[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die Flöte, die alle zum Tanzen brachte

Ein Mann hatte drei Söhne. Die beiden älteren waren gescheiter als der jüngste, und deswegen machten sie sich immer über ihn lustig. Schließlich sagte der Vater: »Da dieser Sohn auch zu nichts nütze ist, soll er Hirt werden.«

Und so wurde er Hirt.

Ein Jahr lang hatte er nun schon Schafe gehütet, da begegnete er eines Tages einem alten Weib, das sagte zu ihm: »Lieber Mann, was machst du denn hier als Schafhirt?« Und der Bursche antwortete: »Ja, Ihr könnt daran sehen, dass meine Brüder mich nicht leiden mögen und mein Vater mich zum Hirten machte.«

»Nun, und wie fühlst du dich denn? Hast du einen guten Herrn und genug zu essen?« fragte die Alte. »O ja«, antwortete der Bursche, »ich habe einen sehr guten Herrn, und man gibt mir genug zu essen.« Darauf sagte die Frau: »Nun, was willst du dann noch mehr?«

»Eine Flöte.« Und die Alte gab ihm eine Flöte. Und dann ging die Alte fort und ließ ihn allein. Und kaum war die Alte weggegangen, da begann der Hirt auf der Flöte zu spielen, und sogleich fingen die kleinen Schafe an zu tanzen. Und er spielte mehr und mehr und immer mehr, und mit immer größerer Lust tanzten Schafe und Ziegen. Und das wiederholte sich Tag für Tag. Der Hirt spielte auf, und Schafe und Ziegen tanzten, bis sie erschöpft zu Boden fielen und alle viere von sich streckten und ein Weilchen ausruhten. Und dabei waren seine Schafe und Ziegen immer schön fett.

Und die anderen Schafhirten sahen, dass die Schafe des Burschen so schön fett waren, und sie sagten: »Wie macht dieser Bursche es nur, dass seine Schafe und Ziegen so schön fett sind?« Und andere Hirten, die gesehen hatten, dass sie immer alle tanzten, gingen zu dem Herrn des Burschen und sagten ihm, dass sein Hirt eine Flöte habe, nach der Schafe und Ziegen zusammen mit ihm tanzten.

Doch der Herr wollte das nicht glauben und ging zum Hirten hin und sagte ihm: »Guten Tag! Warum strecken die Schafe denn alle viere von sich?«

»Sie ruhen sich aus«, antwortete der Hirt. - »Ist es denn wahr, dass die Schafe tanzen?«

»Ja, Herr, wenn ich die Flöte spiele, fangen sie an zu tanzen.«

»Lass sehen, lass sehen«, sagte der Herr. Und der Bursche begann die Flöte zu spielen, und sogleich sprangen all die kleinen Schafe und Ziegen auf und fingen vor Freude an zu tanzen. Und auch der Hirt begann zu tanzen. Und immer ausgelassener spielte der Hirt, und immer ausgelassener tanzten Schafe und Ziegen. Und vor Freude begann auch der Herr zu tanzen, so dass schließlich die ganze Gesellschaft tanzte, Herr, Hirt, Schafe und Ziegen. Und immer toller spielte der Hirt, und immer toller tanzte der Herr. Und als endlich der Bursche des Spielens überdrüssig wurde, legte er sich lang hin, um auszuruhen, und ihm nach machten es die Schafe und Ziegen und der Herr.

Und dann ging der Herr fort und erzählte alles seiner Frau. Und die Frau sagte: »Geh, komm mir nicht mit Märchen! Hat man denn je Schafe und Ziegen tanzen sehen?«

»Wenn du's nicht glauben willst, so geh selber hin, dann wirst du erfahren, ob das stimmt. Wenn dieser Bursche die Flöte spielt, dann müssen alle tanzen.« Und die Frau sagte: »Das glaub ich nicht; doch ich will sehen, ob es wahr ist.« Und sie ging dahin, wo der Hirt mit den Schafen und Ziegen war, und sagte zu ihm, er möchte noch einmal die Flöte spielen. Und er begann, auf der Flöte zu spielen, und sofort springen die Schafe und Ziegen auf und beginnen zu tanzen. Und immer toller spielt der Hirt, und immer toller tanzen Schafe und Ziegen. Und da fing die Herrin auch an zu tanzen. Und immer ausgelassener spielt der Hirt die Flöte, und immer ausgelassener tanzt die Herrin. Und so tanzten alle eine ganze Zeitlang, bis der Hirt keine Lust mehr hatte und alle sich lang hinlegten, um auszuruhen, die Herrin, der Hirt, die Schafe und Ziegen.

