[swahili, "Geschichte, Legende"]

Drei Jäger

Es waren einmal drei Jäger: zwei mit Bart und einer ohne Bart. Eines Tages ritten sie zur Vogeljagd in die Steppe. Den ganzen Tag versuchten sie vergeblich ihr Glück, und erst gegen Abend erlegten sie eine Trappe. Die Jäger bauten eine Laubhütte, machten Feuer und wollten die Beute teilen, wussten aber nicht wie: Sie hatten ja nur eine Trappe, waren aber zu dritt. Die Bärtigen sprachen: »Die Trappe soll der erhalten, der am längsten schweigt.«

»Abgemacht«, willigte der Bartlose ein. »Es soll sein.« Sie setzten sich ans Feuer und schwiegen, als hätten sie einen Stein im Mund, nur schauten sie sich einander an und warteten, wer als erster den Mund auftat. Eine Stunde verging, die zweite, die dritte - niemand sprach ein Wort. Da nahm der Bartlose schweigend die Trappe und begann sie zu rupfen. Die Bärtigen beobachteten ihn lange, gaben aber keinen Laut von sich. Der Bartlose rupfte die Trappe, legte sie schweigend in den Kessel und stellte ihn aufs Feuer. Die Bärtigen guckten ihn wieder an und sagten wieder kein Wort. Als die Trappe gar war, nahm der Bartlose sie aus dem Kessel, aß sie genüsslich auf. Die Bärtigen schauten ihm zu, gaben aber wieder keinen Laut von sich. Erst als er das letzte Knöchlein ablutschte, riefen die Bärtigen wie aus einem Mund: »Wie konntest du es wagen, entgegen unserer Abmachung die Trappe zu essen? Das ist ja Räuberei!« Der Bartlose lachte nur. »Warum zürnt ihr mir? Habt ihr die Abmachung vergessen, es hieß ja: Wer am längsten schweigt, erhält die Trappe. Nicht wahr? Ihr habt euch als erste die Kehle wund geschrieen. Nicht wahr? Also gehört die Trappe mir. Daran gibt es nichts zu deuten.« Die Bärtigen kraulten sich die Barte und merkten nun, dass der Bartlose sie an der Nase herumgeführt hatte. Also mussten sie sich mit leeren Bäuchen schlafen legen.

Am nächsten Tag erlegten die Jäger zwei Gänse und einen Schlammläufer. »Wie teilen wir die Beute?« fragten die Bärtigen. Der Bartlose entgegnete: »Ihr seid zwei, ich bin einer. Die Gänse sind auch zwei, der Schlammläufer auch einer. Nehmt ihr also den Schlammläufer, und ich nehme die beiden Gänse. Dann seid ihr drei, und wir sind drei.«

»Hehe, Bruder, du willst uns wohl übertölpeln«, sagten die Bärtigen. »Das weiß doch jeder, Gänse sind besser als Schlammläufer.« Der Bartlose verzog keine Miene. »Das stimmt, Gänse sind besser als Schlammläufer«, sprach er. »Ja, und ihr seid ja auch besser als ich. Und ich biete euch statt meiner einen Schlammläufer und nehme statt euch die beiden Gänse.« Die Bärtigen schauten sich an - die Überlegungen des Bartlosen hatten einen wahren Kern. Sie kraulten sich ihre Barte, seufzten und machten sich an den Schlammläufer. Der Bartlose schlug sich den Bauch mit den Gänsen voll.

Am dritten Tag erlegten die Jäger einen Schwan. Sie rupften, kochten ihn und nahmen den Kessel vom Herd. »Wie teilen wir nun den Schwan?« fragte ein Bärtiger. »Ganz einfach«, antwortete der andere. »Wir lassen den Schwan über Nacht im Kessel und legen uns schlafen. Wer den seltsamsten Traum hat, der soll den Schwan erhalten.«

»Abgemacht«, willigte der Bartlose ein. Die Jäger legten sich zur Ruhe. Kaum hatte sich der Bartlose lang gestreckt, da fing er auch schon an zu schnarchen, die Bärtigen indessen wälzten sich bis Mittemacht von einer Seite zur anderen, dachten sich die tollsten Träume aus.

Morgens sprach der Bartlose: »Nun, erzählt eure Träume.« Der erste Bärtige hob an: »Ich träumte, ich hätte mich in einen Tulpar, ein geflügeltes Märchenpferd, verwandelt. An den Schultern wuchsen mir Flügel, an den Beinen silberne Hufe, auf den Schultern eine goldene Mähne. Ich schüttelte die Mähne, flatterte mit den Flügeln, stampfte mit den Hufen und setzte mit drei Sätzen von einem Ende der Steppe zur anderen. Da stand ein herrlicher Recke vor mir. Er sprang mir auf den Rücken und ich, den mächtigen Reiter auf mir, erhob mich so hoch in die Lüfte, dass ich die Erde nicht sah. Mir drehte sich der Kopf und ich wachte auf.« Der zweite Bärtige sprach: »Kein schlechter Traum, aber meiner ist besser. Ich träumte, ich sei jener herrliche Recke. Und du kamst als Tulpar zu mir, ich schwang mich auf dich, hielt mich an der Mähne fest und stieg in den Himmel. So ritten wir immer weiter und weiter, vor uns die Sonne, hinter uns der Mond, unter uns Sterne, Blitz und Wolken. Von allen Seiten flogen junge Feen in hellen Gewändern, küssten mich, überschütteten mich mit kostbaren Geschenken, ich streckte die Hände nach ihnen aus, konnte aber keine fassen und auch den Tulpar nicht zügeln. Damit endete mein Traum. Was weiter geschah, weiß ich nicht.«

Da sagte der Bartlose: »Schöne Träume habt ihr, liebe Freunde! Da vermag ich nicht mitzuhalten. Ich träumte, wir sitzen hier in dieser Hütte und auf einmal verwandelt sich einer von euch in einen Tulpar und der andere in einen herrlichen Recken. Der Tulpar schüttelt die Mähne, breitet die Flügel aus, stampft mit den Hufen auf und setzt mit drei Sprüngen von einem zum anderen Steppenende. Da steht, wie aus dem Boden gestampft, ein wunderschöner Recke vor ihm, setzt sich auf den Tulpar und steigt in die Lüfte. Da weinte ich bitterlich. O ach und weh, meine Freunde kehren Gewiss nicht mehr zur Erde zurück. Und den Schwan brauchen sie nun auch nicht mehr. Ich will ihrer in Ehre gedenken, dachte ich bei mir. Und vor Kummer aß ich den Schwan auf.«

»Was sagst du da!« schrieen die beiden Bärtigen wie aus einem Munde. »Das kann nicht sein!« Im Kessel lagen aber nur noch die Knochen des Schwans.