[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die Asrai

Ein Fischer war mit seinem Schleppnetz in der dunklen Nacht auf dem See. Als der Mond aufging, ruderte er sein Boot in den Schatten. Sein Netz wurde schwer, und er hatte Mühe, es einzuziehen. Als der Mond voll am Himmel stand, sah er, dass er eine Asrai gefangen hatte. Das zarte Geschöpf war wunderbar schön anzuschauen. Er hatte alte Leute sagen hören, dass diese Wasserelfen nur einmal in hundert Jahren von ihren kühlen, tiefen Behausungen unter dem Wasser herauskämen, um den Mond anzusehen und um zu wachsen. Diese Asrai schien etwa die Größe eines zwölfjährigen Mädchens zu haben, und so konnte er nicht abschätzen, wie ururalt sie sein musste.

Er sprach zu ihr, denn sie machte ihm keine Angst, und sie schien ihn zu bitten, sie gehen zu lassen. Aber was sie sprach, klang für ihn nur wie das Säuseln im Riedgras am Seeufer. Der Fischer war schon halb entschlossen, sie freizugeben, aber er wollte sie seinen Kindern zeigen, und dann fing er an zu überlegen, dass die reichen Leute im schloss sie vielleicht gern in ihren Fischteichen zeigen wollten und ihn gut dafür bezahlen würden. So verhärtete er sein Herz und begann den weiten Weg nach Hause zu rudern.

Die Asrai streckte einen Arm aus dem Netz heraus und zeigte wieder und wieder auf den schwindenden Mond, und dann legte sie eine Hand auf seinen Arm - »wie kühler Schaum war die Berührung«, sagte er später. Aber die Menschenwärme schien ihr weh zu tun, denn sie schrak vor ihm zurück und drückte sich auf den Boden des Bootes nieder, und dabei bedeckte sie sich mit ihrem langen grünen Haar. Er befürchtete, das Tageslicht könnte für sie zu stark sein, und deckte nasse Binsen über sie. Der See war lang, und die Sonne war aufgegangen, als er zu seiner eigenen Bucht kam.

Er zog das Boot an Land und hob die Binsen von der Stelle weg, an der die Asrai gelegen hatte. Sein Netz war leer, und ein nasser Fleck war alles, was von ihr übrig geblieben war. Aber der Arm, den sie berührt hatte, war eiskalt und blieb es für den Rest seines Lebens, und nichts konnte ihn wieder warm machen.