[swahili, "Geschichte, Legende"]

Märchen aus tausend und einer Nacht Geschichte der Tochter des Wesirs und des Prinzen Uns Alwudjud

Man erzählt: - und Gott kennt alle Geheimnisse am besten - Es war in den frühesten Zeiten ein König, welcher Schamech hieß, er war ein sehr angesehener und mächtiger Sultan, und so gefürchtet, dass sich niemand in seine Nähe wagte. Derselbe hatte einen Sohn, welcher Uns Alwudjud (Lieblichkeit des Daseins) hieß. Sein Wesir hatte eine sehr schöne, wohlgestaltete und gebildete Tochter, welche Dichtkunst und lehrreichen Umgang liebte, sie hieß Ward fil Akmam (Rose in der Knospe). Der Wesir liebte sie sehr, weil sie so viel Geist und Beredsamkeit besaß, und Geschicklichkeit zu allen Künsten. Sie war wohlgestaltet und zart gebaut, und wenn sie sprach, so konnten ihre Worte einen Kranken heilen. Außer einer vornehmen Erziehung besaß sie so viele vorzügliche Eigenschaften, dass sie jeden reizte, dem sie sich zuwandte, und jeden tötete, dem sie den Rücken kehrte. Sie war, wie ein Dichter sagte:

»Ihre Erscheinung ist wie die des Mondes zwischen Sternen, ihr Gesicht strahlt verhängnisvoll aus ihrem Haar hervor. Mein Verstand hat mit der Liebe gescherzt. und nun gleicht er einem Sperling in der Hand eines Kindes, das mit ihm spielt.«

Der König war gewöhnt, jedes Jahr die Großen seines Reichs zum Ballspiel zu versammeln. Eines Tages befahl er bei einer solchen Versammlung den Uns Alwudjud, den Ball zu schleudern, als gerade die Tochter des Wesirs in ihrem Schloss saß, um dem Spiel der Truppen zuzusehen; sie warf einen Blick herunter und bemerkte einen jungen Mann, so schön, dass nie jemand seinesgleichen gesehen; seine Wohlgestalt und Anmut reizte sie so sehr, dass sie oft nach ihm blickte und ihre Amme fragte: »Wie heißt der schöne Jüngling, der sich unter den Truppen auf seinem Pferd tummelt.« Sie antwortete: »Sie sind alle schön; zeige mir, welchen du meinst.« Die Tochter des Wesirs versetzte: »Warte, bis er vorübergeht, dann will ich dir ihn zeigen.« Sie nahm dann einen Apfel und wartete, bis er unter dem Fenster vorüberging, um auf ihn werfen zu können; er hob seinen Kopf in die Höhe, um zu sehen, wer ihm einen Apfel zugeworfen, und erblickte die Tochter des Wesirs wie den leuchtenden Mond in der Sphäre der Himmel; sein Herz aber entbrannte vor Liebe zu ihr. Als die Spiele zu Ende waren, entfernte er sich mit dem König und trug ihr Bild im Herzen. Ward sagte dann zu ihrer Amme: »Nun, wie heißt der junge Mann, den ich dir gezeigt?« Diese antwortete: »Er heißt Uns Alwudjud.« Sie schüttelte ihr Haupt vor Freude und gab sich ganz der Liebe hin. Als es Nacht war, ging sie zu Bett; aber vor Liebespein konnte sie nicht schlafen; sie rezitierte dann folgende Verse:

»Wer dich Uns Alwudjud genannt, hat nicht geirrt, denn du vereinst Lieblichkeit (Uns) und Freigebigkeit (Djud). O glänzender Mond! o du, dessen Gesicht das Dasein aller Wesen beleuchtet! Du bist einzig unter den Menschen, der Sultan der Schönheit, dafür zeugen dein Auge, das Werk des Allgütigen, deine rundgewölbten Augenbrauen, dein Wuchs, zart wie ein frischer Baumzweig, der ins Innerste eine brennende Flamme schleudert, eine Glut, die ich nicht mehr verbergen kann; du, der Trennung unmöglich macht, Neider beschämt und einen mächtigen Arm hat, der überall Wohltaten übt!«

Als sie diese Verse vollendet hatte, schrieb sie sie auf ein Papier und legte es zusammen unter ihr Kopfkissen. Dies sah eine ihrer Sklavinnen hinter dem Vorhang hervor, welche sehr verständig und geistreich war; sie ließ sich in ein Gespräch mit ihr ein, stahl das Papier unter ihrem Kopf hervor, lass es, und wusste, dass sie sich mit Uns Alwudjud beschäftigte.

Sie legte das Papier wieder an seinen Platz, wartete, bis ihre Herrin vom Schlaf erwachte, und sagte ihr: »Herrin, ich will dir einen Rat geben, denn die Liebe ist mächtig; sie verbergen ist sehr schwer und macht krank.« Die Herrin fragte: »Und welches Mittel meinst du?«

»Die Vereinigung.«

»Und wie kann man dazu gelangen?«

»Durch Schlauheit, geheimen Briefwechsel, süße Worte, stete Eintracht und wenig Vorwürfe. Hast du etwas zu vertrauen, so werde ich am besten dein Geheimnis bewahren, deine Briefträgerin werden und dir alles besorgen.« Als die Herrin dieses hörte, freute sie sich sehr und verlor fast den Verstand, doch nahm sie sich zusammen, um über die Folgen nachzudenken. Sie sagte: »Ich habe doch niemanden etwas gesagt, woher weißt du, dass ich liebe?« Sie antwortete: »Es hat mir im Traume jemand gesagt: Deine Gebieterin Ward und dein Herr Uns Alwudjud lieben sich, sei ihnen behilflich, bestelle ihre Briefe, besorge ihre Aufträge und verbirg ihr Geheimnis; du wirst großen Lohn dafür ernten. Ich habe dir nun erzählt, was ich im Traume gesehen, jetzt ist's an dir.« Ward sagte: »Wirst du auch wirklich mein Geheimnis bewahren?«

»Ja« - Da nahm Ward das Gedicht unter ihrem Kopf hervor und sagte ihr: »Geh, bring dies Uns Alwudjud und lasse mich seine Antwort wissen.« Sie erwiderte: »Recht gerne«, nahm das Papier, brachte es Uns und küsste ihm die Hand. Er öffnete dasselbe, las und schrieb zurück:

»Ich beruhige mein Herz in seiner Liebespein, denn ich muss meine peinliche Lage verbergen; wenn meine Tränen fließen und mein Auge verwunden, so fürchte ich, die Hinterbringer möchten mich durchschauen. Mein Herz war bisher frei und ich kannte die Liebe nicht, darum habe Mitleid mit mir, denn ich bin nur noch ein Schüler. Du kennst nun meine Geschichte: ich klage dir mein Verlangen und meine Liebesqual, und schreibe dir mit den Tränen meiner Augen, damit sie dir sagen, wie mir durch dich geworden. Gott bewahre ein Gesicht, dem die Anmut als Schleier dient, das die leuchtende Sonne und den Mond zu Dienern hat! Für solche Schönheit gibt es keine Schilderung, die Baumzweige können von ihrem zarten Wesen Schmiegsamkeit lernen. Ich bitte, ohne dir eine Qual aufbürden zu wollen, wende mir deine hoben Reize zu! Ich schenke dir meinen Geist, vielleicht nimmst du ihn an; ich will dein Sklave werden, o bei Gott, habe nur Mitleid!«

