnte? Was liegt mir an dem Werte der Sklavin? Es ist hier die Rede von dem Verluste meines Lebens und aller meiner Güter.« »Wieso?« fragte die Frau. Der Wesir antwortete: »Weißt du nicht, dass dieser Muin unser Todfeind ist? er wird, sobald er diesen Handel erfährt, hingehen und dem König sagen: du sprichst immer nur von der Ergebenheit und der Liebe Vadhleddins. Hat er nicht 10.000 Dinare empfangen, um dir eine Sklavin zu kaufen? Er hat auch wirklich eine gekauft und noch niemals hat man eine Schönere gesehen; aber als sie ihm so wohl gefiel, hat er es für geeigneter gehalten, seinem Sohn ein Geschenk damit zu machen. Mein Sohn, hat er zu ihm gesagt, nimm diese Sklavin, sie ist dein: du verdienst sie mehr, als der König. Sein Sohn, wird er fortfahren, hat sie genommen und ergötzt sich nun mit ihr. Der Sultan wird zwar solche Reden nicht glauben, aber Muin wird dann sagen: wenn du es erlaubst, mein Herr, werde ich die Sklavin herbringen; der Sultan wird ihm den Befehl dazu erteilen, man wird mit Gewalt in mein Haus dringen und die Sklavin wegführen. Der König wird sie ausfragen und sie wird nichts leugnen können. Muin aber wird zum König sagen: Siehst du nun, Herr! dass ich es gut mit dir meine und dir langes Leben wünsche? Aber ich habe kein Glück und alle Leute sind eifersüchtig auf mich. Der König wird hierauf mein Vermögen konfiszieren und mir das Leben nehmen lassen.«

Als die Gemahlin des Wesirs ihn so reden hörte, sagte sie: »Kennst du nicht Gottes verborgene Huld? Überlass ihm deine Sache: er wird sie zu deinem Besten lenken. Ich hoffe, der ganze Vorfall mit der Sklavin wird geheim bleiben. Derjenige, dem nichts verborgen ist, wird dies Geheimnis nach seinem Willen leiten.« Bei diesen Worten beruhigte sich der Wesir. Man reichte ihm einen Becher Wein und er trank ihn.

Nureddin blieb aus Furcht vor den schlimmen Folgen seiner Tat bei seinen Freunden und belustigte sich mit ihnen den ganzen Tag. Erst sehr spät am Abend kam er heim und klopfte an die Türe des Hauses, welche ihm von den Frauen seiner Mutter geöffnet wurde. Er legte sich schlafen und vor dem Morgengebet ging er wieder aus. Zwei Monate lang lebte er so fort, ohne seinem Vater zu begegnen. Die Gemahlin des Wesirs sagte dann zu ihrem Gatten: »Willst du die Sklavin und deinen Sohn verderben? Wenn das so fortdauert, wird er bald das Weite suchen.« Der Wesir erwiderte: »Was ist hier zu tun?« Da sagte die Frau: »Warte heute Abend auf ihn, bis er um Mitternacht kommt; ergreif' ihn und tue, als ob du ihn töten wollest. Ich eile dann herbei und reiße ihn von dir los und du söhnst dich mit ihm aus und gibst ihm die Sklavin, denn er liebt sie und sie liebt ihn, und ich bezahle dir, was sie gekostet hat.«

Vadhleddin befolgte diesen Rat. Als demnach die Zeit herankam, wo Nureddin nach Hause kam, verbarg er sich an einem dunklen Orte. Bald darauf klopfte es an der Türe; eine Sklavin öffnete geräuschlos nach gewohnter Weise und sowie der Jüngling eintrat, ward er auf einmal ergriffen und zu Boden geworfen. Nureddin drehte den Kopf herum, um zu sehen, wer ihm dies getan. Da erkannte er in dem unerwarteten Gegner seinen eigenen Vater.

Vadhleddin setzte seinem Sohne Nureddin, nachdem er ihn unter seine Füße geworfen, ein Knie auf die Brust, zog einen Dolch aus seinem Gürtel und hielt ihn seinem Sohne an die Kehle. In diesem Augenblicke kam Nureddins Mutter dazu und rief aus: »Was willst du tun?« Der Wesir antwortete: »Ich will ihn töten.«

Nureddin rief: »Mein Vater, wird es dir so leicht, mich zu töten?« Da gewahrte er, dass Vadhleddins Augen in Tränen schwammen und die höhere Macht des Gefühls und des Mitleids in ihm rege ward. Darauf erwiderte der Wesir: »War es dir so leicht, mein Leben und mein Gut aufs Spiel zu setzen?« Nureddin versetzte:

»Erlass mir meine Schuld: denn die Verständigen vergeben Immer den Schuldigen ihr Vergehen.«

»Wenn ich auch alle Arten von Untugend in mir vereinige, so verbinde doch du alle Tugenden mit der Schönsten derselben, der Großmut!«

»Bedenke, dass, wer Verzeihung hofft von dem, der über ihm ist, auch denjenigen ihre Schuld vergeben muss, die unter ihm sind.«

Da stand der Wesir von der Brust seines Sohnes auf, denn er hatte Erbarmen mit ihm und Nureddin küsste ihm Hände und Füße. Der Wesir warf ihm einen freundlichen Blick zu und sagte: »Ich würde dir die schöne Perserin geben, wenn ich wüsste, dass du sie gut behandeln wollest.« An welcher Weise?« fragte Nureddin.

»Du darfst«, fuhr Vadhleddin fort, »sie niemals verkaufen oder kränken, noch auch eine andere neben ihr heiraten.« Er erwiderte: »ich will dies beschwören« und leistete alsbald den verlangten Schwur und brachte ein ganzes Jahr in vollkommenstem Glück mit ihr zu, denn Gott hatte den Sultan die ganze Geschichte mit der Sklavin vergessen lassen.

Muin hatte zwar erfahren, was vorgegangen war; da er aber sah, dass Vadhleddin in hoher Gunst beim König stand, so wagte er nicht, demselben etwas davon zu sagen.

Nach Verfluss von einem Jahre geschah es, dass der Wesir ins Bad ging, ganz erhitzt heraustrat, und die kalte Luft ihm auf die Brust schlug und ein heftiges Fieber verursachte, das ihn zwang, sich zu Bette zu legen; nachdem er manche schlaflose Nacht zugebracht hatte und immer schwächer wurde, ließ er seinen Sohn Nureddin rufen und sprach folgendermaßen zu ihm:

»Der Lebensunterhalt ist vorn Schicksal bestimmt und des Lebens Ende von Gott beschlossen. Jedermann muss den Todeskelch leeren.«

»Ich fühle meinen Tod; erhaben ist nur der, der nie stirbt; ich aber kann dem Tode nicht entgehen.«

»Wahrlich, in der Hand des Todes hört ein König auf, König zu sein; ein König aller Könige ist nur der, der nie stirbt.«

»Ich weiß dir nichts weiter ans Herz zu legen als Gott zu fürchten, die Folgen deiner Handlungen im Voraus zu erwägen und deinen Schwur in Betreff der Perserin zu halten, ich hoffe von Gott, dass er mich gnädig aufnehmen wird.« Hierauf verschied er. Sein Palast war mit dem Jammergeschrei der Frauen erfüllt und die Kunde von seinem Tode verbreitete sich bald in der ganzen Stadt bis zum Sultan. Die kleinen Kinder weinten in ihren Schulen, die Männer in den Bethäusern und die Frauen in ihren Harems. Nureddin bereitete alles zu seiner glänzenden Bestattung vor und wich nicht von der Leiche seines Vaters, bis die Erde sie bedeckte.

Als der Leichnam mit Erde bedeckt war, sprach einer der Anwesenden folgende Verse:

»Am Donnerstage nahm ich von meinen Freunden Abschied, und man wusch mich auf dem Waschgerüste.«

»Man zog mir die Kleider aus, mit denen ich bedeckt war, und legte mir ein Gewand an, welches nicht das meinige war.«

»Auf vier Schultern trug man mich nach dem Betorte, und einige beteten für mich ein Gebet, wobei kein Niederfallen ist. Gott sei euch gnädig, ihr alle, die ihr meine Freunde waret!«

»Endlich brachte man mich in ein gewölbtes Gemäuer, an welchem die Zeit vorübergeht, ohne dass dessen Türe geöffnet wird.«

Als die Begleitung sich entfernt hatte, und Nureddin, von Schmerz zerknirscht, wieder nach Hause ging, passten folgende Verse auf seinen Zustand:

»Am Donnerstag abends ist er geschieden, und wir haben einander auf immer Lebewohl gesagt.«

»Auch seine Seele folgte ihm, und als sie entfloh, rief ich ihr nach: Kehre in ihn zurück, o teure Seele!«

»Wie soll ich, war ihre Antwort, In meinen Leib zurückkehren, dem es an Fleisch und Blut gebricht, an dem sich nichts als trockene Gebeine finden?«

»Dessen Augen häufige Tränen blind gemacht haben, und dessen nunmehr taube Ohren einst so viel Tadel hören mussten?«

Nureddin gab sich längere Zeit der Trauer über den Verlust seines Vaters hin. Eines Tages als er im Hause seines Vaters saß, klopfte jemand an der Türe. Nureddin erhob sich und öffnete. Es war einer seiner alten Freunde und Zeitgenossen, der, nachdem er ihm die Hand geküsst hatte, sagte: »Wer einen Sohn hinterlässt, wie du bist, der stirbt nicht, drum erheitere dein Herz, lasse jetzt das Trauern und sei fröhlich!«

Nureddin ließ die Wohnung, wo er sonst mit seinen Bekannten zusammenzukommen pflegte, wieder mit allem erforderlichen versehen, und bildete sich allmählich eine Gesellschaft von zehn Freunden, sämtlich Kaufleuten. Mit diesen verlebte er die Zeit in steten Festen und Lustbarkeiten, auch wurde jeder derselben noch außerdem mit einem reichen Geschenke von Nureddin entlassen, manchmal ließ er auch die Perserin vor ihnen erscheinen.

Einst kam der Verwalter zu ihm und sagte: »Kennst du nicht das Sprichwort, welches sagt: Wer immer ausgibt, ohne zu rechnen was, kommt zuletzt an den Bettelstab, ohne zu wissen wie. Deine Schätze können solche Ausgaben und solche Geschenke nicht aushalten, und wären sie auch so groß wie Berge.«

»Geh'«, sagte ihm Nureddin, »von all dem, was du mir eben gesagt, will ich kein Wort mehr hören. Weißt du nicht, wie der Dichter sagt:

»Wenn ich Reichtümer besitze und damit nicht freigebig bin, so möge meine Hand sich nie öffnen, und mein Fuß nie aufrecht stehen!«

»Zeige mir einen Geizigen, der mit seinem Geize Ruhm erworben hätte, oder einen Freigebigen, der in Verachtung gestorben wäre.«

»Alles, was ich von dir fordere, ist: So lange du noch hast zum Frühstück, so mache dir keine Sorgen um das Abendessen.« Auf die Frage des Verwalters, ob dies seines Gebieters bestimmter Wille sei, antwortete Nureddin mit einem Ja, und der Verwalter ging seines Weges.

Nureddin fahr fort, sich's wohl sein zu lassen, und so oft einer seiner Freunde ihm sagte: o mein Herr! du hast da einen schönen Garten, schenkte er ihm denselben in unwiderruflicher Weise, indem er auf Verlangen des Freundes alsbald eine schriftliche Schenkungsurkunde ausstellte. Wenn andere ihm ein Haus oder ein Bad priesen, so machte er es ihnen auch zum Geschenke. Zugleich bewirtete er sie des Morgens, des Mittags und des Abends, jedes Mal an einem anderen Orte. Dies ging so ein ganzes Jahr fort.

