[swahili, "Geschichte, Legende"]

Märchen aus tausend und einer Nacht Geschichte des vom Schicksal verfolgten Kaufmanns

Einst lebte ein Kaufmann, der einige Jahre lang viel Glück im Handel hatte und mit seinem Geld großen Gewinn machte. Auf einmal misslangen ihm seine Unternehmungen, ohne dass er wusste, wohin. Da dachte er bei sich: Ich bin ein reicher Mann, was soll ich mich länger wegen unsicheren Gewinnes auf Reisen quälen, ich will jetzt ausruhen und nur noch in meinem Hause Handel treiben.

Es war Sommerszeit, als der Kaufmann diesen Entschluss fasste; er kaufte Weizen für die Hälfte seines Geldes, den er im Winter mit vielem Gewinn wieder zu verkaufen hoffte. Als aber der Winter kam, war der Weizen um die Hälfte wohlfeiler, als der Kaufmann ihn im Sommer gekauft hatte. Er betrübte sich sehr darüber und ließ ihn aufs nächste Jahr liegen, aber der Preis des Weizens sank immer mehr.

Da sagte ihm einer seiner Freunde: »Du hast kein Glück mit diesem Weizen, drum verkaufe ihn, wie du kannst.« Er erwiderte: »Ich habe lang genug gute Geschäfte gemacht, ich darf wohl auch einmal an etwas Verlust haben; doch bei Gott, müsste ich ihn zehn Jahre behalten, ich würde ihn nicht ohne Gewinn verkaufend, und in seinem Ärger ließ er die Türe des Magazins zumauern. Aber die göttliche Bestimmung wollte, dass es so heftig regnete, dass der Regen vom Dache auf den Speicher, wo der Weizen lag, herabtropfte, so dass er ganz faul wurde, und der Kaufmann den Trägern noch fünfhundert Drachmen geben musste, um ihn zur Stadt hinauszubringen. Da sagte ihm sein Freund: »Wie oft habe ich dir gesagt, du hast kein Glück mit diesem Weizen, warum gabst du mir kein Gehör? Nun gehe zum Sterndeuter und frage ihn nach deinem Sterne.« Als der Kaufmann zum Sterndeuter kam, sagte ihm dieser: »Dein Stern ist schlecht, du darfst gar nichts unternehmen, denn alles wird dir misslingen.« Der Kaufmann hörte aber nicht auf den Sterndeuter und dachte: »Wenn ich wieder großen Handel treibe, so fürchte ich nichts.« Er nahm dann die übrige Hälfte des Vermögens, von dem er inzwischen auch drei Jahre gelebt hatte, baute ein Schiff, trug alles, was er besaß, darauf und fragte die Kaufleute, an welchen Waren man am meisten gewinnen könnte und wo man sie am besten verkaufte? Die Kaufleute nannten ihm ein fernes Land, wo man an einem Drachmen hundert verdienen könne. Er segelte mit seinem Schiffe dahin, aber auf einmal erhob sich ein Sturm, das Schiff ging unter, und mit Mühe rettete sich der Kaufmann auf einem Brett, das der Wind ans Ufer in die Nähe einer Stadt trieb. Der Kaufmann, obschon er alles verloren hatte, dankte doch Gott dafür, dass er ihm beim Leben erhalten, und ging in die Stadt. Hier erzählte er einem alten Manne das Unglück, das er auf dem Meer gehabt. Der Alte bedauerte ihn sehr, ließ sogleich Speisen für ihn bringen und sagte ihm: »Bleibe bei mir als mein Geschäftsführer, ich bezahle dir jeden Tag fünf Drachmen.«

»Gott belohne dich dafür«, erwiderte der unglückliche Kaufmann.

