[swahili, "Geschichte, Legende"]

Märchen aus tausend und einer Nacht Geschichte der zwei Liebenden

Wisse, o König! einst lag hinter dem Gebirge Ispahan eine Stadt, welche man die Grüne nannte. Dort regierte ein König, sein Name war Suleiman, der sehr mächtig, gerecht und wohltätig war, so dass sein Ruf sich allenthalben verbreitete und von allen Ländern Botschaften zu ihm gelangten. Er lebte viele Jahre zufrieden und glücklich ohne Weib und Kinder. Eines Tages ließ er seinen ihm an Güte gleichenden Wesir rufen und sagte ihm: »Mir wird es unheimlich, weil ich nun bald schwach werde und ohne Weib und Kind bin, das passt nicht für einen Regenten; wer soll nach mir herrschen? Je zahlreicher die Nachkommen eines Königs sind, um so größer und ausgedehnter wird seine Macht. Auch hat der Prophet gesagt (Gottes Gnade sei mit ihm!): Verheiratet und vermehret euch, denn ich werde am Auferstehungstage eure Vorzüglichkeit gegen andere Völker geltend machen. Was denkst du nun davon? sprich kurz!« Der Wesir sagte mit Tränen in den Augen: »König der Zeit! fern sei von mir, über Dinge zu sprechen, welche Sache des Allbarmherzigen sind, soll ich den Zorn des Himmels auf mich laden und in die Hölle fahren?« Der König erwiderte: »Ich lasse mir nicht gern eine Sklavin kaufen, deren Stamm und Abkunft mir unbekannt; die möchte mir, wenn sie von unedler Geburt ist, auch ungeratene Kinder gebären; sie gleicht dann einem schlechten Boden, wo alle gute Saat vergebens ist. Darum wünsche ich, dass du für mich um irgendeine Prinzessin werbest, eine recht schöne und tugendhafte, so dass sie mir auch Kinder, die ihr gleichen, gebäre; nur eine solche will ich vor Zeugen gesetzlich heiraten,«

»O König! schon sehe ich ein Mittel, deinen Wunsch zu erfüllen; ich habe gehört, Saherschah, der König des weißen Landes habe eine Tochter, welche das schönste Mädchen ihrer Zeit ist. Wie Zweige des Ban ist ihr Wuchs, ihre Augen sind wie Kohel, Ihre Stirne glänzt wie der Mond, lang sind ihre Haare und fein ist ihre Taille, wie ein Dichter sagt:

»Sie ist so zart gebaut, dass ihr Wuchs die Zweige des Ban beschämt, und ihr Gesicht Sonne, Mond und Blumen; sie ist ein Paradies dein, weichem sie lächelt, und eine brennende Hölle dem, den sie zurückstößt; ihre Küsse sind Honig, mit dem besten Wein vermischt, ihre Zähne sind Perlen. Wie manchen hat ihre Liebe schon getötet, wie manchen Freier hat ihr Blick zum Gefangenen gemacht.«

Darum halte ich es für gut, dass du einen verständigen und erfahrenen Gesandten zu ihrem Vater schickst, der um sie für dich anhalte, denn sie hat ihresgleichen nicht auf der weiten Erde. Du gelangst dann zu einer schönen Gattin und handelst dem Willen Gottes gemäß.« Als der König dies vernahm, sagte er dem Wesir: »Das Beste ist, du gehst zu ihrem Vater und hältst bei ihm um sie an, ich kenne keinen gebildeteren und verständiger Mann, als du bist, und der Prophet hat gesagt: »Der Islam will kein Klosterleben.« Geh also jetzt nach Hause und mache dich auf morgen reisefertig, damit ich bald meinen Gram und meine Sorgen los werde.« Der Wesir verließ den König und ließ sich, um Saherschah zu beschenken, die schönsten und kostbarsten Edelsteine, arabische Pferde und Waffen und ganze Kisten voll Geld geben, lud alles auf Kamele und Maulesel, nahm fünfzig Mamelucken, hundert Sklaven und eine Sklavin mit, verabschiedete sich beim König, der wie auf feurigen Kohlen vor Ungeduld stand und ihn ersuchte, recht schnell wieder zu kommen, und reiste Tag und Nacht, bis er nur noch eine Tagreise von der Stadt entfernt war, wo die Prinzessin wohnte. Hier ließ er sich am Ufer eines Baches nieder und schickte einen seiner Vertrauten voraus zum König, um ihm seine Ankunft zu melden. Der König, welcher gerade auf dem Lustplatz vor dem Tor saß, begegnete dem Abgesandten, und da er ihm ansah, dass er ein Fremder war, ließ er ihn zu sich rufen, und als er von ihm hörte, dass der Wesir des mächtigen Königs Suleiman morgen zu ihm kommen wolle, freute er sich sehr und schickte ihm einige seiner Adjutanten mit anderen hoben Personen entgegen. Da der Wesir schon um Mitternacht wieder aufgebrochen war, begegneten ihm die Adjutanten bald; sie bewillkommten ihn und führten ihn durch sieben Hallen des königlichen Schlosses, dann ließen sie ihn absteigen und geleiteten ihn in einen großen Saal. Mitten in diesem Saal saß der König auf einem Thron von Elfenbein, mit Perlen und Diamanten besetzt, mit Füßen aus Elefantenzähnen, mit einem kostbar durchwirkten atlasnen Überzug und mit einem Baldachin, der reich mit Perlen und Edelsteinen geschmückt war. Um den König herum standen die höchsten Beamten des Hofs und der Armee. Der Wesir erschöpfte seine ganze Beredsamkeit in Versen und in Prosa, um den König auf eine recht anständige Weise zu begrüßen. Der König erwiderte seine Grüße recht freundlich, nahm ihn mit vieler Auszeichnung auf, ließ ihn neben sich sitzen und unterhielt sich lange mit ihm. Dann wurde ein Tisch gedeckt und nach der Mahlzeit, als alle Leute die Tafel verließen und nur noch ein paar Vertraute des Königs übrig blieben, stand der Wesir auf und sagte zum König: »O mächtiger Herr! ich komme in einer Angelegenheit zu dir, die dir nur Glück und Segen bringen kann: ich erscheine als Gesandter des mächtigen, gerechten und wohltätigen Königs Suleiman, des Herrn des grünen Landes und der Gebirge von Ispahan, vor dir, er schickt dir viel Geld und kostbare Geschenke und wünscht sich mit dir zu verschwägern; ist dir das wohl erwünscht?« Als Saherschah diese Worte hörte, pries er Gott, stand auf, verbeugte sich ehrfurchtsvoll und sagte: »O verehrter Wesir! höre meine Worte: ich bin ja nur einer von den vielen Dienern deines mächtigen Herrn und meine Tochter nur eine seiner vielen Sklavinnen! was du also begehrst, kann mir nur höchst ehrenvoll sein, ich habe weiter nichts zu antworten.«

Der König Saherschah ließ dann Kahdis und Zeugen kommen, welche bezeugten, dass er seine Einwilligung dazu gegeben, dass der Wesir für seinen Herrn mit seiner Tochter einen Ehekontrakt schließe. Als dieser niedergeschrieben war, holte der Wesir die oben beschriebenen Geschenke herein und überreichte sie dem König, der sich alsbald mit der Ausstattung seiner Tochter beschäftigte und zwei Monate lang große allgemeine Festlichkeiten veranstaltete. Nach zwei Monaten, als alles in Ordnung war, wurden die Zelte vor der Stadt aufgeschlagen und alle Effekten der Prinzessin herausgebracht. Sie nahm zweihundert griechische, türkische und abessinische Sklavinnen mit, so dass dieses Lager einer Abteilung des Paradieses glich, denn die Mädchen waren alle hübsch und jung, und ihre Herrin strahlte wie eine der schönsten Huri unter ihnen hervor, die der Engel Ridhwan schlecht bewacht. Sie saß in einer goldnen Sänfte, mit Perlen und Edelsteinen verziert, für welche zehn Maulesel bestimmt waren, und die einem niedlichen Gemach glich, und deren Baldachin wie ein Pavillon des Paradieses aussah. Als alle Kisten auf Maulesel und Kamele gepackt waren, kam der König ins Lager und begleitete seine Tochter drei Meilen weit; dann nahm er Abschied von ihr und übergab sie dem Wesir, der mit ihr heimwärts reiste. Als der Wesir nur noch drei Tage weit von seiner Heimat entfernt war, schickte er einen Boten voraus, um dem König die Ankunft seiner Braut zu melden. Der Bote eilte, so sehr er konnte, und als der König diese freudige Nachricht hörte, schenkte er ihm ein Ehrenkleid und schickte Truppen ab, um seine Braut in großem Pomp, mit entfalteten Fahnen über ihrem Haupt, abzuholen. Auch ließ er in der Stadt ausrufen, dass keine Frau und kein Mädchen, nicht einmal ein altes Weib, zu Hause bleibe, das ihr nicht entgegenginge und sie bis ins königliche Schloss begleite, Alle Straßen wurden verziert und die Vornehmsten des Reichs standen auf dem Weg, um die königliche Braut zu erwarten. Endlich kam sie an, der Wesir ritt vor ihr her in dem Ehrenkleid, das ihm ihr Vater geschenkt hatte; alle Truppen umgaben sie mit entfalteten Fahnen, die Erde war so voll von jubelnden Menschen und lärmender Musik, dass die wilden Tiere glaubten, der jüngste Tag sei gekommen, und in die Wüsten und Einöden flohen. So ging der Zug fort bis an das Schloss, das bald von der schönen Braut einen neuen Glanz erhielt. Man führte sie in einen Saal, wo ein Thron von Elfenbein für sie errichtet worden, und kaum hatte sie sich niedergelassen, als der König zu ihr hereintrat und nach Gottes Willen sie so schön und liebenswürdig fand, dass er ganz munter wurde und bald mit ihr allein zu bleiben suchte. Nur kurze Zeit verging, bis sie dem König die Nachricht gab, dass sie die Hoffnung habe, Mutter zu werden, und vor Freude darüber verließ sie der König einen ganzen Monat lang keinen Augenblick. Erst nach Verlauf des Monats ging er wieder in seinen Divan, beschäftigte sich mit den Staatsangelegenheiten und teilte viele Geschenke aus. In der letzten Nacht des neunten Monats, als die Königin das Herannahen ihrer Entbindung fühlte, wurden die Ammen gerufen, und Gott ließ sie ohne Schmerzen mit einem Sohn niederkommen, hübsch wie der Mond; sie nannte ihn Hasan und gab ihm den Beinamen Tadj Almuluk (Krone der Könige). Die Diener, welche sogleich dem König die Entbindung seiner Gemahlin anzeigten, wurden für die frohe Botschaft reichlich beschenkt, auch fühlte sich der König so glücklich, dass er alle Witwen und Waisen kleidete, seinen Untertanen viele Abgaben erließ und öffentliche Festlichkeiten veranstaltete.

Das Kind wurde vier Jahre lang von seinen Ammen in einem Meer von Glück und Zärtlichkeit erzogen, dann ließ der König Gelehrte kommen, die ihm in allem, was einem Prinzen zu wissen ziemt, Unterricht erteilten. Als er in seinem vierzehnten Jahr in allen Wissenschaften vorangeschritten war, gab ihm sein Vater einen Fecht- und einen Rittmeister, und er war bald ein sehr gewandter Ritter; dabei war er so schön, dass alle, die ihn sahen, von ihm bezaubert wurden, und er hatte viele Freunde, die sich schon im voraus freuten, ihn einst als König zu sehen. Tadj Almuluk wurde in seinem achtzehnten Jahr, als schon der frische Flaum seine roten Wangen bedeckte, die ein braunes Mal, wie ein Ambrapünktchen schmückte, ein so leidenschaftlicher Jäger, dass er kaum einen Augenblick mehr zu Hause Geduld hatte. Zwar suchte ihn sein Vater davon abzuhalten, weil er die Gefahren der Wüste und der wilden Tiere für ihn fürchtete, aber er ließ sich nicht raten. Eines Tages veranstaltete er eine große Jagdpartie und nahm Lebensmittel auf zehn Tage mit. Man reiste vier Tage weit, bis man in einen grünen Wald kam am Ufer eines Baches, in welchem viel Wild umherstreifte, hier ließ der Prinz einen großen Kreis schließen und bestimmte die Stelle, wo man wieder zusammentreffen sollte. Die Jäger zogen aus und trieben eine Menge wilder Tiere vor sich her; der weite Kreis zog sich dann immer näher zusammen und trieb das Wild in die Enge, bis es zuletzt unter den Pferden herumlief; dann ließen sie die Hunde und Jagdvögel gegen es los und schossen mit Pfeilen darauf: so dass, als der Kreis beisammen war, eine Menge Wild in ihre Hände fiel, Tadj Almuluk ließ sich dann am Bach nieder, teilte das Wildpret unter seinen Leuten aus, legte das beste für seinen Vater und die Großen des Reichs zurück und brachte die Nacht im Wald zu, Am folgenden Morgen, als die Sonne aufging, sah er in der Ferne eine große Karawane, die sich auch an diesem Bach, nicht weit von seinem Zeit, niedergelassen hatte. Er schickte einen seiner Freunde zu ' den Reisenden, um zu hören, wer sie seien und was sie wollen. Der Bote kehrte bald wieder mit der Nachricht zurück, es wären Kaufleute, welche im Vertrauen auf die Sicherheit gewährende Regierung seines Vaters mit Waren in dieses Land gekommen, worunter manche, die sie nur um seinetwillen mitgebracht. Als der Prinz dies hörte, sagte er, »Wenn sie Waren haben, die für mich passen, so will ich sie ihnen abkaufen.« Er ritt dann mit seinen Mamelucken zum Anführer der Karawane. Dieser wünschte dem Prinzen viel Glück und langes Leben und ließ ihm ein rotes Atlaszelt mit Gold durchwirkt aufschlagen, und machte ihm einen Divan auf zwei seidenen Teppichen zurecht. Der Prinz ließ dann die Kaufleute mit ihren Waren zu sich in das Zelt kommen und kaufte vieles von ihnen, was er gerade brauchen konnte. Schon wollte er wieder weiterziehen, als er bei der Karawane einen hübschen Jüngling erblickte, mit leuchtender Stirne und marmornem Hals, hübsch gekleidet, ehrwürdig aussehend, doch sehr blass und niedergeschlagen, wie einer, der die Trennung von seiner Geliebten betrauert. Als sich Tadj Almuluk ihm näherte, hörte er, wie er folgende Verse rezitierte:

»Lange währt schon die Trennung, immer schwerer wird mein Kummer und meine Pein, und wie Regengüsse stürzen Tränen aus meinen Augen. Als ich am Trennungstag ihr Lebewohl sagte, verabschiedete ich auch zugleich mein Herz und nun bin ich allein, ohne Herz und ohne Hoffnung. O mein Freund! warte, bis sie mir noch einmal Lebewohl sagt, ihre Worte sind so erquickend, dass sie Kranke heilen.«

Als er diese Verse rezitiert hatte, weinte er und fiel in Ohnmacht. Als er wieder zu sich kam, sah er starr vor sich hin und sprach noch folgende Verse:

»Hütet euch vor ihrem bezaubernden Blick, denn niemand ist vor den Pfeilen ihrer schwarzen Augen sicher, sie sind sanft und schmachtend, doch schneidender als das blanke Schwert; hütet euch vor ihrer wohlklingenden Stimme, sie bringt euch Fieber und verwirrt eueren Verstand.«

Nachdem der Jüngling diese Verse rezitiert hatte, seufzte er tief und weinte wieder, bis er ohnmächtig wurde. Als er wieder zu sich kam, fragte ihn der Prinz, der ihm zu Häupten stand: »Warum hast du mir deine Waren nicht auch vorgelegt?« Der Jüngling antwortete: »Ich habe nichts, das würdig wäre, deiner Hoheit gezeigt zu werden.« Aber Tadj Almuluk versetzte: »Du musst mir zeigen, was du hast; auch sollst du mir sagen, warum du so traurig bist und so viel weinst; ist dir ein Unrecht geschehen, so will ich es gut machen, bist du verschuldet, so will ich deine Schulden bezahlen, denn beim ersten Anblick fühlte ich mich schon zu dir hingezogen.« Er ließ dann gleich zwei Stühle bringen aus Elfenbein und Ebenholz, mit grüner, golddurchwirkter Seide bepolstert, und einen Teppich ausbreiten, und bat den Jüngling noch einmal, ihm seine Waren vorzulegen. Der Jüngling sagte: »Ich beschwöre dich bei Gott! lass mich, ich habe nichts, das deiner würdig wäre.« Aber Tadj Almuluk nötigte ihn, seine Waren herbeizuholen. Der Jüngling legte endlich mit Tränen in den Augen ein Stück Ware nach dem anderen vor Tadj Almuluk. Es war unter anderem ein Stück Atlas dabei, ganz mit Gold durchwirkt, das zweitausend Dinare wert war. Als er dieses aufrollte, fiel ein Päckchen heraus, das er schnell verbarg, während er folgende Verse sprach:

»Mein Leben vergeht In Sehnsucht, Täuschung, Trennung und Liebesqual. Die Trennung will mich nicht töten und keine Vereinigung mich beleben; die Entfernung lässt mich trostlos und doch ist mir deine Nähe nicht gegönnt; du bist ungerecht und erbarmungslos, von dir ist keine Hilfe zu erwarten, und doch kann ich mich nicht von dir losreißen. Alle meine Kräfte vermögen nichts gegen deine Liebe, ich weiß nicht, wohin mich wenden.«

Als der Kaufmann das Päckchen unter seinen Beinen verbarg, fragte ihn Tadj Almuluk erstaunt: »Was enthält dieses Päckchen?«

»Mein Herz, kümmere dich darum nicht und verlange es nicht zu sehen, ich habe mich darum nur geweigert, dir meine Waren zu zeigen, weil ich befürchtete, du möchtest es bemerken. Ich darf dir es durchaus nicht zeigen.« Tadj Almuluk ließ aber nicht ab und drang so lang in den Jüngling, bis er es hervorholte. Als aber Tadj Almuluk einen alten Lappen Tuch sah, sagte er höchst erstaunt dem immer weinenden und Verse rezitierenden Jüngling: »Ich glaube, du bist nicht recht bei Verstand; was vergießest du so viele Tränen über diesen alten Lappen?«

»Mein Herr! meine Geschichte ist wunderbar, ich weine nur über das Bild, das in diesem Lappen verborgen ist, und über das Mädchen, das es gestickt.«

Der Jüngling rollte dann das Tuch auf, es stellte auf der einen Seite eine Gazelle vor, von feiner Seide gestickt und mit Goldfäden durchwirkt, auf der anderen Seite eine Gazelle, mit Silberfäden durchwirkt; am Hals hatte sie eine goldene Kette und drei längliche Smaragdsteine; auch hatte sie ein buntmarmoriertes, mit Perlen besetztes seidenes Kleid überhängen. Tadj Almuluk bewunderte die kostbare Arbeit dieser Stickerei, die einer lebendigen Gazelle glich, und sagte: »Gepriesen sei der, welcher den Menschen so viel Weisheit und Geschicklichkeit verliehen! Der Künstler, welcher diese Gazelle gestickt hat, findet seinesgleichen nicht.«