Und als die Frau sich ausgeruht hatte, ging sie nach Haus zurück. Und als sie im Haus ankam, sagte ihr Mann: »Nun, und wie war es, haben die Schafe getanzt?«

»Es haben die Schafe getanzt und die Ziegen und ich mit ihnen«, sagte die Herrin, »wenn dieser Hirt die Flöte spielt, müssen alle tanzen.«

»Ich hab's dir ja gleich gesagt«, antwortete der Herr. Und dann kamen die beiden überein, den Hirten zu entlassen, da er immer Schafe und Ziegen und jedermann zum Tanzen brachte. Doch da starben all die kleinen Schafe und Ziegen vor Trauer darüber, dass keiner mehr zum Tanz aufspielte.

Und der Bursche ging heim zu seinem Vater. Und als er erzählte, was er erlebt hatte, da begannen die beiden älteren Brüder, sich wieder über ihn lustig zu machen. Und der Vater sagte: »Dieser Junge taugt auch zu nichts. Besser ist es, er bleibt zu Haus, und ihr arbeitet außerhalb, um Geld zu verdienen.«

Und am nächsten Tag schickte der Vater den ältesten Sohn ins Dorf, um Äpfel zu verkaufen. Und auf dem Weg begegnete er einem alten Weiblein, das fragte ihn: »Was verkaufst du da?« Und er antwortete: »Ich verkaufe Ratten.« Und die Alte sagte zu ihm: »Nun, Ratten sollen es werden.« Und der Bursche kam ins Dorf, und als er Äpfel herausnehmen und verkaufen wollte, kamen nur Ratten zum Vorschein. Und immer mehr und immer mehr Ratten sprangen heraus, bis das ganze Dorf voller Ratten war. Da gab man dem Burschen eine gehörige Tracht Prügel, und er zog ab.

Und am nächsten Tag schickte der Vater den zweiten Sohn in das Dorf, um Apfelsinen zu verkaufen. Und auf dem Weg begegnete er demselben alten Weiblein, das sagte zu ihm: »Guten Tag. Was verkaufst du da?« Er antwortete: »Vögel.« Und die Alte sagte zu ihm: »Viele Vögel sollen es werden.« Und als der Bursche in das Dorf kam und den Apfelsinenkorb öffnete, da flogen Vögel heraus, und nichts weiter war im Korb zu finden. Da ging der Arme ganz verzweifelt nach Haus.

Nun sagte der Jüngste zu seinem Vater: »Vater, jetzt will ich ins Dorf gehen. Schickt mich hin, und Ihr werdet sehen, wie gut alles geht.« Und die beiden älteren Brüder lachten über ihn und sagten: »Was willst du Dummkopf denn da schon ausrichten? Wenn es uns schlecht ergangen ist, wird es dir noch viel schlechter gehen.« Doch der Vater ließ ihn ziehen und gab ihm einen Korb Weintrauben, die solle er im Dorf verkaufen. Und auf dem Weg begegnete der Bursche demselben alten Weiblein, und es fragte ihn: »Was verkaufst du da?«

Und er antwortete ihr: »Ich verkaufe Weintrauben. Wollt Ihr welche haben?« Und sie antwortete: »Nein, danke. Viele Weintrauben wirst du verkaufen.« Und der Bursche ging ins Dorf, um seine Weintrauben zu verkaufen, und je mehr er verkaufte, desto mehr waren im Korb. Und immer mehr verkaufte er, und er verkaufte so viel, dass er eine Menge Beutel mit Geld füllte, die brachte er seinem Vater nach Haus. Und auf dem Weg fing er an, auf der Flöte zu spielen, die er noch behalten hatte. Da erschien die Alte wiederum und sagte zu ihm: »Spiel die Flöte nicht, mein Sohn, bevor du nicht zu Hause bist.«