Eines Tages sang ihm Enis Aldjelis folgende Verse vor:

»Wenn deine Tage schön sind, so bist du fröhlichen Mutes und fürchtest nicht das Böse, womit das Geschick mich bedroht.«

»Wenn deine Nächte ruhig sind, so lässest du dich täuschen; aber bedenke, dass in der heitersten Nacht oft plötzlich Finsternis entsteht!«

Als sie so gesungen hatte, klopfte es auf einmal an der Tore. Einer von Nureddins Freunden, der das Klopfen gehört hatte, machte ihn aufmerksam darauf; Nureddin ging zu öffnen und einer der Gäste folgte ihm, ohne dass er es bemerkte. Als Nureddin hinaustrat, erblickte er seinen Verwalter. Er fragte ihn: »was vorgefallen?« Jener erwiderte: »Mein Herr und Gebieter, was ich seit langer Zeit voraussah, ist eingetroffen.«

»Wie soll ich deine Worte verstehen?« fragte Nureddin. - »Herr!« fuhr der Verwalter fort, »es ist nicht ein Dirham mehr von allen den Summen, die du übergeben hast, übrig. Hier ist die Bescheinigung meines Herrn über alles, was ich zu verwalten hatte.« Als Nureddin dies hörte, ließ er sein Haupt sinken und rief. »Gottes Wille geschehe! es gibt keine Macht und keinen Schutz außer bei Gott.« Indessen trat der Freund, welcher die Unterhaltung zwischen Nureddin und seinem Verwalter belauscht hatte, sogleich wieder herein und sagte ihnen: »Nureddin ist ein Bettler, überlegt nun, was ihr tun wollt.« Da erwiderten sie: »wenn dem so ist, so bleiben wir nicht länger bei ihm.«

In diesem Augenblicke kehrte Nureddin mit betrübtem Gesichte wieder zur Gesellschaft zurück. Er hatte sich kaum wieder auf seinen Platz gesetzt, als einer der Freunde aufstand und zu ihm sagte: »Herr, ich bitte dich, nicht übel nehmen zu wollen, wenn ich mich entferne.«

»Was ist es, das dich nötigt, uns zu verlassen?« fragte Nureddin. »Herr«, antwortete jener, »meine Frau ist ihrer Entbindung nahe; du weißt wohl, dass in solchen Fällen der Mann nicht zu lange von zu Hause wegbleiben darf.«

Kaum hatte ihm Nureddin die Erlaubnis erteilt sich zu entfernen, da stand ein Zweiter auf und beurlaubte sich unter einem anderen Vorwande. Die übrigen taten desgleichen, einer nach dem andern, bis kein einziger von den zehn Freunden mehr übrig blieb. Als Nureddin allein war, reif er Enis Aldjelis zu sich und sagte ihr: »Siehst du, was mir zugestoßen?« und erzählte ihr, was ihm der Verwalter gesagt. Sie versetzte: »Deine Freunde und deine Familie haben dir oft Vorwürfe gemacht und du hast ihnen kein Gehör geschenkt. Auch ich wollte längst dir Vorstellungen machen, aber ich schwieg wieder, als ich folgende Verse von dir hörte:

»Wenn das Glück dich begünstigt, so teile von seinen Geschenken aller Welt mit, bevor es entflieht.«

»Freigebigkeit wird es nicht erschöpfen, wenn es dir wohl will, und Geiz wird dich nicht schützen, wenn es sich wegwendet.«

Nureddin sagte hierauf: »Weißt du nicht, dass ich mein Gut für meine zehn Freunde verschwendet habe? ich glaube nicht, dass sie mich hilflos lassen werden.« »Herr!« entgegnete Enis Aldjelis, »sie werden dir, bei Gott, nichts nützen.« Nureddin sagte: »Ich will sie sogleich alle besuchen, vielleicht erlange ich doch so viel von ihnen, dass ich ein Handlungsgeschäft gründen kann, denn ich werde nicht mehr Zerstreuungen nachgehen.«

Nureddin machte sich sogleich auf den Weg, um das Quartier der Stadt aufzusuchen, in welchem alle seine zehn Freunde wohnten. Als er an der Türe des ersten anklopfte, erschien eine Sklavin und fragte, wer er sei, der Einlass begehre. »Sage deinem Herren«, antwortete Nureddin, »Nureddin Ali, der Sohn des verstorbenen Wesirs Vadhleddin, lässt ihm seinen Gruß vermelden und küsst ihm die Hand.«

Die Sklavin meldete Nureddin. Ihr Herr schrie sie an: »Geh', sag ihm, ich sei nicht zu Hause.« Die Sklavin kam zurück und sagte Nureddin: »Ihr Herr wäre nicht zu Hause.« Nureddin murmelte vor sich hin: Ha, der schändliche Mensch lässt sich vor mir verleugnen! Sie werden nicht alle sein wie dieser Verworfene. Er ging weiter und klopfte an die Türe eines anderen Freundes. Abermals kam eine Sklavin heraus und fragte ihn um seinen Namen. Nachdem sie ihn erfahren hatte, ging sie hinein, ihn zu melden. Bald darauf kam sie wieder zurück, und abermals musste er hören: »Mein Herr ist nicht zu Hause.«

Ali fand die Sache lächerlich und sagte: Nun, unter den acht übrigen wird doch gewiss einer sein, bei dem ich Hilfe finde. Aber auch an der dritten Türe wurde er mit denselben Worten abgewiesen.

Jetzt erst ging Nureddin in sich und erkannte seine Torheit, laut jammernd und mit Tränen in den Augen sprach er folgende Verse:

»Der Mensch zur Zeit seines Glücks gleicht einem Baume: so lange er Früchte hat, sammeln sich die Leute um ihn;«

»Sind aber diese abgenommen, so gehen sie davon und überlassen ihn den Stürmen und dem Staube.«

»Pfui über die Menschen dieser Zeit! sie sind alle gemein und schlecht; unter zehn ist nicht einer gut.«

Als Nureddin mit verdoppeltem Schmerze bei der schönen Perserin eintrat, sagte sie. »Nun Herr! bist du jetzt von der Wahrheit dessen überzeugt, was ich dir vorausgesagt habe?«

»Ach, rief er aus: »Nicht einer hat mich erkennen, mich sprechen wollen!«

»Nun«, sagte die Sklavin, »verkaufe von den Gerätschaften des Hauses, bis Gott der Erhabene uns anderes beschert.« Nureddin begann nun allerlei Mobilien und Hausgerätschaften zu verkaufen, bis ihm endlich nichts mehr übrig blieb. Er ging dann zu seiner Sklavin und sagte ihr: »Was bleibt uns jetzt noch zu verkaufen übrig?« »Mein Herr!« erwiderte die Sklavin. »Ich rate dir, sogleich auf den Bazar zu gehen und mich zu verkaufen. Du weißt ja, dass dein seliger Vater mich für 10.000 Dinare gekauft hat, vielleicht wirst du mit Gottes Hilfe eine annähernde Summe für mich lösen und will die göttliche Bestimmung, dass wir uns wieder vereinigen, so wird es auch geschehen.«

»O Enis Aldjelis!« rief Nureddin, »bei Gott, mir fällt es schon schwer, nur eine Stunde getrennt von dir zu leben.« »Mir geht es nicht anders«, versetzte die Sklavin, »aber die Not hat ihre bestimmten Gesetze, wie ein Dichter gesagt:

»Die Not treibt den Menschen oft auf Wege, die sonst dem feinen Leben nicht ziemen.«

»Wer sich zu etwas Gewalt antut, tut es nur, wenn ein überwiegender Grund dazu vorhanden ist.«

Er machte sich dann auf, nahm Enis Aldjelis an die Hand, Tränen rollten über seine Wangen wie Regentropfen, dann sprach er folgende auf seinen Zustand passende Verse:

»Noch einmal, ehe du dich trennst, beglücke mich mit einem Blick von dir, um mein Herz zu stärken, welches die Trennung von dir dem Tode nahe bringt.«

»Doch sollte dies zu sehr dich schmerzen, so unterlass es: gern will ich sterben vor Liebesgram, kann ich dadurch dir diesen Schmerz ersparen.«

Als er nach dem Bazar kam, wandte er sich an einen Ausrufer, Namens Hadschi Hasan, und sprach zu ihm: »Hadschi Hasan, hier ist eine Sklavin, die ich verkaufen will; sieh zu, wie du sie ausbieten kannst.« Hadschi Hasan sprach: »Ich werde deine edle Abstammung nicht vergessen.« - Dann fuhr er fort: »Wie? ist dies nicht die Sklavin, welche der selige Wesir, dein Vater für 10.000 Dinare gekauft hat?« Nureddin versicherte, dass es dieselbe sei. Er ging hierauf herum, die Kaufleute aufzusuchen; da sie aber da und dort zerstreut waren, wartete er noch, bis die Bazare mit Kaufleuten angefüllt waren und allerlei Sklavinnen: Nubierinnen, Europäerinnen, Griechinnen, Türkinnen, Tartarinnen, Cirkassierinnen und Georgierinnen verkauft wurden, dann trat er mitten unter sie und sprach zu den Kaufleuten: »Ihr Männer von großen Reichtümern! Nicht alles, was rund, ist drum eine Nuss, noch alles, was länglich ist eine Banane; alles, was rot, ist noch kein Fleisch. O ihr Kaufleute! meine Sklavin ist die Perle von allen Sklavinnen der Welt! - Ihr selber sollt mir bestimmen, zu welchem Preise ich sie zuerst ausrufen soll.«

Da sage ein Kaufmann: »rufe sie zuerst für 4000 Dinare aus!« Als sie so ausgerufen ward, kam der Wesir Muin vorüber und dachte, als er Nureddin auf dem Marktplatze erblickte: »Was, hat wohl der Sohn Vadhleddins auf dem Markte zu tun?« Er wendete hierauf seinen Blick nach dem Ausrufer, der mitten auf dem Bazar stand, von vielen Kaufleuten umringt und sagte zu sich selber: wenn meine Vermutung richtig ist, so ist er zum Bettler geworden und will nun seine Sklavin verkaufen. Wie wohl tut dies meinem Herzen! Er rief hierauf den Ausrufer herbei, der alsbald kam und die Erde vor ihm küsste, und sagte ihm: »zeige mir die Sklavin, die du zum Verkauf ausrufst.« Der Ausrufer, der diesem Befehl nicht zuwiderhandeln konnte, stellte die Sklavin dem Wesir vor. Dieser fand die Sklavin sehr schön und fragte den Ausrufer, wie teuer sie wäre. Jener erwiderte: »Das erste Angebot ist 4000 Dinare.« Muin sagte sogleich: »Ich nehme sie für diese Summe.« Als die Kaufleute dies hörten, wagte es niemand, mehr zu bieten, denn sie kannten die Gewalttätigkeit und Hinterlist des Wesirs.