»Mein Herr! ein Frauenzimmer hat dies Bild verfertigt, und ich habe wunderbare Abenteuer mit ihr erlebt.« Der Prinz war so begierig, die Geschichte dieses Jünglings zu hören, dass er solange in ihn drang, bis er folgendermaßen erzählte: Wisse, mein Herr! mein Vater war ein reicher Kaufmann, und Gott hatte ihm keine Nachkommen, außer mir, beschert. Ich wurde mit meines Vaters Nichte erzogen, welche früh ihren Vater verloren hatte. Man ließ uns unbewacht beisammen leben und wie Geschwister auf einem Bett schlafen, weil mein Vater meinem seligen Onkel versprochen hatte, dass er seine Tochter mir zur Gattin geben wolle. Als ich kaum das Jünglingsalter erreicht hatte und noch ganz unerfahren war, sagte mein Vater zu meiner Mutter: »Nun ist es Zeit, dass wir unseren Sohn mit unserer Nichte vermählen, wir haben keinen Grund mehr, länger zu warten.« Sie beschäftigten sich hierauf mit unserer Ausstattung und beschlossen, nächsten Freitag nach dem Gebet den Ehekontrakt schreiben zu lassen und die Hochzeit zu feiern. Schon wurden alle Verwandten und Freunde meiner Eltern eingeladen, und als der Freitag kam, wurde unser Haus gewaschen und mit Teppichen belegt, und alles Nötige zum Fest hergerichtet. Mein Vater ging aus, um Süßigkeiten, Rosenwasser und dergleichen einzukaufen; meine Mutter hieß mich ins Bad gehen und schickte mir ein neues Kleid nach, das ich nach dem Bad anzog, Ich wollte dann in die Moschee gehen, als mir einfiel, dass ich noch einen Freund vergessen hatte einzuladen. Ich ging in seine Wohnung, er war nicht zu Hause, und ich musste in der ganzen Stadt herumlaufen, um ihn aufzusuchen. Da kam ich in eine Straße, die ich in meinem Leben nicht betreten hatte; ich war sehr ermüdet und angegriffen vom Bad sowohl als vom neuen Kleid, dessen Wohlgeruch die ganze Straße parfümierte; ich setze mich auf eine Bank am Eck dieser Straße und legte mein gesticktes Taschentuch unter, in welches einiges Geld eingebunden war. Die Hitze war so groß, dass mir der Schweiß zum Gesicht herunterlief und auf mein Kleid tropfte. Da ich auf meinem Sacktuch saß, wollte ich meinen Kaftan nehmen, um mich abzutrocknen, da fiel mir auf einmal ein weißes Tuch in den Schoß, zarter als der Zephyr. Ich nahm das Tuch und warf einen Blick in die Höhe, um zu sehen, wo es hergekommen; da begegnete mein Auge der Meisterin dieser Gazelle an einem Fenster, vor welchem ein großes messingenes Gitter war; sie legte den Finger vor den Mund und zeigte mir ein so schönes Gesicht, dass ich dessen Reize gar nicht beschreiben kann. Sie legte dann den Zeigefinger und den mittleren Finger auf ihren Busen, Schloss das Fenster und verschwand, ließ aber in meinem Herzen eine brennende Flamme zurück; ich wusste nicht, was beginnen, denn ich verstand ihren Wink nicht, und obschon ich bis Sonnenuntergang vor ihrem Haus sitzen blieb, sah und hörte ich doch niemanden mehr, Endlich stand ich auf und entfaltete das Tuch, das mir das Mädchen zugeworfen, und es kam mir ein Moschusduft entgegen, der mir ins Hirn stieg und so sehr meine Nerven reizte, dass mir wurde, als befände ich mich im Paradies. Als ich von meiner Betäubung mich wieder erholte, sah ich ein Briefehen vor mir, auf dem folgende Verse geschrieben waren:

»Hier schicke Ich dir in zarter Schrift meine Klage über den Schmerz der Entfernung; wundere dich nicht, dass meine Schrift so fein und fast unleserlich zart, so müssen Liebende schreiben, die selbst vor Gram so mager geworden.«

Auf dem Tuch selbst stand geschrieben:

»Ich bin das Tuch der treu Liebenden und diene nun gerne dem schönen Jüngling, um ihm Stirne und Wangen abzutrocknen.«

Diese Verse vermehrten noch meine Flamme, schnell steckte ich das Tuch und das Briefchen ein und ging damit nach Haus. Es war schon eine Weile Nacht, als ich nach Hause kam. Meine Braut hatte den Kopf auf die Knie gestützt und weinte; als sie mich aber sah, trocknete sie ihre Tränen ab, stand auf, zog mir mein Kleid aus und sagte: »Alle Gäste sind gekommen, nebst dem Kadhi und den Zeugen, und sind schon längst von der Tafel aufgestanden; da du aber immer nicht erschienst, schwor dein Vater, aufgebracht darüber, dass er so viele Unkosten vergebens gehabt, dass er nun vor einem Jahr unseren Ehekontrakt nicht schreiben lassen werde. Wo warst du denn so lange? Ich erzählte ihr alles, was mir widerfahren, und bat sie, mir beizustehen und mir die Fingersprache meiner Geliebten zu erklären. Sie schwor, mir mit allen Kräften behilflich sein zu wollen und sagte: »Das Zeichen mit dem Finger auf dem Mund bedeutet: bei dein, der Himmel und Erde geschaffen! du bist mein Leben und mein Herz; das Tuch bedeutet einen freundlichen Gruß von der Geliebten, und die zwei Finger, die sie auf den Busen legte, bedeuten: nach zwei Tagen komme wieder, da können wir uns wieder sehen und unseren Gram verscheuchen. Glaube nur, mein Vetter! sie Hebt dich sehr und setzt ihr Vertrauen auf dich, das kann ich dir sagen; und dürfte ich frei ein- und ausgehen, ich würde euch unter meinem Schutz vereinigen.« Als ich dies hörte, dankte ich dir und dachte: hier ist nichts zu tun, als zwei Tage Geduld zu haben. Ich ging nicht aus, aß und trank nicht, sondern blieb die zwei Tage traurig zu Hause sitzen, den Kopf auf dem Schoß meiner Cousine ausruhend, die mich herzlich liebte. Als die zwei Tage vorüber waren, sagte sie mir: »Nimm dich nun zusammen und fasse Mut!« Sie holte mir dann andere Kleider, zog mich an und beräucherte mich; ich ging wieder in jene Straße und setzte mich auf die Bank vor dem Hause meiner Geliebten,

Als ich eine Weile dasaß, öffnete sich das Fenster, ich blickte hinauf und begegnete dem Auge meiner Geliebten, und war ganz außer mir vor Entzücken. Als ich mich wieder fasste und aufwärts blickte, erschien sie mit einem Spiegel und einem roten Tuch, sie schob ihre Ärmel zurück und legte alle fünf Finger auf die Brust, dann hob sie die Hand weg und zeigte mir den Spiegel am Fenster, dann hing sie das rote Tuch dreimal zur Straße heraus, nahm es wieder hinein, presste es aus und legte es zusammen; hierauf winkte sie mit dem Kopf nach dem Ende der Straße, Schloss das Fenster, verschwand und nahm mein Herz mit und kehrte nicht mehr wieder. Ich war wieder in der größten Verwirrung, denn sie hatte abermals kein Wort gesprochen, und ich hatte wieder ihre Zeichen nicht verstanden. Ich blieb bis Sonnenuntergang auf der Bank sitzen und ging dann zu meiner Cousine, welche, die Wangen auf ihre Hand gestützt, weinend dasaß. Sobald sie mich sah, sprang sie auf und nahm mir mein Kleid ab, legte meinen Kopf in ihren Schoß, trocknete mein Gesicht mit ihrem Ärmel ab, bemitleidete und ermutigte mich. Als ich ihr erzählte, was ich gesehen, sagte sie: »Das Zeichen mit den Fingern bedeutet, nach fünf Tagen kehre wieder; das Zeichen mit dem roten Tuch und dem Spiegel bedeutet: warte im Laden des Färbers, bis mein Bote kommt und dich abholt.« Ich sagte: »Bei Gott! deine Erklärung ist richtig, denn ich habe am Ende der Straße den Laden eines jüdischen Färbers gesehen; aber«, setzte ich weinend hinzu, »wer kann fünf Tage warten?« Meine Cousine tröstete mich und sagte: »Fasse Mut! wie manche Leute schmachten jahrelang vergebens, und du liebst ja erst seit zwei Tagen.« Sie brachte mir dann Speisen, ich nahm einen Bissen und wollte essen, da fiel mir meine schöne Geliebte ein und es schmeckte mir nichts. Das Leben wurde mir sauer, ich konnte weder essen noch trinken noch schlafen; ich wurde blass und sah sehr übel aus, denn ich war noch sehr jung und empfindsam, und liebte zum ersten Mal in meinem Leben. Meine Cousine wachte stets bei mir und erzählte mir Liebesgeschichten bis ich einschlief. Beim Erwachen fand ich sie wieder neben mir, mit Tränen des Mitleids in den Augen. So brachte ich fünf Tage zu. Dann brachte mir meine Cousine warmes Wasser, wusch mich, trocknete mich ab und sagte: »Nun geh! Gott stehe dir bei und stille dein Verlangen nach deiner Geliebten!« Ich ging ans Ende der Straße und setzte mich vor den Laden des jüdischen Färbers, der des Samstags wegen geschlossen war. Ich wartete den ganzen Nachmittag und den ganzen Abend, bis man vor Dunkelheit gar nichts mehr sah, aber niemand ließ etwas von sich hören. Da fürchtete ich mich, länger hier allein zu sitzen, und kehrte, mit Mühe meine Beine nachschleppend und wie ein Betrunkener taumelnd, nach Hause zurück. Meine Cousine kam mir entgegen, trocknete mir Tränen und Schweiß ab und sagte lächelnd: »Warum hast du nicht die Nacht bei deiner Geliebten zugebracht?« Diese Worte brachten mich so sehr auf, dass ich sie mit einem Stoß auf die Brust zu Boden warf. Sie fiel mit dem Kopf auf einen Pflock, und das Blut strömte aus ihrer offenen Stirn. Sie stand auf, ohne ein Wort zu sagen, legte verbrannte Lumpen auf ihre Wunde, verband sie, wusch das Blut vom Teppich ab und sagte mir lächelnd und mit zarter Stimme: »Bei Gott! mein Vetter, meine Absicht war nicht, dich oder deine Geliebte zu verspotten. Ich hatte Kopfschmerzen und wollte mir das Blut abwischen und jetzt ist durch diesen Blutverlust mein Kopf viel leichter; erzähle mir nun, wie es dir heute gegangen.« Als ich ihr weinend erzählte, wie ich vergebens meine Geliebte erwartet, sagte sie: »Sieh das nicht als Zeichen ihrer Gleichgültigkeit an, sie wollte gewiss nur deine Ausdauer prüfen; geh morgen wieder hin: deine Erlösung ist nahe.« Sie sagte mir dann noch manches zu meiner Beruhigung, aber ich war untröstlich.

Als meine Cousine mir zu essen brachte, stieß ich es mit den Füßen weg und sagte: »Wer liebt, ist verrückt, dem schmeckt keine Speise und kein Schlaf mehr.« Sie weinte, hob die Schüssel vom Boden auf, wusch den Boden und unterhielt mich mit Erzählungen und Märchen; ich aber betete zu Gott, er möge doch bald Tag werden lassen. Des Morgens früh eilte ich wieder nach der Straße meiner Geliebten und setzte mich auf die Bank. Da öffnete sich das Fenster, meine Geliebte erschien und lachte, sie verschwand eine Weile und kehrte wieder mit einem Spiegel, einem Säckchen und einem Gefäß, das mit grünem Samen gefällt war; sie öffnete das Säckchen, steckte den Spiegel hinein, knüpfte es wieder zu und warf es ins Zimmer; dann löste sie ihre Haare auf und ließ sie über ihr Gesicht herunterhängen; zuletzt brachte sie eine Lampe und stellte sie zum Samen hin, verschwand und kehrte nicht wieder. Mein Herz zerbrach fast vor Qual über ihre stummen Zeichen, ich kehrte traurig zu meiner Cousine zurück, welche mit Tränen in den Augen an die Wand gelehnt stand und zwei Tücher um den Kopf hatte, eines über der Stirn auf ihrer Wunde und das andere um die Augen, die von vielem Weinen entzündet waren. Als sie mich sah, trocknete sie ihre Tränen ab, wagte es aber lange nicht, mich anzureden; endlich sagte sie: »Nun, mein Vetter, wie geht es denn?« Ich erzählte ihr weinend, was meine Geliebte vor meinen Augen getan. Da sagte sie: »Habe Geduld, du bist dem Ziel deiner Wünsche nahe. Das Verstecken des Spiegels und das Herabhängen der Haare bedeutet Sonnenuntergang und dunkle Nacht; die Samen bedeuten eine Zusammenkunft im Garten, der hinter ihrer Straße ist; und durch die Lampe wollte sie sagen, du solltest im Garten nur diese Lampe aufsuchen und sie dort erwarten.« Als ich diese Erklärung vernahm, rief ich aus: »O wie lange wird noch unsere Trennung währen!« Meine Cousine sagte mir: »Habe nur noch diesen Tag Geduld!« nahm mir mein Kleid ab und hatte nicht den Mut, mir zu essen vorzustellen; sie bat mich dann, mich mit ihr den Tag durch zu unterhalten, da ich doch abends bei einer anderen sein würde; ich aber betete immerfort zu Gott, dass er doch bald die Nacht heranbrechen lasse. Als endlich die Sonne unterging, gab mir meine Cousine weinend ein Stückchen Moschus und sagte mir: »Stecke das in den Mund, und wenn du nach süßen Umarmungen von deiner Geliebten Abschied nimmst, so sprich folgenden Vers:

»O ihr Liebenden! bei Gott! sagt mir, wenn die Liebe den Jüngling überwältigt, was soll er tun?«

Sie küsste mich dann und Ich musste ihr schwören, dass ich diesen Vers beim Herausgeben sagen würde. Hierauf ging ich in den Garten, dessen Türe offen war, und nahm meine Richtung nach einem Licht, das ich in der Ferne sah, und ich fand es in einem Gartenhäuschen mit einer Kuppel von Elfenbein und Ebenholz. Das Zimmer war mit seidenen Teppichen belegt und außer der Lampe von einer großen Wachskerze beleuchtet; in der Mitte des Zimmers war ein Springbrunnen mit allerlei Figuren und daneben stand ein Tischchen mit einem seidenen Tuch, auf dem, zwischen allerlei Blumen und Aromaten, die kostbarsten Speisen und Getränke in den feinsten chinesischen und goldenen Gefäßen standen. Das Gartenhäuschen entzückte mich und heiterte mich auf, doch sah ich keinen Menschen darin, um mich zu empfangen.

Ich setze mich auf das Sofa, um meine Geliebte zu erwarten, aber drei Stunden vergingen und niemand kam; da verlor ich die Geduld, auch stiegen mir die feinen Gerüche der Speisen in die Nase, denn ich hatte schon mehrere Tage nichts gegessen, so dass ich ziemlich ausgehungert war; ich näherte mich dem Tischchen und deckte die Platte ab, da fand ich in deren Mitte auf einem chinesischen Teller vier gebratene Hähne, und rund herum standen Granatäpfelbeeren und mehrere andere saure und süße Zuspeisen; ich aß, bis ich satt war, und da ich schon lange nicht schlafen konnte, so hatte ich kaum meine Hände gewaschen, als sich meine Augen schlossen und mein Kopf auf das Kissen fiel, ich hatte einen sehr tiefen Schlaf, aus dem ich nicht eher erwachte, bis mich die Sonne brannte, Als ich die Augen öffnete, fand ich auf meinem Leib einige Kohlen und Salz umhergestreut; ich stand auf, schüttelte mein Kleid ab, sah mich rechts und links um, fand aber niemanden; auch bemerkte ich, dass ich auf dem harten marmornen Boden gelegen war. Ich war sehr traurig, weinte heftig vor Ärger über meinen Schlaf und ging wieder nach Hause zu meiner Cousine, welche sich auf die Brust schlug und heftig weinte. Als sie mich sah, trocknete sie schnell ihre Tränen ab, kam mir freundlich entgegen und sagte: »O mein Vetter! tadle mich nicht, wenn ich darüber weine, dass du in deiner Liebe glücklich bist, während ich verlassen zu Hause bleibe.« Sie nahm mir dann lächelnd mein Kleid ab, schüttelte es aus und sagte: »Bei Gott! das ist nicht der Geruch eines Glücklichen; was ist dir geschehen, mein Vetter?« Als ich ihr alles erzählte, sagte sie: »Wehe, mein Vetter! wahrlich du dauerst mich, dieses Weib plagt dich sehr, sie hat dich wahrscheinlich schlafend gefunden und war böse darüber, denn sie hielt dich für einen Lügner, weil wahre Liebende nicht schlafen; aber auch sie liebt dich nicht wahrhaft, darum hat sie dich auch nicht geweckt, sondern dich mit Salz bestreut, um dir zu sagen, du seiest sehr geschmacklos und bedürftest gar zu sehr noch einiger Würze, denn ernstlich Liebenden ist der Schlaf eine Sünde. Mit den Kohlen meinte sie: Gott schwärze dein Angesicht! Gott bewahre dich vor ihr!« Als ich diese Erklärung vernahm, sah ich mein Unrecht ein und bedauerte, so viel gegessen zu haben, brach in laute Tränen aus und beschwor meine Cousine, Mitleid mit mir zu haben und mir zu raten, was ich nun tun könnte, um nicht vor Verzweiflung zu sterben. Da meine Cousine mich sehr lieb hatte, sagte sie: »Bei meinem Haupt und meinen Augen, ich habe dir schon gesagt: wenn ich ausgehen dürfte, ich hätte euch schon längst unter meinem Schutz vereint; doch nun kann ich dir keinen besseren Rat geben, als diesen Abend wieder in das Gartenhäuschen zu gehen, du musst aber den vierten Teil der Nacht ruhig warten und nichts essen, damit dich nicht der Schlaf überfalle.« Ich dankte ihr für ihren Rat und betete zu Gott, dass es doch bald Nacht werden möchte. Als die Nacht heranbrach und ich weggehen wollte, rief mir meine Cousine noch einmal zu, ich möchte ja den Vers nicht vergessen.

Ich fand im Garten wieder alles so hergerichtet, wie am vorhergehenden Abend, und ganz frische Speisen standen wieder auf dem Tisch, die einen solchen Wohlgeruch verbreiteten, dass ich meine Lust, sie zu sehen, nicht lange bezähmen konnte; Ich deckte die Schüssel auf und sah wieder Hähne mit verschiedenen Zuspeisen, die mich so anlachten, dass ich mich nicht enthalten konnte, von jedem Gericht etwas zu nehmen; da es aber sehr wohlschmeckte, aß und trank ich, bis ich satt war, zog dann das Kissen herbei und dachte: ich will mich nur ein wenig anlehnen, gewiss nicht schlafen; aber bald fielen meine Augen zu und ich erwachte erst nach Sonnenaufgang. Als ich meine Augen wieder öffnete, fand ich auf meinem Leib einiges Spielzeug, einige Dattelkerne und Samen vom Heuschreckenbaum, und das ganze Häuschen war geleert; ich schüttelte alles ab und ging bestürzt nach Hause. Meine Cousine, die aus hoffnungsloser Liebe zu mir immer weinte und Verse rezitierte, kam mir entgegen; ich schmähte sie und schrie sie an, sie aber trocknete ihre Tränen ab, küsste mich zwischen die Augen und drückte mich an ihren Busen; da ich mich aber unfreundlich zurückzog, sagte sie: »Mir ist, als hättest du wieder geschlafen.« Ich erwiderte: »Ja, bei Gott!« erzählte ihr, was ich beim Erwachen auf meinem Leib gefunden, und beschwor sie bei Gott, mir es zu erklären, Sie sagte weinend: »Bei meinem Haupt und meinen Augen! sie wollte mit dem Spielzeug dir sagen, dass es ihr scheine, als wäre dein Sinn mit etwas anderem als mit der Liebe beschäftigt; mit den Dattelkernen wollte sie andeuten, dass, wenn du liebtest, dein Herz von Liebe glühen müsste und du die Süßigkeit des Schlafes nicht kosten könntest, denn die Liebe erfüllt wie Datteln das Herz mit Feuer. Der Heuschreckenbaumsamen aber bedeutet, dass das Herz des Liebenden schmachtet, und dass du den Schmerz der Trennung mit Geduld tragen mögest, wie Hiob seine Leiden.« Diese Erklärung schürte die Flamme in meinem Herzen, ich schrie und jammerte und bat meine Cousine, mir zu raten, was ich nun tun könne. Sie sagte: »Ich weiß nichts anderes, als dass du diesen Abend. doch noch einmal hingehst, aber nimm dich ja in acht, nicht wieder zu schlafen. Sie brachte mir dann zu essen und sagte: »Iss dich nur jetzt recht satt, damit du heute Abend nicht wieder in Versuchung gerätst.« Ich aß mich satt, und des Nachts zog mir meine Cousine ein kostbares Kleid an, küsste mich und erinnerte mich wieder an den Vers. Ich begab mich wieder in den Garten, ging aber weit vom Tisch weg, hielt meine Augen mit den Fingern offen und schüttelte meinen Kopf hin und her; als ich aber lange wartete, wurde ich hungrig, und der Geruch der Speisen und des Weines tötete mich fast. Ich näherte mich dem Tischchen und aß ein bisschen Fleisch mit einigen Zuspeisen; dann ging ich auf den Weinkrug los, in der Absicht, nur einen Becher voll zu trinken, aber es kam zu einem zweiten, dritten und bis zu einem zehnten Becher; da fiel ich wie eine Leiche um und kam erst, als der Tag herangebrochen war, wieder zu mir. Als ich erwachte, fand ich auf meinem Leib ein Schwert und eine eiserne Münze, und ich selbst lag vor dem Garten draußen.

