[swahili, "Geschichte, Legende"]

Märchen aus tausend und einer Nacht Geschichte der sechs Mädchen

Einst saß Mamun, der Fürst der Gläubigen, in seinem Schloss, von vielen Dichtern, Gesellschaftern und Staatsräten umgeben; da wendete er sich zu einem seiner Tischgenossen, sein Name war Mohamed, und sagte ihm: »Erzähle mir etwas, was ich nie gehört.« Mohamed fragte: »Soll ich etwas erzählen, was ich selbst gesehen, oder was ich gehört habe?« Mamun erwiderte: »Erzähle, was du gesehen, das ist doch besser, als was man nur gehört hat.« Da begann Mohamed:

Ein reicher Kaufmann aus dem südlichen Arabien, der sich in Bagdad niederließ, hatte sechs Sklavinnen: die eine war weiß, die andere braun, die dritte stark, die vierte mager, die fünfte gelb und die sechste schwarz; alle aber hatten schöne Gesichtszüge und besaßen einen hohen Grad von Bildung und große Fertigkeit in Gesang und Musik. Eines Abends, als die alle beisammen waren, gegessen, getrunken, Verse rezitiert und gesungen hatten, sagte ihnen ihr Herr: »Ihr habt doch alle den Koran gelesen, seid in der alten Geschichte bewandert und kennt die besten Gedichte; bewähret nun eure Belesenheit dadurch, dass eine jede von euch ihre Vorzüge und die Mängel der anders Aussehenden hervorhebe und Belege dafür aus dem Koran, aus Dichtern und alten Sagen anführe.« Da erhob sich die weiße Sklavin und sagte, zur schwarzen hinblickend: »Wehe dir! ich bin das helle Licht und der klare Mond. Meine Farbe ist die der weißen Rose, des freundlichen Tages, dar schimmernden Sterne. Auch hat der Prophet Gottes gesagt: Die, deren Gesicht weiß (unschuldig) ist, werden ewig in der Gnade Gottes verharren; die Muselmänner sind durch weiße Turbane von den Ungläubigen unterschieden, auch fällt der Schnee weiß vom Himmel herunter. Ich könnte noch unendlich viele Vorzüge der weißen Farbe herzählen, aber ich. gehe lieber zu deinen Mängeln über, du schwarzes Werk eines Schmieds, du Trennung bringender Rabe. Kennst du nicht die Worte des Dichters:

»Kostbar ist die weiße Perle, aber schwarze Kohlen haben nur geringen Wert; ein weißes Gesicht verkündet Glück und Freude, ein schwarzes deutet auf eine Höllennatur.«

»Du wirst auch wohl wissen, dass die Schwarzen von Cham abstammen, den Noah wegen seiner Unbescheidenheit verfluchte und nach Abessinien verbannte; auch stimmen alle Leute darin überein, dass die Schwarzen wenig Verstand haben, und es gibt ein Sprichwort, ein Schwarzer und ein Verständiger trifft nie zusammen.« Auf den Wink ihres Herrn erhob sich dann die Schwarze und sagte, ihre Hand gegen die Weiße hinstreckend: »Weißt du nicht, dass Gott im Koran schwört: Bei der Nacht, wenn sie dunkelt; bei dem Tage, wenn er leuchtet: wäre die Nacht etwas Verächtliches, so hätte Gott nicht dabei geschworen und sie dem Tage vorgesetzt; ist nicht schwarzes Haar die Zierde des Mannes, während weißes nur freudenloses Leben und nahen Tod bringt? Wäre die schwarze Farbe nicht die kostbarste, so fände sie nicht mitten im Herzen und im Auge Platz. Ist ferner nicht die Nacht der Liebenden hold? ist das Wort Gottes nicht mit schwarzer Tinte geschrieben, und sind Moschus und Ambra nicht auch schwarz? Du rühmst dich deiner weißen, kalten, aussatzartigen Farbe, und denkst nicht daran, dass auch Schnee und Hagel die Pein der Hölle vermehren. Auch hat ein Dichter gesagt:

»Was ist kostbarer, als Moschus? was wohlfeiler, als Gips? das Weiße im Auge nützt gar nichts, nur das Schwarze hat hohen Wert.«