Nun war es nicht Gebrauch, sobald die Kaufleute eine Sklavin gesehen hatten und darum handelten, sie sonst jemand sehen zu lassen. Aber die Kaufleute hatten nicht den Mut, ihr Recht gegen dass Ansehen des Wesirs geltend zu machen. Und was sollte Hadschi Hasan anders tun, als gehorchen? Während er noch unschlüssig dastand, warf ihm plötzlich Muin einen grimmigen Blick zu und schnaubte ihn an: »Wehe dir! was besinnst du dich? Geh zu dem Verkäufer und schließe den Handel mit ihm ab.« Der Ausrufer ging zu Nureddin und sagte ihm: »O mein Herr! deine Sklavin wird dir umsonst entrissen.« »Wieso?« fragte Nureddin. Da sagte der Ausrufer: »Wir haben deine Sklavin zuerst um 4000 Dinare ausgerufen, da kam der gewalttätige Muin, der Sohn Sawis vorüber, und da ihm das Mädchen gefiel, sagte er mir, geh' zu ihrem Herrn und sage ihm, ich nehme sie für 4000 Dinare. Ich glaube, er weiß, dass sie dir gehört und es wäre doch so übel nicht, wenn er dir die 4000 Dinare bar bezahlte, aber ich schließe aus seinen früheren Gewalttaten, dass er dir nur eine Anweisung auf irgend einen seinen Verwalter geben und ihm sagen wird: »Zieh' Nureddin hinaus, so lange es dir möglich ist, und hüte dich wohl, ihm seine Forderung zu bezahlen!« So oft du dann kommst, dein Geld zu holen, wird es heißen: heute kann ich nicht bezahlen, komm morgen! So wird man dich von einem Tag zum anderen herumziehen, bis du über ein solches Verfahren empört und zuletzt vor Zorn und Ärger die Anweisung zerreißest. Dann ist dein Geld verloren.«

Nureddin fragte, was er tun könne, um dieses zu verhindern. - »Herr«, erwiderte Hadschi Hasan, »ich will dir einen Rat geben, wenn du ihn befolgest, so kann alles noch gut gehen. Stelle dich, als hättest du im Zorn auf deine Sklavin geschworen, sie auf den Markt zu führen, aber nicht die Absicht gehabt, sie wirklich zu verkaufen, sonder dies nur getan, um deines Eides quitt zu werden. Das wird aller Welt genügen und Muin wird nichts dagegen einwenden können. Komm denn; und in dem Augenblick, wo ich sie Muin zuführe, als wenn es mit deiner Einwilligung geschähe, und der Handel geschlossen wäre, reiße sie zurück, indem du ihr einige Streiche gibst, und führe sie wieder nach Hause.«

»Dein Rat scheint mir gut zu sein«, sagte hierauf Nureddin. Hadschi Hasan verließ Nureddin, stellte sich in die Mitte des Bazars, fasste die Sklavin an der Hand, blickte nach dem Wesir Muin hin und sagte: »hier kommt der Besitzer der Sklavin.«

Hadschi Hasan hatte diese Worte noch nicht ausgesprochen, als Nureddin hervortrat, die schöne Perserin ergriff und ihr einen Backenstreich gab.

Hierher, du Unverschämte!« sprach Nureddin zu der Sklavin, »gehe nach Hause, ich habe dich nur auf den Markt geführt, um meinem Eid zu genügen, und sei fortan nicht wieder ungehorsam. Wehe dir, ich brauche das Geld nicht, das man mir für dich bietet, ich könnte Gerätschaften verkaufen, die viel mehr wert sind als du.« Der Wesir Muin trat zu Nureddin vor uns sagte: »Wehe dir! willst du mir einbilden, dass dir noch etwas anderes zu verkaufen übrig bleibt, als deine Sklavin?« Muin wollte hierauf Nureddin am Kragen fassen. Dieser warf einen Blick auf die umstehenden Kaufleute, Ausrufer und Käufer, welche insgesamt ihm zugetan waren uns sagte: »bei Gott! wenn ihr nicht wäret, ich würde ihn auf der Stelle töten.« Die Anwesenden gaben ihm aber durch Zeichen zu verstehen, er könne sich rächen, wie es ihm beliebe, es werde ihm niemand in den Weg treten. Nureddin, der ein junger, kräftiger Mann und durch den Beifall der Umstehenden ermutigt war, packte den Wesir, zog ihn vom Sattel herunter, warf ihn in die Gosse, die voll Kot war, und prügelte ihn tüchtig durch. Dann gab er ihm noch einen tüchtigen Faustschlag auf den Mund, dass das Blut herausfloss. Zehn Mameluken, welche Muin begleiteten, wollten mit gezogenem Säbel über Nureddin herfallen, als sie ihren Herrn in diesem Zustande sahen; aber die Kaufleute ' traten dazwischen und verhinderten sie daran. »Was wollt ihr tun?« sagten sie zu ihnen. »Sehet ihr nicht, dass, wenn der eine Wesir, der andere Sohn eines Wesirs ist? Vielleicht vertragen sie sich nach einigen Tagen wieder, und wenn ihr Hand angelegt hättet, würdet ihr gehasst bleiben, auch könntet ihr Nureddin umbringen und das würde für euch selbst die schlimmsten Folgen haben, darum mischet euch nicht in ihre Händel!«

Nureddin war endlich müde, auf den Wesir loszuschlagen; er nahm die schöne Perserin und kehrte mit ihr nach seinem Hause zurück. Muin erhob sich mit vieler Mühe und sein weißer Anzug war von Kot und Blut besudelt. Als er sich in diesem Zustande sah, nahm er eine Matte um den Nacken und zwei Bündel Gras in die Hand und ging gerade nach dem königlichen Palast und rief: »O König seines Jahrhunderts! Mir ist Gewalt geschehen!«

Der König gab Befehl, den Mann herauszuführen, der da unten schreie, und als man denselben vor ihn brachte, erkannte er seinen Wesir und fragte: »Wer hat dich so zugerichtet?« Da stürzten dem Wesir die Tränen in die Augen, während er seine Klage mit folgenden Versen anhob:

»Soll mir Unrecht geschehen in der Zeit, wo du lebst? Sollen mich Wölfe fressen, da du doch ein Löwe bist?«

»Soll ich, während an den Quellen deiner Wohltaten jeder Durstige Erholung schöpft, allein unter deinem Schutze verschmachten, da du doch einem erquickenden Regen gleichest?«

»Herr!« fuhr dann Muin fort, »man darf nur zeigen, dass einem deine und des Reiches Wohlfahrt am Herzen liegt, um auf so unwürdige Weise behandelt zu werden, wie du siehst, dass man mich soeben behandelt hat.« - Der König sagte: »Du darfst versichert sein, dass mir deine Ehre nicht minder teuer ist, als meine eigene; sage mir daher nur ohne Umschweife, wie sich die Sache verhält und wer der Schuldige ist.«

Muin erzählte: »Herr, ich verließ mein Haus und ritt auf den Sklavenmarkt, um mir eine Köchin zu kaufen; als ich dahin kam, hörte ich eine Sklavin für 4000 Dinare ausrufen. Ich ließ mir die Sklavin vorführen, und siehe! 's war die schönste, die man je gesehen hat und noch sehen kann. Nachdem ich sie hinlänglich betrachtet hatte, fragte ich, wem sie gehöre. Da nannte man mir den Verkäufer Nureddin, den Sohn des verstorbenen Wesirs Vadhleddin. Du weißt, mein Herr und König! dass du diesem Wesir 10.000 Dinare auszahlen ließest, mit dem Auftrage, dir für diese Summe eine Sklavin zu kaufen. Er hat auch wirklich eine dafür gekauft; anstatt sie aber dir zuzuführen, achtete er dich derselben nicht würdig, sondern machte seinem Sohn ein Geschenk damit. Seid dem Tode des Vaters hat nun der Sohn alles verkauft, und es blieb ihm zuletzt nichts mehr übrig, als diese Sklavin, welche er sich endlich auch zu verkaufen entschlossen hatten, und die man wirklich in seinem Namen verkaufte. Ich sagte ihm daher, überlass mir die Sklavin für die 4000 Dinare; ich will sie kaufen, um dem König, unserm Herrn und Meister, ein Geschenk damit zu machen, dem sie eher gebührt und der schon einmal 10.000 Dinare für sie ausgegeben. Nureddin sah mir frech ins Gesicht und sprach zu mir: Nichtswürdiger Alter! lieber wollte ich meine Sklavin an einen Juden oder Christen, als an dich verkaufen! - Aber, Nureddin, fuhr ich fort, lohnst du es so dem Sultan, durch dessen Huld dein Vater und ich selbst groß geworden ist? - Diese Vorstellung reizte ihn nur noch mehr: er stürzte sogleich auf mich los und, ohne Rücksicht für mein Alter, riss mich von meinem Pferde herunter, schlug mich mit Hand und Faust und versetzte mich in den Zustand, worin du mich hier siehst. Dies alles ist mir zugestoßen, weil ich dir eine Freude machen wollte.« Mit diesen Worten warf sich der Wesir auf den Boden, weinte und zitterte und gebärdete sich, wie wenn er die Besinnung verlöre und ohnmächtig würde.

Als der König Muin in diesem Zustande sah und seine Worte hörte, da schwoll die Ader des Zorns zwischen seinen Augen. Er wandte sich zu den Großen des Reichs, die ihn umgaben, und siehe, da standen vierzig Bewaffnete von seiner Leibwache vor ihm. Diesen befahl er, sich in die Wohnung Nureddin Alis zu begeben, alles auszuplündern, ihn selbst aber samt seiner Sklavin zu ergreifen und sie gebunden vor sein Augenlicht zu schleppen.

Die Soldaten schickten sich an, den Befehl des Königs zu vollziehen, als ein Türhüter, welcher alles mit angehört hatte, ihnen zuvoreilte. Dieser hieß Alam Eddin Sandjar und war vormals Sklave des Wesirs Vadhleddin gewesen, der ihn mit in den Palast des Königs gebracht hatte, wo er allmählich so emporgestiegen war. Als er jetzt sah, wie die Feinde seines früheren Herren sich anschickten, dessen Sohn zu töten, fiel es ihm schwer aufs Herz; er entfernte sich daher, bestieg ein Pferd und trieb es mit aller Kraft nach der Wohnung Nureddins, klopfte stark an die Türe, dass Nureddin ungesäumt selber kam und öffnete. Als er den ehemaligen Diener seines Vaters erblickte, grüßte er ihn. - Sandjar sagte: »Es ist jetzt keine Zeit zur Begrüßung, noch zu anderen vielen Worten, es ist eine Zeit, auf welche die Verse eines Dichters passen:

»Fürchtest du eine Gewalttat, so suche dein Leben zu retten, und lasse die Wohnung den Verlust ihres Erbauers verkünden.«

»Denn leicht kannst du ein Land mit dem anderen vertauschen; für dein Leben gibt's aber kein zweites.«

»Sende keinen Boten in einer ernsten Angelegenheit: wo es das Leben gilt, kann keiner den anderen vertreten.«

»Nur daher kommt es, dass des Löwen Nacken so stark ist, weil er selbst abschüttelt, was ihn drückt.«

Als Nureddin hierauf fragte, was denn vorgefallen wäre, sagte Sandjar: »Mache dich auf, mein Herr, und rette dich mit deiner Sklavin, denn Muin hat dir eine Falle gestellt, in die du stürzest, wenn du säumst. Der Sultan hat vierzig Bewaffneten den Befehl erteilt, dein Haus auszuplündern und dich und die Sklavin gebunden vor ihn zu bringen, ich rate dir daher, sogleich mit der Sklavin die Flucht zu ergreifen, ehe die Soldaten kommen.« Er griff hierauf in seinen Gurt, zog 40 Dinare heraus und reichte sie Nureddin mit den Worten: »Da nimm diese 40 Dinare; gern würde ich dir mehr geben, wenn ich es vermöchte; aber jetzt ist keine Zeit zu weiteren Erklärungen.«

Nureddin eilte zu Enis Aldjelis und setzte sie von allem in Kenntnis, und sie war sehr bestürzt darüber. Beide verließen alsbald die Stadt unter Gottes Schutz und als sie das Ufer des Flusses erreichten, fanden sie ein Fahrzeug, welches eben im Begriff war, die Anker zu lichten. Denn gerade, als sie anlangten, stand der Schiffshauptmann mitten unter den Reisenden und rief mit lauter Stimme: »Hat noch jemand einen Einkauf zu machen, Abschied zu nehmen oder sonst etwas am Lande vergessen? Er beeile sich, denn wir reisen bald ab.« Als er die einstimmige Antwort erhielt, sie haben nichts mehr zu besorgen, rief er seinen Matrosen zu: »Das Seil ab und die Anker auf!« Nureddin fragte den Hauptmann, wohin die Reise gehe. »Nach Bagdad, der Wohnung des Friedens!« war die Antwort.

Er stieg mit Enis Aldjelis ein, hierauf wurde das Schiff flott gemacht, die Segel wurden gespannt, und das Schiff bewegte sich wie ein Vogel mit seinen Flügeln, wie ein Dichter sich ausdrückt.

