[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die drei Recken

Vor Zeiten lebte ein Mann, der war weder reich noch arm. Er hatte drei Söhne, alle drei schön wie der junge Mond. Sie hatten Lesen und Schreiben gelernt, waren zu Verstand gekommen und mieden schlechte Menschen. Tongutsch-Batyr, der Älteste, zählte einundzwanzig Jahre, Ortantscha-Batyr, der Mittlere, achtzehn und Kendsha-Batyr, der Jüngste, sechzehn Jahre. Eines Tages rief der Vater seine Söhne zu sich, hieß sie sich niedersetzen, fuhr jedem freundlich über das Haar und sagte: »Meine Söhne, ich bin kein reicher Mann. Was ich euch an Vermögen hinterlasse, wird nicht lange reichen. Mehr sollt ihr von mir nicht erwarten und nicht erhoffen. Aber drei Dinge konnte ich euch ins Leben mitgeben: Erstens habe ich euch gesund aufgezogen und ihr seid stark geworden, zweitens habe ich euch Waffen in die Hand gegeben und ihr seid tüchtige Krieger geworden, drittens habe ich euch gelehrt, euch vor nichts zu fürchten, und ihr seid tapfere Männer geworden. Dazu will ich euch noch drei Ratschläge geben. Hört sie an und vergesst sie nicht! Seid rechtschaffen, dann werdet ihr in Ruhe leben. Prahlt nicht, dann braucht ihr nicht schamrot zu werden. Seid nicht faul, dann werdet ihr glücklich. Alles Übrige sei eure Sorge. Ich habe euch drei Pferde bereitgemacht: einen Rappen, einen Falben und einen Grauschimmel. In euren Mantelsäcken ist Wegzehrung für eine Woche. Das Glück liegt vor euch. Macht euch auf den Weg und reitet aus, um die Welt zu sehen. Wer die Welt nicht kennt, bringt es zu nichts. Zieht hinaus und fangt euch den Glücksvogel! Lebt wohl, meine Söhne!« Nach diesen Worten erhob sich der Vater und ging davon. Die Brüder machten sich reisefertig.

Frühmorgens bestiegen sie ihre Pferde und verließen ihr Vaterhaus. Sie ritten den ganzen Tag und brachten einen weiten Weg hinter sich. Als es Abend wurde, beschlossen sie zu rasten. Sie saßen ab, aßen ein wenig, und bevor sie sich schlafen legten, vereinbarten sie: »Es ist eine öde Gegend, darum wäre es nicht ratsam, wenn wir alle schliefen. Wir wollen die Nacht in drei Wachen teilen und nacheinander die Ruhe der Schlafenden hüten.« Gesagt, getan. Als erster übernahm die Wache Tongutsch, der älteste Bruder, die beiden anderen legten sich zur Ruhe. Lange saß der tapfere Tongutsch-Batyr neben ihnen, spielte mit seinem Schwert und hielt im Mondschein nach allen Seiten Ausschau... Ringsum Stille. Alles lag im Schlaf. Da plötzlich wurde aus dem Walde ein Geräusch vernehmbar. Tongutsch zog sein Schwert und wartete. Unweit von der Stelle, wo sich die Brüder zur Rast niedergelassen hatten, war eine Löwenhöhle. Der Löwe hatte den Menschengeruch gewittert und schlich nun heraus. Voller Gewissheit, dass er den Löwen bezwingen würde, wollte Tongutsch seine Brüder nicht im Schlafe stören und lief ein Stück weg. Die Bestie setzte ihm nach. Tongutsch-Batyr fuhr herum und versetzte dem Löwen einen Schwertstreich über die linke Tatze. Der verwundete Löwe stürzte sich auf den Jüngling, der aber sprang zur Seite und schlug dem Tier sein Schwert wuchtig auf den Kopf. Der Löwe fiel tot hin. Tongutsch-Batyr setzte sich rittlings auf den Löwen, schnitt aus seinem Fell einen schmalen Riemen heraus, band ihn unter dem Hemd um seinen Leib und kehrte zu den Schlafenden zurück, als sei nichts geschehen. Nun war Ortantscha-Batyr, der mittlere Bruder, mit dem Wachehalten an der Reihe. Während seiner Wache geschah nichts. Nach ihm erhob sich Kendsha-Batyr, der Jüngste, und hütete die Ruhe seiner Brüder bis zum Tagesanbruch. So verging die erste Nacht.