Als er diese Verse geschrieben hatte, legte er das Papier zusammen, küsste es und gab es der Sklavin; sie ging und brachte es ihrer Herrin, Diese küsste es ebenfalls, hob es zur Stirn, las und erkannte den Inhalt; sie nahm dann Tinte und Papier und schrieb:

»O du, dessen Liebe an meiner Schönheit hängt, warte, vielleicht kannst du mich erlangen. Als ich erfuhr, wie schön du von mir denkst, und sah, dass du mit mir Leiden teilst, wurde meine Liebe über alle Maßen heftig; doch gestatten mir meine Wächter nicht Vereinigung mit dir, darum ist mein Lager schlaflos, wäre ich nicht bewacht, so würde mein Elend bald aufhören. Die Liebe macht Geheimnis zum Gesetz, hüte dich, den Schleier zu lüften. Mein Innerstes ist voll von Liebe zur Gazelle, sie ist stets im Wachsen und beherrscht uns ganz.«

Als sie diese Verse vollendet hatte, legte sie das Papier zusammen und gab es ihrer Sklavin, die es nahm, um es dem Prinzen zu bringen; da begegnete ihr der Wesir und fragte sie. »Wo willst du hin?« Sie antwortete: »Ins Bad;« doch war sie so sehr erschrocken, dass ihr das Papier aus der Hand fiel, ohne dass sie es merkte. Als sie weg war, vermißte sie erst das Papier, sie kehrte zu ihrer Herrin um und sagte ihr, was ihr mit dem Wesir begegnet. Indessen kam ein Diener zum Wesir, der auf einem Thron saß, brachte ihm das Papier und sagte: »Herr, ich habe dieses Papier vor der Tür gefunden.« Der Wesir öffnete es, las die oben erwähnten Verse und erkannte die Schrift seiner Tochter. Er ging heftig weinend zu ihrer Mutter, die ihn fragte: »Warum weinst du, mein Herr?« Er erwiderte ihr: »Nimm dieses Papier und sieh, was darauf steht.« Sie nahm es, las und fand, dass es ein Liebesbrief ihrer Tochter an den Prinzen war. Sie weinte ebenfalls heftig und sagte dem Wesir: »Was wird aus dieser Geschichte werden?« Der Wesir antwortete: »Ich fürchte zwei Dinge für meine Tochter, denn du weißt, wie viel der Sultan auf seinen Sohn hält, es könnte für uns sehr böse Folgen haben; was ist dein Rat in dieser Sache?« Sie antwortete: »Ich will diese Nacht das Wahlgebet verrichten und Gott um ein Rettungsmittel anflehen.« Endlich beschlossen sie, auf dem Berg Takla, worüber an seinem Ort, so Gott will, mehreres, der auf einer Insel mitten im Meer Kanus lag und unzugänglich war, ihrer Tochter ein festes Schloss bauen zu lassen, sie dorthin zu bringen mit allem, was sie brauchen würde, und ihr auch eine Gesellschafterin mitzugeben. Der Wesir schickte hierauf Architekten und Feldmesser nach dem Berge und befahl ihnen, ein hohes, schönes Schloss zu bauen, was sie auch taten. Und als nach einem Jahr der Bau und alle nötigen Vorkehrungen vollendet, auch Lebensmittel in Menge vorhanden waren, ging der Wesir in der Nacht zu seiner Tochter. Sie kam ihm entgegen und küsste seine Hände. Er setzte sich und sagte ihr: »Meine Tochter! mache dich reisefertig.« Sie fragte: »Wohin?« Er aber antwortete: »Zu einer Lustreise, so Gott will.« Sie wollte nicht in der Nacht abreisen, ihr Vater aber zwang sie. Als sie aus dem Zimmer ging und die vielen Vorbereitungen zur Reise sah, ahnte ihr Herz die Trennung vom Geliebten; sie weinte heftig, nahm Tinte und Papier und schrieb an die Türschwelle folgende Verse, durch die sie den Prinzen von ihrem Unfall in Kenntnis setzte:

»Bei Gott, o Wohnung! Wenn mein Geliebter des Morgens vorübergeht, mit Liebeszeichen grüßend, so bringe meinen schönsten, reinsten Gruß! Ich weiß nicht, wohin wir gehen. Man führt uns plötzlich in der Nacht heimlich fort, ohne zu sagen, wohin man uns führt: im Schatten der Nacht, wenn die Vögel auf den Zweigen ruhen und wir aus unseren Seufzern erkennen, dass auch sie die Trennung vom Geliebten beweinen. Als wir den Kelch der Trennung gefüllt sahen, und das wechselnde Schicksal uns zwang, ihn auszutrinken, träufelte ich den Saft der Geduld hinein; ich selbst vermag aber nicht, mich zu trösten.«

Als sie diese Verse geschrieben hatte, ging sie fort, ohne zu wissen, wohin. Sie durchwanderte die Wüsten in der Länge und in der Breite, bis sie nach dem Meer Kanus kamen. Hier wurden Zelte aufgeschlagen und ein großes Schiff kam herangesteuert, in das Ward mit ihren Dienern, Sklavinnen und Vorräten eingeschifft wurde. Der Wesir hatte ihnen aufgetragen, das Schiff zu durchbohren, sobald sie ans Land kommen würden, dass keine Spur davon zurückbleibe. Sie taten, wie ihnen der Wesir befohlen, und erstatteten ihm Bericht darüber. Während dies hier geschah, war der Prinz zu dem Sultan geritten, um ihm seine Aufwartung zu machen. Als er an der Tür des Wesirs, in der Hoffnung, jemanden zu sehen, vorüberritt, fand er niemanden; er näherte sich der Türe und fand die Verse an der Schwelle, die oben erwähnt worden. Als er sie gelesen, kam er ganz außer sich, ein unauslöschbares Feuer brannte in seinem Herzen; er ging in sein Haus zurück, hatte keine Ruhe und keine Geduld; in seinem Gemütszustand glich er einer Taube, die man schlachtet. Als die Nacht heranbrach, war ihm noch grässlicher zumute; er entkleidete sich und zog Kleider eines Bettlers an, ging aus, ohne zu wissen wohin, und die ganze Nacht durch. Als es Tag wurde und ihn die Sonne brannte und die Berge vor Hitze glühten, so dass er großen Durst hatte, sah er einen Baum und darunter einen fließenden Bach, den Gott geschaffen - gelobt sei er, der nur zu einem Dinge sagt: Werde! und es wird. - Er setzte sich und wollte trinken, da erblickte er im Wasser sein Bild, er war blass und seine Füße waren vom Gehen angeschwollen; er weinte und sprach folgende Verse:

»Je heftiger der Schmerz und die Pein, je heißer die Liebe, um so näher die Genesung. Wie soll nach der Trennung noch das Leben schmecken? Vermehrt doch die Trennung noch die Liebesflamme. Als meine Liebe zunahm und meine Tränen über die Wangen flossen, da irrte ich bewusstlos umher, nichts kann meine Schmerzen mildern, nichts mich heilen.«

Er weinte, bis alle seine Kleider von den Tränen nass wurden, dann stand er auf, strengte sich wieder an zum Weitergehen - Gott leitete ihn in seiner Allmacht und ließ ihn Wüsten, Berge und Felsen durchwandern. Während er so dahinging, kam ein ungeheurer Löwe auf ihn zu, dessen Nacken ganz in seinen Haaren steckte. Sein Kopf war wie eine Kiste, sein Rachen wie die Öffnung einer Höhle, und seine Vorderzähne wie die eines großen Elefanten. Als der Prinz ihn sah, starb er fast vor Schrecken; er setzte sich mit dem Gesichte nach Mekka gewandt, sprach das Glaubensbekenntnis und erinnerte sich, in alten Büchern gelesen zu haben, dass, wenn jemand ein Uwe begegne, man ihn durch Worte zu besänftigen suchen solle, er fing nun an. in Reimen zu ihm zu sagen:

»O Löwe des Waldes und der Auen! o Tapferster aller Helden! o Vater der Wackern! Sultan der Tiere! Bei Gott, ich bin verliebt und vorn Feuer der Trennung verzehrt, fern von meinen Freunden und beraubt von allem Guten.«

Als der Löwe diese Worte hörte, ging er zurück, legte sich auf die Knie, streckte die Vorderfüße aus und horchte auf den Prinzen, welcher weinend folgende Verse sprach:

»Löwe der Wüste! bring mich nicht um, bis ich meine Geliebte gefunden, die mich unterdrückt hat! Ich bin kein Jäger, ich suche nur mein Geliebte, die mich krank gemacht. Die Trennung von der Geliebten bekümmert mein Herz, so dass ich nur noch mein Bild im Leichengewande bin. O kriegerischer Löwe! mache durch mein Unglück meine Feinde nicht schadenfroh über meine Qual. Der Strom meiner Tränen ertränkt mich, und der Trennungsschmerz richtet mich zu Grunde, Die Liebe ist mein Begleiter im Dunkel der Nacht und lässt mich mein eigenes Dasein vergessen.«

Als er diese Verse vollendet hatte, kam der Löwe auf ihn zu mit Tränen in den Augen, leckte ihn mit der Zunge, ging vor ihm her und winkte ihm, dass er ihm folge; er ging mit ihm auf einen Berg, von da in eine Ebene, in welcher man Spuren von Reisenden bemerkte, und er dachte, das seien die Spuren der Leute, die Ward entführt haben. Der Löwe warf ihm dann noch einen Blick zu und verschwand. Der Prinz aber folgte diesen Spuren bis ans Ufer des Meeres, und da hier die Spuren sich verloren, dachte er, sie haben sich hier eingeschifft, und alle seine Hoffnung verschwand; er seufzte und weinte. In seinem Kummer sprach er folgende Verse:

»Weit ist der Ort, den ich suche, und mir bleibt wenig Hoffnung, denn wie könnte ich über das furchtbare Meer zu ihnen? Wie soll ich standhaft bleiben? Mein Innerstes ist vor Liebe zerknirscht, und der Schlaf in Wachen verwandelt. Von dem Tage an wo sie von der Heimat schied, brennt eine helle Flamme in meinem Herzen; meine Tränen fließen wie Sichun, Djichun, Euphrat und Nil, wie alle Regengüsse, Quellen und Bäche. Die vielen Tränen haben meine Augen verwundet und mein Herz wird von Feuer und Funken verzehrt. Die Truppen meiner Sehnsucht sind herangestürmt und das Heer meiner Geduld hat zersprengt ihnen den Rücken zugewandt. Ich habe mein Leben für ihre Liebe hingegeben, doch ist das Leben das geringste Opfer, das ich ihr bringe. Möge Gott kein Auge strafen, das diese Schönheit gesehen, die den Mond überstrahlt. Ihre weiten Augen haben mich mit Liebe erfüllt, ihre scharfen Pfeile haben mein Herz ohne Sehne verwundet. Ihr zarter Wuchs, der sanft sich bewegt wie die Zeige des Ban, hat mich verführt. Ich sehne mich nach Vereinigung, um meine Liebe zu stillen und Gram und Sorgen zu vertreiben; aber ich bin morgens und abends einem Verrückten gleich, bezaubert von ihrem Blick.«

Seine Tränen flossen solange, bis er nichts mehr von sich wusste. Als er wieder zu sich kam, fürchtete er sich vor wilden Tieren und stieg auf eine Anhöhe, wo er eine Höhle sah, auf die er zuging. Auf einmal hörte er eine Menschenstimme, die von einem Eremiten herrührte, der allein in dieser Höhle, fern von allem Weltlichen nur dem Gottesdienste lebte. Er klopfte an die Tür, erhielt aber keine Antwort; da setzte er sich an die Türe der Höhle und blieb drei Tage daselbst sitzen; der Eremit kam aber nicht heraus. Er rezitierte dann folgende Verse:

»Wie kann ich nach so vielen Qualen und Schmerzen mein Ziel erreichen? Allerlei Schrecken haben mein Herz verdorrt und meinen Kopf schon in der Jugend gebleicht. Wie viele Schmerzen musste ich bis jetzt ertragen, das Schicksal hat sich gegen mich gewendet. Niemand steht in meiner Liebe mir bei; niemand lindert den Brand meiner Qualen. Habt Mitleid mit einem hoffnungslosen Liebenden, der den Kelch der Trennung trinken musste. Heiß glüht die Flamme in meinem Inneren, und der Trennungsbrand verzehrt mein ganzes Herz. Welch grässlicher Tag war es für mich, als ich an ihrer Tür die Trennungszeilen geschrieben las. Ich weinte und tränkte die Erde vor Liebesschmerz; doch verbarg ich meinen Zustand vor den Tadlern und Spähern. O hätten sie mich gesehen, wie ein Löwe auf mich zukam und schon aufsprang, um mich anzufallen! Doch besänftigte ich ihn, und er war gnädig, als er hörte, dass ich ein Liebender sei, gleichsam als habe er selbst schon die Liebe gekostet. Erreiche ich jedoch nur mein Ziel, so wird aller Kummer und alle Qual vergessen sein.«

