[swahili, "Geschichte, Legende"]

Dokia

In alten, ganz alten Zeiten waren viele Dinge noch nicht so, wie sie es heute sind.

So kam zum Beispiel das Holz zum Feuern oder zur Herstellung von Geräten von selbst und allein auf den Hof des Menschen, wenn dieser es brauchte. Wie denn? Der Christenmensch ging und schnitt die Hölzer, einmal aus der Erde heraus, ein andermal - wenn der Schnee so hoch lag wie das Haus und der Mensch auf dem knirschenden Harsch ging - schnitt er sie aus der Schneefläche. Und dann, das sollten deine Augen sehen, Mütterchen: Stammholz, Reisig, Dachbalken, Sparren, Geräteholz machten sich auch schon eilig auf den Weg, einer dem andern nach kriechend, von niemand gezogen, und so kamen sie auf den Hof des Mannes, der sie geschnitten hatte, noch bevor er selbst aus dem Walde kam.

Zur selben Zeit gingen die Schwiegermütter viel böser mit den Schwiegertöchtern um als heute. Die Monate des Jahres aber waren einer so lang wie der andere und sobald es Frühling zu werden begann, war er auch schon da. Deine Augen sahen nirgends mehr Schnee.

Heute, Mütterchen, hat sich alles das geändert und wisst ihr wohl, wer die Ursache von all dem ist? Seht, eine zänkische und böse alte Frau, böse wie des Teufels Großmutter selbst. Man nannte sie Dokia. Und nun höre, wie es geschah:

Eines Tages trieb sie ihr böser Geist, auch einmal in den Wald zu gehen, um Holz zu holen. Sie fällte, was sie brauchte und, als die Zweige und auch die ganzen Bäume sich anschickten, nach Hause zu wandern, wie es ihre Art war, da, was glaubst du wohl, da hatte Dokia wohl nichts mehr zu tun? Da treibt sie der Hebe-dich-hinweg an, auf einen Stamm zu steigen, damit er auch sie nach Hause trage. Denn wahrhaftig, sie war zu faul, zu Fuß zu gehen. »Was?« schrie da der Stamm und sprang hoch, und mit ihm zusammen begann der ganze Wald zu heulen. »Schämst du dich denn nicht, Frau? Wenn ihr so seid, dann werden wir von nun an nicht mehr von selbst auf den Hof kommen! Ihr sollt es nicht mehr erleben, dass wir uns aus dem Walde schieben werden, so lange nicht, bis du den Rücken krümmen wirst, du und mit dir das ganze Menschengeschlecht, und ihr uns in Bündeln tragen oder uns schleifen werdet, oder bis ihr uns mit Ochsen und Pferden zieht.«

»Wieso?« sagte da Dokia voll Wut. »So, wie ich es gesagt habe. Nun sei so gut und schleppe uns auf dem Rücken oder hole die Ochsen, um uns von hier fortzubringen.«

Und seht, gute Leute, so, Dokias wegen, quälen sich nun heute die Menschen so sehr mit dem Holz; denn wenn sie nicht gewesen wäre, dann würdet ihr es erleben, dass euch heute noch das Holz auf den Hof käme.

Aber Lasst uns nun den Faden nicht verlieren, denn schließlich hatten wir doch begonnen, etwas zu erzählen. Hatte nun Dokia nicht genug von der Bitternis, die sie über das Haupt der Menschheit mit dem Holz gebracht hatte? Hatte sie nicht genug damit, dass alle sie hassten wie den Tod? Weshalb tat sie auch hinfort nur Böses?

Denn siehe, sie hatte eine Schwiegertochter im Hause, und diese schlug und schalt sie immerfort, so dass die arme Frau drauf und dran war, vor der Bosheit der Alten davonzulaufen, in die weite Welt. »Lass nur, meine Liebste, ärgere dich nicht mehr«, sagte ihr Mann, der Sohn Dokias. »Es liegt ja nun vieles hinter uns und nur noch wenig vor uns. Bald kommt der Frühling, und dann zieht die Mutter mit den Schafen auf die Berge.« Dokia aber hatte ihre Gedanken erraten, und, um ihrer Schwiegertochter das Leben noch mehr zu verbittern, sagte sie zu ihr: »Höre her, meine Tochter, geh und bring mir ein Veilchensträußchen, damit ich mir die Langeweile vertreiben kann.«

»Aber woher soll ich denn jetzt im Februar eins bringen?«

»Das musst du wissen. Tust du es nicht, so ist es um deinen Kopf geschehen!«

Die arme Frau wanderte über die Felder und durch die Wälder, um Veilchen zu suchen. Vergeblich.

Als sie das eingesehen hatte, stieg sie auf einen Berg, und dort sah sie bei einem Feuer 12 große Männer, die einen jünger, die anderen älter, es war niemand anders als die 12 Monate des Jahres. Sie erzählte ihnen, was sie hergeführt hatte. »Lass nur, Frauchen, weine nicht mehr«, tröstete sie der März. Und du hättest kaum die Hände zusammen schlagen können, da nahm der starke Mann das Feuer des Februar, der Schnee schmolz, die Bäume belaubten sich, und es sprossen die Veilchen, von denen die arme Schwiegertochter pflückte und sie Dokia brachte.

Die Schwiegermutter sah die Veilchen, aber sie wollte sich doch nicht von Hause rühren. »Höre, Frau«, sagte sie nun zu ihrer Schwiegertochter, »geh und bring mir einen Korb voll Erdbeeren, ich habe Appetit darauf!« Es war nicht möglich, sich der Wespe von Schwiegermutter zu widersetzen. Und so geht sie wieder, weinend und die Stunde verfluchend, in der sie das Licht der Welt erblickt hatte, nach Erdbeeren. Aber wo hatte man so etwas erlebt, gesehen und gehört - im Februar?