Am Morgen setzten die Brüder ihren Weg fort. Lange ritten sie dahin, legten einen weiten Weg zurück und hielten am Abend am Fuße eines hohen Berges Rast. Es stand dort eine einsame Pappel mit weit ausgreifenden Zweigen. Unter ihr sprudelte eine Quelle, neben der es eine Höhle gab. Hier lebte der Schlangenkönig Ashdar-Sultan. Die Brüder ahnten aber nichts von ihm. Unbekümmert banden sie ihre Pferde fest, striegelten und fütterten sie, wonach sie sich selbst zu ihrer Abendmahlzeit niederließen.

Bevor sie sich schlafen legten, beschlossen sie, wieder so Wache zu halten wie in der vorigen Nacht. Als erster wachte Tongutsch, nach ihm kam Ortantscha, der mittlere Bruder, an die Reihe.

Die Nacht war mondhell und still. Plötzlich war ein Geräusch zu hören. Kurz danach schlängelte sich Ashdar-Sultan aus seiner Höhle. Sein Kopf glich einem Krug, und sein Körper hatte die Länge eines Baumstamms. Er kroch zur Quelle. Der Recke Ortantscha wollte seine Brüder nicht im Schlafe stören, darum lief er in die Steppe hinaus. Ashdar-Sultan, der den Menschengeruch gewittert hatte, eilte ihm nach. Da sprang Ortantscha zur Seite und hieb dem Schlangenkönig sein Schwert auf den Schwanz. Ashdar-Sultan drehte und wand sich, doch hurtig schlug Ortantscha ihn auf den Rücken. Schwer verwundet schnellte der Schlangenkönig auf Ortantscha zu, der ihm mit einem letzten Streich den Garaus machte. Nun schnitt er aus der Schlangenhaut einen schmalen Riemen, band ihn unter dem Hemd wie einen Gürtel um und kehrte zu seinen Brüdern zurück, als sei nichts geschehen. Nach ihm wachte Kendsha, der jüngste Bruder. Als es tagte, machten sich die Brüder wieder auf den Weg.

Lange ritten die drei Brüder durch die Steppe. Als die Sonne sich zum Untergehen anschickte, erreichten sie einen einsamen Hügel, stiegen von ihren Pferden und bereiteten sich zur Nachtruhe vor. Sie machten sich ein Feuer an, verzehrten ihre Abendmahlzeit und wachten wieder der Reihe nach. Erst der Älteste, dann der Mittlere und schließlich der Jüngste. Während der Recke Kendsha den Schlaf seiner Brüder hütete, bemerkte er nicht, wie das Feuer ausging. »Es wäre doch schlecht, wenn wir ohne Feuer blieben!« dachte er. Er erstieg die Hügelkuppe und hielt Umschau. In der Ferne blinkte von Zeit zu Zeit ein Lichtlein auf.

Kendsha schwang sich auf sein Pferd und ritt auf das Licht zu. Nach einer Weile gelangte er zu einem einsamen Haus. Er stieg ab, schlich sich auf den Zehenspitzen zu einem Fenster und blickte hinein. Im Haus war es hell, auf dem Herd kochte ein Kessel, und rings um den Herd saßen an die zwanzig Männer. Ihre Mienen waren finster, ihre Blicke böse. Es war ihnen anzumerken, dass sie Übles im Schilde führten. Da dachte Kendsha-Batyr: »Oho, hier hat sich eine Räuberbande zusammengerottet! Sie ungeschoren zu lassen und sich davonzumachen, wäre ein Frevel. So handelt kein rechtschaffener Mensch. Vielleicht kann ich sie überlisten: Erst gewinne ich ihr Vertrauen, dann tue ich meine Pflicht.« Er öffnete die Tür und trat ein. Die Räuber griffen zu ihren Waffen. »O Herr«, wandte sich Kendsha an den Räuberhauptmann. »Ich bin Euer nichtswürdiger Sklave und stamme aus einer fernen Stadt. Bisher vergeudete ich meine Tage mit nutzlosen Dingen. Schon lange hege ich den Wunsch, mich einer Bande wie der Eurigen anzuschließen. Als ich erfuhr, dass Euer Gnaden hier weilen, bin ich zu Euch geeilt. Tadelt mich nicht, weil ich noch jung bin. Meine ganze Hoffnung beruht darauf, dass Ihr mich annehmt. Ich kenne viele Listen, verstehe unterirdische Gräben anzulegen, zu spähen und auszukundschaften. Ich kann Euch von Nutzen sein.« So wortgewandt sprach Kendsha. Der Räuberhauptmann erwiderte: »Das hast du gut gemacht, dass du zu uns gekommen bist!« Kendsha kreuzte die Arme über der Brust, verneigte sich und ließ sich am Feuer nieder. Mittlerweile war die Mahlzeit gar geworden und sie aßen.

