[swahili, "Geschichte, Legende"]

Fürst Kaboga und der venezianische Doge

Der venezianische Doge schrieb einst dem Fürsten Kaboga zu Dubrovnik einen Brief, und der lautete so: »Kaboga, du Stolz von Dubrovnik, Ehre sei dir und Ruhm, falls du ein weiser Mann bist. Deine Weisheit will ich jetzt erproben, indem ich dir drei Fragen stelle. Kannst du sie nicht beantworten, dann schlage ich dir den Kopf ab, das schwöre ich bei Glauben und Wahrheit. Denke gut nach und antworte weise, setze dein Leben nicht aufs Spiel! Erstens: Miss aus und sage mir, wie weit es vom Himmel bis zur Erde ist. Irrst du dich auch nur um Haaresbreite, dann musst du sterben. Zweitens: Miss aus und sage mir, wo sich der Mittelpunkt der Welt befindet. Drittens: Schöpfe das Meer um und miss aus, wie viel Wasser es enthält, lege sodann einen Teil des Meeres trocken, damit wir mehr Land erhalten, auf dem wir Weizen und Reis säen können.«

Das, oh mein Falke, war der sonderbare und Unheil verkündende Brief an den weisen Fürsten Kaboga zu Dubrovnik. Er las ihn ungezählte Male und brütete tagelang darüber. Freilich, das waren harte Nüsse, die nicht einmal der weise Salomo hätte knacken können! Und Kaboga empfand so bitteres Herzeleid, als wäre all sein Hab und Gut verbrannt.

Das sah sein Diener, ein Bauernsohn. »Warum bist du so traurig, Herr?« fragte er. »Es jammert mich, dich anzuschauen.« Kaboga schwieg, als hätte er nichts gehört. Doch der Diener ließ nicht locker, fragte und fragte und drohte schließlich, ihn zu verlassen. »Denn«, so sagte er, »dein Herzeleid verursacht mir hitziges Fieber. Verrate mir doch den Grund, Herr, ich werde sicherlich einen Ausweg finden, hab ich doch keinen hohlen Kürbis auf den Schultern.«

Da lächelte der weise Kaboga ein wenig. »Das weiß ich, Söhnchen«, sagte er, »deshalb werde ich dir von meinem Herzeleid erzählen. Da schreibt mir doch der venezianische Doge einen Brief, stellt mir darin drei Fragen, und wenn ich sie nicht beantworten kann, will er mich köpfen lassen. Erstens soll ich ihm ausmessen und sagen, wie weit es vom Himmel bis zur Erde ist. Zweitens soll ich ihm sagen, wo sich der Mittelpunkt der Welt befindet. Drittens soll ich das Meer umschöpfen, ausmessen und teilweise trockenlegen, so dass er Weizen und Reis säen kann. Das alles ist mir ein Buch mit sieben Siegeln, und meine Gedanken wimmeln so aufgestört darin herum wie Ameisen.«

Als der Diener das hörte, lachte er und sprach: »Ach, Herr, deswegen brauchst du nicht den Kopf hängen zu lassen; diese Fragen sind kinderleicht, und Gott soll mich strafen, wenn ich die Antwort nicht weiß. Greif in deinen Beutel, Herr, kaufe hundert Okka Seidenfäden und schicke sie diesem Schwätzer, dem venezianischen Dogen. Dazu schreibe ihm: Die Entfernung vom Himmel bis zur Erde ist so lang wie diese Seidenfäden, und glaubst du mir nicht, dann miss nach! Sollte ich mich auch nur um Haaresbreite geirrt haben, nun, so nimm deinen Säbel, hier ist mein Kopf! Auf die zweite Frage antworte ihm, dass sich der Mittelpunkt der Welt in Dubrovnik befindet. Sollten seine Räte das bezweifeln, so fordere sie in aller Seelenruhe auf, es nachzumessen. Und auf die dritte Frage antworte, dass du ihm auch hierin mit Vergnügen zu Diensten wärest, nur möchte er dir, um das Meer umzuschöpfen und auszumessen, zuvor aus Venezien ein dazu passendes Gefäß senden, denn, so schreibe ihm, bei euch herrscht doch ein so lebhafter Handel und Wandel, wobei sich bestimmt ein solches Gefäß auftreiben lässt!«

Kaboga folgte dem Rat seines Dieners, und als der venezianische Doge seinen Brief las, ging er in die Luft, als hätte er auf Nadeln gesessen. Eilfertig stürzten seine Würdenträger herbei, umringten ihn und erkundigten sich nach der Ursache seines Zornes. »Was setzt ihr mir zu wie die Pferdebremsen?« schimpfte er. »Vorzeitig habt ihr den Inhalt meines Briefes in die Welt hinausposaunt, es wäre wahrlich besser gewesen, darüber reinen Mund zu halten, denn nun sind wir blamiert und haben in diesem Hundesohn Kaboga aus Dubrovnik unseren Meister gefunden! Hört, was er schreibt.« Er verlas Kabogas Brief und fluchte: »dass ihn die Schlange beiße! ›Unser Dubrovnik‹, so schreibt er am Schluss, ›hat einen derart felsigen, unfruchtbaren Boden, dass wir unsere Nahrung aus dem Meer holen müssen. Das blaue Meer ist unser Feld.
Es wird bis an den Rand der Welt
durchpflügt von unsern Schiffen,
trotz Stürmen und trotz Riffen.
Und wenn ich das Meer umschöpfe und gar austrockne, dann verlieren die Fischer ihren Broterwerb, so dass ihnen ebenfalls nichts anderes übrig bleiben wird, als auf der trocken gelegten Fläche Reis und Getreide anzubauen!‹

So lautet Kabogas Brief, und nun sagt mir, wie ich mich dazu verhalten soll!« Die Würdenträger wiegten gedankenvoll die Köpfe und kamen nach langen Beratungen überein, dass der venezianische Doge dem Fürsten Kaboga etliche Ordenssterne und Ehrenzeichen sowie folgenden Brief senden sollte: »Lang lebe Kaboga, Fürst von Dubrovnik! Ich sehe ein, dass deine Weisheit mit Recht berühmt ist, und sende dir anbei Ordenssterne und Ehrenzeichen. Herrsche du über Dubrovnik, ich bleibe in Venedig!«