Ich nahm das Schwert und die Münze und ging erschrocken nach Hause, warf Schwert und Münze vor meine traurige Cousine hin, schlug meine Brust und zerbiss mir die Hände vor Reue; meine Cousine weinte vor Mitleid eine Weile mit mir, bis ich sie bat, mir zu erklären, was das Schwert und das Eisen bedeute. Da sagte sie: »Die Münze stellt ihr Auge vor, bei dem sie schwört, dass, wenn du wiederkehrest und einschläfst, sie dich mit dem Schwert tötet; darum, mein Vetter, bin ich sehr ängstlich um deinetwillen und rate dir, dich ja keinem Unglück auszusetzen, wenn du nicht gewiss bist, dass du wach bleibst.« Ich fragte sie, was ich tun sollte, um mich vor dem Schlaf zu hüten? Sie drückte mich an ihren Busen, legte mich aufs Bett und liebkoste und streichelte mich solange, bis ich einschlief; sie nahm dann einen Fächer und machte mir Wind, bis die Sonne sich zum Untergang neigte; da weckte sie mich, und als ich die Augen öffnete, sah ich, wie sie ihre Tränen abtrocknete. Sie brachte mir hierauf zu essen, und als ich nichts essen wollte, sagte sie: »Hast du mir nicht versprochen, mir zu gehorchen?« Ich ließ mir nun von ihr Essen einstopfen, bis ich satt war, sie gab mir dann Sibebensaft mit Zucker zu trinken, wusch mich mit Rosenwasser, zog mir wieder ein schönes Kleid an und sagte: »Nun, mein Vetter! schlafe ja nicht und vergiß auch meinen Vers nicht, du wirst gewiss diese Nacht bei deiner Geliebten zubringen, bleibe nur wach, denn sie wird erst spät kommen.« Ich ging vergnügt und mit vollem Leib in den Garten und wartete wachend drei Viertel der Nacht, bis schon der Hahn krähte. Da wurde ich hungrig, näherte mich dem Tisch und aß, bis ich satt war. Schon war mir der Kopf schwer und ich wollte wieder einschlafen, als ich ein Rauschen hörte und aus der Ferne ein Licht sich nähern sah. Ich nahm mich zusammen und nach einem Augenblick erschien meine Geliebte von zehn Sklavinnen umgeben, wie der Mond zwischen Sternen hervorstrahlt; sie hatte ein grünes, golddurchwirktes Atlaskleid an, wie ein Dichter sagte:

»Sie erschien im Garten in grünem Gewand, mit aufgelöstem Gürtel und herabhängenden Haaren; ich fragte sie nach ihrem Namen und sie sagte: Ich bin die, welche Feuer schleudert ins Herz der Liebenden. Ich klagte ihr meinen Liebesgram; sie sagte: du klagst einem Stein und weißt es nicht. Ich erwiderte: Wäre dein Herz auch von Stein, so hat doch Gott aus dem harten Felsen schon süßes Wasser entspringen lassen.«

Sie lachte, als sie mich sah, und sagte. »Ich wundere mich, dass du doch einmal wach bist; dürfen die von Liebesqual Heimgesuchten so die ganze Nacht schlafen?« Sie gab dann ihren Sklavinnen einen Wink, worauf sie sich entfernten; dann fiel sie in meine Arme, wir küssten einander, ich sog an ihrer oberen und sie an meiner unteren Lippe, dann ließen wir uns auf das Sofa nieder und brachten die ganze Nacht in den seligsten Umarmungen zu. Als ich des Morgens weggehen wollte, sagte sie: »Warte eine Weile, ich muss dir noch etwas zeigen.« Sie zog ein Tuch heraus, in welches eine Gazelle gestickt war, und da es mir sehr wohlgefiel, schenkte sie mir es unter der Bedingung, dass ich sie jede Nacht im Garten besuchen wolle; sie sagte mir aber: »Nimm es wohl in acht, es ist die Arbeit meiner Schwester Nur Alhuda,« Ich war vor Freude ganz außer mir und verließ sie, ohne mich des Verses zu erinnern, den mich meine Cousine gelehrt.

Der Jüngling erzählte weiter: Als ich nach Hause kam, fand ich meine Cousine auf dem Bett, und Tränen stürzten auf ihre Wangen herunter. Sobald sie mich sah, kam sie mir entgegen, küsste mich und fragte, ob ich ihren Vers rezitiert habe? Ich sagte: »Nein, bei Gott, diese Gazelle hat mich ihn vergessen lassen«, und zeigte ihr das gestickte Tuch, das mir meine Geliebte gegeben. Als der Abend kam, sagte sie: »Gehe nun wieder in Gottes Namen, aber vergiß den Vers nicht!« Als ich in den Garten kam, war meine Geliebte schon da und erwartete mich. Ich setzte mich neben sie, wir aßen und tranken und brachten die Nacht wieder wie die vorhergehende zu; des Morgens beim Weggehen sagte ich den Vers:

»O ihr Liebenden, bei Gott! sagt mir, wenn Liebe den Mann überwältigt, was soll er tun?«

Als sie diesen Vers hörte, strömten Tränen aus ihren Augen und sie rezitierte folgenden Vers:

»Er soll seine Liebe verschweigen und mit Demut und Geduld alles ertragen.«

Ich lernte diesen Vers auswendig und freute mich, den Wunsch meiner Cousine erfüllt zu haben. Als ich nach Hause kam, fand ich sie auf dem Bett liegend; meine Mutter stand ihr zu Häupten und weinte um sie, und sagte mir: »Du bist ein schöner Vetter, deine Cousine ist sehr unwohl und du verlässt sie.« Mein Cousine richtete sich dann auf und fragte mich, was meine Geliebte gesagt? Als ich ihr den Vers meiner Geliebten mitgeteilt, sagte sie: »Ich beschwöre dich bei Gott, wenn du wieder zu ihr kommst, so rezitiere ihr folgenden Vers.

»Er hat nach Geduld gerungen, aber sein Herz verschmachtet vor Liebe.«

Ich versprach es ihr, und hielt auch Wort, als ich am folgenden Abend wieder, wie früher, mit meiner Geliebten vereinigt war. Letztere weinte über den Vers und rezitierte folgenden:

»Wenn er nicht Kraft genug hat, seine Liebe zu verbergen, so gibt es für ihn kein anderes Mittel, als den Tod.«

Als ich nach Hause kam, fand ich meine Cousine schlafend, und meine Mutter stand neben ihr. Aber sie hatte kaum meine Stimme vernommen, als sie die Augen öffnete und sagte: »O mein Teurer, hast du meinen Vers rezitiert?« Ich sagte: »Ja«, und wiederholte ihr den meiner Geliebten. Sie fiel in Ohnmacht, und als sie wieder zu sich kam, rezitierte sie folgenden Vers:

»Wir haben vernommen, wir gehorchen und sterben gern; bring nun meinen Gruß derjenigen, welche meine Liebe nicht erwidert.«

Als ich meiner Geliebten am folgenden Tag diesen Vers sagte, schrie sie: »Wehe! wehe! die, welche diesen Vers gesagt, ist tot; wehe dir, ist es nicht eine Verwandte?«

»Es ist meine Cousine.«

»Wehe dir, du hast ihre Liebe nicht erwidert, und so ist sie den Märtyrertod gestorben; Gott verdamme dich! hätte ich davon was gewusst, so wärest du nie in meine Nähe gekommen. - »Sie aber wusste um unsere Liebe; sie erklärte mir deine Zeichen, und war mir in allem behilflich,« »Gott zerstöre deine Jugend, wie du die ihrige zerstört, du Hund hast sie getötet, geh nur nach Hause und frage nach ihr.« Ich ging in der größten Verwirrung nach Hause, und schon, als ich in unsere Straße kam, vernahm ich ein lautes Wehgeschrei, und als ich fragte, was das bedeute, erhielt ich zur Antwort: man habe meine Cousine tot gefunden. Als ich nach Hause kam, sagte mir meine Mutter: »Du hast dich an deiner Cousine versündigt. Wehe dir! Möge Gott das Blut deiner Cousine an dir rächen, du schlechter Vetter!« Ich antwortete nicht, gedachte aber der Verse, die sie rezitierte. Nachdem sie beerdigt war und ich drei Tage lang an ihrem Grab getrauert hatte, fragte mich meine Mutter wieder.- »Was hast du denn deiner Cousine getan, dass sie vor Gram gestorben? Ich«, fuhr sie fort, »habe sie oft nach der Ursache ihrer Krankheit gefragt, sie hat mir aber nichts gestanden.« Da ich meiner Mutter nichts gestehen wollte, behauptete ich, ihr nichts zuleid getan zu haben. Sie erzählte mir dann, sie sei kurz vor ihrem Tod noch bei ihr gewesen und habe gehört, wie sie mich immerwährend segnete und oft ausrief.- Gott möge mir ihren Tod als keine Schuld anrechnen; aber trotz aller Bitten verschwieg sie hartnäckig die Ursache ihrer Leiden, und auf die Frage: was ich ihr zuleid getan, antwortete sie: »Nichts, Gott führt mich aus dieser vergänglichen Welt in jene ewigdauernde hinüber.« Ihre letzten Worte waren: »Sage deinem Sohn, wenn er wieder dahin geht, wo er hinzugehen pflegt, so möge er diese Worte sagen: Treue ist schön, Verrat aber abscheulich;« diese Worte, sagte sie, würden auch nach ihrem Tod mir noch ein Beweis ihrer aufrichtigen Teilnahme sein. »Dann«, fuhr meine Mutter fort, »gab sie mir noch etwas für dich, das ich dir aber nicht eher ausliefern soll, bis du über sie weinst und jammerst.« Ich wünschte es zu sehen, aber meine Mutter sagte: »Ich zeige und gebe es dir erst, wenn ich dich in dem Zustand sehe, wie meine Nichte mir anbefohlen.« Ich aber vergaß meine Cousine bald und dachte Tag und Nacht nur an meine Geliebte. Ich konnte kaum den Abend erwarten, bis ich in den Garten kam und sie mir wieder um den Hals fiel. Sie fragte mich nach meiner Cousine und ich sagte ihr: »Sie ist tot, und darum bin ich auch der Trauergebete willen vier Tage nicht gekommen.« Meine Geliebte sagte weinend: »Habe ich es nicht gewusst? du hast sie getötet; hätte ich es doch früher geahnt und sie für ihre Wohltat belohnt, die Edle, die mich mit dir vereint hat. Nun hüte dich! Gott hat sich ihrer erbarmt; ich fürchte sehr, du hast dich an ihr versündigt.« Ich sagte ihr: »Sie hat mir vor ihrem Tode verziehen«, erzählte ihr auch, was mir meine Mutter gesagt, und wiederholte ihre Worte: »Treue ist schön, Verrat abscheulich.« Als sie diese Worte hörte, sagte sie: »Gottes Erbarmen sei mit ihr! diese Worte retten dich, ich will dich nicht mehr betrüben und dir keinen Gram verursachen; aber ich bin sehr ängstlich um deinetwillen, du bist noch jung und unerfahren, kennst die List und Bosheit der Frauen nicht, und hast nun niemand mehr, der dir beisteht; drum nimm dich vor allem wohl in acht, jemanden dein Geheimnis anzuvertrauen: du könntest in ein Unglück stürzen, und deine Retterin ist nicht mehr.«

Meine Geliebte weinte noch lange über meine Cousine, und bewunderte die Kraft, mit welcher sie ihr Geheimnis so sorgfältig bewahrt, und die Selbstaufopferung, mit der sie ihren Geliebten einer anderen überließ. Sie bat mich dann, sie auf ihr Grab zu begleiten, damit sie einige Verse auf ihren Grabstein einhaue, ihr ein Grabmal bauen lasse und für sie bete. Ich versprach ihr, am folgenden Morgen mit ihr zu gehen, und brachte noch die Nacht bei ihr zu. Sie sagte jeden Augenblick, »Warum hast du mir früher nichts von deiner Cousine erzählt?« Ich antwortete immer: »Treue ist schön, Verrat abscheulich«, und so schwieg sie still. Des Morgens früh stand sie auf, nahm einen Beutel voll Geld zu sich und bat mich nochmals, mit ihr auf das Grab meiner Cousine zu geben. Sie griff auf dem Weg immer in den Beutel, teilte im Gehen Geld aus und sagte dabei: »Diese Almosen gebe ich für das Heil der Teuren, die ihr Geheimnis verborgen, bis sie den Todeskelch geleert.« Als wir an das Grab kamen, warf sie sich darauf hin, zog dann einen kleinen Hammer und einen stählernen Meißel aus der Tasche und schrieb in einer zierlichen Schrift folgende Verse auf den Grabstein:

»Ich kam auf ein zertretenes Grab, mitten in einem Garten, wo sieben Anemonen blühten, und fragte: Wem gehört dieses Grab? Da antwortete mir die Erde: Verehre es, es ist das Grab einer Liebenden. Ich sagte: O Liebende, Gott schenke dir Heil und lasse dich auf den schönsten Anhöhen des Paradieses wohnen! Arme Liebende, sogar ihr Grab verrät die Demütigung, die sie unter den Menschen erlitten. Könnte ich, ich würde dein Grab in einen Garten umwandeln und ihn mit meinen Tränen bewässern.«

Nachdem sie diese Verse eingegraben und lange geweint hatte, kehrten wir in ihren Garten zurück und sie versprach mir, mich nie zu verlassen. Ich blieb ein Jahr lang bei ihr, wurde dick und fett, denn ich tat weiter nichts, als essen und trinken und küssen und Kleider wechseln, hatte gar keinen Kummer und keine Sorge, und meine Cousine war längst bei mir vergessen, Eines Abends, als ich hübsch gekleidet und wohl parfümiert aus dem Bad kam, trank ich so viel Wein und wurde von dem Duft meiner Kleider so berauscht, dass ich nicht mehr wusste, was ich tat. Ich sollte in den Garten zu meiner Geliebten gehen, kam aber in eine falsche Straße; da begegnete mir ein altes Weib, das in der einen Hand eine Wachskerze und in der anderen einen zugerollten Brief trug. Ich näherte mich der Alten, wie sie weinend folgende Verse rezitierte:

»Gott segne den frohen Boten, der mir so süße Kunde bringt; könnte ihm ein Geschenk genügen, ich gäbe ihm mein Herz, das in der Abschiedsstunde zerstückelt worden.«

Als sie mich bemerkte, fragte sie mich, ob ich lesen könnte, und als ich ihre Frage bejahte, zeigte sie mir einen Brief von einem lange abwesenden Freund, ich las ihn und teilte ihr dessen frohen Inhalt mit; sie dankte mir mit den Worten: »Gott befreie dich von jedem Kummer, wie du eben den meinigen zerstreut.« Ich wollte schon wieder weitergehen, da sprang sie auf mich zu, küsste mir die Hand und sagte: »O mein Herr, Gott bewahre deine Jugend zum Lohn! komm mit mir an dieses Haustor, da wohnt meine Tochter; der Brief, den du gelesen, ist der erste von meinem Sohn, der schon vor zehn Jahren mit Waren abgereist ist, so dass wir alle Hoffnung, ihn wieder zu sehen, schon aufgegeben hatten.

Die Alte setzte dann noch hinzu: »Komm nun mit mir und lese den Brief meiner Tochter vor, die ihren Bruder außerordentlich liebt und Tag und Nacht über ihn weint, denn mir glaubt sie es doch nicht, wenn ich ihr auch sage, er hat geschrieben, dass er wohl ist, denn die zärtlich Liebenden befürchten immer das Schlimmste. Sei also so gefällig, mit mir an die Tür zu kommen, ich will meine Tochter herunterrufen, dass sie dir innerhalb der Ihr zuhöre; du wirst auf diese Weise ihrem Jammer ein Ende machen. Hat nicht der Gesandte Gottes (Gottes Friede sei mit ihm!) gesagt: Wer seinem Nebenmenschen in dieser Welt eine Sorge abnimmt, dem nimmt Gott der Erhabene am Auferstehungstag dafür zweiundsiebenzig Qualen ab.« Ich folgte der Alten bis vor ein großes Haustor, das mit Messing belegt war. Ich blieb an der Tür stehen und die Alte rief einige persische Worte hinauf, da kam eine junge Dame herunter, mit heraufgeschürztem Kleid, als käme sie eben von irgend einer Arbeit, sie sah aber sehr vornehm aus; ihre wohlgeformten Füße waren von goldenen Fußringen, mit einem Schloss von sieben Diamanten, umfasst, an ihrem Hals hing eine kostbare Perlenschnur, ein ganz neues Diadem aus den kostbarsten Edelsteinen zusammengesetzt, schmückte ihre Stirne, ein Paar feingearbeitete Armbänder lagen um den weißesten Arm, den Gott geschaffen, und Ringe von Perlen hingen an ihren Ohren. Sobald sie mich erblickte, sagte sie mit einer süßen Stimme, wie ich sie noch nie gehört: »O Mutter, ist das der Mann, der den Brief lesen will?« Die Alte sagte: »Ja«, da reichte mir das Mädchen den Brief hin. Aber als ich mich zu ihr hinneigte, um den Brief zu nehmen, stieß mich die Alte ins Haus hinein, eilte wie ein Blitz auf das Haustor zu und verschloss es. Ich war kaum im Inneren des Ganges, als die Dame mich mit aller Kraft umfasste und mich durch sieben Gänge in einen großen Saal mit vier Erhöhungen schleppte. Hier legte sie mich auf den Boden und sagte: »Öffne deine Augen!« Als ich wieder frei atmete und die Augen öffnete, erstaunte ich über den prachtvollen Saal, in welchem ich mich befand. Der marmorne Boden war mit seidenen Teppichen und Divanen belegt, auch waren zwei kupferne Bänke darin und ein goldenes mit Perlen und Edelsteinen besetztes Sofa, wie es nur einem König ziemt. Sie fragte mich dann: »Was hast du lieber, Teurer! den Tod oder das Leben?«

»Allerdings ziehe ich das Leben vor.«

»So heirate mich!«

»Ich kann dich nicht heiraten.«

»Wenn du bei mir bleibst, so bist du sicher vor jenem listigen Weib.«

»Was für ein listiges Weib?«

»Kennst du wohl das Weib nicht, mit dem du nun schon ein Jahr und vier Monate Umgang hast? Gott verdamme deine Geliebte und bestrafe sie durch noch schlimmere Menschen, als sie ist; wie viele Männer hat sie schon ins Unglück gestürzt; ich begreife gar nicht, wie du, mein Sohn, solange von ihr verschont bleibst.« Ich fragte sie ganz erstaunt: »O meine Herrin! wer hat dich mit ihr bekannt gemacht?« Sie antwortete: »ich kenne sie so gut, als die Zeit ihre Unfälle kennt, doch möchte ich alles wissen, was zwischen euch vorgefallen ist, und weshalb du bis jetzt von ihr verschont geblieben bist.« Da erzählte ich ihr alles, was zwischen uns vorgefallen, verheimlichte ihr nichts, auch von meiner Cousine und von den Versen, die sie mich gelehrt. Da weinte die Dame laut und sagte: »Bei Gott! so gibt es keine zweite mehr, wie deine Cousine war, und ohne sie wärest du schon längst ins Verderben gestürzt. Ich wünschte schon lange, dich hierher zu locken, es ist mir aber erst heute durch die List der Alten gelungen. Sei nun ganz zufrieden und heiter, bleibe bei mir, du bist ein hübscher Junge, ich will dich nach der Vorschrift Gottes und seines Gesandten heiraten und dir alles gewähren, was du an Geld oder anderen Gegenständen bedarfst. Du findest hier dein Brot gebacken und dein Wasser im Becher bereit; du hast nichts anderes zu tun, als zu essen, zu trinken und mich zu küssen.« Sie klatschte dann mit den Händen und sagte der Alten, welche herbeigelaufen kam: »Bringe deine Leute her!« Die Alte kam nach einer Weile mit vier Zeugen wieder, zündete vier Wachslichter an und warf ein seidenes Tuch um die Dame. Die Zeugen schrieben den Ehekontrakt und die Dame erklärte, zehntausend Dinare als Morgengabe erhalten zu haben. Nachdem dies geschehen war, gab sie den Zeugen ihren Lohn und sie gingen fort. Kaum waren die Zeugen zur Tür hinaus, als die Dame das Tuch wieder von sich warf und sich zu mir auf den Divan setzte. Als ich eine Weile schüchtern neben ihr saß, fasste sie mich bei der Hand, küsste und umarmte mich mit den Worten: »Erlaubter Genuss ist keine Schande.« Hierauf warf ich mich an ihre Brust und brachte die ganze Nacht in den süßesten Umarmungen zu. Als ich des Morgens weggehen wollte, kam sie mir lachend entgegen und sagte: »Glaubst du, es geht hier, wie bei deiner ersten Geliebten? Du bist mein gesetzlicher Gatte in Gegenwart von vier Zeugen geworden; wenn du geschlafen hast, so erwache, und wenn du betrunken warst, so werde nüchtern. Dieses Haus wird nur einmal im Jahr geöffnet; geh einmal und betrachte das Haustor!« Ich stand auf und ging nach dem Haustor und fand es mit eisernen Nägeln vernagelt. Meine Gattin sagte mir dann: »Wir haben hier Mehl und Getreide, Granatäpfel, Zucker, allerlei Backwerk, Schafe, Hühner und Gänse und sonst alles, was wir auf ein Jahr brauchen; ich erkläre dir also, dass du vor Verlauf eines ganzen Jahres nicht hinauskommen wirst.« Da rief ich verzweiflungsvoll: Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott dem Erhabenen!« Sie aber sagte: »Was liegt daran? du hast ja hier das angenehmste Leben auf der Welt, du brauchst gar nichts zu arbeiten und findest in diesen Mauern alle Lebensgenüsse vereint.« Ich fügte mich in mein Schicksal und brachte ein ganzes Jahr bei meiner Gattin zu, tat nichts als essen und trinken und sie umarmen. Nach neun Monaten gebar mir meine Gattin einen Sohn, der mir das letzte Vierteljahr verkürzte. Als das Jahr zu Ende war, hörte ich, wie man die Tür öffnete, und es traten Männer herein mit Mehl und Zucker und anderem Lebensvorrat; da wollte ich hinausgehen, aber meine Frau sagte: »Warte bis abends, so wie du hierher gekommen, sollst du auch wieder weggehen.« Ich wartete zitternd bis Abend; als ich dann gehen wollte, sagte meine Frau: »Bei Gott! ich lasse dich nicht zur Tür hinaus, wenn du mir nicht vorher schwörst, dass du vor Tagesanbruch, ehe die Tür wieder geschlossen, wiederkehrst.« Ich willigte ein, und sie ließ mich den heiligsten Eid, bei dem Koran, dem Schwert und unserer Scheidung, schwören, dass ich nur meinen Vater besuchen und dann gleich wieder zu ihr kommen wollte. Als ich von ihr wegging und an dem Garten vorüberkam, wo meine erste Geliebte wohnte, fand ich ihn offen, da dachte ich: ich komme nun unvermutet, nach einer Abwesenheit von einem Jahr, wieder, und doch ist der Garten offen. Ich muss doch einmal sehen, was meine Geliebte macht; nachher will ich meinen Vater besuchen.