Und der Bursche kehrte heim, und sogleich kamen ihm die beiden Brüder und der Vater entgegen. Und der Vater sagte: »Sicherlich ist wieder ein Unglück geschehen; dieser Dummkopf wird schon etwas Neues angerichtet haben.« Und der Bursche trat ein und sagte zu ihnen: »Ich bringe viele Taler mit, Vater, so viele, dass sie am Korb festkleben und nicht herauskommen können, und mehr noch habe ich in den Beuteln, die auch nicht herausgehen.« Und der Vater sagte: »Ja, wie machen wir es denn nur, dass wir das Geld aus dem Korb und den Beuteln herausbekommen?«

»Macht Euch darüber keine Sorge, Vater«, sagte der junge Bursche, »Ihr werdet gleich sehen.« Und er fing an, auf der Flöte zu spielen, und sogleich setzten sich die Groschen und Taler in Bewegung und sprangen tanzend aus dem Korb und den Beuteln. Und er spielte die Flöte so lange, bis das ganze Geld herausgehüpft war und sie reich waren.

Nun mochten ihn auch seine Brüder sehr gern leiden. Und der Vater sagte: »Wir wollen uns mit diesem Geld jetzt ein Haus bauen.« Und sie bauten sich von dem Geld ein sehr schönes Haus. Und sie machten es so wunderschön, dass sie alles Geld dafür verbrauchten und ihnen der Vater sagte: »Ja, nun müssen wir in die Welt hinausziehen und sehen, wie wir uns durchschlagen.« Und die beiden älteren Brüder, die immer voll Missgunst waren, zogen allein fort, und der jüngste ging mit seinem Vater in eine andere Richtung.

Und der Jüngste und der Vater zogen durch die Dörfer und verkauften Öl. Und sie verkauften alles, und für das Öl kauften sie wieder Eier. Und der junge Bursche war darüber so glücklich und zufrieden, dass er zu seinem Vater sagte: »Vater, nun haben wir das ganze Öl verkauft und so viele Eier dafür bekommen, nun will ich auch wieder einmal auf der Flöte spielen.« Und er begann die Flöte zu spielen, und sogleich fingen die Eier in den Körben an zu tanzen. Und der Vater sagte: »Um des Himmels willen, Sohn, spiel nicht auf der Flöte! Siehst du denn nicht, dass die Eier tanzen und bald alle entzweigehen werden?«

»Macht Euch keine Sorge, Vater«, sagte der Sohn zu ihm. Und er spielte weiter auf seiner Flöte, und die Eier tanzten weiter in den Körben. »Nein, mein Sohn, spiel doch nicht mehr, die werden alle entzweibrechen.«

»Macht Euch keine Sorge, Vater, sie gehen nicht entzwei.« Und immer toller spielte er auf der Flöte, und immer toller tanzten die Eier, bis auch Vater und Sohn anfangen zu tanzen. Und so tanzten sie alle, Vater und Sohn und die Eier in den Körben, bis der Bursche keine Lust mehr hatte.

Und dann gingen sie nach Haus. Und eine so große Menge Eier war in den Körben, dass sie sie nicht herausnehmen konnten. Und der Vater sagte: »Ja, aber wie machen wir es jetzt nur, dass wir die vielen Eier aus den Körben herausbekommen?« Da begann der Bursche wieder die Flöte zu spielen, und sogleich sprangen die Eier aus den Körben heraus, bis keines mehr darin blieb. Und der Bursche sagte: »Davon können wir schon leben.« Und sie zogen los und verkauften die Eier, und je mehr sie verkauften, desto mehr kamen aus den Körben heraus. Und so wurden sie wieder reich.

Und bald darauf kehrten auch die beiden älteren Brüder wieder heim und brachten keinen Heller mit. Sie waren ärmer denn je. Und aus Missgunst über den Jüngsten nahmen sie ihm die Flöte weg. Doch der Jüngste brauchte sie gar nicht mehr, denn er und sein Vater waren ja reich. Und sie machten sich mit der Flöte auf und davon und spielten sie und dachten, sie würden nun auch reich werden. Doch nichts geschah. Die Flöte brachte nur dem Jüngsten Glück.