»Sieh dieses Schiff und erstaune über den wunderbaren Anblick: es kommt in seinem Laufe dem Winde zuvor.«

»Es gleichet einem Vogel, der seine Flügel ausbreitet und plötzlich aus der Luft über das Wasser dahinstreicht.«

Ein frischer Wind begünstigte die Fahrt. In Basrah ging aber folgendes vor: die bewaffnete Wache kam in Nureddins Haus und pochte an die Türe. Da niemand öffnete, schlug man die Türe ein und alsbald drangen die Soldaten hinein. sie durchzogen alle Gemächer, fanden aber weder Nureddin noch seine Sklavin. Da zertrümmerten sie das Haus und kehrten zum Sultan zurück und setzten ihn von allem in Kenntnis. »Man suche sie überall, wo sie sich versteckt haben könnten«, sagte der König. Die Bewaffneten gingen auf neue Nachforschungen aus und der König entließ den Wesir Muin, nachdem er ihn beruhigt und mit einem Ehrenkaftan beschenkt hatte. »Geh«, sagte er zu ihm, »sei unbesorgt wegen Nureddins Bestrafung.« Muin wünschte ihm ein langes Leben und entfernte sich.

Der König ließ durch die öffentlichen Ausrufer in der ganzen Stadt bekannt machen: derjenige sollte ein Ehrenkleid und tausend Dinare erhalten, der ihm Nureddin brächte, derjenige aber sein Leben und sein Vermögen verlieren, der ihn etwa verborgen hielte. Allein, welche Sorgfalt er auch anwenden ließ, es war nicht möglich, irgend eine Kunde von ihm zu erhalten.

Nureddin und die schöne Perserin vollendeten unterdessen mit Gottes Hilfe ihre Fahrt. Sie erreichten glücklich Bagdad; der Schiffshauptmann rief den Reisenden zu: »Hier ist Bagdad, die Stadt des Friedens und der Sicherheit. Der Winter mit seiner Kälte hat ihr den Rücken gewendet und der Frühling ist mit seinen Boten eingekehrt. Die Bäume stehen in Blüte und die Bäche rieseln.« Nureddin zahlte dem Hauptmann fünf Dinare für seine Überfahrt und verließ das Schiff mit Enis Aldjelis. Sie schlenderten eine Weile aufs Geratewohl miteinander umher und das Schicksal führte sie zwischen die Gärten. Bald kamen sie an einen Platz, der gut begossen und reinlich ausgekehrt war, mit langen Ruhebänken und hängenden Töpfen mit Wasser gefällt, darüber wölbte sich ein Gitterwerk aus Rohr, das sich längs einem Gang hinzog und nach der Türe des Gartens hinführte, die aber verschlossen war. »Bei Gott«, sagte Nureddin zu Enis Aldjelis, »das ist ein schöner und lieblicher Ort!« Die Perserin entgegnete: »Hier sind ja Ruhebänke, komm, lass uns ein wenig ausruhen.« Sie stiegen auf die Bänke, wuschen sich Hände und Gesicht, der Wind wehte ihnen sanfte Kühlung zu und so entschlummerten sie. Gepriesen sei der, dessen Auge nie schläft.

Der Garten gehörte dem Kalifen Harun Arraschid und hieß der Garten der Belustigung. Mitten in demselben stand ein Schloss, welches der Palast der Zerstreuung und der Bilder genannt wurde. Dieses Schloss hatte achtzig Fenster, mit einer Lampe an jedem und in der Mitte stand ein großer goldener Kronleuchter. Harun Arraschid besuchte dieses Schloss, wenn ihn irgend ein Gram drückte. Da ließ er seinen Gesellschafter Abu Ishak und mehrere Sklavinnen singen, bis sein Herz fröhlich ward und Sorge und Kummer aus demselben wich.

Es wohnte in diesem Garten niemand als ein alter Aufseher, Namens Scheich Ibrahim. Wenn dieser ausgegangen war, um in der Stadt etwas zu besorgen, so fand er häufig bei seiner Zurückkunft Leute, welche in der Nähe des Gartens sich mit verdächtigen Frauen belustigten und die Ruhe des Ortes störten. Dies verdross den alten Mann und er machte endlich dem Kalifen die Anzeige davon. Harun Arraschid gab ihm die Erlaubnis, mit jedem, den er vor der Türe des Gartens träfe, zu verfahren, wie es ihm gutdünke.

An diesem Tage nun hatte ein Geschäft den Aufseher auch wieder genötigt, auszugehen, und als er zurückkehrte, sah er die beiden Personen, die unter einem Tuche schliefen. »Gut«, sagte Scheich Ibrahim bei sich selber, »da sind Leute, die nicht wissen, dass mir Vollmacht gegeben, jeden zu töten, den ich hier treffe, ich will ihr Leben schonen, aber durchprügeln will ich sie dergestalt, dass es so bald niemand mehr einfallen wird, sich der Gartentüre zu nähern.«

Hierauf ging er in den Garten. Einen Augenblick danach kam er wieder mit einem grünen Palmenstock in der Hand, den er im Gebüsch geschnitten hatte. Er erhob seine Hand mit dem Stock und holte so gewaltig aus, um auf sie loszuschlagen, dass man das Weiße seiner Achselgrube sehen konnte, plötzlich aber hielt er inne und überlegte bei sich: was willst du tun, Ibrahim? Wie magst du diese Leute schlagen, ohne zu wissen, ob es nicht Fremdlinge sind, oder Reisende, welche das Schicksal hierher geworfen hat; es wird doch besser sein, ihr Gesicht aufzudecken, um zu sehen, wer sie sind. Als er das Tuch, mit dem sie verhüllt waren, aufhob und einen so wohlgebildeten Jüngling und ein so schönes Mädchen erblickte, rief er: »Bei Gott, das sind zwei hübsche Personen!« und deckte ihr Gesicht wieder zu. Dann rieb er den jungen Mann an den Füßen, um ihn aufzuwecken. Nureddin öffnete die Augen und als er einen ehrwürdigen Greis an seinen Füßen erblickte, richtete er sich, die Füße aneinander schließend, verschämt empor, fasste die Hand des Greises und küsste sie. »Mein Sohn«, sagte Scheich Ibrahim, »wer seid ihr? wo kommt ihr her?«

»Wir sind Fremde«, antwortete Nureddin, und Tränen schossen ihm in die Augen. »Wisse«, versetzte Scheich Ibrahim, »dass der Prophet (Gottes Friede sei mit ihm!) geboten hat, Fremden Achtung und Ehre zu erweisen. Wollt ihr nicht ein wenig im Garten lustwandeln und euch an dem Anblick desselben ergötzen?« »Und wem gehört dieser Garten?« fragte Nureddin. »Mir gehört er«, antwortete Ibrahim, um sie nicht zu beunruhigen und dadurch vom Eintritt abzuhalten, dass er die Wahrheit sagte; »es ist ein Erbteil meiner Väter.«

Nureddin dankte ihm und machte sich mit der Sklavin auf, um dem Scheich Ibrahim in den Garten zu folgen, und was war das für ein Garten! Den Eingang bildete ein Gewölbe, über und über mit Reben bedeckt, welche rote und schwarze Trauben trugen, die Roten glichen Rubinen und die Schwarzen dem Ebenholz; hierauf traten sie in eine Laube, in welcher Früchte in Gruppen und einzeln sich befanden. Die Vögel sangen ihre verschiedenen Lieder auf den Zweigen, die Nachtigallen stimmten süße Melodien an und die Turteltauben füllten den Garten mit ihrem Gegirre, der Gesang der Amsel glich einer Menschenstimme und der der Ringeltaube einem im Genusse des Weines Jauchzenden. Die Bäume waren mit reifen Früchten beladen und fanden sich paarweise von jeder Sorte. Von Aprikosen waren drei Arten da: Kampfer-, Mandel- und Chorasan-Aprikosen. Die Pflaumen glichen den Schönen, die Kirschen erheiterten jeden Menschen, weiße Feigen wechselten mit roten ab. Die Blumen dieses Gartens waren wie Perlen und Korallen, die Röte der Rosen beschämte die Wangen der Schönen, die Veilchen glichen dem an das Feuer gebrachten Schwefel, die Myrte und die Nelke und der Lavendel standen zwischen Anemonen, die Blätter waren von den Tränen der Wolken geschmückt, die Kamille öffnete lächelnd den Mund, die Narzisse blickte mit ihren schwarzen Augen nach der Rose hin, die Orangen glichen runden Bechern und die Zitronen silbernen Kugeln, der Boden war mit allerlei Blumen bedeckt, Frühlingspracht schmückte den ganzen Garten, der Bach murmelte, die Vögel zwitscherten und der Zephir seufzte bei milder Temperatur. Scheich Ibrahim führte sie in einen auf Säulen ruhenden Saal und als Nureddin ihn mit seinen vielen Lichtern an den Fenstern bewunderte, fielen ihm seine frühern Gesellschaften ein und er rief: bei Gott, das ist ein schöner Ort! Er ließ sich dann mit der Sklavin nieder und Ibrahim brachte ihnen etwas zu essen. Als sie gegessen und ihre Hände gewaschen hatten, trat Nureddin an ein Fenster, rief auch die Sklavin herbei und ergötzte sich an den mit Früchten beladenen Bäumen, dann fragte er Ibrahim, ob er nicht etwas zu trinken habe, da man doch nach dem Essen auch zu trinken pflege. Ibrahim brachte frisches süßes Wasser. Da sagte Nureddin: »Ein solches Getränke meinte ich nicht.« »Verlangst du etwa Wein?« fragte Ibrahim. »Allerdings«, versetzte Nureddin. Da rief Ibrahim»Gott stehe mir bei! Ich habe seit dreizehn Jahren nichts damit zu tun, denn der Prophet, dem Allah gnädig sei, hat den verflucht, der Wein trinkt, keltert oder herbeiträgt.«

»Willst du zwei Worte von mir hören?« fragte Nureddin. »Sprich«, antwortete Ibrahim. Da sagte jener: »Wenn ein Esel verflucht wird, glaubst du wohl, dass dich von seinem Fluch etwas treffen werde?«

»Ich denke nicht«, antwortete Ibrahim. - »Nun«, sprach Nureddin weiter, »hier sind zwei Dinare: nimm einen Esel und reite darauf zu der ersten besten Schenke, ohne dich ihr weiter zu nähern, als dir beliebt; gib dann einem Vorübergehenden zwei Dirham und bitte ihn, dort für zwei Dinare Wein zu kaufen und auf den Esel zu laden. Auf diese Weise hast du den Wein weder gekeltert, noch gekauft, noch getragen, kurz, nichts getan, was dir Unglück bringen könnte.« Scheich Ibrahim sagte lächelnd zu Nureddin: »Mein Sohn! bei Gott, ich habe noch keinen feinern und beredtem Mann als dich gesehen«, und er verließ sie, um seinen Auftrag auszurichten.