Als ich in das Gartenhäuschen kam, sah ich meine geliebte Dalila dasitzen, den Kopf auf die Knie gestützt und die Hand auf die Wangen. Sie sah sehr blass und entstellt aus und ihre Augen waren hohl vom vielen Wachen und Weinen, Als sie mich sah, sagte sie. »Gelobt sei Gott, der dich wohl erhalten.« Sie freute sich sehr mit mir, sprang auf und küsste mich. Ich stand ganz beschämt vor ihr und sagte: »Wieso hast du gewusst, dass ich eben jetzt kommen würde?«

»Das konnte ich allerdings nicht wissen, aber, bei Gott! ich bringe nun hier schon ein ganzes Jahr, jede Nacht wachend, zu, um dich zu erwarten; so lebe ich höchst betrübt seit dem Tage, wo du mich verließest, nachdem ich dir ein kostbares, neues Kleid geschenkt und du mir versprachst, bald wieder zu kommen. Nun, mein Geliebter! erzähle mir, warum du solange ausgeblieben?« Ich berichtete ihr alles, was mir widerfahren, sagte ihr auch, dass ich verheiratet wäre mit Habiba und dass ich geschworen habe, vor Tagesanbruch wieder bei ihr zu sein. Als Dalila dies hörte, wurde sie ganz blass und sagte: »Nun denke, wenn Habiba - nachdem sie durch eine List dich ein Jahr lang bei sich eingesperrt hielt - doch noch keine einzige Nacht von dir getrennt bleiben will, wie muss mir zumute sein, da ich schon ein ganzes Jahr mit allen seinen dreihundertundsechzig Nächten ohne dich lebe? Ich habe dich doch früher gekannt, und weil ich deiner Liebe traute und aus Rücksicht für deine Cousine, der Gott sein Erbarmen schenken möge, dir gar keinen Zwang auferlegt.« Bei diesen Worten sah sie mich ganz grimmig an, wie ein Gespenst, so dass ich an allen Gliedern zitterte. Nach einer kleinen Pause fuhr sie fort: »Nun, da du verheiratet bist und einen Sohn hast, was kann mir deine Gesellschaft nützen? Ich kann keinen Ehemann um mich leiden, ich lebe nur gern in Gesellschaft unverheirateter Männer; du hast mich für eine gemeine Dirne aufgegeben, die dich durch List herbeigelockt, ich habe nichts mehr mit dir gemein; aber, bei Gott! sie soll dich auch nicht länger besitzen, keine von uns beiden soll dich haben.« Sie rief hierauf ihre Leute herbei, und es kamen zehn Sklavinnen, die mich zu Boden warfen und auf mir knieten, Dalila ergriff ein Messer und sagte: »Bei Gott! ich schlachte dich, wie man einen Bock schlachtet, das ist die geringste Strafe, die du für dein Verfahren gegen deine Cousine verdienst.« Als ich auf dem Boden lag, von den Sklavinnen festgehalten, und Dalila schon das Messer wetzte, verlor ich alle Hoffnung auf das Leben und schrie nach Hilfe, aber niemand hörte mich und Dalila wurde immer härter und grimmiger, befahl den Sklavinnen, mich zu binden und zu prügeln, wobei sie selbst nicht untätig blieb, bis meine Stimme erlosch und ich in Ohnmacht fiel, Ich dachte, als ich wieder zu mir kam, es wäre besser für mich gewesen, sie hätte mich gleich geschlachtet, als so gepeinigt und nun glaubte ich die Worte meiner Cousine, welche mir sagte: »Gott bewahre dich vor ihrer Bosheit und List,« Ich schrie und weinte wieder, aber sie kehrte sich nicht daran, und sobald sie das Messer gewetzt hatte, hieß sie die Sklavinnen, welche noch immer auf mir knieten, aufstehen und kam auf mich zu, um mir den Hals abzuschneiden. Da gab mir Gott die Worte meiner Cousine ein: »Treue ist schön, Verrat abscheulich.« Als Dalila diese Worte hörte, warf sie das Messer weg und sagte, »Gott erbarme sich deiner Cousine, die auch nach ihrem Tode dir noch das Leben rettet; doch will ich dich nicht ohne Zeichen deiner Untreue entlassen.«

Dalila ließ mir dann die Hände binden, setzte ein kupfernes Pfännchen über das Feuer, goss Schmalz hinein und einige andere Salben. Dann nahm sie ein Rasiermesser und brachte mir eine schwere Wunde bei, brannte sie mit einem heißen Eisen und legte ein blutstillendes Pflaster darauf. Ich lag lange in Ohnmacht, und als ich wieder zu mir kam, war das Blut schon gestillt, aber ich war verstümmelt. Als Dalila meine Augen offen sah, sagte sie mir: »Nun kannst du wieder zu deiner Gattin gehen oder zu wem du sonst willst; ich habe meine Rache vollbracht, packe dich jetzt fort und danke dein Leben deiner Cousine.« Bei diesen Worten gab sie mir einen Tritt mit dem Fuß; da ich aber nicht aufstehen konnte, ließ sie mich durch ihre Sklavinnen zur Tür hinaustragen. Ich blieb eine Weile auf der Straße liegen, bis ich imstande war aufzustehen, dann kroch ich ganz langsam zu meiner Frau, deren Haustür noch offen war. Ich fiel an der Tür hin, und meine Frau kam heraus und trug mich in den Saal. Da sie mich aber verstümmelt fand und wohl wusste, dass ich meinen Eid gebrochen, ließ sie mich im Schlafe wegtragen. Als ich erwachte, fand ich mich auf der Straße vor der Tür ihres Gartens liegen. Ich stand auf und ging in mein elterliches Haus; da hörte ich, wie meine Mutter über meine lange Abwesenheit weinte; sie sagte eben: »O mein Sohn Asis, wüsste ich doch nur, in welchem Land du dich aufhältst.« In diesem Augenblick nahte ich mich ihr und umarmte sie. Sie weinte, sowohl vor Freude mich wieder zu sehen, als vor Kummer über mein übles Aussehen, und auch ich weinte mit ihr, weil ich mich meiner Cousine erinnerte, die mir so viele Wohltaten erwiesen. Noch größer aber wurde meine Trauer, als ich nach meinem Vater fragte und meine Mutter mir sagte, er sei vor zehn Tagen gestorben. Diese Nachricht schmerzte mich so sehr, dass ich in Ohnmacht fiel. Als ich wieder zu mir kam, fiel mein Blick auf den Platz, wo meine Cousine zu sitzen pflegte, und ich weinte wieder in einem fort bis Mitternacht und sagte meiner Mutter: »Wohl habe ich mein Schicksal verdient und noch ein härteres.« Meine Mutter fragte mich, was mir denn widerfahren und ich erzählte ihr meine Abenteuer. Da dankte sie Gott, dass ich noch so davon gekommen und nicht geschlachtet worden sei; sie tröstete mich dann und pflegte mich, bis ich wieder ganz geheilt war. Dann sagte sie: »Jetzt, da du keine Geliebte mehr hast und deine Cousine von Herzen beweinst, will ich ihrem Willen gemäß dir geben, was ich für dich aufbewahren sollte.« Sie öffnete eine Kiste und gab mir das Stück Tuch, worauf die Gazelle gestickt war, und es waren folgende Verse dazu geschrieben:

»Du hast der Liebe Schmerz in mir erregt und bist dabei ruhig geblieben; du hast mein müdes Auge wachen lassen, während das deinige schlief. Du versprachst mir, meine Liebe zu verbergen und ließest dir alles auslocken. Dein Bild schwebt mir stets vor Augen, sie werden sich nie dem Schlaf schließen, noch wird mein Herz je dem Trost zugänglich sein. O mein Freund! ich beschwöre dich, schreibe auf meinen Grabstein, wenn ich tot sein werde, dass ich als Opfer der Liebe gestorben. Rufe meinen Namen aus, wenn du an meinem Grab vorübergehst: meine Gebeine werden stöhnend deinen Gruß erwidern.«

Ich weinte laut, als ich diese Verse gelesen hatte, und schlug mir ins Gesicht. In diesem Briefchen fand ich dann noch ein anderes Papier, auf dem folgendes geschrieben war: »Wisse, mein Vetter, dass ich dich von meinem Blut freispreche und zu Gott bete, dass er zwischen dir und deiner Geliebten immerwährende Eintracht erhalte; sollte sie dir etwas zuleide tun, so kehre nicht zu ihr zurück und knüpfe auch kein neues Verhältnis an; ertrage dein Unglück mit Geduld, sonst gehst du zugrunde; denn wäre nicht dein Lebensziel bestimmt, so hättest du schon längst den Todeskelch geleert; doch gelobt sei Gott, der meinen Sterbetag vor den deinigen gesetzt. Gib wohl acht auf diese Gazelle, die mein einziger Trost in deiner Abwesenheit war. Kommst du in die Nähe des Mädchens, das diese Gazelle gestickt hat, so reiß dich von ihr los, knüpfe aber dann keine andere Bekanntschaft an. Wisse, dass diejenige, welche diese Gazelle gestickt hat, jedes Jahr eine solche verfertigt und in die Welt schickt, um berühmt zu werden. Deine Geliebte hat sie zufällig bekommen und aus falscher Ruhmsucht den Leuten gesagt, sie wäre von ihrer Schwester. Sie hat aber gelogen, Gott entziehe ihr seinen Schutz! Ich sage dir dies, weil ich weiß, dass nach meinem Tod die Welt dir eng wird, du könntest dann umherreisen, um die aufzusuchen, welche diese Gazelle verfertigt hat, deshalb wisse, es ist niemand anders, als die Tochter des Königs der Kampferinseln.« Als ich diesen Brief gelesen hatte, weinte ich den ganzen Abend mit meiner Mutter und verlebte dann ein trauriges Jahr mit ihr, bis Kaufleute aus meiner Stadt sich zu einer Reise vorbereiteten; da entschloss ich mich, sie zu begleiten, auch meine Mutter redete mir zu, weil sie hoffte, die Reise würde mich zerstreuen, und so machte ich mich mit ihnen auf den Weg; doch blieb mir auf der ganzen Reise kein Auge trocken, und so oft wir in eine Herberge einkehrten, nahm ich mein Päckchen heraus und betrachtete die Gazelle und dachte an meine Cousine, die aus hoffnungsloser Liebe zu mir gestorben. Nach einem Jahr kehrte ich mit der Karawane nach Hause zurück. Da aber meine Leiden immer mehr wuchsen, trat ich eine zweite Reise an, die mich an den sieben Kampferinseln vorüberführte, mit ihren kristallenen Schlössern; dort regiert ein König, welcher Scheberman heißt, und man sagte mir, meine Gazelle sei von dessen Tochter Dunia gestickt. Als ich sie sah, weinte ich von neuem über meine Verstümmelung, denn Dunia ist das reizendste Geschöpf Gottes, und seither ist mein Schmerz nicht mehr zu lindern. Ich bin nun des traurigen Lebens satt, ich will jetzt in meine Heimat zurückkehren und bei meiner Mutter sterben, weiß aber nicht, ob meine Kräfte noch so weit reichen.

Hierauf weinte und seufzte der Jüngling lange, betrachtete die Gazelle und sagte dem Prinzen: »Das ist meine Geschichte, mein Herr, hast du je eine so wunderbare gehört?«

Als Tadj Almuluk von der berühmten Künstlerin Dunia hörte, entzündete sich eine Flamme in seinem Herzen und er sagte ganz verwirrt zu dem Jüngling: »Bei Gott! dir ist widerfahren, was noch keinem anderen vor dir; aber sage mir, wieso hast du das Mädchen gesehen, das diese Gazelle gestickt?« Asis antwortete: »Mein Herr! ich bin durch List zu ihr gelangt. Als ich nämlich mit diesen Kaufleuten in die Stadt kam, wo sie wohnt, und in den Gärten spazieren ging, sah ich einen steinalten Mann vor einem herrlich blühenden Garten sitzen; ich fragte ihn, wem dieser Garten gehöre, und er antwortete mir.- Der Prinzessin Dunia, deren Schloss gerade über dem Garten liegt, und aus dem sie durch eine geheime Tür zuweilen hierher spazieren geht, um den Duft der Blumen einzuatmen. In der Hoffnung, durch einen Blick das Feuer, das in mir brannte, zu löschen, bat ich den Alten um Erlaubnis, mich ein wenig in den Garten zu setzen. Als er es mir erlaubte, gab ich ihm einiges Geld, um etwas zu essen zu holen; er nahm das Geld freudig, führte mich an einen angenehmen, schattigen Platz und sagte: »Warte hier, bis ich wiederkomme. Der alte Gärtner kam bald mit einem Hammelbraten zurück und wir aßen zusammen, bis wir satt waren; mir aber zersprang das Herz vor Ungeduld, die Prinzessin zu sehen. Auf einmal öffnete sich die geheime Tür und der Alte sagte mir: Verbirg dich schnell, mein Sohn! Dann trat ein Verschnittener zum Alten und fragte ihn, ob jemand bei ihm wäre? Der Alte sagte: Nein! und Schloss die Gartentür. Jetzt trat ein Mädchen aus dem Schloss heraus, so schön, dass ich glaubte, der Mond ging eben auf. Ich sah sie lange an und verlangte nach ihr, wie der Durstige nach Wasser. Als sie wieder ins Schloss zurückging, verließ auch ich den Garten und begab mich in meine Wohnung, denn ich wusste, dass ich als Kaufmann um keine Prinzessin werben könnte, und dann war ich ja auch ganz verstümmelt; darum hielt ich mich denn auch nicht länger dort auf und setzte meine Reise mit den Kaufleuten weiter fort, bis hierher.« Tadj Almuluks Verwirrung nahm immer zu; er bestieg sein Pferd, nahm Asis mit in seine Heimat und ließ ihm ein Haus einräumen mit allem, was er bedurfte. Aber das, was er gehört hatte, ließ einen so tiefen Eindruck in ihm zurück, als hätte er Dunia gesehen; er ging am folgenden Tag weinend und entstellt ins Schloss und erzählte seinem Vater, was er von Asis über die Reize und Geschicklichkeit der Prinzessin Dunia gehört. Der König sagte zu Tadj Almuluk- »Mein Sohn, lass ab von solchen Gedanken! die Prinzessin Dunia ist die Tochter eines großen Königs, dessen Land sehr entfernt von dem unsrigen liegt; was ist zu tun? Geh lieber in das Schloss deiner Mutter, dort findest du fünfhundert Mädchen wie der Mond, wähle dir, welche du willst, und gefällt dir keine davon, so verschaffe ich dir eine andere Prinzessin, die wohl noch schöner sein mag, als Dunia.« Der Prinz aber erwiderte: »Ich will keine andere als die, welche diese Gazelle gestickt; wo nicht, so irre ich in Wüsten und in Einöden umher, bis ich sterbe.«

»So habe wenigstens Geduld, mein Sohn, bis ich zu ihrem Vater schicke und bei ihm für dich anhalten lasse, so wie es auch bei mir mit deiner Mutter der Fall war, und wenn er sie dir verweigert, so mache ich sein Königreich vor einer Armee zittern, deren Vorposten bis zu seinem Lande reichen, während der Nachtrab noch hier lagert.«

Der König rief sogleich Asis und bat ihn, da er den Weg nach den Kampferinseln wisse, seinen Wesir dahin zu begleiten; dem Wesir wurde sogleich befohlen, sich reisefertig zu machen, um bei dem König der Kampferinseln für Tadj Almuluk um seine Tochter anzuhalten. Tadj Almuluk war indessen sehr niedergeschlagen, und als der Abend dämmerte, rezitierte er folgende Verse:

»Die Dunkelheit bricht heran und meine Tränen fließen stärker und der Liebesgram entlockt mir brennende Seufzer. Fragt nur die Nächte, sie werden euch von der Qual meines Herzens Kunde geben. Sehnsuchtsvoll blicke ich zu den Sternen hinauf und wie Hagelkörner stürzen Tränen aus meinen Augen. Ich fühle mich so einsam und verlassen wie ein Waisenknabe, und klage meinen Schmerz niemandem, als Gott.«

Als des anderen Morgens sein Vater zu ihm kam und Ihn sehr übel aussehend fand, tröstete er ihn und versprach ihm, ihn mit seiner Geliebten zu vereinigen. Sobald der Wesir reisefertig war, reiste er mit Asis ab, und der König gab ihm viele Geschenke mit. An der Grenze der Kampferinseln angelangt, schickte der Wesir einen Boten voraus, um dem König seine Ankunft zu melden, und der König schickte mehrere Meilen weit ihm seine Adjutanten entgegen, die ihn ins Schloss geleiteten. Nachdem der Wesir vier Tage lang im Fremdenhotel bewirtet wurde, begab er sich zum König und trug ihm sein Anliegen vor. Der König beugte verlegen den Kopf zur Erde, weil er wohl wusste, dass seine Tochter keine Lust zum Heiraten hatte. Dann sagte er zu einem seiner Diener: »Geb zu deiner Herrin Dunia und berichte ihr, was du eben gehört.« Der Diener kam nach einer Weile zurück und sagte: »Als ich deinen Befehl bei der Prinzessin vollzog, wurde sie so aufgebracht, dass sie mit einem Stock auf mich lossprang und mir das Hirn spalten wollte; auch sagte sie: Wenn man mich zur Ehe zwingen will, so werde ich meinen Gatten umbringen.« Der König sagte hierauf zum Wesir: »Ihr habt gehört, meine Tochter will nicht heiraten, berichtet es euerm König.« Der Wesir und Asis kehrten nun unverrichteter Sache in ihre Heimat zurück und erstatteten dem König Bericht von dem Misslingen ihrer Sendung. Der König ließ sogleich die Befehlshaber seiner Armee rufen und befahl ihnen, die Truppen zu einer Expedition auszurüsten, Aber der Wesir riet ihm ab und sagte: »Der König ist ja ganz unschuldig, nur seine Tochter hat ihm sagen lassen, dass, wenn er sie zwinge, sie ihren Gatten töten würde.« Der König war sehr verlegen und ängstlich für seinen Sohn, er dachte auch: wenn es mir gelingt, ihren Vater zu besiegen und sie selbst zu bezwingen, so wird sie sich das Leben nehmen. Als er hierauf seinem Sohn dies mitteilte, sagte dieser: »O mein Vater! ich kann nicht länger das Leben so ertragen, ich will selbst nach den Kampferinseln reisen und Mittel suchen, zur Prinzessin zu gelangen, und sollte ich auch sterben; ich weiß nichts anderes zu tun.« Der König willigte ein und fragte ihn: An welcher Eigenschaft willst du dahin reisen?« - Ach will am liebsten als Kaufmann dort erscheinen.« Der König ließ sogleich für einmalhunderttausend Dinare Waren einpacken und Tadj Almuluk machte sich reisefertig, brachte jedoch vor Liebesgram und Sehnsucht eine sehr unruhige Nacht zu; ebenso Asis, der mit dem Prinzen weinte, weil er sich wieder seiner Cousine erinnerte, Am folgenden Morgen trat Tadj Almuluk in Reisekleidern vor seine Mutter, meldete ihr seine Abreise, ließ sich fünfzigtausend Dinare von ihr geben und nahm Abschied von ihr; dann ging er zu seinem Vater, der ihm ebenfalls noch fünfzigtausend Dinare gab und ihm erlaubte, einstweilen sein Zelt vor der Stadt aufschlagen zu lassen, was auch sogleich geschah. Der Prinz blieb dann noch zwei Tage im Zelt mit Asis, den er immer lieber gewann, so dass er ihn beschwor, ihn zu begleiten. Asis willigte ein, trotz seiner Sehnsucht nach seiner Mutter. Nach zwei Tagen reisten sie in Gesellschaft des Wesirs ab, der alles Mögliche tat, um Tadj Almuluk zu beruhigen, und auch Asis suchte ihn zu zerstreuen, indem er ihm Gedichte rezitierte und Erzählungen und Geschichten vortrug. Als aber die Reise schon ununterbrochen zwei Monate dauerte, wurde dieser ungeduldig und sprach voller Verzweiflung folgende Verse:

»Lang ist der Weg, groß mein Schmerz und brennend die Liebesflamme meines Herzens. Meine Leiden haben mein Haar grau gefärbt, denn ich schwöre, sie sind so schwer, dass der höchste Berg sie nicht tragen könnte. Erkundigt euch bei der Nacht nach mir, sie wird euch sagen, dass sie mich nie anders als von Sehnsucht verzehrt gesehen. O Dunia, meine Liebe tötet mich und nur die Hoffnung einer Vereinigung gibt mir Kraft, weiterzuziehen!«

Er fragte dann den Wesir, wie weit noch bis zu den Kampferinseln wäre, und er wurde untröstlich, als er hörte, er habe noch zwei Monate zu reisen. Aber er fasste wieder neue Geduld und Hoffnung, als nachts im Traum seine Geliebte ihn besuchte und sich in seine Arme warf. »Dies«, sagte der Wesir, als ihm der Prinz seinen Traum erzählte, ist ein gutes Zeichen; sei nur munter und fröhlich.« Nach einer Reise von vier Monaten entdeckten sie endlich in der Ferne einen weißen Punkt und Asis sagte zu Tadj Almuluk, als eben die Sonne aufging: »Dieser weiße Punkt ist die Stadt, die wir suchen.« Tadj Almuluk war vor Freude außer sich, ging mit neuer Kraft vorwärts und stieg, da er als Kaufmann reiste, in einer Kaufmannsherberge ab, die noch größer war, als die, in welcher früher schon Asis mit seiner Karawane gewohnt hatte. Hier lud er seine Waren ab, brachte sie in die Magazine und ruhte vier Tage aus. Der Wesir hielt es dann für ratsam, ein großes, geräumiges Haus zu mieten, wo man viele Feste geben und recht viel Aufsehen erregen könnte. Als sich ein solches Haus gefunden hatte, sagte er zum Prinzen: »Das genügt noch nicht, um unsern Zweck zu erreichen; wir müssen nun auf dem großen Waren-Bazar einen Laden mieten; du wirst durch deine Schönheit bald bewundert werden, und Asis kann als dein Gehilfe bei dir sitzen; so werden wir, so Gott will, nach und nach zum Ziele gelangen.« Sie gingen nun zusammen auf den Bazar, und alle Leute, die den Prinzen sahen, sagten: »Der Engel Rhidwan hat die Pforten des Paradieses schlecht bewacht, so dass dieser schöne Jüngling entweichen konnte;« ein anderer sagte: »Das ist gewiss ein Engel.« Der Wesir erkundigte sich auf dem Bazar nach dem Obersten der Kaufleute, und man führte ihn in seinen Laden, wo viele Kaufleute versammelt waren, welche alle den Wesir seines ehrwürdigen Aussehens willen mit vieler Auszeichnung aufnahmen.

Auch der Oberste stand sogleich vor dein Wesir auf, grüßte ihn freundlich, bewillkommte ihn, hieß ihn neben sich sitzen und fragte ihn, ob er irgend ein Anliegen habe? Er antwortete: »Mein Herr, ich bin ein alter Mann und Vater dieser beiden Söhne, mit denen ich schon alle Länder durchreist habe; ich pflege immer in den großen Städten ein Jahr zuzubringen, damit meine Söhne sich zerstreuen und deren Einwohner kennen lernen. Ich habe nun auch hier schon eine Wohnung gemietet und wünsche nun noch einen schönen Laden in der günstigsten Lage des Bazars, damit meine Söhne mit dem hiesigen Handel und den hiesigen Kaufleuten bekannt werden.« Der Oberste, welchen das schöne Gesicht des Prinzen und Asis' bestach, rief voll Entzücken aus: »Gepriesen sei Allah, der dir so hübsche Söhne beschert«, und ging sogleich wie ein Diener selbst mit dem Wesir, und wies ihm einen sehr schönen und geräumigen Laden an, dessen Fächer von Elfenbein und Ebenholz waren, übergab ihm die Schlüssel dazu und wünschte ihm viel Glück. Der Wesir dankte ihm und ließ seine Waren aus den Magazinen in den Laden bringen. Als am folgenden Morgen alle Waren im Laden waren, ging der Wesir mit dem Prinzen und Asis ins Bad; da der Oberste der Kaufleute hörte, dass sie ins Bad gegangen, begab er sich auch dahin und wartete im Saal, bis sie aus dem Badezimmer herauskamen. Auf einmal erschienen der Prinz und Asis mit roten Wangen, schwarzen Augen und glänzender Haut; sie glichen zwei Monden und gingen bescheiden einher wie zwei Gazellen. Der Oberste sagte ihnen: »Euer Bad bekomme euch wohl!« Tadj Almuluk erwiderte: »Wärest du doch mit uns ins Bad gekommen!« Beide gingen dann auf ihn zu und küssten ihm die Hand und erboten sich, noch einmal mit ihm ins Badezimmer zu gehen, um ihn zu bedienen, weil er ihnen einen so schönen Laden angewiesen. Als sie zum zweiten Mal im Bad waren, ließ Asis keinen anderen den Obersten mit Wasser begießen und der Prinz wusch ihn mit eigener Hand. Der Oberste wollte es zwar nicht zugeben, aber der Wesir sagte: »Betrachte meine Söhne nur als die deinigen.« Darauf antwortete der Oberste: »Gott erhalte sie, gewiss werden sie über die ganze Stadt Segen verbreiten!« Als der Oberste so von Asis begossen und von dem Prinzen gewaschen wurde, glaubte er, er wäre im Paradies. Nachdem er am ganzen Körper gewaschen war, brachten die Diener seine Tücher und trockneten ihn ab; dann zog er sich an und verließ mit dem Wesir, dem Prinzen und Asis das Badehaus. Im Heimgehen sagte der Wesir zum Obersten: »O mein Herr, ist nicht das Bad der höchste Genuss auf Erden?« Der Oberste antwortete: »Gott lasse es dir und deinen Söhnen wohl bekommen und bewahre sie vor dem bösen Auge!« Tadj Almuluk rezitierte dann folgende Verse:

»Das Leben im Bad ist das allerschönste Leben, nur schade, dass man so kurz darin verweilt. Es ist ein Paradies, in dem man aber nicht gern lange weilt, und eine Hölle, in die man gerne geht; man lebt im Wasser auf wie Moses, und im Feuer wie Abraham.«

Asis sagte dann: »Ich weiß auch einige Verse über das Bad«, und auf Verlangen des Obersten rezitierte er folgende:

»Ich kenne ein Haus, in welchem die schönsten Blumen aus harten Steinen aufblühen, es ist entzückend, während rund umher ein Höllenfeuer brennt. Es ist ein Paradies, das wie die Hölle aussieht, darin wandeln viele Sonnen und Monde umher.«

Dem Obersten gefielen diese Verse so gut, dass er den Wesir mit den Jungen zu sich einlud; aber sie nahmen es nicht an, sondern gingen in ihr Haus. Am folgenden Morgen standen sie auf, wuschen sich, beteten, frühstückten und öffneten ihren Laden, nachdem sie die kostbarsten Teppiche, Diwane und Matten dahin geschafft hatten. Der Wesir saß mitten im Laden, und an seinen beiden Seiten saßen der Prinz und Asis; vor jedem standen zwei Diener, außer vielen andern, die im Hintergrund allerlei Arbeiten verrichteten. So blieben sie den ganzen Tag beisammen und sahen aus, als kämen sie vom Paradies. Bald verbreitete sich ihr Ruf durch die ganze Stadt, und alle Leute drängten sich in ihren Laden, um die kostbarsten Waren und die schönen Jünglinge zu sehen. Der Prinz, aus Furcht sich zu verraten, wagte es nicht, nach seiner Geliebten zu fragen, und seufzte und schmachtete lange vergebens nach ihr; es schmeckte ihm weder Essen noch Trinken, und er wurde sehr mager und blass. Eines Tages, als er im Laden saß, blieb eine Alte mit zwei Sklavinnen vor dem Laden stehen und bewunderte sein schönes Gesicht und seinen hübschen Wuchs, und rief aus. »Gepriesen sei Allah, der ihn geschaffen und wie den schönsten Baumzweig gebildet: das ist kein Mensch, das ist ein edler Engel!«

Diese Alte war die Erzieherin der Prinzessin Dunia, die er durch seine persönlichen Vorzüge, sowie durch königliche Geschenke, so sehr für sich einnahm, dass sie ihm ihre Dienste anbot, und durch ihre und des königlichen Gärtners Vermittlung gelang es ihm, Dunias Herz und Hand zu gewinnen.

Als der Wesir Dendan diese Erzählung vollendet hatte, sagte Dhul Makan: »Niemand weiß, wie du, ein betrübtes Herz aufzuheitern.« Der Wesir versprach ihm, die nächste Nacht noch eine schöne Geschichte zu erzählen. Indessen dauerte die Belagerung von Konstantinopel vier Jahre lang, und die Truppen waren ermüdet von vielem Arbeiten und Wachen und beklagten sich beim Wesir. Der Wesir kam zu Dhul Makan und sagte ihm: »Die Truppen fangen an zu murren, sie sehnen sich nach ihrer Heimat zurück.« Dhul Makan ließ die Anführer der Armee versammeln und fragte sie, ob sie wohl abziehen wollten, ohne für den König Omar und dessen Sohn Scharkan Rache genommen und ohne die Alte gehängt zu haben, die an allem Unheil schuld sei? Die Heerführer übertrugen ihre Stimmen dem Wesir, und dieser sagte dem König: »Ein längeres Bleiben wäre jetzt doch ganz fruchtlos; ich halte es für besser, jetzt heimzukehren und nach einiger Zeit wieder die Kreuzanbeter plötzlich mit allerlei Kriegsmaschinen und Belagerungswerkzeugen zu überfallen.« Dhul Makan willigte in den Abzug ein, denn auch er sehnte sich nach seinem Sohn Kana ma Kana und seiner Nichte Kadha.

Dhul Makan ließ alsbald bekannt machen, dass er in drei Tagen aufbrechen würde, und die ganze Armee bereitete sich höchst entzückt zur Rückreise vor, Am vierten Tag erschallten die Trompeten und Zimbeln, die Fahnen entfalteten sich und die Truppen brachen freudig auf, mit dem König und dem Wesir an ihrer Spitze. Ganz Bagdad war auf den Beinen, als die Armee zurückkehrte und Freunde und Verwandte sich wieder sahen. Der König eilte in sein Schloss, wo er seine Gattin und seinen nunmehr siebenjährigen Sohn Kana wieder sah.

Als der König von der Reise ausgeruht hatte, ging er mit seinem Sohn ins Bad, dann bestieg er den Thron, den seine Wesire und Vornehmen des Reichs umgaben, und ließ den Badheizer rufen, gegen den er so viele Verbindlichkeiten hatte. Als er hereintrat, standen der König und alle Großen vor ihm; der Badheizer, der so fett und dick geworden, dass sein Hals dem eines Elefanten glich, war höchst erstaunt, als man ihm so viele Ehre erwies, denn er erkannte den König nicht. Aber dieser näherte sich ihm und sagte: »O wie schnell hast du mich vergessen!« Als er ihn wieder erkannte, umarmte er ihn und sagte.- »Mein Freund! wer hat dich zum Sultan gemacht?« Alle Umstehenden lachten über ihn und Dendan sagte ihm: »Sei nur ehrerbietig, dein ehemaliger Freund ist jetzt Sultan, du bist ihm noch teuer; drum, wenn er dir sagt, du sollst dir etwas wünschen, so fordere nur recht viel.« Der Badheizer dankte ihm für seinen Rat und sagte: »Er wollte etwas verlangen, wovon ihm jede Nacht träume und das er stets im Sinne habe, vielleicht werde sein Freund es ihm gewähren.«

»Sei nur nicht schüchtern«, sagte der Wesir; »bei Gott! wenn du statt seines Bruders die Statthalterschaft von Damaskus von ihm forderst, wird er dir es auch gewähren.« Als nun Dhul Makan dem Badheizer sagte: »Wünsche dir, was du willst, und forderst du die Hälfte des Königreichs, soll es dir gewährt sein, weil du mir das Leben gerettet«, antwortete er: »Ich möchte etwas, aber ich fürchte, du wirst mir es abschlagen.« Der König wiederholte: »Gib mir nur deinen Wunsch zu erkennen, fürchte nichts!« Aber der Badheizer sagte mehrere Mal, er fürchte, es möchte dem König so leicht nicht sein, seinen Wunsch zu erfüllen, und er wolle es lieber nicht sagen; denn er fürchte, und so fort, bis endlich der König ihm zornig zurief: »Wie oft muss ich dir noch sagen: fürchte nichts, es sei, was es wolle.« Da sagte der Badheizer: »Gib mir einen Firman, der mich zum Aufseher aller Badheizer von Jerusalem ernennt.« Der Sultan lachte, und alle Anwesenden lachten mit ihm und jener sagte: »wünsche dir etwas anderes.« Da sagte der Badheizer. »Habe ich nicht voraus gewusst, dass der Sultan mir meine Bitte nicht gewähren kann?« Der Wesir winkte ihm und hieß ihn etwas anderes wünschen. »Nun, ich will Oberster der Mistträger in Jerusalem oder Damaskus sein.« Alle Anwesenden lachten noch mehr, und der Wesir schlug ihn, Da sagte der Badheizer: »Was schlägst du mich? ich bin ja unschuldig; hast du mir nicht gesagt, ich dürfe das Allerhöchste wünschen? Wenn mir der Sultan dies nicht gewähren will, so verlasse ich Seine Hoheit und gehe in meine Heimat zurück,« Der König, welcher merkte, dass er nur Scherz treibe, näherte sich ihm dann und sagte: »Ich beschwöre dich, mache jetzt dem Scherz ein Ende und begehre etwas, das meiner Stellung gemäß ist.« Der Badheizer sagte: »Nun, wenn ich ernst sein soll, so bitte ich dich um die Statthalterschaft von Damaskus,« Der König sagte: »Sie sei dir verliehen«, und ließ ihm sogleich den Firman ausfertigen.

Dhul Makan sagte dann zum Wesir: »Du gehst mit Ihm nach Damaskus und kehrst bald wieder mit meiner Nichte Khada hierher zurück, dass ich sehe, wie es ihr gegangen und was sie gelernt hat.« In einem Monat war alles zur Reise bereit; der Wesir und der Badheizer nahmen dann Abschied vom Sultan, der diesem empfahl, in seiner Statthalterschaft Gerechtigkeit walten zu lassen und für das Wohl der Muselmänner besorgt zu sein. Auch verlangte er von ihm, dass er sich zum heiligen Kampf gegen die Ungläubigen rüste, damit er mit seinen Truppen erscheine, sobald er dazu aufgefordert würde, und dann nahmen sie Abschied voneinander. Der Badheizer, dem Dhul Makan den Namen Sultan Siblakan und den Ehrennamen Mudjahid gab, reiste mit fünftausend Mamelucken ab, die ihm die Großen Bagdads geschenkt hatten, und Rustem und die anderen Heerführer der Muselmänner begleiteten ihn drei Tage weit. Als er in Damaskus ankam, wo man schon durch Eilboten und durch Vögel von seiner Ernennung zum Statthalter Nachricht hatte, fand er die ganze Stadt festlich geschmückt, und alle Bewohner, groß und klein, jung und alt, Freie und Sklaven, kamen ihm entgegen. Er begab sich in die Zitadelle mit dem Wesir, der ihn in allem unterrichtete, bestieg den Thron, teilte viele Geschenke aus und regierte mit so vieler Einsicht, dass ihn der Wesir bewunderte. Er beschäftigte sich dann bald mit der Ausstattung Kadhas, der Tochter Scharkans; er ließ ihr eine schöne Sänfte machen, schenkte ihr zwei Sklavinnen zur Bedienung und übergab sie dem Wesir, der sie in einem Monat nach Bagdad brachte. Dhul Makan, welcher dem Wesir, sobald er dessen Ankunft vernahm, entgegenging, freute sich sehr, A er seine achtjährige Nichte sah, doch rief ihr Anblick eine schmerzliche Erinnerung an ihren Vater zurück; er ließ ihr viele Kleider zuschneiden und kostbaren Schmuck verfertigen, und sie musste mit seinem Sohn Kana zusammenwohnen, Beide wurden sehr geschickt, doch war Kadha durch ihren Verstand und durch ihre Beredsamkeit ausgezeichnet, während Kana etwas leichtsinnig, hingegen äußerst freigebig und edelmütig war. Sie ritten oft miteinander aus und übten sich im Schlagen und Fechten. Als sie beide zwölf Jahre alt waren und der König alle Vorbereitungen zum heiligen Kampf getroffen hatte, ließ er den Wesir rufen und neben sich sitzen, und nachdem er ihn reichlich beschenkt hatte, sagte er ihm: »Ich muss dich um Rat fragen, ob ich recht tue, wenn ich die Regierung meinem Sohne Kana übertrage, damit ich mich bei meinem Leben noch an seiner Herrschaft freue. Der Wesir riet ihm ab, weil erstens der Prinz noch zu jung war, und weil zweitens gar oft ein Sultan, der die Herrschaft seinem Sohn überlässt, bald darauf stirbt. Der König stimmte ihm bei und fragte ihn dann, ob er dazu rate, dass er seinen Sohn Kana mit seiner Nichte Kadha vermähle, da doch beide gleich schön und liebenswürdig und dasselbe Alter und denselben Rang haben? Der Wesir antwortete: »Verfahre in dieser Sache, wie es dir gut dünkt; wir werden deinem Befehl gehorchen.« Der König ließ sogleich den Verwalter, den Gatten seiner Schwester, rufen, ernannte ihn in Gegenwart aller Großen des Reichs zum Vormund seines Sohnes und ließ ihn den Eid der Treue schwören.