In dieser Nacht beschlossen die Räuber, die Schatzkammer des Schahs zu plündern. Nach der Mahlzeit bestiegen sie ihre Pferde und ritten zum Palast. Kendsha begleitete sie. Recht bald erreichten sie den Garten des Palastes, stiegen ab und beratschlagten, wie sie wohl in den Palast gelangen könnten. Schließlich entschieden sie, dass Kendsha als erster über die Mauer steigen und erkunden sollte, ob die Wache schlief. Dann wollten sie einer nach dem anderen hinüberklettern, sich in den Garten hinab lassen und dort aufeinander warten, um gemeinsam in den Palast einzudringen. Die Räuber halfen Kendsha die Mauer erklimmen. Er sprang hinab und lief durch den Garten. Als er entdeckte, dass die Wache schlief, nahm er einen zweirädrigen Karren und rollte ihn zur Mauer. Sodann stieg Kendsha auf den Karren, reckte den Kopf über die Mauer und sagte: »Jetzt ist der günstigste Augenblick!« Der Räuberhauptmann befahl seinen Räubern, nacheinander über die Mauer zu klettern. Kaum lag der erste Räuber bäuchlings auf ihr und beugte den Kopf, um sich auf den Karren herabzulassen, holte Kendsha mit seinem Schwert aus und schlug ihm den Kopf ab. »Komm herunter!« sagte er, zog den Rumpf herab und warf ihn zu Boden.

Um es kurz zu machen: Kendsha köpfte alle Räuber, wonach er seine Schritte zum Palast lenkte. Lautlos schlich er sich an den schlafenden Wächtern vorbei und gelangte in einen Saal mit drei Türen. Zehn Dienerinnen hatten dort Wache zu halten, aber auch sie schliefen. Unbemerkt ging Kendsha-Batyr durch die erste Tür und betrat ein reich geschmücktes Zimmer, an dessen Wänden mit tiefroten Blumen bestickte seidene Vorhänge prangten. In einem silbernen Bett schlief, in weiße Linnen gehüllt, ein Mädchen, schöner als alle Blumen auf Erden. Leise trat Kendsha an das Ruhelager, zog von der rechten Hand des Mädchens einen goldenen Ring ab und steckte ihn in die Tasche. Danach verließ er das Gemach. »Sehen wir uns doch einmal an, welche Geheimnisse es in dem zweiten Zimmer gibt!« sagte er zu sich selbst. Durch die zweite Tür gelangte er in ein prunkvolles Zimmer, an dessen seidenen Vorhängen gestickte Vögel glänzten. Umgeben von zehn Dienerinnen, stand in der Mitte ein silbernes Bett, in dem ein schönes Mädchen lag. Mond und Sonne mochten wohl miteinander streiten, von wem das Mädchen seine Schönheit habe. Leise nahm Kendsha vom Arm des Mädchens einen Goldreif und steckte ihn in die Tasche. Dann verließ er den Raum. »Jetzt will ich noch in das dritte Zimmer«, überlegte er. Dort war die Pracht noch großartiger. Alle Wände waren mit himbeerfarbener Seide bespannt. Inmitten von sechzehn schönen Dienerinnen schlief in einem silbernen Bett ein Mädchen von solcher Schönheit, dass selbst das herrliche Morgengestirn bereit gewesen wäre, ihm zu dienen. Behutsam löste Kendsha aus dem rechten Ohr des Mädchens ein goldenes Gehänge und steckte es in die Tasche. Danach verließ er den Palast, überstieg die Mauer, schwang sich auf sein Pferd und ritt zu seinen Brüdern. Sie waren noch nicht erwacht. Der Recke Kendsha hielt Wache bis zur Morgenröte und spielte mit seinem Schwert.

