[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die Geschichte von Tom Däumling

Es heißt, dass in den Tagen des gefeierten Fürsten Artus, der im Jahr 516 König von England war, einst ein großer Magier lebte. Er hieß Merlin und war in jener Zeit der gelehrteste und geschickteste Zauberer der Welt. Dieser berühmte Magier, der jede beliebige Gestalt annehmen konnte, reiste einmal als armer Bettler verkleidet, und da er sehr müde geworden war, blieb er vor der Hütte eines ehrlichen Ackermannes stehen, um sich auszuruhen, und bat um einen Imbiss. Der Ackermann hieß ihn herzlich willkommen, und sein Weib, die eine sehr gutherzige, gastfreundliche Frau war, brachte ihm bald in einer hölzernen Schüssel etwas Milch und auf einem Holzteller ein wenig grobes braunes Brot.

Merlin freute sich sehr über dieses schlichte Mahl und über die Freundlichkeit des Ackermannes und seines Weibes. Aber obgleich in der Hütte alles sauber und behaglich war, konnte er nicht umhin zu bemerken, dass beide sehr bedrückt und kummervoll zu sein schienen. Daher fragte er sie nach dem Grund ihrer Betrübnis aus und erfuhr, dass sie unglücklich waren, weil sie keine Kinder hatten. Mit Tränen in den Augen erklärte die arme Frau, sie wäre der glücklichste Mensch der Welt, wenn sie einen Sohn hätte, und wäre er auch nicht größer als ihres Mannes Daumen, so wollte sie doch zufrieden sein.

Die Vorstellung von einem Jungen, der nicht größer war als ein Männerdaumen, machte Merlin so viel Spaß, dass er beschloss, die Elfenkönigin zu besuchen und sie zu ersuchen, den Wunsch der armen Frau zu erfüllen. Auch der Elfenkönigin gefiel der drollige Einfall, solch eine kleine Person unter den Menschenwesen zu sehen, außerordentlich gut, und sie versprach Merlin, dass der Wunsch erfüllt werden solle. Daher kam kurz danach das Weib des Ackermannes mit einem Sohn nieder, und welch Wunder! - der war kein bisschen größer als seines Vaters Daumen.

Die Elfenkönigin wünschte den kleinen Kerl zu sehen, der so in die Welt gekommen war, und kam durchs Fenster herein, während die Mutter im Bett aufsaß und ihn bewunderte. Die Elfenkönigin küsste das Kind, gab ihm den Namen Tom Däumling und sandte nach einigen Elfen, die ihren kleinen Günstling nach den Anweisungen kleiden mussten, die sie gab: »Auf dem Kopf trug er einen Eichenblatthut,
sein Hemd aus Spinnweb man spann;
die Jacke gewebt aus Distelflaum gut,
aus Federn hat Hosen er an.
Die Strümpfe aus Apfelschale man band
mit Wimpern, die vom Äug' der Mutter man fand.
Die Schuhe waren aus Mausefell fein,
mit dem weichen Haar nach innen hinein.«
Es ist bemerkenswert, dass Tom niemals auch nur ein bisschen größer wurde als seines Vaters Daumen, der nur von gewöhnlicher Größe war. Aber als er älter wurde, war er sehr listig und steckte voller Streiche. Als er alt genug war, um mit den Jungen zu spielen, und im Spiel alle seine eigenen Kirschkerne verloren hatte, schlüpfte er meist in die Beutel seiner Spielkameraden, füllte seine Taschen, und nachdem er unbeobachtet herausgelangt war, spielte er wieder mit.

Eines Tages jedoch, als er gerade aus einem Beutel mit Kirschkernen herauskam, in dem er wie gewöhnlich stibitzt hatte, sah ihn zufällig der Junge, dem der Beutel gehörte. »Aha, mein kleiner Tommy«, sagte der Junge, »so habe ich dich endlich dabei erwischt, wie du meine Kirschkerne stiehlst, und du sollst den Lohn für deine Diebskniffe bekommen.« Während er das sagte, zog er die Schnur fest um seinen Hals zusammen und schüttelte den Beutel so kräftig, dass der arme kleine Tom an Beinen, Schenkeln und Leib arg verletzt wurde. Er schrie vor Schmerz auf und bat, er solle ihn herauslassen, und versprach, sich nie mehr solch üble Streiche zuschulden kommen zu lassen.

Kurze Zeit danach war seine Mutter dabei, eine Mehlspeise zu machen, und Tom, der schrecklich gerne sehen wollte, wie das gemacht wurde, kletterte auf den Rand der Schüssel hinauf. Aber unglücklicherweise glitt sein Fuß aus, und er plumpste bis über die Ohren in den Teig, ohne dass seine Mutter es merkte. Sie rührte ihn in den Kochbeutel und tat ihn in den Topf zum Kochen.