Dhul Makan ging dann zu seiner Schwester Nushat Assaman und empfahl ihr seinen Sohn Kana und dessen Mutter, und sie versprach ihm, Kana wie ihren eigenen Sohn zu lieben. Sodann predigte Dhul Makan seinem Sohn Tag und Nacht über das, was er nach seinem Tod zu tun habe, denn er fühlte wohl, dass seine Stunde nicht mehr fern sein würde. In der Tat war er bald so krank, dass er wenig Hoffnung mehr zur Genesung hatte. Er ließ dann wieder seinen Sohn und den Wesir rufen, und als beide neben ihm saßen, sagte er jenem: »Mein Sohn! betrachte diesen Wesir als deinen Vater, ebenso auch den Verwalter, den ich zu deinem Pflegevater ernannt, denn ich werde bald aus dieser vergänglichen Welt in jene ewigdauernde übergehen. Es tut meinem Herzen weh, mich von dir, meiner Gattin und meiner Schwester zu trennen. Noch etwas wird aber bis zur Sterbestunde mich kränken; es ist der Tod deines Großvaters Omar und deines Oheims Scharkan, für die ich noch keine Rache genommen. Ich beschwöre dich daher bei Gott! wenn er dich nach mir beim Leben erhält, räche deinen Großvater und deinen Onkel an den Ungläubigen, besonders an der verruchten Dsat Dawahi; doch nimm dich wohl in acht vor ihrer List und Bosheit, und befolge den Rat des Verwalters und des Wesirs.« Als Kana diese Worte hörte, flossen seine Augen in Tränen über, und auch der alte Wesir musste weinen. Indessen zog sich die Krankheit des Sultans noch mehrere Jahre hin. Der Verwalter leitete inzwischen alle Regierungsangelegenheiten und fand überall Treue und Gehorsam. Kana und seine Braut Kadha brachten ihre ganze Zeit mit Fechten, Reiten, Schießen und Jagen zu. Kanas Mutter aber verließ das Bett ihres immer schwächer werdenden Gatten nicht. Eines Tages, als Dhul Makan ganz allein auf seinem Krankenbett lag und über sein baldiges Scheiden von allem, was er besaß, nachdachte, rezitierte er folgende Verse:

»Meine Kraft ist gesunken, meine Zeit ist vorüber, ihr seht, in weichem Zustand ich mich nun befinde. In den Tagen des Glücks war ich der erste unter meinem Volk und derjenige, dem am wenigsten zu wünschen übrig blieb. Nun musste ich mein Königreich aufgeben und in einen Zustand der Schwäche und Untätigkeit verfallen. Meine Geduld und meine Standhaftigkeit sind dahin. Wenn nur Gott mir die Gnade schenkt, dass mein Sohn meinem Platz auf dem Thron einnehme, und mit Schwert und Lanze an meinen Feinden Rache ausübe; nur diesen Wunsch möchte ich noch vor meinem Tode erfüllt sehen.«

Als er diese Verse vollendet hatte, erschien ihm im Traum jemand, der ihm sagte.- »Sei nur froh, dein Sohn wird an deine Stelle treten und alle Länder mit seinem Namen erfüllen. Danke dem Herrn, dem Schöpfer des Weltalls, der seine Huld an dir vollendet, und betrübe dich nicht über den Verlust deines Königreichs, deiner Schätze und deines Lebens.« Wenige Tage nachher war seine bestimmte Lebenszeit abgelaufen, und er starb. Alle Bewohner Bagdads waren tief betrübt über seinen Tod, und er wurde von Vornehmen und Niederen beweint. Doch bald wurde er vergessen, und seine Gattin und ihr Sohn Kana wurden immer mehr vernachlässigt. Sie mussten zusammen in einem Zimmer wohnen und erhielten nur ein spärliches Monatsgeld.

Kanas Mutter ging weinend zu Nushat Assaman und sagte ihr in Anwesenheit ihres Gatten, des Verwalters: »O große erhabene Herrin! Der Verstorbene hat keinen Freund mehr; Gott lasse Euch nie in Not kommen und fahre fort, Euch über alle Eure Untertanen mit Gerechtigkeit regieren zu lassen. Ihr wisst, was wir einst an Vermögen, Rang und Macht besaßen, und nun ist alles dahin durch den Tod meines Gatten; ich komme daher, um Eure Hilfe zu erflehen.« Nushat Assaman war gerührt, als sie wieder an ihren Bruder erinnert wurde; sie tröstete die Witwe und versprach ihr allen Beistand, erwies ihr viele Ehre, schenkte ihr ein kostbares Kleid und ließ ihr im Schloss neben ihrer Wohnung ein geräumiges Zimmer einrichten, wo sie wieder einige Zeit recht vergnügt mit ihrem Sohn Kana lebte. Dieser wuchs herrlich heran und auch Kadha entwickelte sich zu einer reizenden Jungfrau; wenn sie beisammen waren, glichen sie zwei leuchtenden Sternen, oder zwei glänzenden Monden, oder zwei schlanken Baumzweigen. Kadha übertraf in ihrem fünfzehnten Jahr die Sonne an Schönheit; ihr Gesicht war voller Anmut, ihre Taille zart und die Küsse ihres Mundes süß wie ein Päradiesstrom. Auch Kana war ausgezeichnet durch seine unbeschreibliche Schönheit. Edelmut und Tapferkeit strahlten aus seinen Augen, und doch lag viel Sanftes und Süßes in allen seinen Zügen; er hatte hübsche Locken, und auch sein Bart fing an sichtbar zu werden.

Eines Tages war Kadha am Tigris, von Sklavinnen und Dienern umgeben; es war im Frühling, die Erde hatte ihr grünes Prachtgewand umhüllt und stolzierte mit ihren wunderbaren Blumen. Die Rosen dufteten unter dem Tau hervor, die Kamomille lächelte den sanften Zephyr an. Ihr Geliebter war nicht fern und bewachte sie vor dem bösen Auge, denn sie sah aus wie der leuchtende Mond. Aber sein Herz wurde verwundet von den Pfeilen ihrer Augen, sein Gemüt war aufgeregt und er brach in folgende Verse aus:

»Wann wird mein durch Trennung gemartertes Herz befriedigt werden? Ich klage Gott meine Pein und meinen Liebesgram; o wüsste ich doch nur, ob Kadha meine liebe teilt.«

,Als Kadha, von ihren Dienern und Sklavinnen umgeben, diese Verse hörte, war sie sehr aufgebracht und sagte zu Kana: »Willst du durch deine Verse mich zum allgemeinen Gerede machen? Bei Gott! wenn du das noch einmal tust, so beklage ich mich bei meinem Vater, dem mächtigen Sultan von Bagdad, der wird dich schon demütigen.« Kana ging betrübt in die Stadt allein zurück und Kadha erzählte ihrer Mutter Nushat Assaman, wie Kana durch seine Verse ihrem Ruf schade. Ihre Mutter sagte: »lass ihn, er ist ein armer Waise, er hat es nicht bös gemeint; hüte dich, deinem Vater etwas davon zu sagen, der würde sonst seinem Leben bald ein Ende machen; man würde bald so wenig wie vom gestrigen Tage mehr von ihm sehen, und in ganz Bagdad hieße es dann: Kana hat sich schlecht aufgeführt.« Kana wurde indessen immer verzweifelter; er machte gar kein Geheimnis aus seiner Liebe und schaffte seinem Herzen durch Gedichte Luft, bis endlich dem Verwalter, welcher nun den Namen Sasan führte, einige seiner Verse zu Ohren kamen. Er ging sogleich zu seiner Gattin und sagte: »Sittlichkeit und Zusammenleben junger Leute verschiedenen Geschlechts vertragen sich so wenig miteinander, als Holz und Feuer; bei Königen sollen nicht einmal Bruder und Schwester in einem Hause wohnen; solange Augen blicken und Hüften sich wiegen, sind Jünglinge und Mädchen nicht sicher beieinander; darum wäre es wohl jetzt auch Zeit, da Kana das Mannesalter erreicht hat, dass ihm kein Zutritt mehr zu Kadha gestattet werde, welche doch wohl verdient, dass man sie sorgfältig bewache.«

Nushat Assaman gab dem Verwalter recht, und als am folgenden Tage Kana wie gewöhnlich zu seiner Tante kam, sagte sie ihm: »Ich fühle mich gezwungen, dir einen guten Rat zu erteilen: der Sultan hat von den Versen gehört, die du in deiner Leidenschaft gedichtet, und mir den Befehl erteilt, dir den Zutritt zu Kadha zu versagen; drum komme gar nicht mehr ins Haus, und wenn du was brauchst, so lass mich herausrufen, ich reiche dir, was du verlangst, zur Türe hinaus.« Kana konnte vor Zorn und Tränen kein Wort herausbringen. Er eilte zu seiner Mutter und erzählte ihr, was ihm seine Tante gesagt. Seine Mutter sagte: »Das kommt von deinem vielen Reden und Ausplaudern deines Geheimnisses; du weißt, dass Kadha durch ihre Schönheit berühmt ist, und da ihr Vater dich erzogen hat, so hättest du mit ihr keine Liebschaft anknüpfen sollen.« Kana erwiderte hierauf: »Und wer verdient denn eher als ich ihr Gatte zu werden? Bin ich nicht ihr Vetter?« Seine Mutter antwortete ihm: »lass ab von solchen Reden und hüte dich wohl, so etwas einem anderen als mir zu sagen; denn wenn der König Sasan so etwas hört, so ist es um dich geschehen; wer Kadha heiraten will, muss zuerst in den Himmel steigen und das Zwillingsgestirn herunterholen.« Kana war höchst bestürzt, als er seine Mutter so sprechen hörte, und nach einer Weile sagte er ihr: »Wenn dem so ist, kann ich nicht länger hier bleiben; lass uns von hier wegziehen!« Seine Mutter weinte heftig und willigte zuletzt ein. Sie ging in Sasans Palast und nahm das Nötige für sich und ihren Sohn; da begegnete ihr Kadha mit ihrer Mutter und erkundigte sich nach ihrem Sohn, und als sie ihr seinen Zustand schilderte, sagte Kadha: »Bei Gott! ich habe ihn ungern aus meiner Nähe verstoßen, denn ich liebe ihn noch heftiger, als er mich liebt, ich fürchte nur die Bosheit der Menschen; ich bin ihm von meiner Jugend her recht gut. Meine Zunge ist ohnmächtig, alle Liebe auszusprechen, die ich für ihn fühle, und wäre die seinige nicht so voreilig gewesen, so hätte ihm mein Vater seine Gunst nicht entzogen; doch die Zeiten sind veränderlich und die schönste Tagend ist Geduld; vielleicht wird derjenige, welcher jetzt unsere Trennung beschlossen, auch einst wieder uns vereinigen.« Kanas Mutter dankte ihr und ging wieder zu ihrem Sohn zurück, um ihn durch Kadhas freundliche Worte zu trösten. Dieser Trost belebte ihn wieder von neuem, aber seine Leidenschaft wurde auch wieder um so heftiger. Er lebte lange noch auf feurigen Kohlen, bis er siebzehn Jahre alt war; da dachte er in einer schlaflosen Nacht. Wie lange soll ich noch hier bleiben und meinen Körper zusammenschmelzen lassen, ohne meine Geliebte zu sehen? Mein Aufenthalt hier ist zu peinlich, ich habe nicht einmal einen Freund, dem ich meinen Kummer vertrauen kann: es ist besser, ich verlasse dieses Land, Er ging hierauf barfuss und halb nackt aus seiner Wohnung, mit einer alten siebenjährigen Mütze auf dem Kopf, einem trockenen Laib Brot unter dem Arm und in einem Kleid mit kurzen Ärmeln und wartete im Dunkeln, bis das Stadttor geöffnet wurde, dann lief er den ganzen Tag im Freien umher. Seine Mutter war verzweifelt, als sie ihn nicht wiederkommen sah, und schrie weinend.- »O mein einziger Freund, o mein Sohn, o Verlangen der Edlen, wie betrübt mich deine Abwesenheit! Ich will nicht mehr essen und nicht mehr trinken und nicht mehr ruhen, ich will nichts als weinen und jammern; o mein Sohn, wo bist du? wo soll ich dich rufen? wo bist du, Dhul Makan? siehst du nicht, wie dein Sohn aus seiner Heimat vertrieben worden? du warst doch so gerecht, hast alle Hungrigen gesättigt und den Schutzlosen Hilfe gereicht.« Sie jammerte und weinte solange, dass sie alle Bewohner Bagdads rührte. Einige gingen zum König Sasan und sagten: »O König der Zeit! Kana ist doch der Sohn unseres Königs, wir müssen ihn aufsuchen lassen.« Er schrie sie aber heftig an und sagte: »Ergreift ihn und teilt ihn in zwei.« Alle Anwesenden wurden durch diese Worte eingeschüchtert und sagten für sich: »Wir müssen geduldig Gottes Beschluss abwarten.« Später erinnerte sich Sasan doch des letzten Willens des verstorbenen Königs, worin er ihm seinen Sohn empfahl. Er schickte Derkasch mit hundert Reitern aus, um ihn aufzusuchen, Derkasch kam aber nach zehn Tagen ohne Nachricht von ihm zurück. Kana irrte indessen in der Wüste umher, nährte sich von den Pflanzen der Erde und schützte sich gegen die Mittagssonne unter den Bäumen. Einst kam er in ein Tal in der Nähe eines Flusses, da hörte er in der Nacht, wie jemand seufzte und weinte und Liebesgedichte rezitierte; da er hoffte, hier einen tröstenden Freund und Reisegesellschafter zu finden, ging er der Stimme nach und rief: »O nächtlicher Wanderer, nähere dich mir und erzähle mir deine Geschichte, vielleicht kann ich dir in deinem Unglück beistehen. Der Fremde antwortete: »Zudringlicher, der du mich in meiner Freude störst und mich belauschest, sage mir, wer bist du? Bist du ein Mensch oder ein Geist? Nur schnell, ehe dein Tod sich naht; denn ich wandere schon zwanzig Tage umher, ohne einem lebendigen Wesen zu begegnen. Bist du ein Geist, so ziehe weiter in Frieden; bist du ein Ritter, so bleibe an deinem Platz stehen, bis der Tag heranbricht, da wird sich's zeigen, wer von uns der Wackerste.« Kana wich, als er dies hörte, nicht von der Stelle, und der Fremde ebenso wenig, und beide rezitierten die ganze Nacht durch Liebesgedichte. Als der Tag heranbrach, sah Kana, dass der Fremde ein Beduine war. Er trug Schwert und Schild und einen Schlauch voll Lebensmittel, und sah verliebt und unglücklich aus. Kana grüßte ihn und der Beduine erwiderte seinen Gruß, sah ihn verächtlich an, weil er so jung und arm aussah, und sagte: »Wer bist du, Junge, dass du so in der Nacht umherwanderst? Du siehst ziemlich armselig aus, ich habe Mitleid mit dir und will dich in meine Dienste nehmen.« Als Kana merkte, dass der Beduine mit Verachtung auf ihn herabsah, sagte er mit sanfter Stimme: »Lasse meine Jugend und dein Anerbieten, mich in Dienst zu nehmen, und sage mir, wer du bist.«

Als der Beduine Kanas Bitte vernommen, erwiderte er ihm: »Wisse, ich bin Sabach, der Sohn Rabachs, des Sohnes Hamams, und mein Stamm gehört zu den syrischen Beduinen. Ich habe eine reizende Cousine, welche Nedjma heißt. Nach dem Tode meines Vaters wurde ich mit ihr bei meinem Oheim erzogen. Als wir aber beide herangewachsen waren, verstieß mich mein Oheim, weil ich ein armer Waise bin. Die Vornehmen des Stammes gingen zu ihm und redeten ihm zu, mir seine Tochter zur Frau zu geben. Er schämte sich, mir sie geradezu zu verweigern, und sagte: »Wenn er die Morgengabe entrichten kann, so soll er sie haben.« Als ich ihn aber fragte, was er als Morgengabe verlange, sagte er: »Fünfzig Pferde, fünfzig Kamele, zehn Sklaven und zehn Sklavinnen, fünfzig Kamele voll Weizen und ebensoviel mit Gerste, und fünfzig Stück Seidenstoff.« Bei dieser Forderung beschloss ich, von Syrien nach Irak zu reisen und in der Nähe von Bagdad eine reiche Karawane auszuplündern, um das von mir als Morgengabe Verlangte bezahlen zu können. Nun sage mir aber auch, wer du bist. - »Ich bin der Sohn des Königs Dhul Makan, und befinde mich in derselben Lage, wie du; ich bin nur noch unglücklicher, weil meine Geliebte eine Prinzessin ist, für die ich keine Morgengabe auftreiben kann.«

»Du siehst wahrlich eher einem Bettler, als einem Prinzen gleich.«

»Edler Araber«, versetzte Kana, »wundere dich nicht über die Launen des Schicksals, das mich so tief gebeugt; der Aufenthalt in meiner Heimat, ohne meine Geliebte zu sehen, wurde mir so drückend, dass ich in diesem Aufzug nächtlich entfloh; aber nichtsdestoweniger bin ich ein königlicher Prinz.« Als der Beduine Sabach dies hörte, rief er freudig: »O welches Glück! mein Ziel ist erreicht, nun brauche ich nichts mehr; du bist von königlichem Geblüte und hast dich nur als Bettler verkleidet; gewiss werden die Deinigen dich aufsuchen und, wenn sie dich finden, die größten Schätze für dein Lösegeld bieten; kehre also um, Junge, und gehe als mein Sklave vor mir her.« Kana erwiderte: »O edler Araber, handle nicht so schlecht und mache dir keine eitlen Hoffnungen; meine Leute werden mich nicht um eine Drachme loskaufen, sie wünschen im Gegenteil nichts mehr, als mich ins Verderben gestürzt zu wissen, um Ruhe zu bekommen, und ich selbst bin sehr arm, habe nicht viel und nicht wenig; lass uns lieber zusammen fern von Irak umherreisen, vielleicht können wir miteinander die Morgengabe erringen, so dass du dann deine Cousine heiraten kannst.« Der hochmütige Sabach war sehr aufgebracht und sagte: »Wehe dir! du wagst es noch, mir zu widersprechen? Gleich kehre dich um und gehe vor mir her, sonst geht es dir schlecht.«

»Wie soll ich dir gehorchen«, versetzte Kana, »wenn du so ungerecht gegen mich handelst? Fürchtest du nicht den Tadel der Araber? Willst du mich demütig vor dir herführen, ohne mich vorher auf dem Kampfplatz erprobt zu haben? Weißt du denn, ob ich feig oder tapfer bin?« Sabach sagte lächelnd: »Bei Gott! das sind Worte eines wackeren Helden; nun, was hältst du denn für billig?« Kana antwortete: »Wenn du willst, dass ich dein Diener werde, so lege deine Waffen ab und ringe mit mir; wer von uns siegt, der gebiete dem andern.« Sabach lachte so heftig, dass er auf den Rücken fiel; dann warf er Schwert und Schild und den Sack mit Vorrat weg, schürzte sich auf und ging auf Kana los, und umfasste ihn in der Meinung, ihn leicht auf den Boden zu werfen; aber er fand bald, dass Kana im Ringen unüberwindlich. Seine Füße standen so fest, wie zwei auf sicheren Pfeilern ruhende Minarette, oder wie zwei Berge. Schon wankten seine Füße und er bereute es, ihn nicht gleich mit dem Schwert getötet zu haben; er wollte daher auf das Schwert losspringen, aber Kana hielt ihn fest und schüttelte ihn so heftig, dass ihm die Eingeweide zerrissen, dann hob er ihn in die Höhe, und wollte ihn in den Fluss werfen.