Als er diese Verse vollendet hatte, öffnete sich die Tür der Höhle, und eine Stimme rief: »O Erbarmen!« Der Eremit grüßte den Prinzen, der ihm den Gruß erwiderte und fragte nach seinem Namen. Der Prinz antwortete: »Ich heiße Uns Alwudjud.« Er fragte ihn, warum er hierher gekommen, und der Prinz erzählte ihm seine ganze Geschichte, worüber der Eremit heftig weinen musste. Dann sagte dieser: »O Prinz! ich bin nun schon zwanzig Jahre in dieser Höhle, ohne jemanden gesehen zu haben, bis vor ungefähr sechs Tagen, da hörte ich ein Lärmen und ein Geräusch und sah viele Leute und aufgeschlagene Zelte am Ufer des Meeres. Nach einer Weile bestiegen einige Leute ein Schiff und reisten fort, ein anderer Teil kam wieder zurück und richtete das Schiff zu Grunde, ich glaube daher, dass diejenigen, die du suchst, nach dem Berge gereist sind.« Der Eremit rezitierte dann folgende Verse:

»Glaubt Uns Alwudjud, ich kenne keinen Kummer, während Sehnsucht und Liebesqual mir das Herz bald beklemmt, bald ausdehnt? Ich habe Liebe und Trennungsschmerz schon in meiner Jugend gekannt, als ich noch ein Kind war, das man mit Milch ernährte. Ich habe den Liebeskelch geleert, der mich brannte und schmerzte und durch Abmagerung an den Rand des Grabes brachte. Ich war eins stark, aber meine Kraft ist dahin, das Heer meiner Geduld schwand vor den Schwertern ihrer Blicke. Erwarte nicht Liebesglück ohne Qual, es berühren stets sich die Extreme. Die Liebe verbietet den Liebenden jeden Trost als Ketzerei.«

Der Prinz umarmte den Eremiten, und sie verschmolzen ihre Tränen; als sie ausgeweint hatten, versprachen sie einander, als Brüder in Gott zu leben. Dann sagte der Eremit: »O Prinz! ich will diese Nacht von Gott mir raten lassen, was zur Erfüllung deiner Wünsche zu tun ist.«

Das ist's, was den Prinzen und den Eremiten angeht; was aber Ward betrifft, so wurde sie auf das Schloss auf dem Berg gebracht. Sie fand es recht schön, doch weinte sie und sagte: »Bei Gott, das ist ein schönes und angenehmes Schloss, doch mein Geliebter ist fern.« Als sie dann viele Vögel auf der Insel sah, befahl sie ihren Dienern, ihr ein Netz zu machen und ihr Vögel zu fangen, die sie in goldene Käfige sperrte. Dann stellte sie sich an das Fenster des Schlosses und dachte an das, was ihr geschehen; der Gram regte sie auf und sie rezitierte folgende Verse:

»Wem soll ich meine Schmerzen klagen? Man hat mich eingesperrt und vom Geliebten getrennt. Lange wache ich nun in der Nacht, bin krank und vergieße Tränen; des Morgens stehe ich ganz abgemagert auf von den quälenden Trennungsschmerzen. Wo ist das Auge des Geliebten, dass es meinen armseligen Zustand sehe? Sie haben Gewalt gebraucht, als sie mich an einen Ort brachten, den mein Geliebter nicht erreichen kann. Bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang bitte ich die Sonne, meinem Geliebten tausend Grüße zu bringen: meinem Geliebten, dessen Anmut den Vollmond beschämt und dessen zarter Wuchs die schlanken Zweige übertrifft. Wenn eine Rose seinen Wangen gleichen wollte, würde ich sagen: Weit entfernt! mit dir habe ich nichts zu tun. Seinen Mund vergesse ich nicht, er ist mein Geist und mein Herz und seine Feuchtigkeit ist edler Wein. Nur wer mich krank gemacht, kann mich heilen, nur mein Geliebter ist mein Arzt!«

Als sie ihre Verse vollendet hatte, versank sie in ein tiefes Nachdenken und gab sich einem starken Schmerz hin. Als es Nacht wurde und sie an einem anderen Ort sich befand, entbrannte ihre Sehnsucht noch mehr, und sie dichtete folgende Verse:

»Dunkelheit umgibt mich und erregt Schmerz und Krankheit in mir, die Sehnsucht ruft meine Leiden aufs neue hervor. Der Trennungsbrand hat sich in meinen Eingeweiden festgesetzt und die Sorgen haben mich ganz zu nichts gemacht, und die Tränen mein Geheimnis verraten. Ich war meiner nicht Herr, um am Trennungstage Abschied zu nehmen; o Gewalt! o Reue! o Nacht! sprich zu mir von meinem Freunde, denn du weißt es ja am besten, dass ich schlaflos bin.«

Während Ward in diesem Zustand war, sagte der Eremit zu dem Prinzen: »Geh in das Tal und bring mir Dattelbaumfasern.« Er ging und brachte ihm. Der Eremit flocht Stricke daraus und machte ein Netz, wie man zum Strohtragen braucht. Dann sagte er zum Prinzen: »Geh in das Tal, brich dort Kürbisse, die an den Wurzeln austrocknen, fülle dieses Netz damit, binde es zusammen, wirf es ins Meer und besteige es, vielleicht wirst du auf diese Weise zu deinem Ziel gelangen; wer Gefahr scheut, der erreicht seinen Willen nie.« Er nahm dann von dem Eremiten Abschied, betete für ihn und bestieg das Meer auf dem Netz. Da kam ein Wind von hinten, trieb ihn vom Land weg und jagte ihm immer weiter bis an das Gebirge Thakla, das er nach drei Tagen erreichte. Er stieg hier ans Land und war vor Hunger, Durst und Schmerz wie ein geschlachtetes Huhn. Doch fand er auf dem Berg viele Flüsse und Vögel, die auf früchtetragenden Bäumen sangen; er trank von diesen Gewässern und aß von den Gewächsen der Erde und den Früchten - gelobt sei der einzige, allmächtige Gott! - Als er weiterging, sah er etwas Weißes leuchten, und sieh da, es war ein starkes, befestigtes Schloss; er ging auf die Pforte desselben zu, fand sie aber geschlossen und blieb hier drei Tage sitzen. Am vierten Tag war die Pforte geöffnet, und es kam ein Mann heraus, der vor dem Prinzen erschrak, als er ihn sah. Er fragte ihn: »Wer bist du und wo kommst du her?« Der Prinz antwortete: »Ich komme von Ispahan, wo ich Handel trieb, und machte eine Seereise, bis das Schiff barst, auf dem ich mich befand; ich aber rettete mich auf einem Brett, und das Schicksal warf mich auf diesen Berg.« Als der Mann, der einer der Diener aus dem Schloss war, dies hörte, weinte er, umarmte ihn und sagte: »Ich bin auch aus Ispahan, Gott grüße dich, o Freundesduft! Ich habe dort eine Base, die ich sehr liebte, schon von meiner Kindheit an. Da kamen fremde Krieger über uns und führten mich gefangen als Beute weg, und verkauften mich dem Wesir; du kannst mich daher als deinen Freund ansehen.« Mit diesen Worten führte er ihn zur Tür des Schlosses hinein. Er sah in der Mitte des Hofes große Bäume, an denen goldene und silberne Käfige hingen, in denen Vögel sangen. Im ersten Käfig, den er sah, war eine Turteltaube, welche die Stimme erhob, als sage sie (zu Gott): »O Edler!« Als der Prinz dies hörte, fiel er in Ohnmacht; als er wieder zu sich gekommen, sprach er folgende Verse:

»O Turteltaube! fahre fort, seufze und schmachten Bete zum Herrn und rufe: O Edler! Sage mir, rufst du vor Entzücken so aus, oder vor Schmerzen, die dein Herz drücken, oder vor Sehnsucht wegen geschiedener Freunde, nach deren Trennung du krank zurückgeblieben? oder hast du, wie ich, deine Geliebte verloren, und regt sich in dir der alte Schmerz wieder? Gott bewahre einen treuen Freund, der bis zur Verwesung untröstlich bleibt!«

Nach Vollendung dieser Verse fiel er wieder in Ohnmacht; er kam dann an einen zweiten Käfig, in dem eine Ringeltaube war. Als sie ihn sah, stieg sie nieder auf den Boden und erhob ihre Stimme, als wollte sie sagen: »O du, dem immer Dank gebührt!« Als der Prinz dies hörte, rezitierte er folgende Verse:

»Die Ringeltaube sagt in ihrem Seufzen: O Gott, dem ich in allen Versuchungen noch danke! vielleicht wirst du in deiner Güte mir zum Lohn für meinen Dank Vereinigung gewähren. Vielleicht wird ein trauriger Liebender kommen, meine Lage sehen und mich ZU meinem Weibchen bringen. Während die Liebesflamme in meinem Herzen lodert und mein Inneres verzehrt und blutige Tränen meine Wangen überströmen, rufe ich aus: Es gibt kein Geschöpf ohne Kummer, doch verliere ich die Geduld nicht in meinem Leiden. Ich gelobe zu Gott, wenn mein Schicksal mich mit meiner Herrin vereint, alles, was ich besitze, mit den Liebenden, meinen Glaubensgenossen, zu teilen, die Vögel zu befreien aus ihren Gefängnissen und ihre Trauer in Freude zu verwandeln.«

Er kam dann an einen dritten Käfig, in welchem ein Hesar war, und sprach folgende Verse:

»Deine Stimme ist traurig, doch sie gefällt mir, denn sie gleicht meinen Klagen in der Liebespein. O Mitleid mit den Liebenden! wie sehr sind sie in der Nacht von schmerzlicher Sehnsucht geplagt, als wäre ihre Nacht ohne Schlaf, und ohne Morgen geschaffen. Auch wenn sie mir mit dem Bild der Geliebten naht, bemächtigt sich meiner eine heftige Pein, Tränen strömen aus meinen Augen und ich sage ihnen: ihr seid lange genug geflossen, meine Sehnsucht wird durch die Trennung nur immer heftiger; die Schätze meiner Geduld sind zerronnen und der allmächtige Gram verzehrt mich. Wenn das Schicksal gerecht ist, so muss es mich durch die Vereinigung mit meiner Geliebten selig machen. Ich ziehe meine Kleider vor ihm aus, damit es sehe, wie mein Körper durch die Trennung abgenommen.«

Als er diese Verse vollendet hatte, ging er zu dem vierten Käfig, in welchem eine Nachtigall seufzte und trillerte. Uns rezitierte folgende Verse:

Die Nachtigall ersetzt durch ihren Morgengesang den Klang der Saiten, wie manche Töne haben wir von ihr gehört, die Stein und Eisen entzücken! Die Morgenluft weht uns allerlei Blütenduft zu, aber wenn wir in diesen Genüssen schwelgen, so fällt uns die ferne Geliebte ein, wie Regen fließen die Tränen und feurige Kohlen brennen in unsern Herzen. Möge Gott den Liebenden mit einem Blick der Geliebten erfreuen!«

Als er sich nach diesen Worten umkehrte, sah er endlich noch den schönsten Käfig, in dem eine Waldtaube war, mit einer Perlenschnur am Hals; sie ist der Sultan der Liebenden unter den Vögeln; als sie den Prinzen sah, stieg sie nieder auf den Boden und seufzte, der Prinz aber rezitierte folgende Verse:

»Sei gegrüßt, Waldtaube! Freundin unglücklicher Liebender! Ich liebe eine schmächtige Gazelle, deren Blicke schärfer als Pfeile stechen. Die Trennung von ihr hat mein Herz verzehrt und allerlei Übel über meinen Körper gebracht. Ich habe mir alle Süßigkeit des Lebens versagt, so wie mir der Schlummer geraubt wurde. Trost und Geduld sind verschwunden, Liebe und Schmerzen aber sind geblieben; wie kann mir das Leben noch schmecken, nachdem die edelsten Freuden von mir geschieden?«

Als er diese Verse vollendet hatte, seufzte und zwitscherte die Taube; ihre Seufzer schienen zu sagen:

»O Liebender! Du erinnerst mich an eine Zeit, In der ich mein Herz verloren habe, an meinen holden Geliebten, der mich verließ, dessen Stimme, wenn er auf den Bäumen, auf Sandhügeln sang, mir die Laute ersetzte. Ein Jäger stellte mir ein Netz und fing mich; ich aber sagte ihm: lass mich frei zu meinem Geliebten ziehen! Ich glaubte, er werde Mitleid mit mir haben, sobald er sehe, dass ich liebe. Gott möge ihn stürzen, weil er mich hartherzig von meinem Geliebten getrennt, und dadurch mein Herz verbrannt hat. Gott belohne denjenigen, der mit der Liebe vertraut ist, meinen Schmerz fasst, wenn er mich in meinem Käfig sieht und aus Mitleid mich wieder zu meinem Geliebten ziehen lässt!«

Er wandte sich zu seinem Freunde aus Ispahan und fragte ihn, wem dieses Schloss gehöre, wer es gebaut und wer es bewohne? Er antwortete: »Der Wesir des Königs Schamech hat es für seine Tochter gebaut, aus Furcht vor den Unfällen des Schicksals, und hat seinen Dienern befohlen, das Tor nur einmal im Jahr zu öffnen, wenn Lebensmittel gebracht werden.« Der Prinz dachte: Nun ist der Zweck erreicht, wenn auch nach vielen Qualen. So viel, was den Prinzen angeht.

