[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die erste Arbeit

Als noch der Herrgott auf der Erde wandelte, da besuchte er einmal mit dem heiligen Petrus ein armes, ein sehr armes Weiblein. Sie war eine Witwe mit fünf kleinen Kinderchen. Da bitten sie sie nun, dass sie wenigstens im kleinen Stall übernachten dürfen. Doch sie war sehr fromm, sehr gut. Sie denkt, wenn schon die armen Bettelleute von Haus zu Haus umherziehen müssen, so soll man ihnen doch wenigstens an einer Stelle einen besseren Empfang bereiten. Und so schlachtete das Weiblein sofort ihr letztes Hühnchen, kochte es und bewirtete sie. Danach bereitete sie ihnen ihr eigenes Bett, und selber legte sie sich auf der Erde nieder. Als nun am Morgen der Herrgott schon Frühstück gegessen hatte und seines Weges weiterwandern will, da fragt er das Weiblein: »Was wirst du«, sagt er, »heute machen?« Sie sagte darauf: »Dieses hier und jenes dort - die Kinder versorgen, zur Arbeit bei anderen gehen, damit ich wenigstens einen Bissen Brot für die Kinder bekomme.«

»Gut«, sagt der Herrgott, »doch welche Arbeit machst du zuerst, gleich wenn wir aus dem Hause gegangen sind?« Und das Weiblein antwortet: »Gestern bekam ich für meine Arbeit diesen Ärmelstoff, und darum nähe ich gleich daraus für ein Kind ein Hemd, denn sie sind schon alle so abgerissen, dass man sich kaum traut, sie hinter dem Ofen hervor zu lassen.«

»Gut«, sagt der Herrgott, »doch welche Arbeit machst, du soll gesegnet sein.«

Nun, als sie gerade hinausgegangen waren, will das Weiblein für das Kind ein Hemd nähen. Doch als sie den schmalen Ärmelstoff nahm und ihn aufzurollen begann, da hat er kein Ende! Sie kann und kann den ganzen Stoff nicht aufwickeln, immer und immer noch ist er nicht zu Ende! Sie wickelt und wickelt, sie wickelt das ganze Haus voll Stoff. Und zu ihr ins Haus kommt ihr Nachbar, der sehr reich war. Als er das sah, wunderte er sich sehr. »Siehe«, sagt er, »du läufst zerlumpt herum, ein Flicken über dem anderen, obwohl du soviel guten Stoff hast!«

»Ja«, sagt das Weib, »hier waren so arme Bettler, und als sie hinausgingen, fragte der eine, was für eine Arbeit ich mir zuerst vornehmen werde. Als ich sagte, ich will für ein Kind ein Hemdchen nähen, da sagte er, meine Arbeit soll gesegnet sein. Vielleicht ist das ein Heiliger? Denn siehe«, sagt sie, »wie viel ich vom Stoff für zwei Ärmel hier schon abgewickelt habe - immer noch ist etwas da! Stoff habe ich für mein ganzes Leben und das Leben meiner Kinder genug.«

Da kam dem Reichen in den Sinn, dass es schön wäre, wenn der Bettler auch zu ihm käme. »Und wohin ist er gegangen?« fragt der Reiche das Weiblein. »Der hat«, sagt sie, »doch den Weg zu deinem Hof genommen.« Na, das war ihm gerade recht. Er stürzte sofort nach Hause und wartete. Da kommt auch schon der Bettler zu ihm und bittet, übernachten zu dürfen. Na schön. Er führte den Herrgott mit dem heiligen Petrus in den Gartenschuppen und ließ sie dort schlafen.

Am folgenden Tag, als er fort ging, sagte der Herrgott zu dem reichen Bauern: »Die Arbeit, die du dir vornimmst, gleich nachdem wir gegangen sind, will ich dir segnen.« Doch der hat sich schon längst vorgenommen, Honig aus den Stöcken zu holen. Siehe, schon die ganze Nacht hindurch hat er, woher er nur immer konnte, leere Kübel herbeigeschleppt und den ganzen Obstgarten rings um die Häuser voll gestellt, damit er, wenn er anfängt, den Honig herauszunehmen, genug Platz hätte, wo er ihn lassen könnte. Er rechnete: Wenn ihm jener Bettler seine erste Arbeit segnete, dann hätte er riesige Mengen Honig, und dann könnte er beim Verkauf die Menschen schröpfen. Aber ausgerechnet, gerade als er gehen wollte, Honig auszunehmen, fiel ihm ein, dass er vorher ein Geschäft erledigen müsste, denn später, wenn er beim Ausnehmen der Bienenstöcke wäre, würde er dazu keine Zeit mehr haben.

Also ging er sofort hinter den Stall und hockte sich hin. Doch er hockt und hockt, hockt und hockt, und noch immer kann er nicht aufhören! Er will doch Honig ausnehmen, aber er kann von hier nicht weg und in keiner Weise aufstehen. Schon hat er alles um den Stall und um den Gartenschuppen herum vollgemacht, überallhin fließt es auseinander, und immer noch hört es nicht auf. Es gelang ihm irgendwie, in das Wäldchen zu rennen, und da fand ihn denn auch der hereinbrechende Abend. Doch Honig hat er an dem Tage nicht einmal zu riechen bekommen!