Der Teig hatte Toms Mund gefüllt und ihn so am Schreien gehindert; als er aber das heiße Wasser spürte, strampelte und rang er so sehr in dem Topf, dass seine Mutter dachte, die Mehlspeise sei verhext. Und sogleich zog sie sie aus dem Topf und warf sie vor die Tür. Ein armer Kesselflicker ging vorbei, der hob die Mehlspeise auf, steckte sie in seinen Vorratssack und ging davon. Tom, der jetzt seinen Mund vom Teig frei hatte, begann darauf laut zu schreien, und das erschreckte den Kesselflicker so sehr, dass er die Mehlspeise zu Boden warf und wegrannte. Beim Fallen war die Mehlspeise in Stücke zerbrochen, Tom kroch mit Teig überzogen heraus und ging mühsam nach Hause. Seiner Mutter tat es sehr leid, als sie ihren Liebling in solch einem jammervollen Zustand sah. Sie steckte ihn in eine Teetasse, und bald hatte sie den Teig herunter gewaschen. Danach küsste sie ihn und legte ihn zu Bett.

Bald nach dem Abenteuer mit der Mehlspeise ging Toms Mutter ihre Kühe auf der Weide melken, und sie nahm ihn mit sich. Der Wind wehte sehr stark, und weil sie fürchtete, er könnte fort geblasen werden, band sie ihn mit einem feinen Faden an eine Distel. Die Kuh bemerkte bald den Eichenblatthut, hatte Lust darauf, und so erwischte sie den armen Tom und die Distel auf einen Happen. Als die Kuh die Distel kaute, fürchtete sich Tom vor ihren großen Zähnen, die drohten, ihn in Stückchen zu zermalmen, und so laut er konnte brüllte er: »Mutter, Mutter!«

»Wo bist du, Tommy, mein lieber Tommy?« sagte seine Mutter. »Hier, Mutter«, antwortete er, »im Maul der roten Kuh.« Seine Mutter fing an zu weinen und die Hände zu ringen, aber die Kuh war überrascht von dem seltsamen Lärm in ihrer Kehle, machte das Maul auf und ließ Tom herausfallen. Zum Glück fing ihn seine Mutter in der Schürze auf, als er zu Boden fiel, er hätte sich sonst schrecklich verletzt. Dann steckte sie Tom in ihr Busentuch und lief mit ihm nach Hause.

Toms Vater machte ihm eine Peitsche aus Gerstenstroh, damit er das Vieh treiben könne. Und als er eines Tages aufs Feld gegangen war, glitt er mit dem Fuß aus und rollte in eine Furche. Ein Rabe flog darüber hin, packte ihn und flog mit ihm zur Spitze eines Riesenschlosses, das nahe an der Küste lag, und dort setzte er ihn ab.

Um Tom stand es schrecklich, er wusste nicht was tun; aber bald wurde er in noch schrecklichere Furcht versetzt, denn der alte Riese Grumbo kam hervor und erging sich auf der Terrasse. Und er bemerkte Tom, nahm ihn auf und schluckte ihn herunter wie eine Pille. Kaum hatte der Riese Tom geschluckt, da bereute er auch schon, dass er es getan hatte, denn Tom begann zu strampeln und umher zu springen, dass es dem Riesen recht unbehaglich wurde, und schließlich spuckte er ihn wieder aus und ins Meer.

In dem Augenblick, in dem Tom ins Meer fiel, schluckte ihn ein großer Fisch, und der wurde kurz darauf gefangen und für König Artus' Tafel gekauft. Als sie den Fisch aufmachten, damit er gekocht werde, waren alle überrascht, solch einen kleinen Jungen zu finden, und Tom war recht begeistert, dass er seine Freiheit wieder hatte. Sie schafften ihn zum König, und der machte Tom zu seinem Hofzwerg, und er wurde bald ein großer Günstling bei Hof, denn mit seinen Possen und Sprüngen belustigte er nicht nur den König und die Königin, sondern auch alle Ritter der Tafelrunde.

Wie es heißt, nahm der König häufig Tom mit sich, wenn er ausritt, und wenn ein Regenschauer niederging, kroch er meist in Seiner Majestät Westentasche und schlief dort, bis der Regen vorbei war.

