[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die verzauberte Prinzessin

Es war einmal ein Ritter, der zog in die Welt hinaus, um Erlebnisse und Abenteuer aufzusuchen. Und als er weiter und immer weiter wanderte, traf er vier Tiere: einen Löwen, einen Windhund, einen Adler und eine Ameise, die stritten sich um ein totes Tier, das sie auf dem Weg gefunden hatten. Und als sie den Mann kommen sahen, sagten sie zu ihm, er möchte doch so gut sein und das Tier teilen und jedem seinen Teil geben. Und der Ritter sagte, das wolle er gern, und er krempelte die Ärmel hoch und teilte das Tier und gab jedem seinen Teil, und sie waren wohl damit zufrieden. Dem Adler gab er die Därme, dem Löwen gab er das Hinterteil, dem Windhund gab er die Rippen, und der Ameise gab er die Lenden. Und dann zog der Mann seines Weges.

Doch bald darauf riefen ihn die Tiere zurück, und er kehrte um. Und der Löwe sprach: »Du hast unseren Streit geschlichtet, und dafür wollen wir dir jetzt etwas geben. Du sollst etwas Besonderes von uns bekommen.« Und der Löwe riss sich ein Haar vom Kopf, gab es ihm und sagte: »Trag dieses Haar immer bei dir, und wenn du dich in einen Löwen verwandeln willst, so brauchst du nur zu sagen: ›Gott und Löwe‹, dann wirst du ein Löwe sein. Willst du wieder Mensch werden, dann sagst du: ›Gott und Mensch.‹« Und der Adler gab ihm eine Feder und sagte: »Trag auch diese Feder immer bei dir, und wenn du dich in einen Adler verwandeln willst, so sagst du nur: ›Gott und Adler‹, und wenn du dich wieder in einen Menschen verwandeln willst, sagst du: ›Gott und Mensch.‹« Nun begann die kleine Ameise nachzudenken, und sie sagte schließlich: »Ich weiß nicht, was ich dir geben soll, denn mir fehlt dies alles, doch diesen kleinen Fühler will ich dir geben, so schwer es auch für mich ist, ihn zu entbehren.« Und sie gab ihm einen kleinen Fühler und sagte: »Wenn du dich in eine Ameise verwandeln willst, sagst du: ›Gott und Ameise‹, und wenn du dich wieder in einen Menschen verwandeln willst, sagst du: ›Gott und Mensch.‹« Und der Windhund gab ihm auch ein Haar und sagte: »Wenn du dich in einen Windhund verwandeln willst, sagst du: ›Gott und Windhund‹ und wenn du dich wieder in einen Menschen verwandeln willst, sagst du: ›Gott und Mensch‹.«

Da zog der Ritter sehr zufrieden weiter und kam bald an ein großes schloss. Dort lebte ein Riese, der hielt eine verzauberte Prinzessin im schloss gefangen und ließ sie nicht heraus. Und der Ritter ging hin und sah die Prinzessin auf dem Balkon des Schlosses und näherte sich ihr, um mit ihr zu reden. Und sie sprach zu ihm: »Bleibt fern, denn es kommt das Stachelschwein und wird Euch fressen.« Aber er hatte keine Furcht und kam noch näher heran und fragte sie, was das mit dem Stachelschwein heißen sollte. Und da erzählte sie ihm, dass ein Riese sie verzaubert hielte und sie nie und nimmer dieses schloss verlassen könnte. Und der Ritter bat sie, sie möchte ihm doch sagen, worin denn der Zauber bestehe; denn er sei bereit, sie zu entzaubern, wenn sie sich mit ihm verheiraten würde. Und sie sagte ihm, sie kenne den Zauber, doch habe sie Furcht, dass der Riese sie töten würde. Und er bat sie so sehr, dass sie schließlich zu ihm sagte: »Höre, der Riese hat es mir gesagt. Er stirbt nur, wenn ein Ei zerbricht, welches er auf das beste im schloss bewacht, und nur, wenn er stirbt, bin ich entzaubert und frei. Und außerdem kann der Riese hexen.«

Kaum hatte die Prinzessin dies gesagt, da hörten sie Türenschlagen und sahen den Riesen kommen. Und um nicht gesehen zu werden, sagte der Ritter: »Gott und Ameise«, da konnte der Riese ihn nicht sehen. Unbemerkt ging die Ameise in das Zimmer der Prinzessin und blieb dort. Und in der Nacht, als alle schon schliefen, wurde die Ameise wieder zum Ritter und begann mit der Prinzessin zu reden und fragte sie, wie er den Riesen töten könne. Und sie sagte zu ihm, dass der Riese das Ei bewache und sie nicht wisse, wo es sei. Und so blieb der Ritter drei Nächte bei der Prinzessin und redete mit ihr.

Der Riese aber bewachte das Ei in einem Stachelschwein. Und nach vier Tagen kam der Riese mit dem Stachelschwein zu der Prinzessin und sagte zu ihr, er rieche Menschenfleisch und wolle es essen. Und als der Ritter das Stachelschwein kommen sah, sagte er: »Gott und Löwe.« Und da kämpften das Stachelschwein und der Löwe miteinander. Und als der Löwe das Stachelschwein schon fast besiegt hatte, da verwandelte es sich in einen Hasen und lief davon. Da verwandelte sich der Ritter wieder in einen Menschen und sagte: »Gott und Windhund.« Und da wurde er ein Windhund und lief hinter dem Hasen her. Und als der Windhund den Hasen schon fast erwischt hatte, da verwandelte sich der Hase in eine Taube und flog davon. Und dann wurde der Ritter wieder ein Mensch und sagte: »Gott und Adler.« Und er verwandelte sich in einen Adler und flog hinter der Taube her. Und er packte sie. Und dann wurde der Ritter wieder ein Mensch und tötete die Taube und fand darin das Ei, welches das Leben des Riesen enthielt. Da wurde dem Riesen gar übel zumute. Und der Ritter kam mit dem Ei und warf es dem Riesen an die Stirn, da zerbrach es, und der Riese starb. Und sterbend sagte er: »So sind die Frauen. Du hast den Zauber erzählt, und mich hat man getötet.« Und der Ritter heiratete die Prinzessin, die nun entzaubert war.