[swahili, "Geschichte, Legende"]

Marienlegenden Die Mutter Gottes als Helferin

Man erzählt sich, dass einmal ein ausgesetztes oder verlorenes Kind gefunden wurde, von dem man nicht wusste, woher es kam und wem es gehörte. Da dieser Knabe sehr schmuck und hübsch und dazu auch noch sehr aufgeweckt war, nahm ihn ein warmherziger Gutsherr auf. Er ließ ihn auf seinem Hof aufziehen. Nicht weit von diesem Gutshof stand die Dorfkirche. Neben der Kirchentür stand ein Kreuz. Auf das Kreuz war das Bild der Mutter Gottes mit dem Jesuskind auf den Armen gemalt. Als der kleine Findling einmal an der Kirche vorüberging und das Bild des Jesusknaben sah, glaubte er, es sei nicht ein Bild, sondern ein lebendiger Junge wie er. Seither lief er, so oft er zu essen bekam und vor allem, wenn es Brot war, damit zur Kirchentüre und teilte es mit unserem Herrn Jesus Christus. Er sagte: »Da, Kleiner, iß auch du, denn auch du wirst hungrig sein!« Der Jesusknabe aber streckte sein Händchen aus und nahm das Brot. Dies geschah öfters, an verschiedenen Tagen und einige Wochen hintereinander. Als der Gutsherr bemerkte, dass der Findling, sobald er Brot bekam, sofort damit weglief, wunderte er sich. Er fragte ihn daher eines Tages, wohin er laufe und was er mit dem Brot mache, dass es so rasch alle sei. »Was ich damit mache?«, rief der unschuldige Junge, »ich teile es mit dem Kleinen bei der Kirchentüre!« Der Gutsherr, der nicht wusste, wer der Kleine bei der Kirchentüre war, glaubte, irgend ein Dorfjunge habe den Findling dazu verlockt, sein Brot mit ihm zu teilen. Er ärgerte sich und sagte: »Wenn die Sache so steht, dann geh zu dem Kleinen. Er soll dir von nun ab zu essen geben, denn ich gebe dir nichts mehr!«

Als der kleine Findling sah, dass sein Pflegevater böse auf ihn war und ihm nichts zu essen geben wollte, fing er an zu weinen und lief zu der Kirchentüre. Hier sagten er zu dem Heilandkinde: »Ich habe heute nichts zu essen bekommen und bin so hungrig, dass ich kaum auf den Füßen stehen kann! Gib du mir jetzt etwas zu essen, Kleiner. Auch ich habe dir immer gegeben, wenn ich etwas hatte.« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, da verwandelte sich das Bild der Mutter Gottes, das auf das Kreuz gemalt war, in eine lebendige Frau. Sie hielt ein Weizenbrot in den Händen, das war weiß und groß wie ein Pflugrad, reichte es dem Jungen hin und sagte: »Da, mein Knäblein, nimm! Denn dem, der gibt, wird gegeben. Du hast meinem Kinde gegeben, und ich reiche dir hier die Gabe zurück, damit du für eine längere Zeit zu essen hast.« Als die Mutter Gottes diese Worte gesagt hatte, begann das Brot vor dem Knaben einher zu laufen. Der Junge lief voll Freude hinterher, hob es auf, als er es erreicht hatte, und nahm es mit sich auf den Gutshof. Sieben Jahre hindurch aß er von diesem Brot, und es nahm kein Ende. Denn wo immer du schneidest, da nimmt es kein Ende und wächst wieder nach und wird immer schöner, weiß und schmackhaft.