Eines Tages fragte König Artus Tom über seine Eltern aus, weil er wissen wollte, ob sie so klein seien wie er und in welchen Verhältnissen sie lebten. Tom erzählte dem König, dass sein Vater und seine Mutter so groß waren wie jedermann bei Hofe, aber dass sie in recht ärmlichen Verhältnissen lebten. Als er das hörte, trug der König Tom zu seiner Schatzkammer, das war der Ort, wo er all sein Geld verwahrte, und er hieß ihn sich so viel Geld zu nehmen, als er zu seinen Eltern nach Hause tragen könnte. Das ließ den armen kleinen Kerl vor Freude springen. Unverzüglich ging Tom und beschaffte sich eine Geldbörse, die aus einer Wasserblase gemacht war, kehrte dann zur Schatzkammer zurück, und dort erhielt er ein silbernes Dreipfennigstück, das steckte er hinein.

Es war ein wenig schwierig für unseren kleinen Helden, die Last auf den Rücken zu heben, aber schließlich gelang es ihm, und sie lag so, wie er es wollte, und dann machte er sich auf die Reise. Nun denn, nach zwei Tagen und zwei Nächten erreichte er sicher seines Vaters Haus, ohne dass ihm ein Unfall zugestoßen wäre, und nachdem er sich mehr als hundertmal auf dem Weg ausgeruht hatte. Achtundvierzig Stunden war Tom mit einem riesigen Silberstück auf dem Rücken gereist, und er war fast auf den Tod erschöpft, als seine Mutter ihm aus dem Haus entgegenlief und ihn herein trug.

Toms Eltern waren beide glücklich, dass sie ihn wieder sahen, umso mehr, als er eine solche erstaunliche Summe Geldes mitgebracht hatte. Der arme kleine Kerl war aber außerordentlich müde, nachdem er eine halbe Meile in achtundvierzig Stunden gewandert war, und das mit dem riesigen silbernen Dreipfennigstück auf dem Rücken. Damit er sich von der erlittenen Mühsal erholen konnte, bettete ihn seine Mutter in eine Walnußschale neben den Kamin und fütterte ihn drei Tage lang mit einer Haselnuss, wovon er sehr krank wurde, denn für gewöhnlich reichte ihm eine ganze Nuss einen Monat lang. Tom erholte sich bald. Aber weil es geregnet hatte und der Boden sehr nass war, konnte er nicht zu König Artus' Hof zurückwandern. Als eines Tages der Wind in jene Richtung wehte, machte ihm daher seine Mutter einen kleinen Schirm aus Seidenpapier, band Tom daran und pustete ihn mit dem Mund in die Luft, dass er davon rasch zum Palast des Königs getragen wurde. Der König, die Königin und alle Edelleute waren glücklich, Tom wieder bei Hofe zu sehen, wo er sie entzückte durch seine Geschicklichkeit beim Lanzenstechen und bei Turnieren. Aber seine Bemühungen, ihnen zu gefallen, kamen ihn teuer zu stehen und ließen ihn in eine so schwere Krankheit fallen, dass man an seinem Leben verzweifelte.

Aber die Elfenkönigin hörte von seiner üblen Verfassung, sie kam zu Hofe in einer Kutsche, die von fliegenden Mäusen gezogen wurde, setzte Tom neben sich und fuhr durch die Luft ohne anzuhalten, bis sie in ihrem Palast ankamen. Nachdem sie seine Gesundheit wiederhergestellt hatte, erlaubte sie ihm, all die fröhliche Kurzweil des Elfenlandes zu genießen. Danach befahl die Elfenkönigin, dass sich ein starker Luftstrom erhebe, auf den setzte sie Tom, und der segelte darauf wie ein Korken im Wasser. Unverzüglich wurde er so zum königlichen Palast König Artus' gesandt.

Gerade in dem Augenblick, als Tom über den Hof des Palastes dahergeflogen kam, ging zufällig der Koch vorbei mit des Königs großer Schüssel voll Weizenbrei, und das war ein Gericht, das Seine Majestät sehr liebte. Unglücklicherweise aber fiel der arme kleine Kerl, plumps, mitten hinein und ließ den heißen Brei über das Gesicht des Kochs spritzen. Der Koch war ein bösartiger Bursche und hatte einen furchtbaren Zorn auf Tom, weil der ihn erschreckt und mit dem Brei verbrüht hatte. Er ging geradenwegs zum König und gab an, Tom sei in den königlichen Weizenbrei gesprungen und habe ihn aus reiner Bosheit heruntergeworfen. Als der König dies hörte, geriet er so in Zorn, dass er befahl, Tom solle ergriffen und wegen Hochverrats vor Gericht gestellt werden. Und nachdem es keinen gab, der für ihn zu sprechen wagte, wurde er dazu verurteilt, unverzüglich enthauptet zu werden.