Der Kaufmann ließ die Starke aufstehen, welche ihren Arm und ihre Beine entblößte und, nach der Schmächtigen hindeutend, sagte: »Gepriesen sei Gott, der mich so fett geschaffen und in seinem edlen Buche den Vorzug des Fetten hervorgehoben, indem es heißt: »Und er (Abraham) brachte ein fettes Kalb.« Ich gleiche einem Garten mit Pfirsichen und Granatäpfeln und allerlei Blumen, jedermann isst lieber einen fetten als einen magern Vogel oder Hammel; soll ich lange mit der Magern rechten, mir ihren Spatzenbeinen und Ofengabeln, mit ihrem galgenholzigen Körper, aus dem überall Hörner hervorstehen?« Der Kaufmann lachte und hieß sie sitzen; auf seinen Wink begann die Magere: »Gelobt sei Gott, der mir eine so reizende Gestalt verliehen! Ich habe nie gehört, dass jemand seine Geliebte einem Elefanten oder einem fetten Kamele verglichen, sondern dem Zweige des Ban, einem indischen Rohre oder einer durstigen Gazelle. Ich bin immer frisch und munter, bewege mich leicht, wie ein Spatz, und sättige mich mit wenigem. Doch du, Fettleibige, wärest freilich zum Schlachten gut, aber auch sonst zu nichts; du bist immer ernst und düster; gehst du, wirst du müde; sitzest du, kannst du nicht mehr aufstehen; bist du am Essen, wirst du nimmer satt; schläfst du, wirst du nicht mehr wach und schnarchst wie ein geschlachteter Ochs. Du gleichst, wie ein Dichter sagte:

»einem aufgeblasenen Schlauche, bist unbeweglich, wie ein Berg, und triffst du einmal im äußersten Westen auf, so hört man dich im feinsten Osten.«

Auf den Wunsch des Kaufmanns erhob sich dann die Gelbe und sagte, sich zur Braunen wendend: »Meine Farbe hat der Barmherzige über jede andere erhoben, indem es von ihr heißt: sie sei gelb, von einer Farbe, die jedes Auge erfreut. Meine Farbe ist die der Dinare, der Sterne, des Mondes, der Äpfel und des Safrans. Von mir hat ein Dichter gesagt:

»Meine Geliebte gleicht der strahlenden Sonne, ihre Farbe ist dem Auge angenehm, wie Dinare, ihr Anblick ist erfreulicher, als Safran.«

»Weißt du aber, wessen Farbe du an dir trägst? Die eines Büffelochsen, den jeder flieht, und anderer Dinge, die jeder verabscheut, eines giftigen Rosts, eines Wolfsknies, eines Sandhaufens. Du hast eine Zwitterfarbe, die niemand mag; es gibt weder braune Rosen noch braunes Gold.« Endlich stand die Braune auf und rief: »Gelobt sei Gott, der mich nicht weiß, nicht schwarz und nicht gelb geschaffen; denn meine Farbe ist die beliebteste und die von Dichtern am meisten gepriesene; was wird bei Mädchen und Jünglingen mehr besungen, als ein braunes Mal auf den Wangen? Am wenigsten aber beneide ich dich, du gelbe Nachteule, du elfenbeinfarbiger Höllenfraß, du ekelhafter Brei. Von dir hat ein Dichter gesagt:

»Wenn ich eine Gelbe sehe, so glaube ich, sie sei krank, und soll ich mich ihr nähern, fühle ich mich so beklommen, als müsste ich ins Grab steigen.«

Der Kaufmann stellte dann wieder den Frieden unter ihnen her und schenkte jeder ein schönes Kleid und überschüttete sie mit Gold und Edelsteinen.

Als der Kalif diese Geschichte hörte, lachte er, bis er umfiel, dann ließ er durch Mohamed die sechs Sklavinnen für sechstausend Dinare kaufen. Aber bald nachher erhielt er vom Kaufmann folgende Verse:

»Sechs Schönheiten haben mein Herz gestohlen, und meine Freude ist mit ihnen dahin; sie waren mein Gehör; mein Gesicht, meine Nahrung, mein Schlaf, mein Leben; mein Bedauern ist so groß; dass ich mich nach dem Grabe sehne.«

Diese Verse rührten den Kalifen so sehr, dass er dem Kaufmann seine Sklavinnen wieder zurückschickte und ihnen kostbare Kleider und noch sechstausend Dinare dazu schenkte.

Hierauf erzählte Schehersad die Geschichte Djaudars