Ward aber, der das Leben gar zu bitter geworden war, konnte nicht liegen, noch ruhen; ihre Leiden nahmen immer zu, sie ging an den Säulen des Schlosses umher und konnte keinen Ausweg finden; in ihrem Kummer sprach sie folgende Verse:

»Man hat mich grausam weit von meinem Geliebten eingekerkert und mich mit einem heißen Brand im Kerker heimgesucht. Ich bin in ein neues Schloss eingesperrt, das auf einem hohen Berg liegt, an dessen Fuß sich die Meereswogen brechen, so dass kein Blick meines Geliebten zu mir reichen kann. Sie glauben, ich werde mich trösten, doch meine Liebesqual nimmt immer zu. Wie soll ich den vergessen, dessen Blicke mir mein ganzes Sein gegeben haben? Tage und Nächte bring ich in Kummer und Sorgen zu; solange Morgen und Abend wechseln, werde ich seiner gedenken, vielleicht wird doch zuletzt einmal das Schicksal uns begünstigen!«

Als sie diese Verse vollendet hatte, verfiel sie in den heftigsten Schmerz; sie zog ihre kostbarsten Kleider und Edelsteine an, band dann mehrere Kleidungsstücke von Balbekschem Stoffe aneinander, befestigte sie an dem Altan des Schlosses und ließ sich daran auf die Erde herunter; sie erreichte glücklich den Boden und ging auf der Insel fort, bis sie ans Meeresufer kam, wo sie einen Fischer auf einem Kahn erblickte, den die Bestimmung und der Wind dahin getrieben. Als er sie sah, erschrak er und entfloh; sie winkte ihm und sprach folgende Verse:

»O Fischer! fürchte nichts Böses von mir, denn ich bin ein Mensch aus Fleisch wie du, hilf mir in meiner Verlegenheit und sprich Wahrheit. Bei Gott, habe Mitleid mit mir! Sage mir, hast du den gespaltenen Mond gesehen? Sobald die Gazelle die Blicke meines Geliebten sah, sprach sie: Ich bin geringer als er, und entschuldigte sich bei ihm. Die Schönheit hat eine kurze Zeit mit Moschuspulver auf seine Wangen geschrieben: Wer das Licht der Leitung sieht, der wird den rechten Weg wandeln; wer von ihm abweicht, der ist ein Ungläubiger. Magst du dich auch meiner erbarmen, oder mir neue Schmerzen verursachen, immer sei dir dein Lohn gewiss. Ich schenke dir Perlen und Edelsteine; vielleicht liebe ich doch einen Mann, dessen Herz dem meinigen gleich in Gram und Sehnsucht zerfließt.«

Als der Fischer diese Verse hörte, weinte er, er gedachte vergangener Zeiten seiner Jugend, in denen auch er Liebe und Sehnsucht fühlte; er erstaunte über dieses Mädchen und sprach folgende Verse:

»Der Liebende hat deutliche Fürsprecher; seine fließenden Tränen und sein kranker Körper, seine Augen, die in der Dunkelheit wachen und sein Herz, das wie ein Feuerstrahl zündet. Ich habe die Liebe in meiner Jugend gekostet und kenne ihre Freuden und ihre Leiden. Wir geben unser Leben für die Liebe hin, für die Vereinigung mit der Geliebten. Der Glaube der Liebenden fordert, dass sie mit ihrem vergänglichen Leben die Nähe des Geliebten gerne erkaufen.«

Als er diese Worte gesprochen, sagte er zu ihr: »Komm heran, ich führe dich hin, wo du willst.« Sie bestieg den Nachen, und er fuhr mit ihr einige Tage lang, bis sie an eine Stadt kamen, die am Ufer des Meeres lag; daselbst herrschte ein König, der wegen seiner furchtbaren Macht Derbas (Löwe) hieß; er saß auf der Terrasse seines Schlosses und sah den Nachen mit dem Fischer und einem Mädchen, das einer verirrten Gazelle glich; er befahl sogleich, dass man sie ihm bringe, und die Diener vollzogen seinen Befehl. Der König ging ihr schnell entgegen, und als er sie sah, dachte er gleich, sie müsse eine Königstochter sein, weit sie einen so kostbaren Schmuck trug. Er ließ sie in sein Schloss bringen, ging zu ihr, freute sich mit ihr, und fragte sie nach ihrem Namen, nach dem ihres Vaters und ihrer Heimat, sowie nach der Ursache ihrer Reise. Sie sagte ihm: »Wisse, o König! Ich bin die Tochter Ibrahims, des Wesirs des Königs Schamech.« Sie erzählte ihm ihre ganze Geschichte vom Anfang bis zu Ende, und verheimlichte gar nichts vor ihm; sie bat ihn dann um seinen Schutz und Beistand durch folgende Verse:

»Vor Kummer und Zerrüttung ergießen sich die Tränen über meine Wangen, des Freundes willen, dessen Liebe ich mich keinen einzigen Tag freuen kann. Seine Schönheit entzückt jedes Auge, und in Beredsamkeit übertrifft er Araber und Perser. Sonne und Mond verewigen seinen Glanz und erweisen sich ehrerbietig gegen ihn. Sein Auge ist von wunderbarem Zauber bemalt und der Bogen seiner Augenbrauen ist zum Wurf gespannt. O du, dem ich beschämt meinen Zustand geschildert, erbarme dich einer Liebenden, die ihre Liebe tötet! O meine Hoffnung! verbirg die Scham der Liebenden und werde Ursache ihrer Vereinigung! Die Liebe hat mich schwache Fremde an eure Ufer geworfen, von euch hoffe ich meine Rettung.«

Als der König ihre Verse hörte, hatte er Mitleid mit ihr und sagte: »Fürchte nichts, du hast schon deinen Zweck erreichte Der König rezitierte dann folgende Verse:

»Tochter edler, vornehmer und wohlgebildeter Eltern, empfange die gute Botschaft: du hast deinen höchsten Wunsch erreicht! Noch heute sammle ich Geld und schicke es Schamech durch vornehme Ritter; ich will ihm vom schönsten Moschus und Seidenstoff schicken, und allerlei glänzendes Silber und Gold. Ich werde ihm in einem Brief sagen, ich wolle ihm eine Schwiegertochter geben und sein Verwandter werden. Ich will gern alles tun, um euch von eurem Liebesbrand zu heilen. Ich habe wahrlich auch den Liebeskelch gekostet, und entschuldige jeden, der ihn getrunken.«

Der König rief seinem Wesir und rüstete ihn mit allerlei Geschenken aus; auch befahl er ihm, zum König Schamech zu gehen und den Prinzen Uns Alwudjud von dort zu holen, und setzte hinzu: »Sage ihm, ich wolle ihm meine Tochter zur Frau geben; und bringst du mir ihn nicht, wirst du von deiner Stelle entsetzt.« Der Wesir nahm alles, was ihm der König gab, durchwanderte die Wüste in der Länge und in der Breite, bis er in das Land des Königs Schamech kam. Als der König seine Ankunft erfuhr, ließ er ihn drei Tage lang bewirten und am vierten Tag zu sich kommen; der Wesir aber überreichte ihm den Brief und die Geschenke des Königs Derbas. Als der König Schamech den Brief gelesen hatte, und den Namen Uns Alwudjud darin las, weinte er heftig und sagte zum Wesir: »Wo ist Uns Alwudjud? bring mir ihn und nimm, was du willst!« Er sprach dann folgende Verse:

»Gebt mir meinen Freund wieder, ich brauche kein Geld, ich will den, dessen Anmut der Mond meines Himmels war, keine anderen Geschenke und keine Menschen. Sein Blick übertraf an Lieblichkeit den einer Gazelle, sein Wuchs war ein Zweig des Ban, ich habe ihn großgezogen in Liebe und Pracht, und nun traute ich seinetwillen.«

