[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die Prinzessin von Canterbury

Da lebte einst in der Grafschaft Cumberland ein Edelmann, der hatte drei Söhne. Zwei von ihnen waren hübsche und kluge Jünglinge, aber der dritte war ein Narr von Geburt an. Er hieß Jack und befasste sich gewöhnlich mit den Schafen. Gekleidet war er in ein vielfarbiges Gewand, und er hatte einen Spitzhut auf mit einer Troddel darauf, wie es sich für sein Wesen schickte.

Nun hatte der König von Canterbury eine schöne Tochter, die übertraf alle durch ihren Verstand und ihre große Klugheit, und der König ließ bekanntmachen, wer immer drei Fragen beantworten könnte, die die Prinzessin ihm stellt, der würde sie zur Ehe erhalten und nach des Königs Hinscheiden Erbe des Throns sein. Kurz nachdem dies bekannt gemacht worden war, erreichte die Nachricht davon auch die Söhne des Edelmannes, und die beiden klugen beschlossen, einen Versuch zu wagen. Aber sie waren in arger Verlegenheit, wie sie ihren dummen Bruder abhalten sollten, mit ihnen zu gehen. Auf keine Weise konnten sie ihn loswerden und waren schließlich gezwungen, sich von Jack begleiten zu lassen.

Sie waren noch nicht weit gekommen, da schrie Jack vor Lachen und sagte: »Ich hab ein Ei gefunden.«

»Steck es in die Tasche«, sagten die Brüder. Eine Weile danach brach er wieder in Gelächter aus, weil er einen krummen Haselstock gefunden hatte. Den steckte er auch in die Tasche. Und ein drittes Mal lachte er wieder außerordentlich, weil er eine Nuss gefunden hatte. Auch die wurde zu seinen andern Schätzen gesteckt.

Als sie beim Palast angelangt waren, erklärten sie, was sie hier vorhatten, und darauf wurden sie sogleich eingelassen. Und man führte sie in einen Raum, in dem die Prinzessin mit ihrem Gefolge saß. Jack legte niemals Wert auf Förmlichkeit und grölte los: »Da haben wir aber eine Herde von schönen Damen!«

»Ja«, sagte die Prinzessin, »wir sind schöne Damen, denn wir tragen Feuer im Busen.«

»Tut Ihr das?« sagte Jack, »dann bratet mir ein Ei«, und er zog das Ei aus der Tasche. »Wie willst du es wieder herausbekommen?« sagte die Prinzessin. »Mit einem Hakenstock«, antwortete Jack und brachte den Haselzweig hervor. »Woher kommt der?« sagte die Prinzessin. »Von einer Nuss«, antwortete Jack und holte die Nuss aus der Tasche. »Ich habe drei Fragen beantwortet, und jetzt will ich die Dame haben.«

»Nein, nein«, sagte der König, »nicht so schnell. Du musst noch eine Probe bestehen. Du musst in einer Woche hierher kommen und eine ganze Nacht bei meiner Tochter, der Prinzessin, wachen. Wenn du es fertig bringst, die ganze Nacht wach zu bleiben, sollst du sie am nächsten Tag heiraten.«

»Aber wenn ich es nicht kann?« sagte Jack. »Dann ist dein Kopf ab«, sagte der König. »Aber du musst es nicht versuchen, wenn du nicht willst.«

Nun, Jack ging für eine Woche nach Hause zurück und dachte darüber nach, ob er versuchen sollte, die Prinzessin zu gewinnen. Zuletzt fasste er einen Entschluss. »Gut«, sagte Jack, »ich will mein Glück versuchen. Also entweder gibt's die Königstochter oder einen Schäfer ohne Kopf!«

Und er nahm seine Flasche und den Beutel und wanderte zum Schloss. Auf seinem Weg dorthin musste er einen Fluss überqueren. Er zog seine Schuhe und Strümpfe aus, und als er hindurchwatete, spürte er, wie einige hübsche Fische gegen seine Füße stießen. Da fing er ein paar und steckte sie in die Tasche.

Als er den Palast erreichte, klopfte er laut mit seinem Schäferstab an das Tor. Und als er den Grund seines Besuchs genannt hatte, wurde er unverzüglich in die Halle geführt, wo die Prinzessin wohl vorbereitet saß, um ihre Freier zu empfangen. Er musste sich in einen überaus prächtigen Sessel setzen, schwere Weine und Leckereien wurden ihm vorgesetzt und alle Arten von köstlichen Fleischspeisen. Jack war solche Kost nicht gewöhnt, er aß und trank reichlich, und so war er noch vor Mitternacht fast eingedöst. »Oh, Schäfer«, sagte die Dame, »ich habe dich beim Einnicken ertappt!«

»Nein, liebe Gesellin, ich war eifrig beim Fischen.«

»Beim Fischen?« sagte die Prinzessin in höchstem Erstaunen, »nein, Schäfer, es gibt keinen Fischteich in der Halle hier.«

»Das hat nichts zu sagen, ich habe in meiner Tasche gefischt, und ich habe grade was gefangen.«

»Na so was«, sagte sie, »lass mich sehen.« Verschmitzt zog der Schäfer den Fisch aus der Tasche, gab vor, ihn gefangen zu haben, zeigte ihn ihr, und sie erklärte, es sei der schönste, den sie je gesehen habe.

Etwa eine Stunde später sagte sie: »Schäfer, meinst du, du könntest noch einen für mich fangen?« Er antwortete: »Vielleicht kann ich das, wenn ich einen Köder an meinen Haken gesteckt habe«, und nach einer kleinen Weile brachte er einen zweiten hervor, der war noch schöner als der erste, und die Prinzessin war so entzückt, dass sie ihm erlaubte, schlafen zu gehen, und sie versprach, ihn bei ihrem Vater zu entschuldigen.

Am Morgen erzählte die Prinzessin dem König zu seiner großen Verwunderung, dass Jack nicht geköpft werden müsse, denn er sei die ganze Nacht in der Halle beim Fischen gewesen. Aber als er hörte, wie Jack solche schönen Fische in der Tasche gefangen habe, bat er ihn, einen in seiner eigenen Tasche zu fangen. Jack war dazu bereit, bat den König sich hinzulegen und gab vor, in seiner Tasche zu fischen. Er hatte bereits einen weiteren Fisch in der Hand verborgen, versetzte dem König heimlich einen Nadelstich, hielt den Fisch hoch und zeigte ihn dem König.

Seiner Majestät schmeckte die Unternehmung nicht besonders, aber er billigte das Wunder, und die Prinzessin und Jack wurden noch am selben Tag vermählt und lebten viele Jahre in Glück und Wohlstand.