[swahili, "Geschichte, Legende"]

Falfarasch-Achun

Der Herrscher über das Land Chatai-Chutai besaß einen herrlichen Garten, in dem die verschiedenartigsten Früchte reiften. Keiner außer dem Gärtner durfte diesen Garten betreten. Nur ein Fuchs mit Namen Falfarasch-Achun suchte ihn häufig ungebeten heim und verließ ihn erst, wenn er sich satt gefressen hatte. Der Gärtner beschloss, den Räuber um jeden Preis zu fangen, stellte eine Falle auf und befestigte daran als Köder einen großen Kurdjuk. Kurz darauf schlich der hungrige Fuchs abermals in den Garten und sah den saftigen Bissen. Überschwänglich dankte er Allah. Er wollte sich schon über den Kurdjuk hermachen, als ihm einfiel: Halt, Falfarasch-Achun, hast du nicht gelesen, dass Gefräßigkeit meist ein schlimmes Ende nimmt! Vielleicht hat der Gärtner diesen Fettschwanz ausgelegt, um dich in eine Falle zu locken. Der Fuchs beherrschte also seine Gier. Nichtsdestoweniger hatte er einen wahren Heißhunger auf den appetitlichen Happen. Ach was, den Mutigen schreckt keine Gefahr, dachte Falfarasch-Achun. Bestimmt hat Allah persönlich diesen Kurdjuk für mich bereitgelegt. Schon wollte er nach dem Fettschwanz schnappen, als er im letzten Augenblick bei sich dachte: Wenn ich aus Ungeduld einen Fehler begehe, werden die Menschen bis zum Jüngsten Gericht voller Tadel sagen: Du bist dumm wie jener Fuchs.

Ich will lieber einen Dummen suchen und mit ihm einen Handel schließen. Werd ihm sagen, dass ich einen Kurdjuk gefunden habe. Ich verspreche ihm die Hälfte und führe ihn hierher. Wenn der Blödian dann in eine Falle tritt, hab ich den Kurdjuk für mich allein. Falls es aber kein Köder ist, verzehren wir ihn gemeinsam. Wie aber sollte er einen Dummen finden? Lange überlegte Falfarasch-Achun, bis ihm einfiel, dass sein Vater, Palachmad-Achun, in einem alten Folianten die Kennzeichen des Dummkopfes gefunden hatte. Dort stand: »Wer einen langen Körper besitzt, wer Augen von verschiedener Farbe und weit auseinander stehende Zähne hat, wer einen roten Bart sein eigen nennt, der sich nicht mit einer Hand packen lässt, der ist dumm.« Alle diese Kennzeichen trafen auf Palachmad-Achun zu, so dass er sich erboste und die Worte durchstrich. Dann beschloss er, sein Äußeres zu verändern. Palachmad-Achun nahm also einen Teil seines Bartes in eine Hand und hielt den Rest übers Feuer. Die Flamme loderte auf und huschte bis zu seiner zusammengeballten Faust, so dass er sie sich versengte. Da öffnete Palachmad-Achun schnell die Faust, und sein Bart verbrannte vollends. Wenn ich nicht so dumm wäre, hätte ich mir nicht den Bart verbrannt, dachte Palachmad-Achun und schrieb fein säuberlich wieder in den Folianten, was er zuvor ausgestrichen haue. Als sich Falfarasch-Achun dieser Geschichte entsann, beschloss er, jemanden zu suchen, der seinem Vater glich.

Er verließ den Garten und begegnete einem Wolf, der alle Merkmale eines Dummkopfes besaß. Hochachtungsvoll grüßte er ihn. Der Wolf erkundigte sich misstrauisch: »Was suchst du hier?« Erwiderte der Fuchs: »Allah ist mein Zeuge: Als mein Vater im Sterben lag, befahl er mir, demjenigen zu dienen, der ihm ähnlich sieht. Seither suche ich so eine Kreatur. Nun endlich habe ich sie gefunden. Die größte Ähnlichkeit mit Palachmad-Achun hast du! Lass mich dir den Rest meines Lebens treu dienen.« Der Wolf fühlte sich geschmeichelt. »Möge Allah Palachmad-Achuns Seele gnädig sein! Wie ich hörte, war er ein kluger Mann. Nun kann ich mich endlich selbst davon überzeugen. Wenn du also bei mir bleiben willst, mein Sohn, so will ich dich in Ehren halten und dich, soweit es in meiner Macht steht, vor Elend bewahren.« Also blieb der Fuchs beim Wolf. Nach zwei oder drei Tagen sprach er: »Mein Herr und Gebieter, ich habe einen Ort gesehen, wo ein fetter Kurdjuk liegt. Wenn es dir wohlgefällig ist, will ich ihn dir zeigen.« Der Wolf meinte großmütig: »Geh nur und friß ihn allein.« Doch der Fuchs entgegnete: »Bei Allah, mein Herr und Gebieter, wir Füchse halten gerade in diesem Monat unsere Fasten, da darf ich kein Fleisch zu mir nehmen.«

»Dann Lass uns gehen«, stimmte der Wolf zu, und so machten sie sich gemeinsam auf den Weg.

Der Fuchs führte den Wolf in den königlichen Garten und zeigte ihm den leckeren Kurdjuk. Als der Grauwolf so dicht vor dem Köder stand, schnappte die Falle zu, und Isegrim war gefangen. Ohne lange zu zaudern, machte sich der Fuchs über den fetten Bissen her. Da staunte der Wolf: »Nanu, Gevatter, ich denke, du fastest?« Der Fuchs blickte fromm zum Himmel auf und antwortete: »Heute ist gerade Neumond, da darf ich wieder Fleischspeisen zu mir nehmen.« Falfarasch-Achun fraß den Fettschwanz und ging seiner Wege. Als der Gärtner kam und den Wolf in der Falle fand, griff er zu einem Knüppel und verwalkte den Grauwolf, bis er tot liegen blieb.