Sabach schrie in Kanas Armen: »Was beginnst du mit mir?«

»Ich werfe dich in den Fluss, welcher sich in den Tigris ergießt, der dich dann in den Jesusbach trägt, und letzterer bringt dich in den Euphrat, mit dem du in deine Heimat schwimmst. Dort wird man dich erkennen und deine Tapferkeit loben und deine treue Liebe.« Sabach schrie: »Bei dem Leben deiner Cousine, der Zierde aller Schönen, lass mich!« Kana ließ ihn langsam zu Boden nieder. Als aber Sabach wieder auf seine Waffen zuging, um Kana damit anzugreifen, sagte ihm dieser:, »Ich weiß, was in dir vorgeht, du denkst, im Ringen bist du der Schwächere, aber mit den Waffen in der Hand würdest du mich besiegen; nun, damit dir gar kein Vorwand bleibe, ergreife du dein Schwert, lass mir nur den Schild, wir wollen sehen, wer von uns den anderen erschlägt.« Sabach freute sich mit diesem Vorschlag und drang mit dem Schwert auf Kana ein; dieser schlug gar nicht, sondern verteidigte sich nur mit dem Schild, bis er merkte, dass Sabachs Kräfte abgenommen, und seine Hände vom Schlagen ermüdet waren; dann erst drang er auf ihn ein, stürzte ihn zu Boden und schleppte ihn an den Füßen dem Flusse zu. Sabach schrie: »Was willst du tun, du einziger Ritter deiner Zeit?«

»Habe ich dir nicht gesagt, ich will dich den Deinigen zusenden, dass sie nicht länger um dich verlegen seien und deine Cousine ihren Bräutigam wieder finde?« Sabach schrie wieder. »Tu dies nicht, du Held deines Jahrhunderts! ich will dir schwören, dass ich dir als Diener folge.« Er rezitierte dann weinend folgende Verse:

»Wehe mir! Ich lebe schon lange fern von meiner Heimat als verstoßener Fremdling; o wüsste ich, ob ich in der Fremde sterben soll, ohne dass meine Verwandten meinen Tod erfahren, ohne dass ein Freund mich beweine!«

Kana bemitleidete ihn und ließ ihn los, nachdem er ihm einen Eid abnahm, dass er ihm als treuer Gefährte folgen wolle. Sabach holte dann, nachdem er Kana die Hand geküsst, seinen Vorrat an Gerstenbrot herbei und verzehrte ihn mit Kana am Ufer des Flusses; hierauf wuschen sie sich, beteten und unterhielten sich von ihren Familien-Angelegenheiten. Kana fragte dann Sabach: »Wohin möchtest du jetzt reisen?« Er antwortete: »Am liebsten nach Bagdad, in deine Heimat.« Da sagte Kana: »So zieh hin, ich sage dich von deinem Eid los und folge dir bald.« Als aber Sabach von ihm Abschied genommen hatte, dachte er.- Bei Gott! in einer solchen Armut und in so elendem Zustand kehre ich nicht in die Heimat zurück, vielleicht wird mir durch Gottes Gnade geholfen. Er fiel dann vor dem Fluss zu Boden und betete: »O Gott! der du die Erde durch Regen befruchtest, den Fischen im Meer und dem Wurm im steinigen Boden ihre Nahrung reichst, du einziger Gott, habe Mitleid mit mir, und spende mir deine gnädige Hilfe!« Während er so in Verzweiflung mit der Stirne auf der Erde hingestreckt lag, hörte er ein Geräusch in der Ferne; er sah umher und erblickte einen Ritter, der wie der Blitz auf einem Pferd herbeisprengte. Der Ritter war verwundet, ließ dem Pferd die Zügel frei und hielt sich am Hals fest; als er zu Kana kam, der sich inzwischen erhoben hatte, war er in den letzten Zügen: das Blut strömte aus seiner Wunde wie Wasser aus der Mündung eines Schlauchs hervor, kaum hatte er noch Kraft genug, Kana zuzurufen: »O Herr der Araber! hebe mich langsam vom Pferd herunter und sieh mich als deinen Freund an, solange ich noch lebe, und gib mir ein wenig Wasser, obschon ein Verwundeter, besonders wenn ihm bald die Seele ausgeht, nicht trinken sollte. Wenn ich leben bleibe, so mache ich deiner Armut ein Ende, und wenn ich sterbe, so hast du durch deine Tat dir himmlischen Lohn erworben.« Kana bemitleidete den Ritter, hob ihn von seinem Pferd herunter, welches das beste seiner Zeit war, gab ihm Wasser zu trinken und, nachdem er ihn, ein wenig in Ruhe gelassen, fragte er ihn. »Wer hat dich so mißhandelt?« Der Ritter antwortete. »Wahrheit ist besser als Trug, darum wisse, dass ich mein ganzes Leben als Pferderäuber zugebracht habe; sobald ich ein gutes Pferd sah, jagte ich ihm nach und scheute keine Gefahr, um mir es zuzueignen, und wenn es dessen Eigentümer zwischen seinen Augenlidern verborgen hielt; ich kann alle Ketten lösen und jedes Band zerreißen; mein Name ist Ghasan, und man nennt mich das Verderben aller Rosse und das Schrecknis aller Ritter. Ich hatte auch von diesem Pferd gehört, das dem König Feridun, dem Kreuzanbeter von Konstantinopel; gehörte, er hatte ihm den Namen Katul (das Tötende) und den Beinamen Madjnun (das Verrückte) gegeben, ich reiste daher nach Konstantinopel und blieb eine Weile dort, um es zu stehlen. Eines Tages sah ich auf diesem Pferd eine bei den Griechen hochverehrte alte Frau, ihr Name war Dsat Dawahi (die Unheilverbreitende). Sie war bloß von zehn Sklaven begleitet und begab sich nach Bagdad zum König Sasan, um Friedensverhandlungen mit ihm anzuknüpfen; Ich folgte Ihr, konnte aber nicht zum Pferd gelangen, weil es zu gut von den Sklaven bewacht wurde. Als sie endlich nicht mehr weit von Bagdad war und ich nachdachte, wie ich das Pferd mir zueignen könnte, ehe sie die Stadt erreicht, erhob sich ein mächtiger Staub, und fünfzig Reiter, welche Straßenräuber waren, kamen herbei mit ihrem Hauptmann, der wie eine zürnende Hyäne oder wie ein reißender Löwe aussah, Der Hauptmann, welcher Kadasch hieß, umzingelte mit seinen Räubern die Alte, und in einem Augenblick hatte er die zehn Sklaven gefesselt und die Alte und das Pferd weggenommen; da dachte ich, nun ist alle meine Mühe vergebens, mein Wunsch wird nicht in Erfüllung geben; ich blieb indessen doch in der Nähe, um zu sehen, wie das enden würde. Die Alte fing an zu weinen, als sie sich in solcher Not sah, und sagte: O mächtiger Held! was willst du von mir und meinen Sklaven? hast du nicht genug an meinem Pferd? ich bin ja nur eine Abgesandte; sie flehte dann solange und versprach ihm so viele Pferde und anderes Vieh, bis er sie losließ und mit seinen Räubern wieder weiterzog. Ich folgte ihm bei Tag und bei Nacht, bis ich eine Gelegenheit fand, das Pferd zu stehlen; dann bestieg ich es schnell und trieb es fort; aber die Räuber holten mich ein, umzingelten mich von allen Seiten und drangen mit ihren scharfen Schwertern auf mich ein; ich hielt mich zwar fest auf dem Pferd, das für mich kämpfte mit den Vorder- und Hinterbeinen, bis es endlich wie ein fliegender Stern oder abgeschossener Pfeil mit mir davonsprang. Doch erhielt ich im Kampf eine schwere Wunde, und nun reite ich schon drei Tage umher, ohne etwas zu genießen oder zu schlafen, und das Blut strömt immerfort aus meinen Wunden. Du hast mir nun eine große Wohltat erwiesen, die dir Gott vergelten mag; aber sage mir doch, du siehst so arm und elend aus, und doch sind unverkennbare Spuren eines ehemaligen Wohlstandes an dir merkbar. wer bist du wohl?«

Als Kana dem Verwundeten hierauf seine ganze Geschichte erzählte und ihm Auskunft über seine Familie gab, sagte jener: »Du wirst gewiss einst noch recht groß werden, der größte aller arabischen Könige, denn nichts geschieht ohne Ursache: du wirst der berühmteste Ritter deiner Zeit werden; doch jetzt bitte ich dich, mich wieder auf mein Pferd zu heben, und dich hinter mich zu setzen und das Pferd in meine Heimat zu lenken, denn ich habe nicht mehr so viel Kraft, mich allein auf dem Pferd zu halten, sterbe ich unterwegs, so ist das Pferd dein, du bist dessen würdiger als jeder andere.« Kana sagte: »Bei Gott! wenn du es wünschest, ich würde dich auf meinen Schultern in deine Heimat bringen; und wenn ich über mein Leben verfügen könnte, so würde ich dir die Hälfte davon schenken, ohne dafür dein Pferd zu verlangen. Ich stamme von Leuten her, die gerne Wohltaten ausüben und Unglücklichen beistehen, weil man sich dadurch siebzig Unglückstore in der Hölle verschließt.« Als er ihn aber auf das Pferd heben wollte, sagte der Ritter: »Warte nur ein bisschen!« drückte die Augen zu, streckte die Hände aus und rief: »Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt, außer Gott, und dass Muhamed sein Prophet; o Erhabener, verzeihe mir meine großen Verbrechen, ich habe viele Gewalttaten ausgeübt, habe immerfort Wein getrunken und Pferde geraubt, habe manche Tat vollbracht, die ein Kind grau machen könnte.« Als er diese Worte gesprochen, sperrte er den Mund auf, und schöpfte den letzten Atemzug. Kana grub ihm ein Grab und legte ihn hinein; dann ging er auf das Pferd zu, trocknete es ab, küsste es und nahm den Weg nach Bagdad.

Kana freute sich außerordentlich mit seinem Pferd, er hielt sich für den glücklichsten Menschen und dachte: ein solches gibt es nicht einmal in den Ställen des Königs Sasan, und so wanderte er vergnügt weiter. Bald begegnete er einer Karawane von Bagdad, welche ihm die Nachricht gab, dass der Wesir Dendan eine Verschwörung gegen den König Sasan angezettelt habe, und dass schon ein Teil der Armee geschworen, sie wollten keinen anderen König, als Kana; der Wesir sammle nur noch mehr Truppen aus den indischen Inseln; aus Nubien und anderen Gegenden, so viele, dass man gar nicht mehr weiß, wo ihre Zahl anfängt und wo sie aufhört, in der Absicht, Kana auf den Thron zu setzen. »Dieser Aufruhr«, fuhren die Kaufleute fort, »bestürzte Sasan sehr, denn er sah voraus, dass sich bald alles gegen ihn empören würde, groß und klein, Freie und Sklaven. Er öffnete daher seine Schatzkammern und teilte viele Schätze unter den Großen des Reichs aus; auch bereute er es, Kana so mißhandelt zu haben, und wünschte, dass er zurückkehre, damit er ihn durch Geschenke, durch Ehrenämter und durch die Verbindung mit seiner Tochter für sich gewinnen könne.« Kana trat bei diesen Worten schnell die Rückreise nach Bagdad an, und wie der Wind flog er dahin auf seinem Pferd, das jedermann in Erstaunen setzte. Ganz Bagdad lief ihm entgegen, die vornehmsten Bewohner der Stadt begleiteten ihn ins Schloss, und einige Sklaven eilten zu seiner Mutter, um ihr die Ankunft ihres Sohnes zu melden. Aber Kana hielt sich nur wenige Augenblicke bei ihr auf; dann sagte er ihr: »lass mich jetzt, ich will zu meinem Oheim, dem König Sasan, durch dessen Huld ich erzogen worden bin.« Als er zu Sasan kam, stand dieser vor ihm auf und bewillkommte ihn. Kana küsste ihm Hände und Füße und schenkte ihm sein Pferd. Der König bewillkommte ihn nochmals und sagte: »Bei Gott! die ganze Erde war mir zu eng seit deiner Abwesenheit; gelobt sei Gott, der dich wohl erhalten.«

Der König Sasan bewunderte dann Kanas Pferd und sagte: »Ich habe schon viel von diesem Katul gehört, als ich gegen die Kreuzanbeter mit deinem Vater Dhul Makan und deinem Oheim Scharkan Krieg führte; hätte dein Vater es kaufen können, er hätte gern tausend andere Pferde dafür gegeben; nun gottlob, dass wir es haben, aber du sollst es für dich behalten, denn du bist dessen würdiger, als jeder andere.« Er ließ dann Kana Ehrenkleider, Geld und Pferde geben und die schönste Wohnung im Schloss einräumen, denn er wusste nicht, wie es mit dem Wesir und den Rebellen stand. Kana vergaß bald sein früheres Elend, er ging zu seiner Mutter und erkundigte sich nach seiner Geliebten. Seine Mutter sagte: »Ich habe während deiner Abwesenheit gar nicht an deine Geliebte gedacht, um so weniger, da sie die Ursache deiner Abreise war.« Er klagte ihr dann seine Liebe und bat sie, zu ihr zu gehen, vielleicht würde sie ihn bemitleiden und mit einem Blick begnadigen und seinem Kummer ein Ende machen. Die Mutter sagte: »lass dies! Gelüste kosten dem Menschen das Leben; lass ab von Dingen, die nur Unheil bringen, ich werde nie zu ihr gehen.« Kana verließ seine Mutter trostlos und begegnete einer alten Frau, ihr Name war Saadana, klagte ihr seine Lage und bat sie, Kadha wieder für ihn zu gewinnen. Saadana willigte ein und ging ins Schloss; nach einer Weile kehrte sie wieder und sagte ihm: »Kadha grüßt dich und lässt dir sagen, sie wird um Mitternacht zu dir kommen.« Kana war außer sich vor Freude; als sie aber um Mitternacht in ein schwarzes Tuch, wie eine Sklavin eingehüllt, in Kanas Zimmer trat, fand sie ihn schlafend. Sie weckte ihn auf und sagte: »Wie kannst du mir glauben machen, du liebst mich, und schläfst hier so ruhig?« Kana sprang erschrocken auf und sagte: »Bei Gott! o Verlangen meines Herzens, ich habe nur geschlafen, weil ich dein Bild im Traume zu sehen wünschte.« Sie umarmten sich dann und klagten einander gegenseitig die erlittenen Trennungsschmerzen, Als der Morgen heranbrach, nahm Kadha von ihrem Geliebten Abschied, kehrte in ihre Wohnung zurück und vertraute ihr Geheimnis einer ihrer Dienerinnen; diese verriet sie aber beim König Sasan, der in eine solche Wut geriet, dass er mit einem Schwert auf Kadha losging und sie erschlagen wollte; aber seine Gemahlin Nushat Assaman eilte herbei und beschwor ihn, keine Handlung zu begehen, die ihn vor allen Königen zuschanden machen würde. »Übrigens«, sagte sie, »hat Kadha nichts verbrochen; Kana ist ein Mann von Ehre, kein schlechter Mensch; übereile dich nicht, die ganze Stadt weiß schon von der Verschwörung des Wesirs und von den Truppen, die er gesammelt, um Kana auf den Thron zu setzen.« Sasan versetzte: »Wehe dir! glaubst du, ich lasse diesen Buben leben, bis der Wesir anrückt? Bei Gott! ich will ihn in einen Abgrund stürzen, wo Erde und Himmel ihm keinen Schutz gewähren, denn alles Gute, das ich ihm bisher erwiesen, geschah nur der Erhaltung meines Thrones willen; du sollst schon sehen, was ich tun werde.« Am folgenden Tag kam Kana zu seiner Mutter und sagte ihr: »Ich habe beschlossen, auf Abenteuer auszugehen; ich will die großen Herren überfallen und berauben, ihre Pferde, ihre Sklaven und all ihr Gut wegführen; wenn ich dann recht reich bin, so kehre ich wieder und werbe um Kadha bei ihrem Vater.« Seine Mutter suchte ihm vergebens die Gefahr vorzustellen, die solche Züge begleiten, er blieb bei seinem Entschluss, schickte die Alte zu Kadha und ließ ihr sagen, dass er wegreise, um eine ihr geziemende Morgengabe sich zu verschaffen, und ließ sie bitten, nur noch einmal zu ihm zu kommen. Die Alte ging zu ihr und kehrte bald wieder mit der Antwort: sie würde ihn um Mitternacht besuchen. Als sie zur bestimmten Stunde der Nacht erschien, sagte sie ihm: »Nimm mein Leben für den Schlaf, den ich dir solange geraubt, und für die Sorgen, die ich dir verursacht.« Er sprang auf und küsste sie und sagte: »O Wunsch meines Herzens, mein Leben werde das Lösegeld für alle deine Leiden!« Er teilte ihr dann seinen Entschluss mit, und als sie darüber weinte, sagte er ihr: »Weine nicht, meine Cousine, ich hoffe, dass Gott, der jetzt unsere Trennung beschlossen, uns auch bald wieder vereinigen wird.« Sobald der Morgen heranbrach, ging Kana zu seiner Mutter und nahm Abschied von ihr, umgürtete sein Schwert, ergriff die Lanze, bestieg sein Pferd Katul und ritt durch die Stadt so schön und strahlend, wie der Vollmond. Als er an das Tor kam, begegnete ihm sein Gefährte Sabach und sagte ihm: »Wie ich sehe, bist du schon reich geworden und besitzt ein kostbares Pferd, ich aber bin noch ebenso arm, wie ich war.« Kana antwortete ihm: »Auch dir wird das Glück noch lächeln; willst du mit mir reisen und gemeinschaftlich mit mir auf Raub ausgeben? was wir erlangen, teilen wir dann.«

»Jawohl, bei Gott!« erwiderte Sabach; »ich verlasse dich nicht mehr.« Er lief dann vor dem Pferd her, mit einem Schwert auf dem Arm und die Vorratstasche zwischen den Schultern, Sie wanderten vier Tage in der Wüste umher und stillten ihren Hunger an erlegten Gazellen und ihren Durst an Quellwasser; am fünften Tag kamen sie vor einen hohen Berg, an dessen Fuß allerlei Grünes wuchs, Blumen und Früchte blühten, und Pferde und allerlei Vieh umherweidete. Als Kana dies sah, freute er sich sehr, rastete sich zum Kampf und beschloss, diese ganze Herde wegzuführen; er sagte zu Sabach: »Komm, lass uns diese Sklaven töten und ihre Herde wegnehmen, da können wir einmal Schätze sammeln.« Sabach erwiderte aber: »Es sind zu viele Leute dabei, worunter recht wackere, wir können uns in keine so große Gefahr begeben, aus der wir gewiss nicht glücklich entkommen; lass ab davon, wir würden nie mehr unsere Geliebten wieder sehen.« Kana lachte über Sabachs Feigheit und ließ ihn stehen, stürzte wie ein junger Löwe unter die Herde und trieb alles Vieh mit den Sklaven vor sich her. Aber bald umzingelte ihn eine Masse Sklaven mit scharfen Schwertern und langen Lanzen, angeführt von einem sehr starken türkischen Ritter, den das Schlagen nie ermüdete; dieser drang auf Kana ein und sagte ihm: »Wehe dir! wüsstest du, wem diese Herde gehört, du hättest sie nicht so weggeführt; wisse, sie gehört den cirkassischen Helden; es sind deren fünfzig, Löwen gleich, die noch kein Sultan unterjochen konnte. Es ist ihnen in dieser Gegend ein Pferd gestohlen worden, und sie haben geschworen, nicht von hier zu weichen, bis sie es wieder haben; darum weidet ihr Vieh noch hier, während sie den Dieb aufsuchen.«

Als Kana dies hörte, sagte er: »Hier ist das Pferd von dem ihr sprecht, es gehört mir, was wollt ihr nun von mir?« Er schrie dann seinem Pferd Katul in die Ohren; es sprang wie rasend auf, und Kana fiel über den Ritter und seine Umgebung her und tötete einen nach dem andern, bis die übrigen Sklaven sich fürchteten; da rief er ihnen zu: »Ihr Bastarde! schnell, treibt die Herde vor mir her, sonst färbe ich meine Lanze mit eurem Blut.« Die Sklaven befolgten Kanas Befehl, und als Sabach dies sah, kam auch er wieder freudig zu Kana herbei. Aber plötzlich erhob sich ein Staub, und fünfzig Ritter sprengten heran, wie zürnende Löwen; Sabach entfloh wieder auf den höchsten Hügel, um dem Kampf zuzusehen und sagte: »Ich bin kein Ritter, ich bin nur ein Spaßvogel.« Die fünfzig Ritter umgaben Kana von allen Seiten, dann trat einer von ihnen zu ihm heran und fragte, wo er mit dieser Herde hin wolle? Kana antwortete: »lass mich, oder kämpfe mit mir! Diese Herde beschützt ein Löwe, ein Held, dessen Schwert alles niederhaut.« Der Ritter, welcher der Hauptmann der fünfzig war und Kardasch hieß, betrachtete Kana, aus dessen Augen Heldenmut strahlte und der lieblich wie eine dürstende Gazelle aussah, und hielt ihn für seine Geliebte Faten, mit welcher er die größte Ähnlichkeit hatte. Faten war die Anführerin ihres Stammes, durch Tapferkeit und Gewandheit in der Kriegskunst ebenso ausgezeichnet, wie durch Anmut und Schönheit; sie hatte geschworen, nur den Mann zu lieben, der sie auf dem Kampfplatz besiegen würde. Kardasch war unter ihren Werbern, aber er fürchtete sich, mit einem Frauenzimmer zu kämpfen; zwar hatten ihm seine Freunde gesagt: du bist so schön und so reizend, dass, sobald Faten dich sieht, sie so sehr für dich eingenommen sein wird, dass sie sich freiwillig dir ergibt, Aber er konnte sich doch nicht dazu entschließen, und hatte sich daher mit seinen Freunden auf den Weg gemacht. Als er aber jetzt Kana erblickte und ihn für Faten hielt, glaubte er, sie folge ihm aus Liebe, weil sie so viel von seiner Schönheit und Tapferkeit gehört; er ging daher auf Kana zu und sagte: »Wehe dir, Faten! du kommst, um mir Beweise von deiner Tapferkeit zu geben; sei mir willkommen! steige nur ab, ich habe mir nur deinetwillen alle diese Schätze erworben; heirate mich, ich lasse dich von Prinzessinnen bedienen und die ganze Welt soll deiner Schönheit huldigen, denn ich erhebe dich zur Königin dieser Länder!« Bei diesen Worten entbrannte Kanas Zorn immer mehr und er rief: »Du Hund! lass jetzt Faten und trete hervor zum Kampf, du wirst bald auf der Erde hingestreckt liegen.« Als Kardasch merkte, dass er es mit einem wackeren Ritter und tüchtigen Krieger zu tun hatte und seinen Irrtum einsah, sagte er zu den ihn begleitenden Rittern: »Hütet euch, alle auf einmal über unsern Gegner herzufallen, das wäre eine Schmach für uns; es soll nur einer nach dem anderen mit ihm kämpfen, er mag auch noch so wacker sein.« Auf diese Worte trat ein Ritter hervor auf einem braunen Pferd mit einem Silberflecken auf der Stirne; es war groß, aber dünnleibig, wie Antars Renner. Kana drang auf ihn ein, und nach einem erstaunlich harten Kampfe spaltete er ihm mit einem geschickten Heldenhieb, Turban, Helm und Hirn, so dass er wie ein Kamel zu Boden stürzte. Nun trat ein zweiter und dritter hervor, aber Kana durchbohrte sie, den einen nach dem andern.