Als es hell geworden war, frühstückten die Brüder, sattelten ihre Pferde, saßen auf und setzten ihren Weg fort. Kurze Zeit später erreichten sie eine Stadt und kehrten in einer Karawanserei ein. Sie pflockten ihre Pferde unter einem Schutzdach an, betraten die Teeschenke und ließen sich nieder, um sich auszuruhen. Plötzlich verkündete draußen ein Ausrufer: »Wer Ohren hat, der höre! Heute Nacht hat jemand im Palastgarten zwanzig Räubern die Köpfe abgeschlagen, und jeder Tochter des Königs ist ein goldenes Schmuckstück abhanden gekommen! Unser König wünscht, dass alt und jung ihm dabei helfe, diese rätselhafte Begebenheit zu klären, damit er erfahre, welcher Recke diese Heldentat vollbrachte. Wer in seinem Hause Ankömmlinge aus anderen Städten und Ländern beherbergt, der muss sie sofort in den Palast bringen!«

Der Besitzer der Karawanserei verlangte von seinen Gästen, vor dem Schah zu erscheinen. Die Brüder standen auf und begaben sich ohne Eile in den Palast. Als der Schah erfuhr, dass sie Fremdlinge seien, befahl er, sie in ein besonderes, reich geschmücktes Gemach zu führen, und beauftragte einen Wesir, ihr Geheimnis zu erforschen. Der Wesir sagte: »Wenn wir sie geradeheraus fragen, werden sie uns vielleicht nichts sagen. Besser, wir lassen sie allein und horchen, worüber sie sprechen.« Im Zimmer, wo die Brüder saßen, war außer ihnen niemand. Nun wurde vor ihnen ein Tischtuch ausgebreitet, und man trug alle möglichen Speisen auf. Die Brüder langten zu.

Im benachbarten Gemach saßen der Schah und sein Wesir und lauschten. »Man hat uns Fleisch eines Lammes gegeben«, sagte der Recke Tongutsch, »aber dieses Lamm wurde von einer Hündin gesäugt. Die Könige ekeln sich nicht einmal vor Hundegeruch! Doch was mich wundert: Der Trauben-Bekmes riecht nach Mensch.«

»Da hast du recht«, meinte der Recke Kendsha. »Alle Könige sind Blutsauger. Es kann durchaus sein, dass diesem Trauben-Bekmes Menschenblut beigemischt wurde. Mich wundert etwas anderes: Die Fladen liegen so auf dem Teller, wie nur ein guter Bäcker sie hinzulegen vermag!« Tongutsch stimmte ihm zu: »So wird es wohl auch sein. Hört zu: Man hat uns hergerufen, um zu erfahren, was im Palast geschehen ist. Natürlich wird man uns befragen. Was sagen wir dann?«

»Wir werden nicht lügen«, meinte der Recke Ortantscha. »Wir sagen die Wahrheit.«

»Ja, es ist Zeit, dass wir alles erzählen, was wir in den drei Tagen unterwegs gesehen haben«, fügte der Recke Kendsha hinzu.

Nun begann Tongutsch zu erzählen, wie er in der ersten Nacht mit dem Löwen gekämpft hatte. Er nahm den Riemen aus dem Löwenfell ab und legte ihn vor seine Brüder. Nach ihm berichtete Ortantscha-Batyr vom Geschehen der zweiten Nacht, nahm den Riemen aus der Haut des Schlangenkönigs ab und zeigte ihn seinen Brüdern. Schließlich war die Reihe an Kendsha. Er erzählte, was sich in der dritten Nacht begeben hatte, und zeigte seinen Brüdern die goldenen Schmuckstücke. So erfuhren der Schah und sein Wesir das Geheimnis, konnten aber nicht verstehen, was die Brüder über das Fleisch, den Bekmes und die Mehlfladen gesagt hatten.

Darum ließen sie zuerst den Hirten herbeirufen. »Sage die Wahrheit!« herrschte der Schah ihn an. »Ist das Lamm, das du uns gestern geschickt hast, von einer Hündin gesäugt worden?«

»O gnädiger Gebieter!« jammerte der Hirt. »Wenn Ihr mich am Leben Lasst, werde ich alles erzählen.«

»Sprich die Wahrheit!« befahl der König. Und der Hirt erzählte: »Im Winter ist bei mir ein Schaf verendet. Mir tat das Lämmchen leid, darum legte ich es zu einer Hündin, die es gesäugt hat. Gestern schickte ich gerade dieses Lamm. Es ist mir kein anderes mehr geblieben, weil Eure Diener schon alle geholt haben.«

Nun ließ der Schah den Gärtner holen. »Gestehe!« befahl er. »War dem Bekmes etwa Menschenblut beigemischt?«

»O mein Gebieter!« stammelte der Gärtner. »Es ist da etwas geschehen, und wenn Ihr mein Leben bewahrt, erzähle ich Euch die ganze Wahrheit.«