Als der arme Tom hörte, wie dieses schreckliche Urteil ausgesprochen wurde, begann er vor Furcht zu zittern. Er bemerkte aber einen Müller in seiner Nähe, der gaffte mit offenem Maul, wie es die Tölpel auf dem Land auf dem Jahrmarkt tun, und weil Tom keinerlei Mittel zum Entkommen sah, machte er einen Satz und sprang bis in die Kehle des Müllers hinunter. Dieses Heldenstück vollbrachte er so behände, dass es keiner der Anwesenden bemerkte, und sogar der Müller wusste nichts von dem Streich, den ihm Tom gespielt hatte. Da Tom nun verschwunden war, wurde die Gerichtssitzung abgebrochen, und der Müller ging nach Hause in seine Mühle.

Als Tom die Mühle klappern hörte, wusste er, dass er weit weg war vom Gericht. Deshalb begann er sich hin und her zu werfen und sich umherzurollen, so dass der arme Müller keine Ruhe fand und meinte, er sei verhext. Also schickte er nach dem Doktor. Als der Doktor kam, fing Tom an zu tanzen und zu singen, und der Doktor erschrak darüber ebenso wie der Müller und schickte eilends nach fünf anderen Doktoren und zwanzig Gelehrten. Gerade als sie dabei waren, die Ursache dieses außergewöhnlichen Vorfalles zu besprechen, musste der Müller zufällig gähnen. Da nahm Tom die Gelegenheit wahr, machte wieder einen Sprung und landete mitten auf dem Tisch sicher auf seinen Füßen.

Der Müller war sehr empört, dass er von solch einem kleinen Zwerggeschöpf gequält worden war, und geriet in entsetzlichen Zorn. Er packte Tom, öffnete das Fenster und warf ihn hinaus in den Fluss. In dem Augenblick, als der Müller Tom fallen ließ, kam ein großer Lachs daher geschwommen, sah ihn niederfallen und schnappte ihn im Nu. Ein Fischer fing den Lachs und verkaufte ihn auf dem Markt an den Haushofmeister eines vornehmen Herrn. Als der Edelmann den Fisch sah, fand er ihn so ungewöhnlich schön, dass er ihn König Artus als Geschenk überreichte. Der befahl, den Fisch unverzüglich zuzubereiten. Als der Koch den Fisch aufschnitt, fand er den armen Tom und lief damit zum König. Aber Seine Majestät war mit Staatsangelegenheiten beschäftigt und befahl, er solle fortgebracht und gefangen gehalten werden, bis er nach ihm senden werde. Der Koch beschloss, dass ihm Tom dieses Mal nicht aus den Händen schlüpfen sollte, und daher tat er ihn in eine Mausefalle, und dort ließ er ihn, und er musste durch die Drahtstäbe gucken. Eine ganze Woche war Tom in der Falle geblieben, bevor König Artus nach ihm sandte.

Der König vergab ihm, dass er den Weizenbrei heruntergeworfen hatte, und nahm ihn wieder in seine Gunst auf. Wegen seiner Geschicklichkeit und seiner wundervollen Kunststücke wurde Tom vom König zum Ritter geschlagen und wurde bekannt unter dem Namen »der berühmte Sir Thomas Däumling«. Da Toms Kleider sehr gelitten hatten in der Mehlspeise, im Weizenbrei und im Innern des Riesen, des Müllers und der Fische, befahl Seine Majestät, ihm einen neuen Anzug zu machen und ihn auszustatten, wie es einem Ritter gebührte. »Das Hemd war aus Falterflügeln gemacht,
die Stiefel aus Kükenhaut fein.
Ein Elfenwicht, der es weit gebracht
in der Schneiderkunst, besorgt mit Pracht
das Nähen der Kleider sein.
Als Schwert trägt er eine Nadel am Bein,
er reitet auf feurigem Mäuselein,
so zeigte sich Tom in stattlichem Schein!«
Gewiss war es sehr unterhaltsam, wenn man Tom so in seinem Gewand sah, wohl beritten auf der Maus, wie er auf der Jagd dem König und den Edelleuten folgte. Und sie alle lachten manchmal, dass ihnen die Luft ausging, über Tom und sein prächtiges Streitross, wenn es sich aufbäumte.

Eines Tages ritten sie an einem Bauernhaus vorbei. Eine Katze lauerte da bei der Tür, die machte einen Sprung und erwischte alle beide, Tom und seine Maus. Sie kletterte mit ihnen auf einen Baum hinauf und begann die Maus zu verschlingen. Tom aber zog kühn sein Schwert und griff die Katze so wild an, dass sie beide fallen ließ. Da fing ihn einer der Edelleute in seinem Hut auf und legte ihn nieder in einem Elfenbeinkästchen auf einem Bettchen aus Flaum.