Der Kaufmann blieb bei dem Alten, besorgte für ihn alle Feldarbeiten und erhielt nach und nach die Oberaufsicht über dessen ganzes Ökonomiewesen. Als er nach der Ernte die Frucht gesammelt, gedroschen und gereinigt hatte, dachte er: Ich glaube nicht, dass der Alte mir meinen Lohn bezahlen wird; das Beste ist daher, ich nehme von dieser Frucht, was mir gebührt, und will er mir später meinen Lohn geben, so erstatte ich ihm zurück, was ich genommen habe. Er nahm daher so viel Frucht, als sein Lohn ausmachte, verbarg sie und brachte die übrige dem Alten und maß sie ihm vor. Der Alte sagte ihm: »Komm und nimm deinen Lohn, kaufe dir dafür Kleider und was du sonst brauchst, und wenn du zehn Jahre bei mir bleiben willst, so sollst du immer denselben Lohn haben.« Da dachte der Kaufmann: Es war doch nicht schön von mir, ohne die Erlaubnis meines Herrn mir Frucht zu nehmen. Er ging daher, um sie wieder zu holen, aber er fand sie nicht mehr. Er kehrte betrübt zum Alten zurück, und als dieser ihn fragte, was ihm widerfahren, sagte er ihm: »Ich habe geglaubt, du würdest mir meinen Lohn nicht geben, und daher so viel Frucht verborgen, als mein Lohn ausmacht. Da du mich aber nun gehörig bezahlen wolltest, so wollte ich die verborgene Frucht wieder holen, fand sie aber nicht mehr; gewiss hat sie jemand gestohlene Der Alte wurde böse, als er dies hörte, und sagte: »Es lässt sich nichts gegen ein schlimmes Geschick tun. Siehe! Ich hätte dir deinen Lohn gegeben; da du aber, von deinem bösen Stern geleitet, eine so schlimme Meinung von mir hegtest, so sollst du gar nichts haben und auch sogleich mein Haus verlassen.«

Der Kaufmann ging weinend fort und kam bei Perlenfischern vorüber, die ihn fragten, warum er so betrübt wäre, worauf er ihnen seine ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählte. Die Perlenfischer, welche ihn in seinen glücklichen Jahren gekannt hatten, fühlten tiefes Mitleid mit ihm und sagten ihm: »Bleibe bei uns, wir wollen auf dein Glück untertauchen, und was wir heraufbringen, wollen wir teilen.« Sie tauchten unter und brachten zehn große Perlenmuscheln herauf, von denen jede zwei große Perlen in sich Schloss. Erfreut über diesen Fund, riefen sie: »Bei Gott, dein Glücksstern geht wieder auf!« Sie gaben ihm dann die zehn Perlen und sagten: »Verkaufe zwei davon, handle mit dem Erlös derselben und verwahre die übrigen für die Not.« Der Kaufmann nahm die Perlen, nähte acht derselben in sein Kleid ein und steckte die übrigen beiden in den Mund. Aber ein Dieb hatte ihm zugesehn und benachrichtigte seine Gesellen davon, diese überfielen ihn und nahmen ihm sein Kleid weg. Der Kaufmann tröstete sich indessen mit den beiden Perlen, die ihm noch übrig blieben.

