[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die befreite Königstochter

Es war einmal ein König, der hatte eine einzige Tochter. Doch eines Tages kam der König auf den Gedanken, seine noch kleine Tochter allein einzuschließen, dass sie ohne Menschen aufwachsen und nicht all die Gräuel kennen lernen sollte, die es auf der Welt gibt. Er bestimmte für sie nur eine Wärterin, die die Eingeschlossene aufzog und unterrichtete. Und schon bald war sie herangewachsen und groß geworden.

Oft las sie auch Zeitungen, wusste, dass es eine Welt gibt und kannte alle ihre Schönheiten, doch sah sie nichts von alledem.

Eines Tages bat sie ihre Wärterin, sie möge sie hinauslassen, damit sie draußen ein wenig umherwandeln könne. Diese sagte jedoch: »Der König hat aber befohlen, dich nicht hinauszulassen - wie kann ich dich da hinauslassen?«

»Aber hab doch Mitleid und Lass mich wenigstens ein bisschen umhergehen! Nach den vielen Jahren habe ich hier alles gründlich satt!« Die Wärterin fühlte schließlich Mitleid mit ihr: Sie ließ sie draußen spazieren gehen. Sie ging im Park umher und durch den Palast. Sie freute sich an den Reichtümern ihres Vaters, aber sie sagte: »Ich gehe ans Ufer des Meeres, um dort ein wenig umherzuwandeln.« Am Ufer hatte jedoch ein Hexenmeister mit seinem Schiff angelegt und hatte allerlei nie gesehene Waren mitgebracht, die er dort feilbot. Die Tochter des Königs ging auch dahin, um zu sehen, was für Sachen er verkaufte. Kaum war sie jedoch auf das Schiff gestiegen, da fuhr der Hexenmeister mit der Jungfrau los. Der König erfuhr, dass seine Tochter verschwunden ist, und er schickte überall Sendschreiben herum: »Wenn sie jemand finden sollte, so wird er mein Schwiegersohn, und ich gebe ihm außerdem die Hälfte meines Königreichs.«

Auch ein einfacher Soldat hörte von dieser Sache und sagte: »Ich könnte sie finden.« Kaum hatte man diese Rede gehört, ließ man sofort den König wissen, dass so und so ein Soldat die Königstochter auffinden wolle. Der König berief ihn sogleich zu sich und sagte: »Könntest du meine Tochter auffinden?«

»Ich könnte es. Stattet mir nur ein Schiff aus, für drei Jahre, gebt mir eine Menge Soldaten und dreitausend Rubel für die Reise!« Der König stattete ein Schiff aus, ließ den Kapitän des Schiffes mitfahren und gebot, dass alle während der Reise dem Soldaten gehorchen sollten. Dann gab er ihm dreitausend Rubel für die Reise, und sie fuhren los.

Sie fuhren länger als ein Jahr, sie fuhren über alle Meere.

Sie kommen an ein Königsschloß, sie sehen - es liegt weit vom Ufer. Da sagt der Soldat: »Legt hier an, ich gehe mit zwei Soldaten an Land.« Sie gingen vom Schiff und kamen zu dem Königsschloß, doch der Schlosshof war ringsum von Mauern umgeben, und das Tor war verschlossen. Da zerschlug der Soldat sofort das Türschloss, trat auf den Hof, ging in die Gemächer - nirgendwo findet er jemanden, doch fehlt es sonst an nichts. Da sagt der Soldat zu einem seiner Kameraden: »Bleibe du hier und koche das Mittagessen, und ich gehe mit dem anderen in den Wald auf die Jagd.«

Er kocht also.

Doch als er mit dem Kochen schon fast fertig war, kam so ein kleines Männlein und sagte: »Gib mir, mein Kindchen, etwas von dem Mittagessen! Ich bin so sehr hungrig.« Der Soldat fühlte Mitleid mit ihm und wollte ihm schon etwas zu essen geben, doch das Männlein trat selbst an den Topf - und da hatte es auch schon mit einem Haps alles heraus gefressen! Und dann ging es hinaus.

Die anderen kamen heim, um Mittag zu essen - nichts war gekocht. Sie fragen: »Warum hast du nichts gekocht?« Er sagt: »Solange ich Wasser holte, konnte ich das Feuer nicht anzünden, deshalb konnte ich nichts kochen.« Er sagte nichts von dem, was geschehen war.