Bald danach kam die Elfenkönigin und besuchte Tom, und sie schaffte ihn zurück ins Elfenland. Dort blieb er mehrere Jahre lang. Während er sich da aufhielt, waren König Artus und alle Leute, die Tom kannten, gestorben. Weil er sich danach sehnte, wieder bei Hofe zu sein, ließ ihm die Elfenkönigin neue Kleider machen und sandte ihn im Flug durch die Luft zu dem Palast. Das war zu der Zeit von König Thunstone, dem Nachfolger von König Artus. Alle scharten sich um ihn und wollten ihn sehen, und als er zu dem König getragen wurde, fragte ihn der, wer er sei, woher er komme und wo er lebe. Tom antwortete: »Tom Däumling ist mein Nam',
von den Elfen ich kam.
Unter König Artus' Schein
dieser Hof war mein Heim.
Viel Freud' ich ihm brachte,
er zum Ritter mich machte.
Ob keiner von euch
von Sir Däumling vernahm?«
Der König war so entzückt von dieser Ansprache, dass er befahl, es solle ein kleiner Sessel gemacht werden, damit Tom bei ihm auf seiner Tafel sitzen könne. Und es sollte auch ein goldenes Palästlein gebaut werden, eine Spanne hoch und mit einer Tür von einem Zoll Breite, und darin sollte Tom wohnen. Auch gab er ihm ein Kütschlein, das von sechs kleinen Mäusen gezogen wurde.

Über die Ehrungen, die Sir Tom erwiesen wurden, ereiferte sich die Königin so sehr, dass sie beschloss, ihn zugrunde zu richten. Und so erzählte sie dem König, der kleine Ritter habe sich ihr gegenüber dreist betragen. In großer Eile sandte der König nach Tom. Der aber wusste nur zu gut, wie gefährlich königlicher Zorn war, und schlüpfte in ein leeres Schneckenhaus. Darin blieb er ziemlich lange liegen, bis er fast verhungerte. Zuletzt aber wagte er doch herauszugucken und erblickte einen schönen großen Schmetterling auf der Erde, ganz in der Nähe seines Verstecks. Sehr vorsichtig näherte er sich ihm, und als er sich rittlings auf ihm niedergelassen hatte, wurde er sogleich in die Luft empor getragen. Der Schmetterling flog mit ihm von Baum zu Baum und von Feld zu Feld und kehrte zuletzt zum Hof zurück. Dort mühten sich alle, der König und die Edelleute, ihn zu fangen, aber schließlich fiel der arme Tom von seinem Sitz herunter in eine Gießkanne, und da wäre er fast ertrunken.

Die Königin war voller Zorn, als sie ihn sah, und sagte, er solle enthauptet werden. Und wieder wurde er bis zum Zeitpunkt seiner Exekution in eine Mäusefalle gesperrt. Eine Katze jedoch, die bemerkt hatte, dass etwas Lebendiges in der Falle war, schlug so lange mit den Pfoten daran, bis die Drähte brachen, und so gab sie Tom die Freiheit zurück.

Der König nahm Tom wieder in seine Gunst auf. Aber er lebte nicht mehr lange genug, um sich ihrer zu erfreuen, denn eines Tages griff eine große Spinne Tom an, und wenn er auch sein Schwert zog und wacker kämpfte, so überwältigte ihn doch zuletzt der giftige Atem der Spinne: »Er fiel tot zu Boden, wo gekämpft er voll Mut,
und die Spinne saugt aus ihm jeden Tropfen von Blut.«
König Thunstone und der ganze Hofstaat grämten sich so sehr, weil sie ihren kleinen Liebling verloren hatten, dass sie Trauer anlegten. Und sie setzten auf sein Grab ein prächtiges Grabmal aus weißem Marmor, das hatte die folgende Inschrift: »Tom Däumling, König Artus' Ritter, hier liegt,
vom grausamen Biss einer Spinne besiegt.
An Artus' Hof war er wohlbekannt,
wo oft man beim Ritterspiel ihn fand.
Er stach mit der Lanze und ritt zum Turnier
und war bei der Jagd auf dem Mausetier.
Sein Leben den Hof erfüllte mit Freud',
sein Tod bracht' uns nur Traurigkeit.
Senkt eure Häupter, weint die Augen euch rot,
weint, weint - o weh, Tom Däumling ist tot!«