Als der König diese Verse vollendet hatte, wendete er sich zu seinem Wesir Ibrahim und fragte ihn: »Wo ist mein Sohn?« Er antwortete: Ach weiß nicht, Herr!« Er wandte sich dann zum Wesir des Königs Derbas und sagte ihm: »Mein Sohn ist schon lange Zeit abwesend und wir wissen nicht, wohin er gegangene Er erwiderte: »Mein Herr hat mir gesagt, wenn du Uns Alwudjud nicht bringst, so entsetze ich dich, ich kann also nicht ohne ihn abreisen.« Dann befahl jener seinem Wesir: »Geh umher, suche meinen Sohn und bring mir ihn!« Dieser antwortete: »Ich gehorche.« Beide Wesire reisten sogleich ab, um den Prinzen zu suchen, und so oft sie an einen Ort kamen, fragten sie: »Ist hier ein Mann durchgereist, der so und so aussieht?« Aber es wusste niemand etwas von ihm. So gingen sie immer fort, bis sie an das Meer Kanus kamen, da bestiegen sie ein Schiff und segelten nach dem Berg Thakla und stiegen ans Land. Da sagte der Wesir. »Warum heißt dieser Berg Thakla (der verwaiste)?« und man antwortete ihm: »Es war einmal vor alten Zeiten eine Genie, die einen Menschen liebte, da sie sich aber vor ihren Leuten fürchtete, zog sie mit ihm nach diesem abgelegenen Berg, zu dem weder Menschen noch Geniert kommen, bewohnte ihn abwechselnd eine Zeitlang mit ihrem Geliebten, und ging dann wieder eine Weile zu ihren Leuten; dies währte lange Zeit, und so oft ein Schiff in der Nähe dieses Berges vorüberfuhr, hörten die Leute diesen jungen Mann weinen und sagten: »Hier wohnt eine verwaiste (Mutter), und darum heißt der Berg Thakla.« Der Wesir des Königs Derbas war erstaunt über diese Geschichte. Sie gingen bis an das Schloss, klopften an der Tür, und man öffnete ihnen; als sie hineinkamen und die Diener ihnen entgegentreten, sahen sie bei ihnen einen jungen Mann in einem elenden Zustand. Der Wesir fragte: »Woher kommt dieser Elende?« Man antwortete ihm: »Er war auf einem Schiff, das unterging, und hat auf einem Brett sich hierher gerettet; er ist ein armer Mann.« Der Wesir wendete sich von ihm weg, ging aufs Schloss und fragte nach seiner Tochter, konnte aber keine Auskunft über sie erhalten; die Diener und Sklavinnen, die er nach ihr befragte, sagten ihm: »Sie ist nur kurze Zeit bei uns geblieben, dann ist sie verschwunden, wir wissen nicht wie, noch wohin.« Als er dies hörte, verlor er seinen Verstand und wurde wie ein Wahnsinniger. Nachdem er dann einige Verse rezitierte, in welchen er sich über das Verschwinden seiner Tochter aus dem noch vollständig ausgestatteten Schloss mit Verwunderung aussprach, trat er auf die Terrasse des Schlosses hinaus, wo er die Tücher sah, an welchen seine Tochter sich heruntergelassen hatte, und er dachte wohl, dass sie auf diesem Weg entflohen sei; er hörte auf der Terrasse einen Raben und eine Nachteule krähen, weinte heftig und sprach: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Es hilft keine List gegen Gottes Beschluss, und keine Vorsicht gegen die Bestimmung!« Er sprach dann folgende Verse:

»Ich kam in die Wohnung meiner geliebten Tochter, um die Flamme meiner Sehnsucht zu löschen, fand aber nichts darin, als einen Raben und eine Nachteule und es ist, als sagte man mir: Du hast Unrecht gehandelt, du hast zwei Liebende getrennt, koste nun selbst den Trennungsschmerz, den sie gekostet, und lebe betrübt, oder stirb vor Schmerzensglut!«

Der Wesir ging weinend vom Schloss herunter und befahl den Dienern, überall auf dem Berg ihre Herrin zu suchen. Sie taten dies, fanden sie aber nicht, noch trafen sie eine Spur von ihr. Als aber der Prinz sich überzeugt hatte, dass Ward weggegangen war, schrie er laut und fiel in Ohnmacht; der Wesir wollte mit allem, was im Schloss war, zurückkehren; der Wesir des Königs Derbas aber nahm Abschied von ihm und sagte: »Ich will diesen Derwisch (den Prinzen) mit mir nehmen und ihn nach Ispahan schicken, denn diese Stadt liegt nicht weit von unserm Lande, und ich hoffe von Gott, dass er mir das Herz meines Königs durch den Segen dieses Derwischs zuneigen wird.« Der Wesir Ibrahim sagte: »Tu, was du willst.« Sie nahmen dann voneinander Abschied, und der Wesir des Königs Derbas reiste mit dem Prinzen drei Tage lang, ohne dass dieser zu sich kam. Der Wesir trug ihn von einem Ort zum andern, und goss ihm Getränke ein, ohne dass er etwas davon wusste. Nach drei Tagen aber kam er zu sich und setzte sich aufrecht. Als sie dem Lande des Königs Derbas nahe waren, berichtete man dem König die Ankunft seines Wesirs. Der König schickte ihm entgegen und ließ ihm sagen: »Wenn du mir nicht den Prinzen Uns Alwudjud bringst, so bist du abgesetzt und ich habe nichts mehr mit dir zu tun.« Als der Wesir dies hörte, wurde er sehr bestürzt, denn er wusste nicht, dass Ward beim König war, und konnte nicht begreifen, was er vom Prinzen wollte. Als dieser den Wesir in diesem Zustand sah, fragte er ihn: »Was hast du?« Er antwortete: »Der König hat mir einen Auftrag gegeben, den ich nicht besorgen konnte; soeben ließ er mir sagen: wenn du mir nicht bringst, was ich dir aufgetragen, so bist du abgesetzte Der Prinz fragte abermals: »Und wonach hat dich der König geschickte Und er erzählte ihm die ganze Sache. Da sagte der Prinz: »Nimm mich mit zum König, ich will dir den Prinzen herbeischaffend Der Wesir freute sich sehr und sagte: »Sprichst du die Wahrheit?« Er antwortete: »Ja.« Der Wesir ritt dann mit ihm zum König, der ihn fragte: »Wo ist der Prinz?« Der Wesir antwortete: »Dieser Derwisch weiß, wo er ist.« Der König fragte: »Weißt du, wo er ist?« Er antwortete: »Er ist dir sehr nahe, was willst du von ihm? Sage mir es, ich will ihn dir herbeibringen.« Als der König dies hörte, trat er mit ihm auf die Seite und erzählte ihm, warum er ihn suchen lasse. Da sagte der Prinz: »Bring mir ein schönes Kleid!« Der König brachte es ihm; er ging damit ins Bad, reinigte und salbte sich, zog das schöne Kleid an und sagte dann dem König: »Herr! ich bin Uns Alwudjud.« Er sprach noch folgende Verse:

»Das Andenken meiner Geliebten tröstete mich in meiner Einsamkeit und machte mir die Dunkelheit weniger unheimlich. Ich habe keine andere Hilfe als meine Tränen, sie allein erleichtern meine Last. Meine Sehnsucht ist heftig, noch nie hat jemand so durch sie gelitten; wunderbarer ist die Macht meiner Liebe; mein Herz ist zerknirscht; mein Auge schläft nicht. Eine verzehrende Flamme lodert in meinem Herzen, und meine Leiden wurden so mächtig, dass alle Geduld von mir wich. Der Trennungsschmerz machte mich mager und die Sehnsucht hat mich ganz entstellt; meine Augen samt dem Augapfel wurden wund von den Tränen, die ich nicht zurückhalten konnte. Meine Kraft nahm ab, ich verlor mein Herz, und ich fühlte einen Brand nach dem andern. Mein Herz und mein Kopf wurden gleich alt, wegen meiner Herrin, der Schönsten' von allen. Gegen ihren Willen sind wir getrennt worden, sie wollte nur unsere Vereinigung. Wozu diese längere Trennung, Sehnsucht und Qual? Meine Seele schmachtet nach dem Wiedersehen! lasst nun meine Geliebte liebend mit mir kosen und unsere Trauer sich in Freude verwandeln.«

Als er die Verse vollendet hatte, sagte ihm der König: »Bei Gott! du bist ein weiser Mann, ihr seid wahre Liebende und eure Geschichte ist wunderbare Er erzählte ihm dann, wie es Ward gegangen; der Prinz aber fragte: »Und wo ist sie?« Der König antwortete: »Hier bei mir.« Als der Prinz dies hörte, weinte er heftig und fiel vor Freude in Ohnmacht. Der König ließ dann den Kadi und die Zeugen rufen und den Ehevertrag zwischen dem Prinzen und Ward schreiben. Als dies geschehen war, gab der König Derbas dem König Schamech Nachricht davon und schrieb ihm auch, dass er die Morgengabe bestimmt habe, dieser freute sich sehr und schickte dem König Derbas viel Geld und andere Geschenke, und ließ ihm sagen: »Die Verlobung mag bei dir stattfinden, die Hochzeit aber soll bei mir mit allem Glanz gefeiert werden! Als diese Nachricht mit den Geschenken ankam, nahmen der Prinz und Ward Abschied und reisten in ihre Heimat zurück. Als der König und der Wesir hörten, dass sie in der Nähe waren, gingen sie mit allen Großen des Reichs ihnen entgegen; sie zogen freudig miteinander in die Stadt, und dieser Tag wurde unter die glücklichen gerechnet. Der Prinz wohnte zusammen mit Ward; es wurde während sieben Tage und Nächte gezecht, und der König machte ihnen viele Geschenke. Als sie allein waren, umarmten sie sich und sprachen von ihren Abenteuern. Dann rezitierte Ward folgende Verse:

»Die Freude ist gekommen, Kummer und Trauer sind nun vereinigt, unsern Neidern zum Trotze. Der Atem der Vereinigung weht wohlduftend, belebt unser Herz und unseren ganzen Körper. Die Freude der Geselligkeit umleuchtet uns, und die Kunde von unserm Glück ertönt nach allen Enden. Glaubt nicht, dass ich vor Schmerzen weine, nein, es sind nur Freudentränen, die ich vergieße. Was wir Schreckliches erlebt haben, ist vorüber. Wir haben mit Geduld den Schmerz ertragen, den die Trennung über uns verhängt hat, und diese Stunde der Vereinigung lässt mich alles Gräßliche vergessen, das mein Haupt gebleicht hat.«

Als sie diese Verse vollendet hatte, umarmten sie sich wieder und weinten. Der Prinz sagte: »Wie süß ist diese Nacht der Freude und Gewährung! und sprach folgende Verse:

»Die Freuden der Vereinigung sind uns zuteil geworden, und die Trennungsschmerzen sind verschwunden. Freundlich naht uns jetzt das Schicksal, nachdem es uns den Rücken gekehrt. Das Glück hat seine Fahne vor uns aufgepflanzt und reicht uns seinen Freudenkelch. Wir sind nun vereinigt und klagen einander den Liebesgram und die Nächte, die wir in Schmerzen zugebracht. Doch vergessen wir, was vorüber ist, O Herrin! und der Barmherzige möge das Geschehene bedecken! Wie süß und angenehm ist nun das Leben! die Liebe hat uns nur veredelt.«

Sie legten sich allein nieder, kosten, rezitierten Verse und tauchten in den Freuden der Vereinigung unter. So vergingen, ohne dass sie es merkten, sieben Tage; als die Leute am siebenten Tage kamen, um ihnen zu gratulieren, standen sie auf, und Ward sprach folgende Verse:

»Trotz der Neider und Aufseher bin ich doch mit meinem Geliebten vereinigt worden und statt der früheren vor Kummer schlaflosen Nächte durchmachen wir sie jetzt in Umarmungen auf Seidenstoffen mit Rosen durchwirkt, auf ledernem Sofa mit Vogelfedern voll gestopft; ich kann den Wein entbehren, die feuchten Küsse des Geliebten übertreffen ihn. Das Glück unserer Vereinigung ist so groß, dass wir kein Maß der Zeit mehr kennen. Sieben Nächte sind vorüber und wir wissen nicht, was sich Wunderbares inzwischen zugetragen. Wünscht mir Glück zu solchen Wochen und saget: Gott lasse deine Vereinigung lange dauern!«

Als sie vollendet hatte, sprach der Prinz folgende Verse:

»Der Tag der Freude und Glückwünsche ist gekommen, meine Geliebte hat mir ihre Treue bewahrt und mich die schönsten Freuden der Vereinigung kosten lassen. Ich habe so viele Wonne bei ihr genossen, dass ich ganz mein Sein vergaß. Mögen alle Liebenden wie ich durch Vereinigung glücklich werden!«

Sie standen dann auf und teilten viele Almosen aus, Ward aber sagte zum Prinzen: »O mein Geliebter! lass uns ins Bad gehen!« Der Prinz gewährte ihr ihren Wunsch, sie aber gab Befehl, dass man das Bad aufs feinste beräuchere, hell beleuchte und sprach folgende Verse:

»O du, der schon lange im Besitz meines Herzens ist! O du, dessen Nähe jeden Kranken heilt! O du, den niemand ersetzen kann! Licht meiner Augen! komm ins Bad, lass uns Lichter anzünden mitten in der Hölle, den Boden mit Rosen, Narzissen, Myrthen und Lilien bestreuen, und mit Aloe und Ambraduft die ganze Atmosphäre schwängern; dort will ich mein Herz erfreuen, und wenn ich dich dort sehe, will ich ausrufen: Heil und Friede dir, o Geliebter!«

Vom Bade gingen sie ins Schloss zurück und lebten in Freude und Wonne, bis der Zerstörer aller Freuden und der Trenner aller Vergnügungen sie überfiel; das ist alles, was ich von dieser Geschichte gehört. Doch, was ist das im Vergleich zur

Geschichte des Abul Hasan