Am nächsten Tage blieb der andere, doch ihm geschah das gleiche, und auch er sagte niemandem etwas. Am dritten Tag blieb der Soldat selbst im Schloss. Er sagte: »Ich bleibe heute hier und koche das Mittagessen, und ihr geht auf die Jagd!«

Kaum war er mit dem Kochen fertig, da kam auch schon das kleine Männchen und sagte: »Gib mir Mittagessen, ich bin sehr hungrig.«

»Ich kann dir Mittagessen geben, geizig bin ich nicht: Ich habe genug gekocht.« Das Männlein war kaum an die Töpfe herangetreten - schon hatte es wieder alles heraus gefressen! Jetzt sagte der Soldat: »Nun, nach dem Mittagessen ist es gut, etwas zu trinken!« Sofort brachte er eine Flasche und eine zweite. Der Soldat hütete sich, etwas zu trinken, doch das Männlein wurde ganz betrunken und schlief ein. Der Soldat zog sogleich sein Schwert und hieb ihm den Kopf, die Füße und die Hände ab. Als er ihm nun den Garaus gemacht hatte, begann er sofort durch alle Räume zu wandern und zu wandern. In einem fand er auch die Königstochter.

Als sie sah, dass das ein Soldat aus dem Königreich ihres Vaters war, sagte sie sofort: »Warum bist du hier hergekommen? Mein Mann wird kommen und dich umbringen!« Er sagt: »Fürchte dich nicht, Fräulein! Dein Vater hat mich ausgeschickt, dich zu suchen, und den Hexenmeister habe ich schon zerstückelt, du kannst nun in das Königreich deines Vaters zurückkehren.«

Das Fräulein gab ihm vor Freude ihren Ring. Der Soldat legte den Ring auf das Fenster, nahm allerlei kostbare Sachen: Gold, Diamanten und allerlei Edelsteine, und alle gingen zum Schiff. Sie kamen zum Schiff, doch da fällt dem Soldaten wieder ein, dass er den Ring auf dem Fenster vergessen hat. Er sagt zum Kapitän des Schiffes: »Warte noch, ich gehe den Ring holen!«, und ging zurück. Der Kapitän fuhr aber mit dem Schiff los und ließ den Soldaten zurück. Und er sagte zu dem Fräulein: »Wenn du sagst, dass ich dich gefunden habe, dann ist alles gut, doch wenn nicht, dann werfe ich dich hinunter ins Wasser!« Und das Fräulein musste dem Kapitän schwören, dass er es war, der sie gerettet hatte.

Der Soldat kommt zum Schiff zurück - doch das Schiff ist nicht mehr da! Was sollte er jetzt tun? Er war allein geblieben, keinen Menschen gab es sonst hier. Er ging am Ufer entlang, er ging und ging einige Tage hindurch - und er kam wieder an so ein Königsschloß. Er ging kreuz und quer durch das Haus - doch niemand, durchaus niemand war da! Er fand eine Glocke. Er ließ die Glocke einmal erklingen. Sofort kam der König geritten und sagte: »Was wünschst du, dass du hier läutest?« Der Soldat erzählte ihm, was ihm widerfahren war. Da sagt der König: »Das ist gut, du kannst hier bleiben und mir ein Jahr lang dienen. Hier wirst du alles zu essen und zu trinken haben, und du wirst mein Pferd füttern, und nach einem Jahr werde ich dich in dein Königreich zurücksenden.«

Ob lang oder kurz: das Jahr war vergangen, und er läutete wieder die Glocke. Wieder kam der König geritten. »Na«, sagte er, »ich weiß schon, was du willst. Du kannst gehen. Das Schiff mit der Königstochter ist schon in dein Königreich zurückgekehrt. Ich gebe dir diese Stiefel. Wenn du sie anziehst, wirst du mit einem Schritt eine Meile weit gehen, und mit zwei Schritten zwei Meilen. Und ich gebe dir meinen alten Geldbeutel: Wenn du ihn schüttelst, dann fällt so viel Geld heraus, wie du wünschst.« Er gab ihm die Stiefel und den Geldbeutel und sagte: »Du kannst dich auf die Reise machen - schon schickt sich die Königstochter an, den Kapitän zu heiraten!«

Er dankte dem Herrn für seine Geschenke und ging hinaus. Und wenn er einen Schritt tat, so war es sogleich eine Meile, wenn er den zweiten tat - dann waren es zwei. Und im Handumdrehen kam er heim in sein Königreich. Schon war die Hochzeit der Königstochter mit dem Kapitän ausgerichtet. Er ging in ein Wirtshaus und bestellte ein Mittagessen für zwanzigtausend Rubel. Da kommt der König an dem Wirtshaus vorüber, und er sieht dort ein Schild mit der Aufschrift hängen, dass hier ein Mittag für Zwanzigtausend gegessen wird. Er ging vorbei und sagte: »Ladet den reichen Mann zur Hochzeit ein!«

Die Diener gingen sofort hin und luden ihn ein. Er kam auf die Hochzeit und hielt sich in der Nähe der Königstochter auf. Die Königstochter sieht ihren Ring an seinem Finger und sagt zu ihrem Vater: »Das ist der, der mich gefunden hat! Sieh, er hat auch den Ring, den ich ihm geschenkt habe.« Da ließ der König sogleich den Kapitän erschießen, und sie heiratete den Soldaten.

Und nach dem Tode ihrer Eltern wurde er dort König.