Er ging dann in die Stadt und nahm die zwei Perlen aus dem Munde, um sie zu verkaufen. Da wollte das Schicksal, dass einem Juwelier in der Stadt zehn Perlen gestohlen wurden, gerade wie die des Kaufmanns. Als daher der Juwelier diese zwei Perlen in den Händen des Maklers sah, fragte er ihn, wem sie gehören. Der Makler antwortete, auf den Kaufmann hindeutend: »Diesem Manne.« Als der Juwelier den Kaufmann sah, dessen Äußeres so arm und elend war, schöpfte er Verdacht und fragte ihn: »Wo sind die übrigen acht Perlen?« Der Kaufmann welcher glaubte, er frage ihn nach den Perlen, welche in seinem Kleide eingenäht waren, antwortete: »Sie sind mir gestohlen worden.« Der Juwelier, welcher nicht mehr zweifeln konnte, dass dieser Kaufmann seine zehn Perlen gestohlen, ergriff ihn, führte ihn zum Polizeiobersten und sagte diesem: »Hier ist der Dieb, der mir zehn Perlen gestohlen; ich habe noch zwei davon bei ihm gefunden, und er hat selbst eingestanden, dass ihm die übrigen acht entwendet wurden.« Der Polizeioberst, dem schon vorher dieser Diebstahl angezeigt worden, ließ den Kaufmann prügeln und einsperren. Schon schmachtete er ein ganzes Jahr im Gefängnis, als endlich durch die göttliche Fügung der Polizeioberst auch einen der Perlenfischer in dasselbe Gefängnis sperren ließ. Der Kaufmann erkannte ihn und erzählte ihm, wie unglücklich er durch seine Perlen geworden. Als daher der Perlenfischer das Gefängnis verließ, erzählte er die Geschichte des Kaufmanns dem Sultan, und dieser, von der Unschuld des Kaufmanns überzeugt, bemitleidete ihn, ließ ihn in Freiheit setzen, wies ihm eine Wohnung neben dem Palast an und bestimmte ihm ein ansehnliches Jahrgeld. Der Kaufmann vergaß bald alle seine Leiden und dachte: Nun ist das Glück wiedergekehrt, ich werde unter dem Schutze dieses Königs meine übrige Lebenszeit in Ruhe zubringen. Aber eines Tages trieb ihn seine Neugierde an ein Fenster, das mit Erde und Steinen zugemauert war. Er riss es ein, um zu sehen, was dahinter ist, und siehe da, das Fenster ging zum Harem des Sultans. Als er dies sah, fuhr er erschrocken zurück und holte frische Erde, um es wieder zu schließen; aber ein Eunuche sah ihn und benachrichtigte schnell den Sultan davon. Der Sultan kam und als er das Fenster aufgebrochen fand, war er sehr aufgebracht gegen den Kaufmann und sagte ihm: »Ist das der Lohn für meine Wohltaten? Was hast du nach meinem Harem zu sehen?« Der Sultan ließ ihm hierauf die Augen ausstechen, und der Kaufmann, seine beiden Augen in die Hand nehmend, rief verzweifelt: »Wie lange noch, o verdammtes Schicksal, verfolgst du mich! Zuerst hattest du es nur mit meinem Gelde zu tun, und jetzt gehst du mir gar an den Leib. Ich sehe wohl, dass all mein Bemühen vergebens ist, wenn Gott mir nicht beisteht.«

»Auch mir, großer König«, sagte der Junge, »geht es, wie diesem Manne; solange das Glück mir günstig war, gelang mir alles, nun hat es mich verlassen, und alles geht verkehrt.« Als der Junge so sprach, legte sich der Zorn des Königs ein wenig, er ließ ihn ins Gefängnis zurückführen und sagte zu den Wesiren: »Der Tag ist bald zu Ende, wir wollen mit der Hinrichtung bis morgen warten.«

Am folgenden Tage trat der zweite Wesir, welcher Bahrun hieß, hervor und verdammte ebenfalls das Verfahren des Angeklagten. Der König ließ den Jungen kommen und sagte. »Wehe dir! Ich werde dir den schlimmsten Tod geben lassen, denn dein Verbrechen ist abscheulich; meine Leute sollen eine Warnung durch dich erhalten.« Der Junge sagte: »O König! Übereile dich nicht, denn ein reifliches Bedenken ist die sicherste Stütze einer guten Regierung. Wer nicht die Folgen einer Handlung überlegt, dem geht es, wie einem gewissen Kaufmann; wer aber alles voraussieht, der wird glücklich, wie der Sohn jenes Kaufmanns.« Da der König die Geschichte dieser beiden Kaufleute hören wollte, begann der Junge: Geschichte des Kaufmanns und seines Sohnes