Als er zurückkam, sagte ihm Nureddin: »Wir übernehmen jede Verantwortlichkeit, du hast nur unsere Wünsche zu erfüllen, gib uns nun auch, was wir zum Trinken brauchen. »Mein Sohn«, sagte Ibrahim, »hier ist meine Speisekammer, es war das Vorratszimmer des Fürsten der Gläubigen.« - Nureddin trat in das Vorratszimmer und fand darin eine Menge Gefäße von Gold, Silber und Kristall, mit allen möglichen Edelsteinen besetzt; er wählte einige, goss den Wein in Krüge und Flaschen. Mittlerweile war auch Scheich Ibrahim wieder gekommen und stellte seinen Gästen allerlei Arten wohlschmeckender Früchte und wohlriechender Blumen vor, dann ließ er sich in einiger Entfernung nieder, während die beiden tranken und sich vergnüglich miteinander unterhielten. Der Wein blieb nicht ohne Wirkung, er rötete ihre Wangen; sie blickten liebevoll eines in des anderen Auge und ihre Haare fielen ihnen über die Schulter herab. Da dachte Ibrahim: warum sitze ich so weit von ihnen weg? warum nähere ich mich ihnen nicht? wann werde ich wieder ein solches junges Paar, das dem Monde gleicht, bei mir sehen? er machte sich dann auf und setzte sich an das äußerste Ende des erhöhten Teils des Saals. Nureddin beschwor ihn bei seinem Leben, doch näher zu kommen. Als er näher kam, füllte Nureddin einen Becher und sagte zu Ibrahim, ihn anblickend: »Trinke, nur um zu sehen, wie Wein schmeckt.« Ibrahim wiederholte, dass er seit dreizehn Jahren keine solche Sünde begangen. Nureddin beschäftigte sich nicht weiter mit ihm, sondern trank den Becher aus, warf sich zur Erde und stellte sich betrunken. Da sagte Enis Aldjelis zu Ibrahim: »Sieh einmal, weil dieser hier gegen mich verfährt, stets trinkt er, bis ihn der Schlaf überwältigt und lässt mich allein ohne Gesellschaft beim Becher.« Ibrahim, dessen Mitleid und Zuneigung zu ihr durch diese Worte rege ward, versetzte: »bei Gott, das ist nicht recht.« Das Mädchen füllte dann den Becher wieder, blickte Ibrahim an und sagte: »Ich beschwöre dich bei meinem Leben, nimm und trinke und stärke mein Herz.« Ibrahim ergriff den Becher und trank ihn aus. Das Mädchen füllte hierauf den Becher wieder, hielt ihn an das Licht und sagte. »Nun, mein Herr, bleibt dir noch dieser.« Er versetzte: »Bei Gott, ich habe genug, ich kann nicht mehr trinken.« Sie drang aber in ihn, bis er auch den zweiten Becher entnahm und leerte. Hierauf reichte sie ihm einen dritten Becher, als er aber trinken wollte, erhob sich Nureddin und sagte: »O Scheich Ibrahim! habe ich dich nicht vor kurzem beschworen zu trinken und du hast dich geweigert und gesagt, du habest seit dreizehn Jahren diese Sünde nicht mehr begangen?« Ibrahim antwortete beschämt: »Mich trifft keine Schuld, diese hier hat mich überredet.« Nureddin lachte, und sie fuhren wieder fort zu zechen. Die Sklavin sagte dann leise zu ihrem Herrn: trink du und nötige Ibrahim nicht weiter zu trinken, du wirst deinen Spaß an ihm haben. Sie füllte dann einen Becher und reichte ihn ihrem Herrn, und als er getrunken hatte, füllte er einen Becher und reichte ihn ihr. Als sie dies mehrmals wiederholt hatten, sagte Scheich Ibrahim: »Was ist das für eine Art zu zechen? Gott verdamme ein solches Verfahren in unserm Hause! warum gibst du mir nicht zu trinken? was ist das für ein Zustand, o Gesegneter?« Als er so zu Nureddin sprach, lachten beide, bis sie beinahe bewusstlos hinsanken; dann begannen sie wieder zu trinken uns schenkten auch dem Scheich Ibrahim ein. Nachdem sie so, bis ein Drittteil der Nacht vorüber war, miteinander gezecht hatten, sagte die Sklavin zu Ibrahim: »mit deiner Erlaubnis zünde ich eine der Wachskerzen an, die hier aufgestellt sind.« Ibrahim erwiderte: »Geh und zünde eine an, aber nicht mehr!« Die Sklavin zündete aber alle der Reihe nach an, so dass achtzig Lichter brannten, dann setzte sie sich wieder zu den beiden. Hierauf sagte Nureddin: »Was gelte ich wohl bei dir? wirst du nun auch mir erlauben, eine der Lampen anzuzünden?«

»Geh und zünde eine an«, antwortete Ibrahim, »damit du nicht verdrießlich werdest.« Er erhob sich, zündete eine Lampe nach der anderen an, bis alle achtzig brannten, so dass der ganze Saal zu tanzen schien. Ibrahim, den der Wein immer mehr betäubte, sagte: »Ihr seid kecker als ich.« Er öffnete dann alle Fenster, setzte sich wieder und fuhr fort, mit den beiden zu trinken und Verse zu rezitieren, und der ganze Platz schien an ihrer Fröhlichkeit teilzunehmen.

Nun hatte der allmächtige Gott, der jedem Ereignis einen Grund bestimmt, gewollt, dass sich der Kalif Harun Arraschid um diese Zeit an einem Fenster seines Palastes, der an den Tigris stieß, befand, um den klaren Mondschein zu genießen. Als er nach der Richtung des Stromes sah, bemerkte er den Widerschein der Lichter, der Wachskerzen und Lampen, und als er hierauf einen Blick nach dem Schlosse im Garten warf und bemerkte, wie es im Glanze vieler Lichter strahlte, ließ er den Barmekiden Djafar rufen, und sobald er vor ihm erschien, schrie er ihn an: »Du Hund unter den Wesiren! man nimmt mir Bagdad weg und du gibst mir keine Kunde davon?« Djafar fragte nach dem Sinne dieser Worte, und der Kalif fuhr fort: »Wäre nicht Bagdad in fremder Hand, so wäre der Bilderpalast nicht mit Lampen und Lichtern beleuchtet und die Fenster wären nicht geöffnet; wehe dir! wer könnte so etwas wagen, wenn mir nicht das Kalifat entrissen wäre!« Da erwiderte Djafar, dessen Muskeln vor Furcht zitterten: »Wer sagt dir, dass der Bilderpalast beleuchtet und dass seine Fenster geöffnet sind?« Der Kalif versetzte: »Komm her und sieh selbst!« Djafar näherte sich dem Kalifen und blickte nach der Richtung des Gartens und der Palast erschien ihm wie eine große Feuerflamme in dunkler Nacht. Djafar wollte Ibrahim entschuldigen, denn er sah wohl, dass Fremde bei ihm eingekehrt waren, und sagte daher zum Kalifen: »O Fürst der Gläubigen! Ibrahim ist in der vergangenen Woche zu mir gekommen und hat mir gesagt, er wünsche, bei dem Leben des Fürsten der Gläubigen und bei meinem Leben, seinen Kindern eine Freude zu machen und ersuche mich daher, ihm vom Kalifen die Erlaubnis zu erwirken, das Beschneidungsfest im Bilderpalast zu feiern. Ich sagte ihm: Geh und halte dein Fest, wenn ich vor den Kalifen komme, will ich es ihm melden; nun, o Fürst der Gläubigen, habe ich aber, da er mich alsbald wieder verließ, vergessen, dich von seinem Anliegen in Kenntnis zu setzen.«

»Djafar«, erwiderte der Kalif, »zuerst glaubte ich dich nur eines Fehlers schuldig, nach dem aber, was du mir soeben gesagt, hast du zwei Fehler begangen. Erstens, dass du mir nichts gesagt hast; dein zweiter Fehler aber ist, dass du nicht den Wunsch Ibrahims erfüllt hast: denn ich bin überzeugt, dass er keine andere Absicht gehabt hat, als zu sehen, ob er nicht ein Gnadengeschenk als Beisteuer zu den Kosten dieses Festes erlangen könnte und du hast ihm nichts gegeben.« »Auch daran habe ich nicht gedacht«, erwiderte Djafar. Da schwor der Kalif bei dem Grabe seiner edlen Väter und Ahnen, den Rest der Nacht in Gesellschaft Ibrahims zuzubringen, er hat ohne Zweifel die Scheichs und die Derwische zu sich geladen für diese Nacht, vielleicht wird das Gebet eines derselben uns Glück in dieser und jener Welt bringen, für sie wird auch meine Anwesenheit gute Folge haben und Scheich Ibrahim wird sehr vergnügt sein. Der Wesir Djafar stellte ihm vor, dass es schon spät sei und die Gesellschaft auseinander gegangen sein würde, bevor sie hinkämen. Der Kalif erwiderte ihm aber: »Es bleibt dabei: ich will es so haben!« Djafar geriet in die höchste Verzweiflung über diesen Entschluss; er schwieg und wusste nicht, was er tun sollte.

Der Kalif Harun Arraschid verließ also, im Gewande eines Kaufmanns, mit dem Großwesir Djafar und Masrur seinen Palast und ging durch die Straßen der Stadt nach dem Garten. Als sie dahin gekommen waren, ging der Kalif voran und fand die Gartentür offen. Der Kalif erstaunte darüber und sagte zu dem Großwesir: »Djafar, was sagst du, dass das Tor so spät offen steht? Das ist doch nicht Scheich Ibrahims Gewohnheit.« Der Kalif trat in den Garten und ging auf den Saal zu. Als sie davor standen, sagte der Kalif zu dem Wesir: »Djafar, ich höre weder das Geräusch von einer großen Gesellschaft, noch vernehme ich einen Fakir, der Gott priese. Ehe ich hinaufgehe, will ich doch zuvor verborgen lauschen, was sie treiben.« Damit blickte er um sich her und gewahrte einen hohen Nussbaum in der Nähe. Nachdem er ihn genauer betrachtet hatte, sprach er zu Djafar: »Ich habe Lust, auf diesen Baum zu steigen, dessen Äste gerade nahe genug bis an die Fenster des Saales reichen, um sehen zu können, was im Inneren desselben vorgeht.«

Er stieg hierauf auf den Baum und kletterte so lange fort, bis er auf einen Ast kam, welcher einem Fenster gegenüber war. Er setzte sich darauf nieder und erblickte durch das Fenster ein Mädchen von unvergleichlicher Schönheit neben einem noch schöneren jungen Manne; sie glichen dem Vollmonde. (Gepriesen sei der, welcher sie geschaffen und so wohlgebildet!)

Scheich Ibrahim hielt eben die Schale in der Hand und sagte zu der schönen Perserin: »Meine schöne Herrin, wenn nicht fröhliche Stimmen das Trinken begleiten, so ist es nicht schön. Ich habe einmal einen Dichter sagen hören:

»Reichet ihn herum in großen und kleinen Gefäßen, und nehmet ihn aus der Hand eines Schenken, der wie der leuchtende Mond strahlt.«

»Doch trinke nicht ohne Gesang, denn auch das Pferd wiehert, wenn es sich mit einem Trunk erquickt.«

Als der Kalif dies von Ibrahim sah, schwoll die Ader des Zornes zwischen seinen Augen an. Er stieg wieder von seinem Baume herab und sagte zu Djafar: »Noch nie habe ich gottesfürchtige Leute in einem solchen Zustande gesehen. Steige auf den Baum, Djafar, und sieh dich um, damit dir der Segen dieser Frommen nicht entgehe!«

Djafar geriet über diese Worte ganz in Verwirrung, er stieg auf den Baum, sah Nureddin, seine Sklavin und Ibrahim, welcher einen Kelch in der Hand hielt. Dieser Anblick versetzte ihn in Todesangst. Als er wieder herabgestiegen war, sprach Harun Arraschid: »Gelobt sei Gott, der uns zu diesen Frommen kommen ließ!« Djafar konnte vor Scham und Verlegenheit kein Wort hervorbringen. »Wer hat diese Leute«, fuhr der Kalif fort, »in meinen Garten und in meinen Palast gebracht? Doch habe ich nie ein schöneres junges Paar gesehen.«

Djafar, der den Zorn des Kalifen abzulenken hoffte, erwiderte: »Du hast recht, großer Sultan!«

»Komm«, sagte Harun Arraschid, »wir wollen noch einmal miteinander auf den Zweig stiegen, um zu sehen, was sie machen.« Sie steigen hinauf und hörten beide, wie Scheich Ibrahim zu der schönen Perserin sagte: »Nun, meine Herrin, lässt dieser Ort noch etwas zu wünschen übrig?«

»Bei Gott!« erwiderte Enis Aldjelis, »wenn wir noch ein Musikinstrument hätten, das ich spielen könnte, so wäre unser Vergnügen vollkommen.« Scheich Ibrahim stand auf und entfernte sich, als er dies hörte.

»Was wird er wohl jetzt beginnen?« fragte der Kalif den Großwesir. »Das weiß ich nicht«, antwortete Djafar.

