Fingerlang
Es waren ein Greis und eine Greisin, die wohnten in einem einfachen, armseligen Häuschen. Und sie hatten keine Kinder. Der Greis ging pflügen, und sie blieb zu Hause. Sie schnitt rote Beete klein und schnitt sich dabei mit dem Messer den kleinen Finger ab. Sie trug ihn zu den Holzspänen und warf ihn dazu. Doch den Fingerstumpf verband sie, vielleicht schmierte sie ihn auch irgendwomit ein. Dann macht sie Feuer im Ofen und backt Pfannkuchen.
Als sie die Pfannkuchen backt, hört sie plötzlich, wie es auf dem Ofen in den Holzspänen knackt. Sie meint: »Nanu, was ist denn das! Nanu, ein Kindchen - wo kommst du denn her?«
»Na, Mama, du hast dir den kleinen Finger abgeschnitten und nun bin ich aus dem kleinen Finger zu deinem Söhnlein geworden. Und jetzt bringe ich dem Väterchen das Essen.«
Sie machte ein Bündel, und er will es hinbringen. Er trägt, trägt und trägt es bis zum Berg, und unten im Tal ruft er: »Väterchen, Väterchen!« Der horcht: »Nanu, was ist denn da?«, und er läuft den Berg hinunter. Der Kleine bringt das Frühstück. »Wo kommst du denn her?«
»Mama hat rote Bete klein geschnitten, hat sich dabei den kleinen Finger abgeschnitten, hat ihn in die Holzspäne geworfen.« Er nahm das Essen und setzte sich nieder. »Ei, Väterchen, ich will dem Pferd ins Ohr kriechen und eggen!«
Und er eggt. Zu der Zeit kommt der Herr mit sechs Pferden vorüber gefahren. »Helf Gott!«
»Danke.«
»Mann, wer eggt denn hier bei dir?«
»Das ist mein Sohn, der da eggt.«
»Ach so? Ja, aber wie denn?«
»Im Ohr des Pferdes.«
»Verkauf ihn mir!« Er will ihn schon hergeben. »Ich werde dir ein Kesselchen voll Goldstücke geben.« Dem Alten ist das sehr recht. Und er verkauft ihn.
Der Herr fuhr mit ihm nach Hause. Der Alte arbeitete weiter. Fingerlang wartete die Nacht ab, dann sagte er zu den Dienern des Herrn: »Ich habe beim Herrn Geld und Haselnüsse gesehen. Helft mir nur - ich werde durch das Fenster hineinkriechen und euch alles herausgeben.« Gut. Aber als er hineingekrochen war, fing er an, laut zu schreien: »Knechte, ihr Knechte, was soll ich stehlen - Geld oder Haselnüsse?«
»Wozu die Nüsse? Wozu die Nüsse? Das Geld!« Das hörte der Herr und verjagte sie.
Er wartete die zweite Nacht ab: »Ich habe beim Herrn Speck gesehen. Ich werde hineinkriechen, Speck abschneiden und ihn euch durchs Fenster geben.« Er kroch hinein und schrie wieder: »Knechte, ihr Knechte, soll ich Schmalz nehmen oder Speck? Was wollen wir haben?«
»Was sollen wir mit dem Schmalz? Speck!« Er darauf wieder: »Knechte, ihr Knechte, was soll ich nehmen? Schmalz oder Speck?« Das merkte der Herr. Alle in Haus und Hof hörten es. Sie suchten und suchten, sie begannen alles umzudrehen, doch Fingerlang kroch ins Dachstroh und war nicht zu sehen.
Am Morgen kam die Wirtschafterin, um Speck abzuschneiden, doch er schreit: »Hände weg, das ist meins! Hände weg, das ist meins!« Und die Wirtschafterin - die Röcke hoch und läuft, was sie kann, ins Haus. Die Herrin kommt und will Speck abschneiden, aber da ruft es: »Hände weg, das ist meins!« Auch zur Herrin - Hände weg! Was war da zu machen?
Sie rissen das Dach ab. Wo sollten sie hin mit dem Stroh? Sie trugen es in den Stall. Als nun die Kuh fraß, da fraß sie auch die Strohhalme mit Fingerlang. Sie kommen, die Kuh zu melken. Sie wollen anfangen, da tönt es aus dem Bauch der Kuh: »Hände weg, das ist meins! Hände weg, das ist meins!« Der Herr kam in den Stall, auch die Herrin - aber immer dasselbe. Also muss die Kuh geschlachtet werden. Und sie schlachteten sie.
Da war ein Teich. Eine Magd trug die Eingeweide zum Teich zum Waschen. Sie kehrte noch mal um, weil sie die Holzmulde holen wollte. Woher auch immer - vom Abhang kam plötzlich der Wolf und holte sich die Eingeweide.
Nach ein paar Tagen laufen da Schäflein herum. Der Wolf schleicht sich auf dem Bauch an sie heran. Da schrie der kleine Knirps: »Hirtinnen, Hirtinnen, der Wolf schleicht sich an eure Schäfchen heran!« Wie sprangen da die Hirtinnen herbei und schrieen! Sie schrieen, schrieen und verjagten so den Wolf. »Fingerlang, Fingerlang, wo soll ich dich hinbringen?«
»Bringe mich zum kleinen Hof meines Vaters. Bei meinem Väterchen werde ich bleiben, und du gehst dann wieder deiner Wege.« Wenn das so ist, der Wolf brachte ihn zu dem Hof: »Fingerlang, Fingerlang, ich bin schon auf dem Hof!«
»Nein, lieber Wolf, trage mich ins Haus!« Er trägt ihn ins Haus. Fingerlang schnell - schwupp! und raus aus dem Wolf. Er fängt an zu schreien: »Väterchen, Mama, der Wolf ist im Haus!« Da griffen die Alte und der Greis nach Ofenhaken und Beil und schlugen den Wolf tot!