»Sprich, ich werde dich begnadigen!« versprach der Schah. Da begann der Gärtner: »Im vorigen Sommer stahl mir allnächtlich jemand die besten Weintrauben, die ich für Euch zurückgelassen hatte. Ich verbarg mich im Weingarten und lauerte. Als ich den Dieb herbei schleichen sah, erschlug ich ihn mit einem schweren Knüppel. Dann schaufelte ich unter einem Rebenstock eine Grube und verscharrte den Toten. Im Jahr darauf ist dieser Rebenstock so gewachsen und hat so eine Lese erbracht, dass es mehr Trauben als Blätter gab. Nur ihr Geschmack war ein wenig anders, darum habe ich Euch keine frischen Trauben geschickt, sondern Seim aus ihnen bereitet.« Was die Fladen betraf, hatte der Schah sie selbst auf das Tablett gelegt. Sein Vater war nämlich Bäcker gewesen.

Der Schah trat zu den drei Recken ins Zimmer, begrüßte sie und sagte: »Alles, was ihr erzählt habt, hat sich als wahr erwiesen, jetzt gefallt ihr mir noch besser. Ich habe eine Bitte an euch, liebe Gäste, die ihr anhören sollt.«

»Sprecht sie aus!« bat Tongutsch-Batyr. »Wenn uns Eure Bitte nach dem Sinn ist, werden wir sie erfüllen.«

»Ich habe drei Töchter, aber keine Söhne. Ihr sollt bei mir bleiben. Ich würde meine Töchter mit euch verheiraten, ein Hochzeitsfest veranstalten, die ganze Stadt einladen und vierzig Tage lang alle mit Pilaw bewirten.«

»Was Ihr sagt, ist sehr schön«, erwiderte der Recke Tongutsch. »Aber wie können wir Eure Töchter heiraten, da wir keine Prinzen sind und unser Vater gar nicht reich ist? Euer Reichtum wurde durch Eure Macht erworben, wir aber sind zur Arbeit erzogen.« Der Schah jedoch gab nicht nach. »Ich bin der Gebieter des Landes, und euch hat euer Vater zur Arbeit erzogen. Aber ist ein Vater solcher Recken wie ihr etwa schlechter als ich? In Wirklichkeit ist er reicher. Und nun stehe ich, der Vater von Mädchen, vor denen verliebte Prinzen und mächtige Gebieter der Welt gekniet haben, vor euch und biete euch meine Töchter an.« Die Brüder sagten zu. Der Schah richtete ein großes Fest, man schmauste vierzig Tage lang, und die jungen Recken lebten von nun an im Palast.

Am meisten liebte der Schah seinen jüngsten Eidam, den Recken Kendsha. Eines Tages ruhte sich der König im kühlen Schatten aus. Da kroch aus dem Aryk eine giftige Schlange und hätte den König um ein Haar gebissen. Doch Kendsha war rechtzeitig zur Stelle, zog sein Schwert, hieb die Schlange in zwei Hälften und warf sie beiseite. Kendsha hatte das Schwert noch nicht wieder in die Scheide gesteckt, da erwachte der König, und in seinem Herzen nistete sich Zweifel ein. »Nicht genug, dass ich ihm meine Tochter gegeben habe!« dachte er. »Er will mich also sogar noch töten, um dann selbst König zu werden.«

Er ging zu seinem Wesir und erzählte ihm das Geschehene. Weil der Wesir aber schon lange von Missgunst gegen die Recken erfüllt war, hatte er nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet. Er begann auf den König einzureden: »Ihr habt mich nicht um Rat gefragt, als Ihr Eure geliebten Töchter hergelaufenen Strauchdieben gabt. Nun trachtet Euer lieber Eidam nach Eurem Leben. Seid auf der Hut er wird Euch mit List und Tücke umbringen!« Der Schah glaubte den Worten seines Wesirs und ließ den Recken Kendsha in den Kerker werfen.

Sein Befehl wurde ausgeführt. Tiefe Trauer bemächtigte sich Kendshas junger Gattin. Sie weinte Tag und Nacht, bis Ihre rosigen Wangen fahl wurden. Eines Tages warf sie sich ihrem Vater zu Füßen und flehte ihn an, ihren Gatten freizulassen. Der Schah befahl, Kendsha aus dem Kerker herbeizuführen. »Du bist also voller Heimtücke«, sagte der Schah. »Wie konnte es dir in den Sinn kommen, mich töten zu wollen?« Als Antwort erzählte Kendsha dem Schah die Geschichte des Papageis.