Nachdem Scheich Ibrahim eine Weile weg gewesen war, kam er wieder und hatte eine Laute in der Hand. Der Kalif sah aufmerksam hin und erkannte, dass es die Laute seines Gesellschafters Abu Ishak war, und sagte zu jenem: »Djafar, das Mädchen wird auf der Laute spielen und singen: spielt und singt sie schlecht, so lass' ich euch alle zusammen hängen; macht sie ihre Sache gut, so will ich verzeihen, dich aber lass' ich aufknüpfen.«

»Beherrscher der Gläubigen!« erwiderte der Großwesir, »wenn dem so ist, so bitte ich Gott, dass sie schlecht singen möge.«

»Warum das?« sagte der Kalif. - »Je mehr wir sind«, entgegnete der Großwesir, »desto leichter werden wir uns trösten können, in guter Gesellschaft zu sterben.« Der Kalif lachte über diese Antwort. Hierauf nahm das Mädchen die Laute, stimmte die Saiten und brachte Töne hervor, welche aller Herzen zu ihr hinzog; der Inhalt des Liedes war aber folgender:

O ihr, die ihr armen Unglücklichen Hilfe und Beistand gewährt, wir sind des Guten nicht unwürdig, das ihr uns erweist.«

»Wir haben uns in euern Schutz begeben: darum handelt nicht schlecht gegen uns.«

»Es brächte euch wirklich keinen Ruhm, wenn ihr diejenigen ermorden wollet, welche unter euer Dach sich geflüchtet haben; darum werdet nicht schadenfroh über uns.«

»Das ist bei Gott schön«, rief der Kalif aus. »Zeit meines Lebens habe ich keine schönere Stimme gehört.«

»Also ist dein Zorn vorüber?« fragte Djafar. - »Mein Zorn ist vorüber«, antwortete der Kalif. Er stieg hierauf mit Djafar vom Baume herunter, dann sagte er, zu diesem gewendet: »Ich will in den Saal hinaufgehen, um das Mädchen in der Nähe singen zu hören.«

»Beherrscher der Gläubigen!« erwiderte der Großwesir, »wenn du hinaufgehst, wirst du sie stören. Scheich Ibrahim wird vor Schrecken des Todes sein.« Der Kalif versetzte: »Nun, es soll deine Aufgabe sein, eine List zu ersinnen, welche mir die Erreichung meiner Absicht möglich macht.«

Djafar entfernte sich gegen den Tigris hin und sah einen Fischer unter den Fenstern des Palastes. Der Kalif hatte zwar schon früher, als er das Geräusch der Fischer vor dem Palaste vernahm, Ibrahim den Befehl erteilt, nicht zu gestatten, dass vor dem Palaste gefischt werde. Als nun in eben dieser Nacht der Fischer Kerim das Gartentor offen sah, so dachte er: »Heute wird niemand auf mich achten. Ich will die Zeit nützen, und einen guten Fang tun.« Er warf sein Netz aus, während er folgende Strophen rezitierte:

»O du, der du in der Dunkelheit mit Gefahr das Meer befährst, gib dir nicht so viele Mühe: denn der Lebensunterhalt kommt nicht durch Treiben und Jagen.«

»Siehst du nicht das Meer und den Fischer, der die ganze Nacht aufrecht steht, während die Sterne verhüllt sind?«

»Er dehnt weiter den Strick, und die Wellen benetzen seine Füße; aber sein Auge wendet sich nicht von der Mitte des Netzes.«

»Dann nur ist er froh und vergnügt, wenn der Tod ein lüsternes Fischlein hineinlockt.«

»Derjenige aber kauft seinen Fisch, der die Nacht in schönster Behaglichkeit, vor Kälte bewahrt, zugebracht hat.«

»Gelobt sei Gott, der dem einen gibt, dem anderen versagt: der eine fängt die Fische und der andere isst sie.«

Eben hatte der Fischer seine Verse vollendet, als Djafar und der Kalif vor ihm standen. Dieser rief ihn bei seinem Namen. Als er sich beim Namen rufen hörte und den Fürsten der Gläubigen erblickte, zitterten seine Muskeln und er sagte: »Bei Gott, o Beherrscher der Gläubigen, nicht aus Geringschätzung gegen deinen Befehl habe ich hier gefischt; meine Kinder und die bitterste Armut hat mich dazu bewogen.«

Da sprach der Kalif: »Kerim« fische einmal auf mein Glück!« Der Fischer warf freudig sein Netz aus und wartete, bis es lang genug im Wasser war und am Grund fest blieb, dann zog er es an sich und fand mehrere Sorten Fische darin. Der Kalif freute sich sehr darüber. Hierauf sagte er zu dem Fischer: »Kerim, zieh deine Kleider aus!« Der Fischer gehorchte augenblicklich und zog seinen Rock aus, welcher mehr als hundert grobe wollene Flecke hatte, auf welchen abscheuliches Ungeziefer hauste. Dann nahm er von seinem Haupte eine Binde, die in drei Jahren nicht aufgemacht worden war, und auf die er jeden Fetzen, den er in dieser Zeit gefunden, aufgebunden hatte. Nachdem er dies getan, zog der Kalif seidene Kleider von alexandrinischer und baalbekischer Arbeit und zwei Unterkleider aus, und sagte zu dem Fischer: »Nimm diese Kleider und ziehe sie an!« Der Kalif aber legte das Kleid und die Binde des Fischers an und sagte zu dem Fischer: »Geh' jetzt deiner Arbeit nach.«

Der Fischer küsste dem Kalifen die Füße und dankte ihm mit folgenden Strophen:

»Du hast mir eine Gnade erzeigt, die würdig ist, aller Welt gelobt zu werden: du hast mich auf einmal mit allem versehen.«

»Ich werde dir danken, so lange ich lebe, und nach meinem Tode werden meine Gebeine im Grabe dich preisen.«

Der Fischer hatte noch nicht ausgesprochen, als der Kalif wegen des Ungeziefers mit beiden Händen nach seinem Nacken fuhr. »Wehe dir, Fischer!« rief er aus; »dein Kleid ist reich an Ungeziefer!«

»Mein Herr!« antwortete der Kerim, »das fühlst du nur jetzt; ehe eine Woche vergeht, wirst du nichts mehr fühlen und nicht mehr daran denken.« Der Kalif versetzte lächelnd: »Meinst du, ich werde deinen Rock so lange auf dem Leibe behalten?« Da sprach der Fischer: »Ist es mir vergönnt, Herr, dir ein Wort zu sagen?« Nachdem ihn der Kalif reden geheißen, fuhr er fort: »Mich dünkt, Beherrscher der Gläubigen, dass du das Fischen lernen willst, um ein nützliches Handwerk zu verstehen, darum möchte dich dieser Rock vortrefflich kleiden.« Der Kalif lachte über die Rede des Fischers, Nachdem Kerim weggegangen war, nahm der Kalif den Fischerkorb, und legte etwas Grünes oben drauf. Dann kehrte er du Djafar zurück und blieb vor ihm stehen. Dieser hielt ihn für den Fischer Kerim und sagte zu ihm: »Geh' deines Weges, Kerim, und mache, dass du mit dem Leben davonkommst!« Als der Kalif diese Worte Djafars hörte, fing er an zu lachen. Djafars ging auf ihn zu und sagte: »Bist du etwa der Beherrscher der Gläubigen?«

»Ich bin es«, antwortete der Kalif, »und du bist mein Wesir und hast mich doch nicht erkannt, als ich auf dich zukam. Wie soll der betrunkene Scheich Ibrahim mich erkennen? Bleibe also hier bis ich zurückkomme.«

Der Kalif ging nun bis an das Tor des Palastes und klopfte leise. Nureddin sagte: »Scheich Ibrahim, man klopft an der Türe des Saales.« Scheich Ibrahim stand auf und fragte, wer draußen sei. »Ich bin's, mein Herr Scheich Ibrahim«, antwortete Harun Arraschid. Scheich Ibrahim rief: »Wer bist du?«

»Ich bin der Fischer Kerim«, antwortete der Kalif. »Da ich vernommen, dass du Gäste bewirtest, und jetzt eben einige schöne Fische gefangen habe, so komme ich, sie dir zu bringen.«

Nureddin und die schöne Perserin freuten sich, als sie von Fischen reden hörten, und erstere sagte sogleich: »Scheich Ibrahim, ich bitte dich, öffne die Türe und lass ihn mit den Fischen hereinkommen.« Scheich Ibrahim öffnete und der Kalif trat grüßend in den Saal. Scheich Ibrahim rief ihm zu: »Willkommen, du Dieb, du Gauner, komm her und zeig' einmal, was du hast.« Der Kalif trat herzu und ließ seine Fische sehen, welche noch lebendig waren und sich bewegten. »Das sind sehr schöne Fische«, sagte Enis Aldjelis; »wenn sie nur gebacken wären.«

»Meine Herrin hat recht«, sprach Scheich Ibrahim; was sollen wir mit deinen Fischen, wenn sie nicht gebacken sind? Geh', richte sie selber zu und bringe sie uns dann wieder.« Der Kalif entgegnete: »Das soll sogleich geschehen sein, ich will sie selbst backen.«

»Mache nur hurtig«, rief man ihm nach.

Der Kalif entfernte sich und rief dem Großwesir. »Was gibt's Gutes, Beherrscher der Gläubigen?« fragte Djafar. Der Kalif antwortete: »Sie verlangen die Fische gebacken.«

»Gib her«, sagte Djafar, »ich will sie zurichten.«

»Bei dem Grabe meines Vaters und meiner edlen Vorfahren!« entgegnete der Kalif, »ich will sie mit eigener Hand backen.« Mit diesen Worten nahm er den Weg nach der Hütte des Gartenaufsehers, und er fand alles darin, was er zum Kochen brauchte, bis auf das Salz und den Safran. Der Kalif näherte sich dem Herde, stellte die Pfanne auf und buk die Fische. Als sie fertig waren, legte er sie auf ein Bananenblatt, nahm im Garten Limonen, ging mit diesen und den Fischen wieder zu den dreien hinauf und stellte alles vor sie hin. Sie aßen mit großer Lust, und als sie fertig waren, wuschen sie ihre Hände. Nureddin sagte dann: »Bei Gott, Fischer, du hast uns diese Nacht eine große Wohltat erwiesen.« Dann griff er in den Busen und nahm von dem Gelde, das ihm Sandjar, der Türhüter des Königs von Basrah, vor seiner Abreise gegeben hatte, drei Dinare heraus. »Nimm«, sagte er, »und entschuldige, dass ich dir nicht mehr gebe! Hätte ich dich früher gekannt, als ich noch in besseren Umständen war, so würde ich die Bitterkeit der Armut aus deinem Herzen gerissen haben; nimm indes dies Wenige, womit mich Gott gesegnet hat.« Mit diesen Worten warf er dem Kalifen die drei Dinare hin. Dieser nahm sie, küsste und steckte sie ein. Da aber seine Absicht war, das Mädchen singen zu hören, sagte er zu Nureddin: »Herr! ich kann dir nicht genug danken für deine Freigebigkeit. So reichlich du mich aber beschenkt hast, so habe ich doch noch eine Bitte an dich, die nämlich, dass mir gestattet werde, dieses Mädchen singen zu hören.«

»Enis Aldjelis!« sagte sogleich Nureddin, indem er sich zu ihr wandte, »ich beschwöre dich bei meinem Leben, singe etwas diesem Fischer zulieb, der dich hören möchte.« Als Enis Aldjelis die Worte ihres Herrn vernahm, ergriff sie die Laute, und nachdem sie dieselbe gestimmt hatte, sang sie folgende Strophen:

»Sie ergreift die Laute, ihre Finger gleiten durch die Saiten hin, und jeder Ton reißt die Seele mit sich fort.«

»Sie singt, und ihre Stimme heilt die Tauben; und selbst die Stumme ruft ihr zu: du hast es gut gemacht.«

Nach einem wundervollen entzückenden Zwischenspiele fuhr die Sängerin fort:

»Wir werden geehrt, wenn ihr in unserem Land euch niederlasset: sein Duft wird Ambra, und strahlend wird die dunkle Nacht.

