[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die Bohne bis in den Himmel

Es lebte einmal ein Greis mit seinem Weiblein. Der Greis hatte ein Erbslein und sein Weib ein Böhnlein. Da pflanzte das Weib das Böhnlein in den weichen Lehmboden unter dem Bett. Das Böhnlein wuchs, wuchs, es wuchs bis zum Bett empor und durchbohrte das Bett. Dann wuchs es bis zur Decke der Stube und durchbohrte auch die Decke. Danach wuchs und wuchs es bis zum Dachfirst und durchbohrte den First. Danach wuchs und wuchs es, wuchs bis zu den Wolken und bohrte ein Loch in den Himmel. Da fingen Greis und Weiblein an, an dieser Bohne hinauf gen Himmel zu klettern. Das Weiblein kletterte eilig voran und der Greis hinterher.

Sie kletterten und kletterten und stiegen schließlich hinein.

Ermüdet von einer so langen Reise baten sie Gott, ihnen ein Nachtlager zu geben. Gott nahm beide auf und hieß sie auf dem Ofen schlafen. Auf dem Vorofen aber stand Gottes Brotteig zum Backen vorbereitet, und Gott schärfte den beiden Alten ein, diesen Teig nicht anzurühren. Die beiden Alten legten sich auf den Ofen und liegen nun dort. Der Alte schläft sofort ein, aber das Weiblein kann und kann nicht einschlafen: ihr liegt ständig der Brotteig im Sinn, und sie möchte zu gern einmal versuchen, ob Gottes Brotteig wohl gut schmeckt. Als sie ihrer Neugier nicht mehr widerstehen konnte, stieg das Weib herunter vom Ofen und kostete von dem Brot Gottes. Kaum hatte sie das Brot berührt, da begann der Teig zu steigen und über den Rand zu fließen. Das Weib versuchte, ihn wieder in die Teigmolde zurückzuwerfen, doch alles vergebens: der ganze Brotteig floss lustig aus der Molde auf den Fußboden. Das Weib erschrak und weckte den Alten, doch auch der konnte nichts ausrichten. Bestürzt sitzen die beiden Alten auf dem Ofen und jammern. So saßen sie die ganze Zeit, bis die Hähne zu krähen anfingen. Kaum hatte der erste Hahn seinen Schrei ertönen lassen, sofort floss der ganze Teig wieder in die Molde zurück, und der Alte mit seinem Weiblein beruhigte sich.

Am Morgen fragt sie Gott: »Habt ihr auch mein Brot nicht angerührt?«

»Nein«, antworteten die Alten, »wir haben nichts angerührt.«

»Gut, liebe Kinder«, sagt Gott, »dass ihr nichts angerührt habt.« Und er ließ sie zum zweiten Male übernachten. Doch diesmal gebot er ihnen, in einem Bett zu schlafen, und er schärfte ihnen ein, ja nicht sein Wägelchen anzurühren, das unter das Bett geschoben war.

Kaum war der Alte eingeschlafen, da wollte das Weiblein unbedingt wissen, wie Gottes Wägelchen aussieht. Sie zog es unter dem Bett hervor und versuchte sich hineinzusetzen. Kaum hatte sich das Weiblein hineingesetzt, da begann das Wägelchen zu fahren und fuhr überall im Hause umher. Da wurde auch der Alte wach, und als er das Weiblein schon umherfahren sah, lief er hinter ihr her und ruft: »Warte, Weiblein! Warte, Weiblein!« Aber er konnte das Wägelchen nicht einholen, es fuhr und fuhr, bis es auseinander fiel. Da wollten beide, der Alte und das Weiblein, das auseinander gefallene Wägelchen wieder zusammensetzen, doch das konnten sie nicht fertig bringen. Als sie nicht mehr wussten, was sie tun sollten, schoben sie das zerbrochene Wägelchen unter das Bett, setzten sich hin und weinten. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn der Hahn nicht zu krähen begonnen hätte. Als er nämlich zu krähen anfing, war das Wägelchen plötzlich wieder heil und ganz.

Am Morgen fragte Gott die Alten: »Habt ihr auch mein Wägelchen nicht angerührt?«

»Nein«, sagten die Alten, »wir haben es nicht angerührt!«

»Das ist schön«, sagt Gott, »die kommende Nacht will ich euch im Obstgarten schlafen lassen, doch schüttelt mir ja meine Äpfel nicht!«

Die Nacht brach an, und der Greis mit dem Weibe kam in den Obstgarten.

Der Alte legte sich hin und schlief alsbald ein, doch das Weib kann und kann nicht einschlafen. Sie möchte sich gar zu gern wenigstens einen von Gottes Äpfeln abpflücken. Schließlich kann sie nicht mehr widerstehen und pflückte sich einen Apfel ab. Kaum hatte sie den einen Apfel abgepflückt - wie fingen da die Äpfel an, in großen Mengen herunterzufallen! Und sie fielen und fielen, bis auch der letzte heruntergefallen war.

Als das Weib nicht mehr wusste, was sie tun sollte, da reißt sie dem Alten die Haare vom Kopf und bindet und bindet immer wieder Äpfel an die Bäume, doch die Äpfel fallen und fallen weiter. Sie hatte dem Alten schon alle Haare ausgerissen, und noch hatte sie nicht einmal den zehnten Teil der Äpfel wieder angebunden. Als sie so hastig arbeitete, krähte der Hahn, und die Äpfel waren wieder jeder an seinem Platz.

Am Morgen fragt Gott sie wieder: »Habt ihr auch die Äpfel nicht angerührt?«

»Nein«, antworteten die Alten, »wir haben sie nicht angerührt!«

»Na«, sagt Gott, »ihr wollt sie nicht angerührt haben, und der ganze Kopf des Alten ist kahl!« Er war böse geworden, packte sie und warf sie aus dem Himmel auf die Erde.