Als Kardasch seinen Gegner als den besten Krieger seiner Zeit erkannte, rief er ihm zu: »O Held deines Jahrhunderts; Ich will dir dein Leben schenken und das Blut meiner Gefährten nicht rächen, denn ich habe Mitleid mit deiner Jugend; geh und nimm von dieser Herde, was du willst.« Kana erwiderte: »lass diese Reden, mögest du immer edelmütig sein, aber suche nur dich selbst zu retten.« Kardasch entbrannte vor Zorn und schrie: »Wehe dir! wüsstest du, wer ich bin, so sprächest du anders auf diesem Kampfplatz; erkundige dich nur nach mir, ich bin ein reißender Löwe, der tapferste aller Ritter, meine Name ist Kardasch, ich bin's, der die mächtigsten Könige beraubt und die bestbedeckten Karawanen ausplündert; das Pferd, auf dem du sitzt, ist das einzige, was ich wünsche, auch möchte ich wissen, wie es in deine Hand gefallen.«

»Auf diesem Pferd«, versetzte Kana, »ritt zum König Sasan eine alte Frau, gegen die wir noch wegen meines Großvaters Omar und meines Oheims Scharkan Rache zu nehmen haben; denn wisse, ich bin Kana, der Sohn des Königs Dhul Makan.« Als Kardasch dies hörte, sagte er: »Nun so fliehe, denn dein Vater war ein tugendhafter, wohltätiger Mann.« Kana erwiderte aber: »Ich fürchte dich nicht, du Schurke.« Jetzt fielen sie übereinander her mit lautem Kriegsgeschrei, so dass man glaubte, der Himmel stürzte über sie zusammen und rannten gegeneinander an wie zwei Böcke. Kana wurde beim ersten Angriff zum Weichen genötigt, aber bald kehrte er um und durchstach Kardasch mit seiner Lanze. Er trieb dann die ganze Herde und alle Güter zusammen und befahl den Sklaven, alles schnell wegzuführen. Sabach kam auch wieder vom Berg herunter und sagte zu Kana: »Du hast brav gekämpft, du bester Ritter deiner Zeit, ich habe indessen für dich gebetet und Gott hat mein Gebet erhört;« er fiel dann über Kardasch her, schnitt ihm den Kopf ab und steckte ihn auf seine Lanze. Kana befahl ihm, die Herde zu treiben, und so zogen sie miteinander fort, Tag und Nacht, bis sie nach Bagdad kamen. Alle Bewohner Bagdads freuten sich, als sie Kana mit einer so großen Herde sahen, und als sie Kardaschs Kopf erblickten, waren sie froh, einen so fürchterlichen Straßenräuber aus dem Wege geschafft zu wissen. Als Kana dann alle seine Abenteuer erzählte, wurde er mit großer Ehrfurcht aufgenommen, und ein zahlreiches Gefolge begleitete ihn nach dem Schloss, wo er sehr viele Geschenke austeilte. Sobald aber der König seine Ankunft vernahm, versammelte er die vertrautesten seiner Räte und sagte zu ihnen: »Ich muss euch jetzt meine geheimsten Gedanken mitteilen. Wisset, dass der Tod Kardaschs durch Kana unserem Land Verderben bringt, denn er stand mit gar vielen Türken und Stämmen der Wüste in Verbindung, die ihn rächen werden, auch haben wir viel von seinen Verwandten zu fürchten. Ferner wisset ihr wohl, dass der Wesir Dendan sich gegen mich verschworen hat und mit einem Teil des Heeres Kana durch Gewalt auf den Thron setzen will; mein Untergang ist dann um so sicherer, da alle Bewohner Bagdads Kana gewogen sind, weil er der rechtmäßige Erbe seines Vaters und Großvaters ist. Ihr sehet wohl die Gefahr, die mir droht, und es gibt nur ein Mittel, sie abzuwenden.« Als die Räte des Königs diese Worte vernahmen, sagten sie: »O König! hier ist leicht zu helfen; wir glauben, dass die Leute nur darum Kana gern haben, weil sie wissen, dass du ihn erzogen, und glauben, dass du ihn wie einen Sohn liebst; übrigens sind wir zu allem bereit, willst du, dass wir ihn töten, so töten wir ihn, oder wenn du willst, so schaffen wir ihn auf sonst eine Weise aus dem Wege.« Der König sagte.- »Das wäre das beste, doch schwört mir es.« Da schworen sie beim erhabenen Koran, dass sie Kana töten wollten; dann sagten sie: »Wenn der Wesir Dendan seinen Tod vernimmt, wird all sein Bemühen vergebens sein.« Der König dankte ihnen hierauf und begab sich nach Hause; auch die Räte trennten sich mit dem festen Entschluss, Kana zu töten. Dies erfuhr aber Kadha und war höchst bestürzt darüber; sie ließ die Alte rufen, die schon früher ihr behilflich war, und schickte sie zu Kana, um ihn von der Absicht des Königs in Kenntnis zu setzen. Kana ließ ihr antworten: »Die Erde ist Gottes, er lässt darüber schalten, wen er will.« Kana verließ die Stadt nicht, und der König hoffte lange vergebens, dass er einmal ausgehen würde, um ihn heimlich umbringen zu lassen. Eines Tages ging er mit Sabach, der ihn überall hin begleitete, auf die Jagd und fing zehn Gazellen, da war eine hübsche schwarzäugige dabei, die immer rechts und links sich drehte. Kana bemitleidete sie und ließ sie wieder laufen. Sabach fragte: »Warum hast du dies getan?« Kana lachte und ließ auch die übrigen laufen, und sagte: »Es geziemt einem Mann nicht, eine schwache Gazelle gefangen zu nehmen, die sich so nach ihren Jungen umsieht.« Da sagte Sabach lachend: »lass mich auch frei, damit ich zu den Meinigen zurückkehre.« Kana lachte und stieß ihn mit dem Schaft seiner Lanze zu Boden, so dass er wie eine Schlange sich herumwand. Auf einmal erhob sich ein Staub, und zwanzig Perser kamen geritten, die der König abgeschickt hatte, sobald er hörte, dass Kana sich aus der Stadt entfernt. Sie fielen über Kana her, aber er kämpfte wie ein Löwe, bis er einen nach dem anderen getötet. Der König war sehr bestürzt, als er erfuhr, dass statt Kana seine besten zwanzig Reiter ums Leben gekommen. Kana kehrte nach diesem Kampf wieder nach Bagdad zurück, wo alle Leute ihm zur Rettung aus der Gewalt der Reiter Glück wünschten. Der König Sasan aber ging zu seiner Gattin und erzählte ihr, wie alle Bewohner Bagdads für Kana eingenommen wären, und wie nun der Verräter Dendan bald mit der Armee ankommen würde, um Kana auf den Thron zu setzen, so dass ihm nur Schmach und Tod übrig bleibe, wenn er nicht ein Mittel finde, Kana zu töten. Nushat Assaman sagte. »Verrat ist abscheulich, sogar gegen Feinde, um wie viel mehr gegen so nahe Verwandte; das Beste ist, du gibst ihm deine Tochter zur Frau.« Aber der König stand zornig auf und sagte: »Bei Gott! glaubte ich nicht, du scherzest nur, ich würde dir das Leben nehmen.« Durch diese Wort eingeschüchtert, sagte Nushat Assaman: »Nun, du hast recht, ich scherze nur; wir müssen durch irgend eine List Kana ins Grab schicken und zwar am besten durch unsere schlaue, ränkeschmiedende Sklavin Bakun.« Diese hatte Kana und Kadha erzogen, und Kana war ihr sehr zugetan und schlief oft auf ihrem Schoß. Sasan ließ die Sklavin Bakun sogleich rufen und machte ihr die schönsten Versprechungen; wenn sie Kana umbringen wollte. Sie antwortete: »Dazu geschieht mir zwar sehr wehe, doch befolge ich deinen Befehl; verschaffe mir nur einen giftigen Dolch, es soll bald um ihn geschehen sein.« Sasan rief freudig aus: »Gott segne dich!« und brachte ihr einen Dolch. Bakun begab sich nun zu Kana, der auf feurigen Kohlen stand, weil er gerade Kadha erwartete, und sagte ihm: »Die Zeit der Vereinigung ist nahe; die Tage der Trennung sind vorüber, das habe ich dir von Kadha zu verkündigen.« Kana freute sich sehr und versprach ihr den schönsten Lohn. Sie erbot sich dann, ihm allerlei schöne Märchen zu erzählen, bis Kahda ihn besuchen könnte. Kana nahm ihr Anerbieten mit Dank an, legte den Kopf auf ihren Schoß und schlief ein. Als Bakun sah, dass er fest schlief, dachte sie: nun ist es Zeit, ans Werk zu gehen; sie zog den Dolch aus ihrem Busen, und wollte eben Kana damit durchbohren, als seine Mutter ins Zimmer trat. Bakun verbarg schnell ihren Dolch und ging Kanas Mutter entgegen, die sogleich ihren Sohn weckte. Sie hatte nämlich von Kadha gehört, dass ihr Vater seinen Tod beschlossen, und war daher zu ihm geeilt, um ihn zur Flucht zu bewegen. Kana verließ am folgenden Morgen mit seinen Freunden Bagdad und begab sich zu Dendan, bei dem er auch Nushat Assaman traf, welche von ihrem Gatten entflohen war; sie machten mit ihren Truppen einen Streifzug ins Gebiet des griechischen Fürsten Rumsan, wurden aber nach mehreren glücklichen Gefechten gefangen und erhielten Befehl, sich zum König zu begeben. Kana sowohl als der Wesir glaubten dem Tod sehr nahe zu sein; aber der König ließ sie sitzen und Tische vor ihnen decken, und nachdem sie gegessen und getrunken hatten, sagte er ihnen: »Ich will euch einen Traum erzählen, den ich diese Nacht gehabt, vielleicht könnt ihr mir ihn deuten.« Der Wesir sagte: »Gut, mein König, erzähle, was du gesehen,« Der König sprach., »Ich befand mich im Traum in einer sehr finstern Grube, wo ich gar zu sehr gepeinigt wurde, ich wollte aufstehen und die Grube verlassen, da sah ,ich einen goldenen Gürtel liegen; ich streckte die Hand danach aus, um ihn zu nehmen, und es wurden auf einmal zwei Gürtel daraus, ich umgürtete mich damit, und sieh, da war es wieder nur ein Gürtel; das ist's, o Wesir! was ich im Traum gesehen,« Der Wesir sagte: »O unser Sultan! bei dem höchsten König und Richter, dein Traum bedeutet (doch nur Gott ist allwissend): es wird ein Bruder, ein Neffe, ein Vetter oder sonst einer von deinen Verwandten gegen dich auftreten und dir dein Königreich streitig machen.« Als der König dies hörte, dachte er, ich muss mich meiner Gefangenen schnell entledigen, um bald wieder in meiner Residenz zu sein; er ließ daher alle gefangenen Fürsten der Sassaniden köpfen; dann fiel ihm ein, dass ihm Kana am gefährlichsten werden könnte, und er erteilte dem Scharfrichter den Befehl, auch ihm den Kopf abzuschlagen. Aber in diesem Augenblick trat die Amme des Königs hervor und sagte in fränkischer Sprache: »O König! wie kannst du das Herz haben, deinen Neffen zu erschlagen, den Sohn deines Bruders und deiner Schwester?« Als der König dies hörte, wurde ihm ganz trübe vor den Augen und er schrie ganz zornig: »Du hast oft von einer Perle gesprochen und von meinem Vater, der durch Gift gestorben, und von meiner Mutter, die von einem Sklaven umgebracht worden war, warum hast du mir nicht die ganze Geschichte erzählt?« Da sagte die Amme: »Ich will dir nun alles mitteilen, was ich weiß, Mein Name ist Murdjana und deine Mutter hieß Ibris; sie war sowohl wegen ihrer Schönheit, wie auch wegen ihrer Tapferkeit sehr berühmt, auch ihre Beredtsamkeit verschaffte ihr großes Ansehen. Der große König Omar, der ohne Zweifel dein Vater war, schickte einst seinen ältesten Sohn Scharkan mit dem Wesir Dendan in den Krieg. Scharkan verließ seine Armee und begegnete deiner Mutter Ibris, die ich damals begleitete, auf ihrem Gut am Ufer eines Flusses. Ibris bewirtete Scharkan fünf Tage lang In Ihrem Schloss. Da hörte es ihr Vater, der König Hardub, durch die alte Schawahi, und Ibris, welche Muselmännin geworden, musste mit Scharkan zu seinem Vater Omar nach Bagdad fliehen. Ich zog mit ihr, auch Richana und zwanzig andere Sklavinnen, unter dem Schutz Scharkans.

Als der König Omar Ibris sah, liebte er sie so sehr, dass er seiner Leidenschaft nicht mehr Herr war und mit Hilfe eines Schlaftrunks sie überlistete. Deine Mutter hatte Omar drei Perlen geschenkt, wovon er eine seiner Tochter Nushat Assaman gab, eine Scharkan und die dritte Dhul Makan. Deine Mutter nahm dann die Scharkans wieder und verließ Bagdad heimlich mit mir und einem Sklaven, Namens Ghadban. Dieser führte uns über Berge und Wüsten, bis er eines Nachts deine Mutter Ibris so verbrecherisch anfiel, dass sie vor Schrecken und Angst niederkam. In diesem Augenblick sahen wir von der Seite unserer Heimat her einen mächtigen Staub, der die ganze Atmosphäre verdunkelte. Der Sklave fürchtete den Tod und brachte in der Wut deine Mutter um (Gott verdamme ihn!) und ergriff die Flucht. Als er weg war, kam dein Großvater, der König Hardub, mit Soldaten und fand seine Tochter auf den Boden hingestreckt. Wir beerdigten dann deine Mutter in ihrem Schloss und ich nahm ihr die Perle ab, die an ihr hing, und hing sie dir um; ich verbarg dir aber alles dies, weil es der große König Hardub mir so befohlen; aber nun darf ich dir nimmer länger ein Geheimnis aus deiner Geburt und Abstammung machen.« Nushat Assaman schrie laut auf, als sie dies hörte, und sagte: »Also ist der König Rumsan mein Bruder von seiten meines Vaters, des großen Königs Omar, und Ibris, die Tochter des Königs Hardub, war deine Mutter, denn in der Tat erkenne ich die Sklavin Murdjana wieder.« Der König weinte, als er dies hörte, nahm dem Scharfrichter das Schwert weg, ließ Kana und den Wesir, welche schon vom Leben Abschied genommen hatten, entfesseln und bat Murdjana, alles zu wiederholen, was sie soeben erzählt hatte, Diese tat, wie ihr befohlen worden, und als sie ihre Erzählung vollendet hatte, bemerkte sie die dritte Perle an Kanas Hals und schrie: »Hier ist der sicherste Beweis, dass ich die Wahrheit berichtet; hier ist die zweite Perle, ähnlich derjenigen, welche ich von deiner Mutter genommen und dir umhing.« Als dem König kein Zweifel mehr blieb, dass er Kanas Oheim sei, umarmte er den Wesir und Kana, und ließ sogleich durch Freudenboten mit Trompeten und Psaltern seinen Truppen die Ankunft seiner Verwandten verkündigen.

Der Wesir Dendan schickte auch Boten an die Anführer seiner Truppen und befahl ihnen, alle Feindseligkeiten einzustellen. Als er dann dem König Rumsan das treulose Benehmen des Königs Sasan gegen Kana schilderte, beschloss jener, mit ihm nach Irak zu ziehen, um Kana auf den ihm gebührenden Thron zu setzen. Beide Armeen vereinigten sich unter den Befehlen Rumsans und Dendans; Sasan ergriff die Flucht, sobald er von ihrem Anzug hörte, und überließ die Regierung Kana und Rumsan, welche übereinkamen, dass jeden Tag ein anderer herrschen sollte. Eines Tages, als Rumsan auf dem Thron saß, trat ein Kaufmann weinend vor ihn und erzählte ihm, er sei vor den Toren Bagdads mit seiner ganzen Karawane ausgeplündert worden, und bat ihn, eine Abteilung Truppen den Räubern nachzusenden. Rumsan sowohl als Kana, der die Klage des Kaufmanns mit anhörte, bemitleideten ihn; jeder von ihnen stellte sich an die Spitze von hundert tapferen Rittern und schworen, nicht eher heimzukehren, bis sie die Räuber gezüchtigt und der Karawane ihr Gut wieder verschafft. Nach einem vierundzwanzigstündigen Marsch holten sie die Räuber in einem fruchtbaren Tal ein, als sie gerade beschäftigt waren, die erbeuteten Waren unter sich zu verteilen; sie umzingelten sie von allen Seiten, und nach einer kurzen Gegenwehr führten sie, sie mit allen ihren Gütern gefangen nach Bagdad, Hier wurden dem Kaufmann seine Waren zurückgegeben, und siehe da, es fielen zwei Briefe heraus: der eine war von Scharkans und der andere von Nushat Assamans Hand. Kana erkannte die Schrift sogleich und fragte den Kaufmann, wie er zu diesen Briefen gekommen und was sie enthalten? Der Kaufmann erzählte ihm, dass er vor vielen Jahren eine Sklavin mit Namen Nushat Assaman gekauft, die er dem König Scharkan in Damaskus geschenkt, und beide haben ihm Empfehlungsbriefe an den damaligen König Omar gegeben. Als Kana dies hörte, ließ er Nushat Assaman rufen und stellte ihr den Kaufmann vor. Sie erkannte ihn sogleich als den Mann, der sie von Beduinen gekauft, bewillkommte ihn freundlich und ließ ihn in ihrem Schloss mit der größten Ehrerbietung bewirten. Kana ließ dann die Räuber vor sich kommen, und es stellte sich in der Untersuchung heraus, dass drei von ihnen als eigentliche Anführer am schuldigsten waren. Der König forderte sie auf, ihm einige ihrer Abenteuer zu erzählen. Da trat einer von ihnen hervor und sagte: »Der schönste Raub, den ich in meinem Leben begangen, war der eines jungen Mädchens aus Jerusalem. Sie sah sehr arm aus, war aber ausgezeichnet schön; ich bot ihr eine Stelle als Gesellschafterin meiner Tochter an, als ich sie aber auf meinem Kamel hatte, führte ich sie nach Damaskus und verkaufte sie als Sklavin für hunderttausend Dinare.« Als Nushat Assaman diese Erzählung hörte, stieß sie einen lauten Schrei aus und sagte dem König: »Das ist der Beduine, der mich von Jerusalem entführt und mich auf dem Weg so grausam behandelt hat; der verdient den Tod.« Sie zog bei diesen Worten Kanas Schwert aus der Scheide und erschlug den Beduinen. Sie ließ ihn dann an den Füßen wegschleppen und vor das Tor den Hunden zur Nahrung hinwerfen. Die beiden anderen hatten kein besseres Los, denn es zeigte sich bald, dass der eine der Sklave Ghadban war, welcher Ibris getötet, und der andere der Kameltreiber, welcher Dhul Makans Geld behalten und ihn vor die Tür des Badheizers geworfen hatte. »Nun«, sagte Kana, nachdem alle drei hingerichtet waren, »bleibt uns nur noch, an der verruchten Dsat Dawahi Rache zu nehmen, die meinen Oheim und Großvater meuchelmörderisch umgebracht.«

»Auch diese will ich in deine Hände liefern«, versetzte Rumsan. Er ließ sich sogleich Tinte und Kalam reichen und schrieb der Alten, er habe ganz Irak erobert und alle Muselmänner unterworfen, und lud sie ein, zu ihm nach Bagdad zu kommen. Rumsan, der längst Muselmann geworden, kleidete sich wieder als Franke und ging ihr entgegen. Sobald sie aber in Bagdad anlangte, wurde sie von Kanas Leibwache ergriffen und vor ein Tor der Stadt gehängt. Bagdad wurde hierauf drei Nächte nacheinander beleuchtet, und Kana feierte seine Vermählung mit Kadha.

Geschichte des Königs Kalad und seines Wesirs Schimas