»Betretet ihr meine Wohnung, so ziemt sich's, dass ich mit Moschus, Rosenöl und Kampfer sie beräuchere.«

Als die Sklavin geendet hatte, rief der Kalif vor Liebe und Entzücken außer sich: »Bei Gott, schön, bei Gott, schön!« Nureddin fragte: »Gefällt sie dir, Fischer?«

»Ja wohl, bei Gott«, rief der Kalif aus. Nureddin fuhr alsbald fort: »Sie ist dein; ich mache dir ein Geschenk damit, ein Geschenk eines Edlen, der seine Gabe nicht zurücknimmt.« Zu gleicher Zeit stand er auf, nahm sein Kleid, das er abgelegt hatte und warf es dem Kalifen, den er immer nur für einen Fischer hielt, zu und sagte ihm, er möge sich nur mit der Sklavin auf den Weg machen; Enis Aldjelis sagte zu ihm, indem sie ihn anblickte: »Herr, willst du ohne Abschied von mir gehen? Wenn ich durchaus dich verlassen muss, so gestatte mir wenigstens, dir Lebewohl zu sagen.« Sie sang hierauf folgende Verse:

»Bist du auch fern von mir, so ist doch dein Platz in meinem Herzen, das ganz von dir erfüllt ist.«

»Ich hoffe zu dem Vater der Barmherzigkeit, dass er uns wieder vereinigen wird: dies erflehe ich als eine Gnade von Gott, der sie gewähren kann, wenn er will«,

Als sie damit zu Ende war, antwortete ihr Nureddin mit folgenden Strophen:

»Am Trennungstage hat sie mit weinenden Augen von mir Abschied genommen und mich gefragt, was ich nach ihrer Entfernung tun werde?«

»Da hab' ich geantwortet: Frage dies den, der noch am Leben bleibt!«

Der Kalif von Mitleid gegen die beiden ergriffen, wendete sich zu Nureddin und sagte zu ihm: »Herr, fürchtest du dich vor jemanden, oder hat jemand eine Forderung an dich?«

»Bei Gott, o Fischer! erwiderte Nureddin, »mir und diesem Mädchen sind wunderbare Dinge begegnet. Es wäre wohl der Mühe wert, sie jedem zur Warnung und Belehrung mit der Nadel in die Tiefe des Auges zu stechen.«

»O Herr«, versetzte der Kalif, »erzähle mir deine Geschichte, vielleicht wird dir Gott dadurch Erleichterung verschaffen, denn Gottes Hilfe ist überall nahe.«

Nureddin fragte den Kalifen, ob er die Erzählung in ungebundener Rede oder in Versen hören wolle. Der Kalif antwortete: »Prosa ist nur einfaches Gerede, Poesie aber eine Perlenschnur.« Nureddin sprach hierauf folgende Verse:

»Mein Teurer« mich flieht der Schlaf, und mein Gram nimmt mit jedem Tage zu, weil ich von der Heimat ferne bin.«

»Ich hatte einen Vater, dessen Liebling ich war; da schied er von mir und nahm das dunkle Grab zur Wohnung.«

»Seitdem ist mir Vieles widerfahren, das mein Herz verwundet und mein Inneres zerrissen hat.«

»Er hatte das feinste Mädchen mir gekauft, dessen Wuchs den schlanksten Baumzweig beschämte.«

»Da verlor ich alles, was ich geerbt hatte: denn ich war freigebig gegen wackere Menschen.«

»Als die Not zu groß ward, führte ich die Sklavin mit widerstrebendem Herzen auf den Markt.«

»Ein Ausrufer bot sie aus, und ein nichtswürdiger Alter steigerte sie: da entbrannte mein Zorn, und ich riss das Mädchen zurück.«

»Der Schurke geriet in Wut, und sein Gesicht zeigte Lust, Gewalt zu gebrauchen.«

»Aber ich verteidigte meine Ehre durch Schläge mit beiden Händen, bis ich meinem Herzen Luft gemacht hatte.«

»Voll Besorgnis wegen der Folgen dieser Tat kam ich in mein Haus zurück und fürchtete die Bosheit des Feindes.«

»Da befahl der König des Landes, mich zu greifen; aber ein ehrlicher Türsteher gab mir einen Wink und hieß mich in die Ferne ziehen, weit weg, um die bösen Menschen zu ärgern.«

»So flohen wir unter dem Flügel der Nacht von der Heimat, um uns nach Bagdad zu begeben.«

»Ich habe nichts mehr, als was ich dir o Fischer gegeben: dir schenkte ich die Geliebte meines Herzens, und es ist, als schenkte ich dir mein Herz.«

Als Nureddin geendigt hatte, bezeigte der Kalif sein Verlangen, auch die näheren Umstände von dem zu erfahren, was er soeben in der Kürze gehört hatte. Nureddin willfahrte ihm, und verschwieg nichts von allem, was ihm begegnet war von Anfang bis zu Ende.

Als der Kalif von seiner Lage unterrichtet war, fragte er Nureddin: »Und wohin willst du jetzt gehen?« - Er antwortete: »Gottes Erde ist breit und weit.«

»Ich will dir«, fuhr der Kalif fort, »ein paar Zeilen an den König Muhammed, Suleimans Sohn, mitgeben; sobald er sie gelesen hat, wird er dir nichts zuleide tun und in keiner Weise dir entgegentreten.« Nureddin entgegnete: »Wo hat man je gehört, dass ein Fischer, wie du, mit einem König in Briefwechsel steht?« Der Kalif erwiderte: »Wir sind zusammen bei demselben Lehrmeister in die Schule gegangen und ich war sein Unterlehrer, das Glück hat ihn dann zum König und mich zum Fischer gemacht; aber ich habe ihm noch nie in irgend einer Angelegenheit geschrieben, ohne dass er mir willfahren wäre.« Als Nureddin dies hörte, sagte er: »Gut, so schreibe, ich will einmal sehen.« Der Kalif nahm Tinte und Feder und schrieb nach der gewöhnlichen Formel: »Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Harun Arraschid, Mahdis Sohn, sendet diesen Brief an Muhammed, Suleimans Sohn, der durch meine Huld zum Herrn über einen Teil meines Reichs gesetzt ist. Sobald Nureddin Ali, des Wesirs Sohn, dies mein eigenhändiges Schreiben dir übergeben und du es gelesen hast, lege auf der Stelle die königliche Würde ab, und räume ihm deine Stelle ein. Ich versehe mich deines Gehorsams gegen diesen meinen Befehl. Gott befohlen.« - Der Kalif übergab Nureddin den Brief. Nureddin nahm den Brief, steckte ihn in seinen Turban und machte sich auf den Weg. Das ist's was Nureddin angeht, folgendes ereignete sich dann zwischen dem Kalifen und Scheich Ibrahim. Dieser sah den Kalifen an und sagte zu ihm: »Höre, du elendester aller Fischer, du bist hergekommen und hast uns etliche Fische gebracht, die höchstens 20 halbe Dirham wert sind, und hast dafür drei Dinare zum Geschenk bekommen. Denkst du nun auch noch, die Sklavin für dich zu behalten?«

Als der Kalif diese Worte hörte, schrie er ihn an gab Masrur einen Wink, dieser trat alsbald heran und drang auf Scheich Ibrahim ein. Djafar hatte inzwischen einen Gartendiener zu dem Pförtner des Palastes geschickt, um einen Anzug für den Fürsten der Gläubigen zu holen. Der Diener kam und brachte den Anzug und küsste dem Kalifen die Hand. Der Kalif kleidete sich um und schenkte dem Diener seine abgelegtem Kleider und setzte sich auf einen Stuhl. Scheich Ibrahim stand vor ihm und sah dem allem zu, er ward ganz verblüfft, biss sich in die Finger und dachte: Schlafe ich oder wache ich? Der Kalif warf ihm dann einen Blick zu und sagte: »Scheich Ibrahim! in welchem Zustande befindest du dich?« Jetzt erwachte Scheich Ibrahim aus seinem Rausche, warf sich nieder und rezitierte folgende Verse:

»Vergib mir den Fehltritt, den mein Fuß getan: oft fordern ja Untertanen Nachsicht von ihrem Herrn.«

»Ich habe eine Schuld auf mich geladen, der ich geständig bin; doch was vermag nicht Gnade und Großmut?«

Der Kalif verzieh ihm. Dann ließ er die Sklavin in seinen Palast bringen, wo ihr ein eigenes Gemach und die erforderliche Bedienung angewiesen ward. Er sagte ihr auch, dass er Nureddin als Sultan nach Basrah geschickt habe und dass er mit Gottes Willen ihm ein Ehrenkleid und sie selbst wieder schenken werde.

Nureddin setzte inzwischen seine Rückkehr nach Basrah fort und ging gerade nach dem königlichen Palaste, und schrie so laut, dass der Sultan ihn hörte und vortreten ließ. Als er in den Audienzsaal gelangte, warf er sich nieder, zog dann seinen Brief hervor und überreichte denselben. Als der König die Überschrift von der Hand des Kalifen sah, erhob er sich und küsste das Schreiben dreimal und sagte: »Ich gehorche Gott und dem Beherrscher der Gläubigen. Man rufe die vier Kadi der Hauptstadt, auch alle Fürsten und Großen des Reichs, damit ich der Regierung entsage.« Als unter anderen auch der Wesir Muin erschien, überreichte ihm der Sultan das Schreiben. Als er es gelesen hatte, zerriss er es in Fetzen, steckte diese in den Mund, kaute sie und spie sie wieder aus. Als der König dies sah, rief er ihm voll Zorn zu: »Was ist das, Muin? Wie kommst du dazu, so etwas zu tun?«

»Mein Herr und König!« antwortete Muin, »Nureddin ist niemals mit dem Beherrscher der Gläubigen, nicht einmal mit einem seiner Wesire zusammengekommen; er ist ein listiger Betrüger, ein junger Teufel. Vielleicht hat er irgend etwas vom Kalifen Geschriebenes gefunden und sich unterstanden, seine Handschrift nachzuahmen. Er hat keinen Chat Scherif, keinen Firman. Wie kannst du glauben, dass der Kalif ihn schickt, um dir die Regierung abzunehmen? Wäre dem so, er hätte ihm gewiss einen Kammerherrn oder einen seiner Wesire mitgegeben, während er ganz allein gekommen ist.«

Der Sultan fragte hierauf, was zu tun sei? Muin antwortete: »Ich will ihn mit einem Kammerherrn nach Bagdad senden: ist seine Behauptung wahr, so wird er mit einem Firman und einem Investiturdiplom vom Kalifen zurückkommen, wo nicht, so will ich die Strafe über ihn verhängen, welche sein Vergehen gegen mich verdient hat.« Der König übergab Nureddin der Willkür des Wesirs, der ihn in sein Haus führte. Dort angelangt, rief er seine Diener herbei, ließ ihn knebeln und so lange schlagen, bis er für tot dalag, Dann ließ er ihn mit einer schweren Kette fesseln und schickte ihn ins Gefängnis, dann schickte er nach dem Gefängniswärter, welcher Katit hieß, und befahl demselben, Nureddin in eines seiner unterirdischen Gefängnisse zu werfen. Dabei schärfte er ihm ein, ihn bei Tag und bei Nacht zu peinigen. Der Gefängniswärter versprach zu gehorchen. Er sperrte Nureddin ein und riegelte die Türe hinter ihm zu, aber er ließ eine Bank hinter der Türe sauber abkehren, bereitete ihm ein gutes Lager von Teppichen und Polstern, nahm ihm die Fesseln ab und war äußerst liebreich gegen ihn, obschon der Wesir täglich zu ihm schickte und ihm befahl, seinem Gefangenen jeden Tag die Bastonnade geben zu lassen.