In der Mitte des Weges aber, zu ihrem Glück, trifft sie den heiligen Petrus. »Warum weinst du, mein Mädchen?«

»Sieh, Väterchen«, sagte die Schwiegertochter zu dem Heiligen, der ein alter Mann mit einem Bart so weiß wie das Pfriemengras war, »ich habe eine böse Schwiegermutter, und sie hat mich jetzt im Februar nach Erdbeeren geschickt. Wo hat man so etwas schon gehört?«

»O ja, man hat schon davon gehört«, sagte der Heilige, der von Mitleid mit der armen Schwiegertochter erfasst wurde. »Gehe auf die Anhöhe dort, da gibt es reichlich Erdbeeren.« Und er zeigte ihr eine Anhöhe gegen Sonnenaufgang.

Hernach betete der Heilige zu Gott, und wie durch ein Wunder wuchsen dort Erdbeeren. Die arme Frau ging, und als sie die Erdbeeren sah, schlug sie das Kreuz, ja sie fing sogar an, vor Freude zu weinen. Woher sollte sie denn ahnen, dass der Heilige der alte Mann gewesen war, den sie getroffen hatte, und dass er das Wunder vollbracht hatte?

Sie nahm die Erdbeeren und brachte sie Dokia, aber diese rührte sich auch jetzt noch nicht vom Herde.

Nach zwei, drei Tagen brüstet sie sich wieder der Schwiegertochter gegenüber: »Ei, ei, mein Mädchen! Ich, weiß wohl, dass du mich los sein willst, aber vorerst trage nun diese schwarze Wolle zum Bach und wasche sie, bis sie weiß wird.«

»Wie soll ich das machen? Ist es denn möglich?« schrie jetzt die Schwiegertochter. Und sie weint, dass das Hemd auf ihr zittert. »So gut du es eben kannst!« Und die Frau wendet sich zum Bach. Sie reibt die Wolle zwei volle Wochen, aber es ist nicht möglich, sie weiß zu bekommen.

Eines Morgens findet sie der Heilige Petrus. Die Frau drückt auf die Wolle, dass sie die Toten hätte vertreiben können. Sie dachte noch immer, dass sie vielleicht bleichen könnte. Aber vergeblich. Wie aber der Heilige die Hand auf die Wolle legt, siehe, da schien es, als sei sie weiß gewesen, seit die Welt besteht. Er hatte Gott gebeten und dieser hatte die Wolle gebleicht. Aber er hatte auch gleichzeitig Dokia verflucht, dass sie zugrunde ginge, wie noch niemand vorher zugrunde gegangen war.

Wie Dokia die gebleichte Wolle sieht und dazu auch noch das gute Wetter, da kann sie es nicht mehr abwarten. Sie nimmt ihre Schafe und trollt sich mit ihnen auf die Berge. Der Bursche März, von dem ich euch schon gesprochen habe, Mütterchen, kam ihr entgegen. »Gehe noch nicht, Chirdosia, es ist noch etwas zu früh«, sagte er. »Ach was! Der März ist gekommen, was geht's mich an?« Und Chirdosia hüllt sich in neun Pelze und zieht mit den Schafen auf die Berge.

Hat sie dort nichts zu tun? Sie beginnt zu tanzen, dass der Boden dröhnt und singt und spottet des Februar und des März. Und darauf? Feuer und Flamme wurde der März, als er diese Worte hörte: »So eine bist du, Chirdosia? Warte nur, ich werde es dir schon zeigen!«

Er beklagte, sich bei Gottvater, und Gott der Heilige gab ihm Erlaubnis, die Alte so zu bestrafen, wie es ihm am besten scheine. Darauf sagt der März zum Februar: »Gib mir einige Tage von den deinigen, Bruder.« Und er gab sie ihm; deshalb hat der Februar weniger Tage als die übrigen Monate.

Und darauf, Mütterchen, verlegt er sich auf nasskaltes Wetter, auf Schneestürme und auf einen Regen, als ob es aus Eimern schüttete. Dokia war verzweifelt. Was sollte sie machen? Sie begann die Pelze abzulegen, denn sie waren vom Bogen schwer geworden. Am ersten Tage einen Pelz, am zweiten einen anderen, am dritten wieder einen...bis zum neunten, wo sie auch den letzten Pelz ablegte.

Sie wurde nass bis auf die Haut. Und dann, nun halte dich! Der März schickte einen harten Frost, dass sowohl die Alte als auch die Schafe zu Eiszapfen gefroren.

Und nur so wurde die arme Schwiegertochter endlich befreit - von einem solchen Leben und von dem alten Schürhaken... Die Mädchen aber, die nicht wollen, dass ihnen böse und zänkische Schwiegermütter zuteil werden, mögen den Tag der Dokia feiern.

Und nun sagt man, auf einem Berge - vielleicht habt ihr es gesehen, Mütterchen, bei Rucar, dort, hört man, sei es - gibt es eine Frau aus Stein, einen Felsblock aus einem Stück und rund um sie herum, ebenfalls aus Stein, eine Schafherde. Das ist die alte Dokia mit ihren Schafen. Aus jenem Felsen springt Wasser.

Chirdosia, sagt man, hat lange vor dem großen Kriege gelebt, lange vorher, ungefähr zu der Zeit, wo der Kaiser Trajan die Brücke von Turnu gebaut hat, damit er über sie seine Wagen in das türkische Land führen könne.