So vergingen vierzig Tage. Am einundvierzigsten kam ein Geschenk vom Kalifen, das dem Sultan wohl gefiel. Er beriet sich mit seinen Wesiren darüber und einer derselben sagte: »Es ist vielleicht ein Geschenk an den neuen Sultan.« Da sagte Muin: »Das beste wäre gewesen, ihn gleich bei seiner Ankunft zu töten.« Der Sultan erwiderte hierauf:« Bei Gott, du erinnerst mich wieder an ihn, geh' bring ihn her, ich will ihn enthaupten.« Der Wesir antwortete: »Ich gehorche, auch will ich in der Stadt ausrufen lassen, wer die Enthauptung Nureddins, des Sohnes Chakans, sehen will, der komme in das Schloss, so wird alle Welt herbei laufen und ich finde Gelegenheit, meine Rachgier zu stillen und meine Feinde zu beschämen.« Der Sultan versetzte: »Tu, was du willst!«

Voll Schadenfreude begab sich Muin alsbald zu dem obersten Polizeibeamten und befahl demselben zu tun, was er soeben dem König vorgeschlagen hatte. Die Verkündigung des Ausrufers erfüllte die ganze Stadt mit Trauer über Nureddin.

Alles strömte herbei, um die besten Plätze einzunehmen. Viele hatten sich vor dem Gefängnisse aufgestellt, um ihn zum Richtplatz zu begleiten. Endlich erschien der Wesir mit zehn Mameluken und forderte von dem Gefängniswärter die Herausgabe des gefangenen Verbrechers. »Mein Herr!« antwortete dieser, »ich habe ihn so geschlagen, dass er sich im erbärmlichsten Zustande befindet.« Als der Wesir sich hierauf dem Kerker näherte, hörte er Nureddin folgende Strophen hersagen!

»Wer hilft mir in meinem Elend? Wie meine Krankheit wächst, so schwindet die Möglichkeit meiner Heilung.«

»Die Trennung von ihr hat mein Herz gebrochen, und die Zeit meine Freunde in Feinde verwandelt.«

»O mein Volk, ist keiner unter dir, der sich meines Zustandes erbarmt und meinen Klagen antwortet?«

»Der Tod ist mir willkommen mit allen seinen Schrecken; denn meine Hoffnung ist von des Lebens Glück abgeschnitten.«

»O Herr, ich beschwöre dich bei dem Auserkorenen, dem Verkündiger, dem Führer zum Heil, dem Inbegriff aller Wissenschaften und dem Ausbund der Beredten!«

»Erlöse mich, hebe mich empor aus meiner Erniedrigung und wende von mir alte Pein und Qual!«

Inzwischen zog ihm der Gefängniswärter seine reinlichen Kleider aus und legte ihm schmutzige an und führte ihn vor den Wesir.

Als Nureddin sich seinem Feinde gegenüber sah, der nach seinem Tode trachtete, weinte er und sagte zu ihm: »Bist du sicher gegen das Schicksal? Hast du nicht gehört, was ein Dichter sagt:

»Sie richteten ungerecht; aber nicht lange dauerte ihr Richteramt, bald war es, als hätten sie nie die Gewalt in Händen gehabt.«

Dann fuhr er fort: »Bedenke, dass der erhabene Gott tun kann, was ihm gefällt.«

Muin erwiderte: »Willst du mir vielleicht mit deiner Rede Furcht einjagen? Mag geschehen, was da will, wenn ich dir nur ganz Basrah zum Trotze den Kopf habe abhauen lassen. Ein anderer Dichter hat gesagt:

»Wer seinen Feind auch nur einen Tag überlebt, hat seinen höchsten Wunsch erreicht.«

Hierauf befahl er seinen Dienern, ihn auf dem Rücken eines Maultiers vor ihm herzuführen. Die Diener, denen dies wehe tat, sagten zu Nureddin: »Erlaube uns, ihn mit Steinen tot zu werfen und in Stücke zu zerhauen, wenn es auch unser Leben kostet.« Nureddin sagte aber: »Tut dies nicht, ein Dichter hat gesagt:

»Mir ist eine Zeit bestimmt, die ich gewiss erreiche, und diese Bestimmung ist längst beschlossen und gesiegelt.«

»Ist diese Zeit vorüber, so muss ich sterben.«

»Wollten mich auch Löwen in ihren Wald schleppen, so könnten sie die mir bestimmte Lebensdauer nicht abkürzen.«

Man rief dann vor Nureddin aus: »Das ist die Strafe und zwar die geringste Strafe für jeden, der es wagt, dem König gegenüber Briefe zu fälschen.« Ganz Basrah folgte ihm, bis er endlich unter den Fenstern des Palastes auf die Blutmatte hingeworfen wurde. - Der Scharfrichter näherte sich ihm und sprach: »Herr!« ich bin nur ein Sklave und kann mich der Ausübung meiner Pflicht nicht entziehen; wenn du noch etwas begehrest, so will ich dir es besorgen, denn du hast nicht mehr Zeit übrig, als der König braucht, um aufzustehen und sein Gesicht am offenen Fenster zu zeigen.«

Da sprach Nureddin, indem er das Haupt zur Rechten und zur Linken, nach vorne und hinten drehte:

»Schon seh ich den Henker, das Schwert und die Matte bereit und rufe Wehe über meine Schmach, über die Größe meines Elends!«

»Ist einer unter euch, der Mitleid mit mir fühlt, o so zeige er mir's und antworte auf meinen Jammerruf!«

»Mein Leben schwindet dahin, mein Schicksal naht heran.«

»Erbarmt sich jemand meiner, um Gottes Lohn zu verdienen, will jemand meinen Zustand betrachten und meine Qual mit einem Trunke Wassers erleichtern?«

Alle Leute weinten und der Scharfrichter brachte sogleich ein Gefäß mit Wasser und reichte es Nureddin. Allein Muin erhob sich von seinem Platze, zerschlug das Gefäß und rief dem Scharfrichter zu: »Hau' zu!«

Nureddin wurden jetzt die Augen verbunden. Während dies geschah, ertönte der ganze Platz von lauten Verwünschungen gegen den Wesir. Es entstand ein großes Geschrei und es wurde viel hin und her gefragt. Auf einmal erhob sich in der Entfernung eine große Staubwolke, und als der König von seinem Palast aus dieselbe erblickte, befahl er, mit der Hinrichtung zu warten und nachzusehen, was dies bedeute. - Muin, der wohl ahnte, was es sein könnte, drang in den König, dem Scharfrichter das Zeichen zu geben. »Nein,« erwiderte der König, »zuvor will ich wissen, was es neues gibt.« Unterdessen hatte sich die Staubwolke genähert. Es war der Großwesir Djafar mit seinem Gefolge.

Die Ursache seiner Ankunft war folgendes: der Kalif hatte nämlich dreißig Tage lang nicht mehr an Nureddin gedacht und niemand hatte ihn an denselben erinnert, bis er endlich eines Abends vor das Gemach der Enis Aldjelis kam; da vernahm er folgende Verse:

»Bist du nah oder fern, so schwebt dein Bild vor meiner Seele, und dein Andenken wird nie von meiner Zunge weichen.«

Die Sängerin weinte nach Beendigung ihres Gesanges so heftig, dass Harun Arraschid sich nicht enthalten konnte, die Türe zu öffnen und hineinzutreten. Als sie ihn erblickte, warf sie sich vor ihm zur Erde, küsste sie dreimal und sprach:

»O du, von reinem Stamm und edler Geburt, blühender Sprössling des erhabensten Hauses, ich erinnere dich an das huldreiche Versprechen deines Edelmuts, ferne sei von dir, es zu vergessen!«

Der Kalif fragte sie, wer sie sei. Sie antwortete: »Ich bin die Sklavin, welche die Nureddin Ali, Vadhleddins Sohn, zum Geschenke gemacht hat und wünsche, dass du das mir gegebene Versprechen haltest, mich mit den Ehrengeschenken Nureddin nachzusenden: denn seit dreißig Tagen hat der Schlaf meine Augen geflohen.« Der Kalif ließ unverzüglich seinen Wesir zu sich rufen. - Als Djafar kam, sprach der Kalif zu ihm: »Dreißig Tage sind vorüber, ohne dass ich etwas von Nureddin gehört habe. Ich fürchte sehr, er ist hingerichtet worden; aber bei meinem Haupte und bei dem Grabe meiner Väter, wenn ihm ein Leid widerfahren, so vernichte ich den Schuldigen und sollte er mir noch so teuer sein! Reise daher sogleich nach Basrah, wenn du länger verweilst, als man braucht, um den Weg zu machen, so lass ich dir den Kopf abschlagen. Du erzählst meinem Vetter, dem König, wie ich mit Nureddins Geschichte bekannt geworden, dass ich ihn mit einem Brief an ihn abgesandt habe. Findest du, dass er meinen Befehlen zuwider gehandelt hat, so führe ihn her zu mir, samt dem Wesir, wie du sie findest und bleibe ja nicht länger aus, als zur Reise nötig ist.« Djafar machte sich sogleich reisefertig und legte den Weg nach Basrah ohne Aufenthalt zurück. Der König war schon von seiner Reise im voraus unterrichtet. Als Djafar bei seiner Ankunft die hin- und herwogende, aufgeregte Volksmenge sah, fragte er, was es denn gebe. Man erzählte ihm, was mit Nureddin geschehen sollte. Da beeilte er sich, zum König zu gelangen. Er grüßte ihn und eröffnete ihm die Ursache seiner Ankunft und die Befehle des Kalifen. Der Sultan ließ alsbald Muin festnehmen und Nureddin losbinden. Dieser bat Djafar, ihn vor den Fürsten der Gläubigen zu führen. Hierauf bedeutete Djafar dem König, er möchte sich bis am folgenden Morgen nach dem Morgengebete bereit halten, die Reise nach Bagdad anzutreten. Nach dem Morgengebet brach Djafar auf und führte den jetzt reuigen Muin, den König von Basrah und Nureddin mit sich.

In Bagdad angekommen, stellte er sie dem Kalifen vor und nachdem er den Zustand, in welchem er Nureddin gefunden, ausführlich geschildert hatte, ging der Kalif auf Nureddin zu und sagte zu ihm: »Nimm dieses Schwert und schlage damit deinem Feinde den Kopf ab!« Nureddin nahm das Schwert und trat auf Muin zu. Muin aber sah ihn mit einem durchdringenden Blick an und sagte: »Wie ich an dir gehandelt habe, lag in meiner Natur; handle du jetzt nach der deinigen!« Auf diese Worte warf Nureddin das Schwert weg, wendete sich gegen. den Kalifen und sagte: »Beherrscher der Gläubigen« er hat mich mit diesen Worten überlistet. Er rezitierte dann folgenden Vers:

»Gebrauche List gegen ihn, wenn er naht, der Edle ist leicht durch ein gutes Wort zu hintergehen.«

Der Kalif sagte zu Nureddin: »lasse du es sein.« Er rief aber Masrur herbei und befahl ihm, das Urteil an Muin augenblicklich zu vollstrecken. Der Kalif forderte dann Nureddin auf, seine Wünsche zu äußern. Er versetzte: »Ich sehne mich nach dem Fürstentum Basrah, ich wünsche in deiner nähern Umgebung zu bleiben und deiner Person meine Dienste zu widmen.« Der Kalif willigte gern in dieses Begehren und nahm ihn in die Zahl seiner vertrautesten Gesellschafter auf. Dann ließ er die schöne Perserin holen, und wies dem reichlich beschenkten Paar einen prächtigen Palast in Bagdad zur Wohnung an. Nureddin führte das angenehmste Leben in der Nähe des Kalifen, bis ihn der Tod erreichte, der jeder Freude und jeder Vereinigung ein Ende macht.

Das ist die Geschichte Nureddins, Schloss Schehersad, sie ist aber nicht wunderbarer, als die von dem Prinzen Kamressaman, wie er Bedur, die Tochter des Königs Ghaiur, liebte und zu ihr reiste und sie heiratete, und welche Abenteuer sie und ihre Söhne Asad und Amadjad zu bestehen hatten.

In der folgenden Nacht begann Schehersad also zu erzählen:

Geschichte des Prinzen Kamressaman mit Bedur